Aufhebung Wiederaufnahmebescheid mangels WA-Grund
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr Finanzamtes Österreich ) vom betreffend die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2013 zu Recht erkannt:
I)
Der Wiederaufnahmebescheid wird aufgehoben.
ll)
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde fällt in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 und damit in die Zuteilungsgruppe 7002. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurden sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.
Das Finanzamt Österreich trat am an die Stelle des Finanzamtes Salzburg-Stadt (§ 323b Abs. 1 BAO).
Verfahrensgang
Der streitgegenständliche Bescheid wurde mit erlassen und mit Beschwerde vom bekämpft. Nachdem das Finanzamt (kurz FA) darüber mit der Beschwerdevorentscheidung vom entschieden hatte, beantragte der steuerlich nicht vertretene Beschwerdeführer (kurz Bf.) mit Schriftsatz vom die Vorlage an das Bundesfinanzgericht.
Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom vor und beantragte selbst die Aufhebung des bekämpften Bescheides, weil er lediglich eine standardisierte Begründung enthalte, die keine Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Beschwerdefalls aufweist. Konkrete Feststellungen oder belegmäßige Nachweise eines für die Wiederaufnahmeverfahren erforderlichen neu hervorgekommenen Sachverhaltes sowie die rechnerische Darstellung etwa neu hervorgekommener steuerpflichtiger Bezüge durch das Finanzamt fehlen danach.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.
Sachverhalt
Im Streitfall wurden die Wiederaufnahmebescheide wie vom FA selbst vorgebracht nur damit begründet, dass im Rahmen einer steuerlichen Prüfung beim Bundesministerium für Landesverteidigung festgestellt worden sei, dass bei pensionierten Bundesheerbediensteten die Vorteile aus dem Dienstverhältnis (Dienstwohnungen) nicht in der richtigen Höhe angesetzt worden seien. Eine Darstellung der Berechnungsgrundlagen bzw. der neuen Tatsachen erfolgte weder im Wiederaufnahmebescheid noch im korrespondierend Einkommensteuerbescheid. Das Finanzamt wertete danach einen berichtigten Lohnzettel vom Bundesministerium für Landesverteidigung als neue Tatsachen und Beweismittel und erließ für das Jahr 2013 einen Wiederaufnahmebescheid sowie einen neuen Einkommensteuerbescheid 2013.
Rechtliche Beurteilung
Zur Wiederaufnahme
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann von Amts wegen unter anderem dann wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).
Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften. Neu hervorkommen können als Beweismittel (§ 166 BAO) etwa Urkunden (§ 168 BAO) und Aufzeichnungen (z.B. solche gem. § 124 BAO).
Wiederaufnahmsgründe sind nur im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existente Tatsachen oder Beweismittel, die später hervorkommen (nova reperta). Später entstandene Umstände (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe (Verweis auf ; , 96/15/0221). Das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln ist dabei aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. Ritz/Koran, BA07, § 303 Tz 21 ff mit unzähligen weiteren Nachweisen).
Nach der Rechtsprechung des VwGH gehört der maßgebliche Wiederaufnahmstatbestand in den Spruch des Bescheides (; , 90/13/0027; , 91/14/0165; , 96/16/0135). Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so ist die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen. Die Wiederaufnahmsgründe sind in der Begründung anzuführen.
Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich nach der Judikatur des VwGH das Bundesfinanzgericht bei der Erledigung einer gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Beschwerde auf keine neuen Wiederaufnahmsgründe stützen kann. Sie hat nur zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen. "Neue" Wiederaufnahmsgründe können neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen. Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmsgründe in einem bekämpften Bescheid ist auch in der Beschwerdevorentscheidung nicht nachholbar. Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur die entsprechenden Wiederaufnahmsgründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen (vgl. Ritz/Koran, BA07, § 307 Tz 2 ff mit unzähligen weiteren Nachweisen wie auch höchstgerichtlichen Erkenntnissen).
Bei einer amtswegigen Wiederaufnahme wird die Identität der "Sache" iSd § 263 Abs. 1 und § 279 Abs. 1 BAO, über die im angefochtenen Bescheid abgesprochen wurde, durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde als neu hervorgekommen herangezogen wurde. Die Rechtsmittelbehörde kann sich bei der Erledigung gegen die Wiederaufnahme gerichteter Rechtsmittel auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde angeführten Wiederaufnahmegründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme aus anderen Gründen zulässig wäre. Hat das Finanzamt die Wiederaufnahme auf Umstände gestützt, die keinen Wiederaufnahmegrund darstellen, so ist der angefochtene Bescheid im Beschwerdeverfahren ersatzlos aufzuheben, was auch bereits durch Beschwerdevorentscheidung erfolgen kann (vgl. Ritz, SWK 12/2019, 602).
In seinem Erkenntnis , verwies das Bundesfinanzgericht auf (mit weiteren Nachweisen) und die dortigen Ausführungen, wonach ein zum Zeitpunkt des Ergehens des jeweiligen Erstbescheides noch nicht existenter (sondern erst später ausgefertigter) Lohnzettel kein neu hervorgekommenes Beweismittel im Sinne des § 303 BAO (nova reperta) ist, sondern ein nachträglich entstandenes Beweismittel (nova producta), das für sich allein eine Wiederaufnahme nicht rechtfertigt.
Nicht die Übermittlung neuer Lohnzettel als solche, sondern gegebenenfalls erst eine diesen Lohnzetteln zugrundeliegende Tatsache könnte eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen. Den alleinigen Verweis eines Wiederaufnahmebescheides auf einen berichtigten Lohnzettel (auch in Zusammenschau mit den Sachbescheiden) beurteilte das Bundesfinanzgericht wiederholt nicht als hinreichenden Wiederaufnahmegrund.
Der erkennende Einzelrichter schließt sich dieser Beurteilung an.
Hier ist sowohl der Begründung des Wiederaufnahmebescheides wie auch der des Sachbescheides nur zu entnehmen, dass im Rahmen einer steuerlichen Prüfung beim Bundesministerium für Landesverteidigung festgestellt worden sei, dass bei pensionierten Bundesheerbediensteten die Vorteile aus dem Dienstverhältnis (Dienstwohnungen) nicht in der richtigen Höhe angesetzt worden seien. Eine Darstellung der neuen Berechnungsgrundlagen bzw. der neuen Tatsachen erfolgte weder im Wiederaufnahmebescheid noch im korrespondierend Einkommensteuerbescheid. Das Finanzamt ausdrücklich einen berichtigten Lohnzettel vom Bundesministerium für Landesverteidigung als neue Tatsachen und Beweismittel. Dieses Dokument stellt ein "nova producta" dar, da sie im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides, der das Verfahren bis dahin abschloss, noch nicht existierte, sondern erst später erstellt wurde. Die Wiederaufnahme kann deshalb nicht wirksam auf dieses neu produzierte Beweismittel gestützt werden.
Offen blieb im Wiederaufnahmebescheid wie auch im neuen Sachbescheid, warum die Vorteile aus dem Dienstverhältnis in falscher Höhe angesetzt worden sein sollen und worauf sich diese Annahme stützt.
Damit fehlt es dem Wiederaufnahmebescheid an einer entsprechenden Begründung, woran auch eine Detailierung in den Beschwerdevorentscheidungen nichts ändern könnte. Dieser Bescheid war deshalb aufzuheben.
Zur Zulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.
Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100114.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at