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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2022, RV/7500285/2022

Verkürzung von Gebrauchsabgabe: keine Ersitzung im Anwendungsbereich des Verwaltungsrechtes; keine Bindungswirkung des Abgaben-/Nachbemessungsbescheides für das Strafverfahren.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretungen im Jahr 2019 gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 71/2018 und den Verwaltungsübertretungen in den Jahren 2021 und 2021 in der Fassung 57/2019, betreffend Beschwerde vom gegen das Erkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Abgabenstrafen vom , Zahl ***MA***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Vertreters der Beschuldigten und der Behördenvertreterin, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis der belangten Behörde bestätigt.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens iHv € 18,00 (20% der Geldstrafen) zu entrichten.

III. Der Magistrat der Stadt Wien wird gemäß § 25 Abs. 2 BFGG als Vollstreckungsbehörde bestimmt.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Abgabenstrafen, Zahl: ***MA***, vom , wurde ***Bf1***, geboren am ***geb*** (in weiterer Folge: Beschuldigte), wie folgt für schuldig befunden:

"1. Sie haben es zu verantworten, dass im Jahr 2019 vor der ***Adr*** der öffentliche Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch ein Vordach mit einer Grundrissfläche von 0,86 m² (1,9m x 0,45 m) genutzt wurde, wobei Sie hiefür bis zum oben angeführten Tag weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet haben. Sie haben dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2019 bis zum oben angeführten Tag mit dem Betrag von € 24,20 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

2. Sie haben es zu verantworten, dass im Jahr 2020 vor der ***Adr*** der öffentliche Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch ein Vordach mit einer Grundrissfläche von 0,86 m² (1,9m x 0,45 m) genutzt wurde, wobei Sie hiefür bis zum oben angeführten Tag weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet haben. Sie haben dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2020 bis zum oben angeführten Tag mit dem Betrag von € 24,20 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

3. Sie haben es zu verantworten, dass im Jahr 2021 vor der ***Adr*** der öffentliche Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch ein Vordach mit einer Grundrissfläche von 0,86 m² (1,9m x 0,45 m) genutzt wurde, wobei Sie hiefür bis zum oben angeführten Tag weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet haben. Sie haben dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2021 bis zum oben angeführten Tag mit dem Betrag von € 24,20 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBl. Nr. 71/2018.

2. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung.

3. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

1. Geldstrafe von € 40,00, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBl. Nr. 45/2013.

2. Geldstrafe von € 40,00, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung.

3. Geldstrafe von € 40,00, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 120,00."

Im dagegen fristgerecht eingebrachten Einspruch des Vertreters der Beschuldigten vom wird zusammengefasst ausgeführt, dass es sich um kein Vordach handle, sondern um einen minimalen Regenschutz mit Glasplatte, der seit der Jahrhundertwende existiere und im Übrigen die Beschuldigte durch den mehr als 40 Jahre langen unbestrittenen Gebrauch ein Servitut ersessen habe. Das diesem Strafverfahren zugrunde liegende Abgabenfestsetzungsverfahren, ***1*** sei überdies noch nicht rechtskräftig.

Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Abgabenstrafen vom , Zahl: ***MA***, wurde ***Bf1*** wie folgt für schuldig befunden:

"1. Sie haben es zu verantworten, dass im Jahr 2019 vor der ***Adr*** der öffentliche Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch ein Vordach mit einer Grundrissfläche von 0,86 m² (1,9m x 0,45 m) genutzt wurde, wobei Sie hiefür bis zum oben angeführten Tag weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet haben. Sie haben dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2019 bis zum oben angeführten Tag mit dem Betrag von € 24,20 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

2. Sie haben es zu verantworten, dass im Jahr 2020 vor der ***Adr*** der öffentliche Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch ein Vordach mit einer Grundrissfläche von 0,86 m² (1,9m x 0,45 m) genutzt wurde, wobei Sie hiefür bis zum oben angeführten Tag weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet haben. Sie haben dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2020 bis zum oben angeführten Tag mit dem Betrag von € 24,20 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

3. Sie haben es zu verantworten, dass im Jahr 2021 vor der ***Adr*** der öffentliche Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch ein Vordach mit einer Grundrissfläche von 0,86 m² (1,9m x 0,45 m) genutzt wurde, wobei Sie hiefür bis zum oben angeführten Tag weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt, noch die Gebrauchsabgabe entrichtet haben. Sie haben dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2021 bis zum oben angeführten Tag mit dem Betrag von € 24,20 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBl. Nr. 71/2018.

2. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBl. Nr. 57/2019.

3. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B5 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBl. Nr. 57/2019.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

1. Geldstrafe von € 30,00, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung des LGBl. Nr. 45/2013.

2. Geldstrafe von € 30,00, falls diese uneinbringliche ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung.

3. Geldstrafe von € 30,00, falls diese uneinbringliche ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden § 16 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der derzeit geltenden Fassung.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:€ 30,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt.Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher € 120,00.

Begründung:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.

Im vorliegenden Fall geht aus den Feststellungen eines Kontrollorganes der Stadt Wien hervor, dass Sie es zu verantworten haben, dass der öffentliche Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, durch die oben angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen wurde.

Im Einspruch wurde eingewendet, dass Sie ausschließlich zu GZ ***1*** eine Zahlungsvorschreibung des Magistrates der Stadt Wien, MA 46, betreffend die Vorschreibung einer Gebrauchsabgabe erhalten und gegen diese Vorschreibung Beschwerde erhoben hätten. Dies mit der Begründung, dass es sich um kein Vordach handle, sondern lediglich um einen minimalen Regenschutz mit Glasplatte, der seit der Jahrhundertwende existiere. Abgesehen davon hätten Sie durch den mehr als 40 Jahre langen unbestrittenen Gebrauch ein Servitut ersessen. Aus diesen Gründen sei jedenfalls keine Gebrauchserlaubnis zu zahlen.Des Weiteren wurde vorgebracht, dass die Magistratsabteilung 46 über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom entschieden hätte, worauf Sie am einen Vorlageantrag gestellt hätten. Dieses Verfahren sei bislang noch nicht rechtskräftig geworden und hätte noch nicht einmal eine Beschwerdeverhandlung stattgefunden. Das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren sei einzustellen, da das Verfahren zur Zahl ***1*** bislang noch nicht rechtskräftig beendet sei.

Den Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Dem Tarif B Post 5 des Gebrauchsabgabegesetzes zufolge ist für "Wetterschutz und Vordächer" eine Gebrauchsabgabe zu entrichten. Es ist daher unerheblich, aus welchem Material der verfahrensgegenständliche festgestellte Gegenstand, der am Gebäude über dem Eingang zum Feststellungszeitpunkt angebracht war, gefertigt wurde. Nachdem im Einspruch vorgebracht wurde, dass es sich um einen "Regenschutz mit Glasplatte" handle, der seit der Jahrhundertwende existiere, wird damit der objektive Sachverhalt vielmehr bestätigt.

Wie bereits in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung der Magistratsabteilung 46 zur Zahl ***1*** vom angeführt, findet bei Gegenständen des Gebrauchsabgabegesetzes eine Servitutsbegründung nicht statt.

Entgegen Ihrer Annahme ist der Abschluss eines Abgabenbemessungsverfahrens nicht Voraussetzung für ein Verwaltungsstrafverfahren in der selben Angelegenheit; der Inhalt von Abgabenbescheiden entfaltet weder hinsichtlich der Sachverhaltsannahme, noch in Bezug auf die rechtliche Beurteilung Bindungswirkung für die Strafbehörde (siehe Erkenntnis des Zl.: 87/17/0349).

Nachdem der objektive Sachverhalt unbestritten blieb und Ihr Vorbringen im Hinblick auf die subjektive Tatseite keinen geeigneten Schuldausschließungsgrund erkennen ließ, waren die angezeigten Übertretungen als erwiesen anzusehen.

Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ( Zl.: 87/17/0349).

Ad 1. […]

Ad 2. […]

Die verhängten Geldstrafen sollen durch ihre Höhe geeignet sein, Sie wirksam von einer Wiederholung abzuhalten (Spezialprävention). Als erschwerend war kein Umstand zu werten.

Als mildernd war Ihre verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie die nachträgliche Schadensgutmachung in vollem Umfang zu werten. Die Strafen waren daher spruchgemäß zu mindern.

Eine weitere Herabsetzung der verhängten Geldstrafen kam auch bei Annahme ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse aus spezialpräventiven Gründen nicht in Betracht. Die Verschuldensfrage war aufgrund der Aktenlage zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden. Der Ausspruch über die Kosten ist im § 64 Abs. 2 VStG begründet."

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde(Anm: ursprünglich gerichtet an das Landesverwaltungsgericht Wien) der Beschuldigten vom wurde das Einspruchsvorbringen wiederholt und dabei neu vorgebracht, dass das verfahrensgegenständliche Haus nach einem Bombentotalschaden 1945 neu errichtet wurde und auch der Regenschutz wieder angebracht worden sei; der minimale Regenschutz bestehe daher also seit ca. 120 Jahren und sei damit ein Servitut entstanden. Dieses sei kostenlos und dürfe nicht nachträglich mit Abgaben belastet werden. Die Beschuldigte stellte in der Beschwerde den Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.

Im Zuge eines Vorhalteverfahrens vom teilte die belangte Behörde mit, dass wie auch im Vorlageschreiben ausgeführt, aus dem Internet, Google Maps, erweislich sei, dass - entgegen den Behauptungen der Beschuldigten, der Gegenstand sei seit 120 Jahren vorhanden - 2017 und 2018 kein solches Vordach montiert war und dieses erst seit 2019 montiert war. Dass es sich um ein modernes Vordach handele, sei bereits aus der Konstruktion für jedermann klar ersichtlich. In den 90 Jahren seien Pächterinnen irrtümlich als Vordächer bezeichnete Markisen über anderen Fenstern am Gebäude bewilligt worden. Dabei handelte es sich nicht um das gegenständliche Vordach. Ein Antrag um Gebrauchserlaubnis wurde für das gegenständliche Vordach bis dato nie eingebracht. Weiters wurde mitgeteilt, dass die Beschuldigte verwaltungsbehördlich unbescholten sei.

Das Bundesfinanzgericht hat am eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Befragt zu den widersprüchlichen Zeitangaben im Einspruch einerseits (der Wetterschutz bestehe seit 40 Jahren) und in der Beschwerde andererseits (Bestehen des Wetterschutzes seit der Jahrhundertwende, ergo über 120 Jahre und erstmals das Vorbringen, dass das Haus 1945 bombardiert wurde und im Anschluss neu gebaut wurde) konnte der Vertreter der Beschuldigten diesen Widerspruch nicht auflösen. Er beharrte darauf, dass das Vordach/der Wetterschutz durchgehend angebracht gewesen sei. Nach Vorhalt der entsprechenden Fotoaufnahmen aus dem Verwaltungsakt, aus denen hervorgeht, dass das Dach im Jahr 2017 und 2018 (noch) nicht vorhanden gewesen sei, brachte der Vertreter eine völlig neue Begründung, nämlich, dass zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt eine Fassadenrenovierung stattgefunden habe, vor. Er verwies weiter auf die Servitutsbegründung und nannte als Gründe für die Strafmaßnahmen der Stadt Wien deren finanzielle Schwierigkeiten. Dieses Detail konnte er aus seiner ehemaligen Tätigkeit als Gemeinderat vorbringen. Dass es die Gebrauchsabgabepflicht in Wien gäbe, sei ihm bekannt, allerdings nur in Hinblick auf "große" Werbetafeln. Befragt, bei welcher Größe er die Gebrauchsabgabenpflicht bejahe gab er bekannt, dass diese bei "großen" Werbetafeln natürlich eintrete, nicht hingegen bei "lächerlich kleinen Vordächern". Erkundigungen habe er bei den zuständigen Stellen nicht eingeholt, er habe das Recht ja ersessen. Er führte weiters aus, dass er sich bei einer anderen Liegenschaft der Beschuldigten ebenfalls mit dem Magistrat wegen der Gebrauchsabgabenpflicht im Streit befinde. Nicht zuletzt komme das Vordach ja den Mietern zu Gute und sei die belangte Behörde, die Stadt Wien, doch auch immer sehr mieterfreundlich.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde an das Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet. Unmittelbar danach wurde die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie eine Belehrung gem. § 29 Abs. 2a VwGVG dem Vertreter und der Behördenvertreterin ausgefolgt.

Der Vertreter begehrte im Anschluss der Verkündung des Erkenntnisses die Ausfertigung der Entscheidung.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Festgestellter Sachverhalt

Die Fassade des streitverfangenen Gebäudes, bildet laut Google Street view, (dem behördeninternen Vermessungsprogramm) Kappazunder und den Angaben in der mündlichen Verhandlung, die Grenze zum öffentlichen Luftraum in der Gemeinde, der als Gehsteig ausgebaut ist, und dem öffentlichen Verkehr dient. Das Vordach ragt in den Luftraum dieses öffentlichen Grundes der Gemeinde. Es liegt für das Vordach keine Gebrauchserlaubnis vor. Die Beschuldigte hat als Miteigentümerin der Liegenschaft ***Adr*** hinsichtlich der Jahre 2019 bis 2021 für das über den Eingang befindliche Vordach/Wetterschutz, weder eine Gebrauchserlaubnis bewirkt noch die Gebrauchsabgaben entrichtet. Fest steht weiters, dass am sowie im September 2018 ein solches Dach nicht vorhanden war.

Der dahingehende Nachbemessungsbescheid der belangten Behörde, Zahl ***1***, wurde am erlassen und ist zwischenzeitig (mangels rechtzeitiger Vorlage der Vollmacht im Abgabenbeschwerdeverfahren) in Rechtskraft erwachsen.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Darüber hinaus ergeben sich keinerlei Hinweise aus dem Verwaltungsakt, die an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zweifeln lassen.

Bei "Kappazunder" handelt es sich um einen digitalen Bild-Datendienst, mit dem das (Wiener) Stadtgebiet dreidimensional dargestellt wird.

Im vorliegenden Fall wurde in freier Beweiswürdigung, abstellend auf zweifelsfreie Aktenbestandteile festgestellt, dass das verfahrensgegenständliche Vordach/der Wetterschutz in den angelasteten Zeiträumen 2019 bis 2021 vorhanden war und von der Beschuldigten dafür weder um eine Gebrauchsabgabenbewilligung angesucht wurde, noch entsprechende Gebrauchsabgabe entrichtet wurde. Dies wurde durch die Beschuldigte auch nicht in Abrede gestellt. Im vorliegenden Beschwerdefall war lediglich die Frage strittig, wie lange das Vordach bereits existiert und ob diesbezüglich eine Ersitzung möglich ist. Die weitere Feststellung, wonach der Wetterschutz an zwei Stichtagen in den Jahren 2017 und 2018 eindeutig nicht vorhanden war, wurde in der mündlichen Verhandlung durch den Vertreter letztendlich bestätigt. Seine widersprüchlichen Versionen zur Frage, wie lange der Wetterschutz nun tatsächlich schon am Objekt ***Adr*** angebracht ist, wurden um das Vorbringen der Fassadenrenovierung in der mündlichen Verhandlung erweitert. Nähere Angaben zu dieser Renovierung blieb der Vertreter dem Gericht allerdings schuldig. In Anbetracht der Tatsache, dass derartige Instandhaltungsarbeiten grundsätzlich sehr kostenintensiv und nicht alltäglich sind sowie aus dem Umstand, dass diese Rechtfertigung erst nach Vorlage der entsprechenden Fotos aus dem Verwaltungsakt erstattet wurde, geht das Gericht davon aus, dass das Vordach erst nach dem September 2018 erstmals angebracht wurde. Auch die moderne Konstruktion des Daches spricht nicht für das Vorhandensein seit der Jahrhundertwende. Im Übrigen wurden, wie von der Behördenvertreterin zu Recht hingewiesen, nur die Jahre 2019-2021 angelastet, die in dieser Frage unstrittig sind. Das Eingehen auf die Dauer des Vorhandenseins des Daches (im Zeitraum davor) wurde lediglich für die weitere strittige Frage, nämlich die (Dauer einer etwaigen) Ersitzung als sachverhaltserhellend erhoben; wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden, handelt es sich hierbei jedoch um eine Rechtsfrage.

Rechtsgrundlagen

§ 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nur auf Antrag zulässig.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 GAG ist ein Antrag auf Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nach den Tarifen D Post 1 und D Post 4 mindestens 8 Wochen vor der beabsichtigten Gebrauchsnahme einzubringen.

Gemäß § 9 Abs. 1a GAG ist derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt, haben - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a GAG wird die Gebrauchsabgabe als bescheidmäßig festzusetzende Abgabe erhoben. Zu dieser gehören die einmaligen Geldleistungen (einmalige Abgabe), die monatlich wiederkehrenden Geldleistungen (Monatsabgabe) und die jährlich wiederkehrenden Geldleistungen (Jahresabgabe).

Gemäß § 11 Abs. 1 GAG ist die Abgabe im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. a in dem die Gebrauchserlaubnis erteilenden Bescheid oder durch gesonderten Abgabenbescheid festzusetzen.

§ 11 Abs. 4 GAG: Die Monatsabgabe ist für jeden begonnenen Abgabenmonat zu entrichten; Abgabenmonat ist der Kalendermonat. Die Abgabe wird mit Ablauf des Monats nach Bekanntgabe des die Gebrauchserlaubnis erteilenden Bescheides bzw. des gesonderten Abgabenbescheides fällig. Wird die Gebrauchserlaubnis für mehr als einen Monat erteilt, wird die Abgabe für den gesamten in das begonnene Kalenderjahr fallenden Zeitraum mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des die Gebrauchserlaubnis erteilenden Bescheides bzw. des gesonderten Abgabenbescheides fällig.

§ 16 Abs. 1 GAG: Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe

verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 42.000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.

Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgaben

B. Jahresabgaben je begonnenes Abgabenjahr

5. für Wetterschutz und Vordächer 25,50 Euro für den ersten begonnenen m² der Grundrissfläche, für jeden weiteren begonnenen m² 16,50 Euro; die Abgabe erhöht sich für beleuchtete Vordächer um 16,50 Euro je begonnenen m² der beleuchteten Fläche;

Objektive Tatseite

Zum Einwand der Servitutsbegründung:

Wenn die Beschuldigte behauptet, durch die Servitutsbegründung entstehe keine Gebrauchsabgabenpflicht, so bleibt sie selbst dafür jeden Beweis schuldig. Da via Einsichtnahme in elektronische Bildaufzeichnungsportale das Vorhandensein des Vordaches, wie oben ausgeführt, erst nach September 2018 bestätigt werden konnte, vermögen diese unqualifizierten Einwendungen keinen Zweifel an der Richtigkeit der festgestellten Abgabenverkürzung zu erwecken. Der Umstand, dass bislang nicht um eine Gebrauchserlaubnis angesucht wurde, ist aktenkundig und wird von der Beschuldigten auch nicht in Abrede gestellt.

Das Rechtsinstitut der Ersitzung/Dienstbarkeit ist den hier betroffenen Verwaltungsgesetzen fremd (sowohl dem materiellen GAG, als auch den Verfahrens- u. Strafnormen des VStG, VwGVG, AVG). Die Beschuldigte beruft sich offenbar auf die zivilrechtlichen Bestimmungen aus dem ABGB.

§ 472 ABGB: Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigenthümer verbunden, zum Vortheile eines Andern in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen. Es ist ein dingliches, gegen jeden Besitzer der dienstbaren Sache wirksames Recht.

Ein Servitut entsteht entweder durch Vertrag, durch Ersitzung, behördliche Entscheidung oder durch Offensichtlichkeit. Der Begriff Ersitzung bezeichnet die 30-jährige Nutzung einer Dienstbarkeit (bzw. 40-jährige bei juristischen Personen).

Abgesehen davon, dass selbst die 30-jährige Nutzungsdauer im konkreten Fall nicht nachgewiesen werden konnte, judiziert der VwGH zu "Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht" folgendes:

Eine Ersitzung kommt im öffentlichen Recht nicht in Frage, es sei denn, dass sie in einem Gesetz ausdrücklich anerkannt wird (Hinweis E vom , 437/65). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, in welcher Rechtsform die Behörde ihre Aufgaben zu besorgen hat, ob es sich dabei also etwa um eine hoheitliche Erledigung durch Bescheid oder um eine Erledigung in Form einer Zustimmung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung handelt. Entscheidend ist lediglich, dass die Behörde die Zustimmung in Besorgung ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises zu erteilen hat (Hinweis E vom , 513/61; vgl. ).

Schon im Hinblick auf diese Entscheidung scheidet es aus, dass die Beschuldigte das Recht, einen Sondergebrauch des Luftraumes durch die gegenständliche Baulichkeit herbeizuführen, ersessen hätten, ebenso auch, dass die notwendige Bewilligung konkludent erteilt werden könnte.

Im öffentlichen Recht gibt es eine Ersitzung iSd ABGB nicht, es sei denn, dass sie gesetzlich ausdrücklich anerkannt wird (Hinweis E , 437/65, VwSlg 7086 A/1967, und E , 86/07/0214, VwSlg 12294 A/1986; vgl. auch: , VwGH, , 89/07/0185). Dies ist in der vorliegenden Beschwerdesache nicht der Fall.

Die dem angefochtenen Straferkenntnis zugrundeliegende verkürzte Gebrauchsabgabe hängt auch nicht davon ab, wer das die Gebrauchsabgabepflicht auslösende Vordach hergestellt bzw. am Gebäude angebracht hat. Diese wurde vielmehr für den Gebrauch des über den öffentlichen Grund der Gemeinde befindlichen Luftraumes (ohne vorliegende Gebrauchserlaubnis) festgesetzt. Eine Verkürzung liegt in solchen Fällen bereits dann vor, wenn eine Abgabe unter Verletzung einer Anzeigepflicht nicht zu den vorgesehenen Terminen entrichtet wurde (vgl. 94/69).

Zum selben Ergebnis führen die (allgemeinen) Strafverfolgungs- und Verjährungsbestimmungen des VStG, deren Regelung obsolet wäre, wenn eine anfangs widerrechtliche Benutzung des öffentlichen Grundes (Luftraumes) zu einem durch Zeitablauf rechtmäßigen Umstand inklusive Abgabenbefreiung auf Lebzeiten führen würde. Eine Servitutsbegründung ist daher in diesem Bereich des Verwaltungsverfahrens unmöglich.

Die seitens der Beschuldigten vorgebrachte Ersitzung stellt somit keinen wie immer gearteten Nachweis für die Behauptung, dass sich das hier in Rede stehenden Vordach nicht über öffentlichen Grund befinden würden, dar und kann somit der Beschwerde in objektiver Hinsicht nicht zum Erfolg verhelfen. Eine, von der Beschuldigten unsubstantiiert in den Raum gestellte, ihre Ansicht stützende, Rechtsprechung zur Ersitzung von dem Gebrauchsabgabengesetz unterliegenden Gegenständen liegt weder vor noch ist dies mit dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen vereinbar.

Die dem angefochtenen Straferkenntnis zugrunde gelegte objektive Tatseite wurde daher seitens der belangten Behörde zu Rechts als erwiesen angenommen.

Das Vorbringen, wonach das Vordach dazu diene, die Mieter beim Betreten und Verlassen des Hauses vor Regen zu schützen, vermag die Beschuldigte von der Verpflichtung der Erwirkung einer Gebrauchserlaubnis ebenso nicht zu entheben. Auf die weiteren Anschuldigungen gegen die Stadt Wien im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Geldbeschaffungsaktionen; mieterfreundiche Politik) war mangels Relevanz für das konkrete Strafverfahren nicht weiter einzugehen.

Zum Einwand der fehlenden Rechtskraft des Nachbemessungsbescheides:

Zum Beschwerdeeinwand der Beschuldigten, das angefochtene Straferkenntnis beruhe auf einem nicht rechtskräftigen Nachbemessungsbescheid wird im angefochtenen Erkenntnis zutreffend darauf verwiesen, dass die Behörde im Verwaltungsstrafverfahren nicht an die zugrundeliegenden Abgabenbescheide gebunden ist. Ein rechtskräftig abgeschlossenes Abgabenverfahren ist nämlich nicht Voraussetzung für das weiterführende Strafverfahren (). Der Inhalt von Abgabenbescheiden entfaltet weder hinsichtlich der Sachverhaltsannahme noch in Bezug auf die rechtliche Beurteilung Bindungswirkung (Hinweis E , 84/17/0218).

Im Übrigen wird festgehalten, dass das Abgabenfestsetzungsverfahren, hinsichtlich ***Bf1***, geboren am ***geb***, zwischenzeitig sehr wohl rechtskräftig abgeschlossen wurde.

Subjektive Tatseite:

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Aufgrund der Aktenlage ist es als erwiesen anzusehen, dass die Beschuldigte den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, in Anspruch genommen hat ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten. Sie hat somit die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt.

Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein. Es bedarf bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht vielmehr einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen. Die entsprechenden Erkundigungen können bei den Behörden oder auch bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person eingeholt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung schließt die Auskunft der zuständigen Behörde zu einem bestimmten Sachverhalt ein Verschulden aus, sofern der danach verwirklichte Sachverhalt in den relevanten Punkten mit dem angefragten übereinstimmt (vgl. Zl. Ro 2014/02/0062, mit weiteren Nachweisen). Auch eine Orientierung an der von der dafür zuständigen Behörde selbst erteilten Auskunft zu einem bestimmten Sachverhalt kann einen Beschuldigten entschuldigen (, ). Desgleichen kann das Vertrauen auf die Rechtsauskünfte sachkompetenter Informanten, der VwGH verweist insoweit auf die Auskünfte der gesetzlichen beruflichen Vertretungen (, 0023), zu einem entschuldbaren, nicht vom Verschulden umfassten, Irrtum führen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat sich jedoch jeder "mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen" (). Die Beschuldigte behauptet im gegenständlichen Fall nicht einmal, an unabhängiger Stelle (z.B. bei der zuständigen Magistratsabteilung, bei der Wirtschaftskammer etc.) Erkundigungen eingeholt zu haben und bringt auch nicht vor, was der Inhalt allfälliger Erkundigungen bei eventuell Kontaktierten gewesen sei.

Weiters wurden die hier relevanten Gesetzesbestimmungen in den Wiener Landesgesetzblättern kundgemacht und die Beschuldigte wäre als Hauseigentümerin, Vermieterin und somit Normadressatin verpflichtet gewesen, sich über die damit verbundenen gesetzlichen Bestimmungen und Abgabepflichten zu informieren.

Die Beschuldigte hat nach ihrer eigenen glaubwürdigen Verfahrenseinlassung nicht zuletzt durch ein - von ihrem Vertreter im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebrachten -weiteren Verfahren nach dem Gebrauchsabgabengesetz sehr wohl Kenntnis vom Bestehen einer Gebrauchsabgabeverpflichtung, hat jedoch weitere Erkundigungen diesbezüglich deswegen unterlassen.

Die Beschuldigte trifft daher ein Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht. Eine Liegenschaftseigentümerin hat sich selbstverständlich auch mit den einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich der Anmeldung bzw. Entrichtung der damit verbundenen Abgaben auseinanderzusetzen wenn Veränderungen an der Liegenschaft vorgenommen werden. Daher ist das Unterlassen dieser Erkundigungspflicht jedenfalls vorwerfbar und durfte die belangte Behörde sohin zu Recht von einer Verletzung der der Beschuldigten zukommenden Sorgfaltspflicht und somit von einer fahrlässigen Handlungsweise, welche gemäß § 5 Abs. 1 VStG für eine Strafbarkeit genügt, ausgehen.

Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ( Zl. 87/17/0349).

Die Beschuldigte wäre verpflichtet gewesen, sich hinsichtlich des Vordaches beim Magistrat zu erkundigen, ob es dazu einer Bewilligung bedarf, dann hätte sie auch Kenntnis davon erlangt, dass dazu neben der benötigten Gebrauchserlaubnis eine sich aus der nachfolgenden bescheidmäßigen Festsetzung ergebende Zahlungsverpflichtung gibt. Wegen ihrer Sorgfaltspflichtverletzung ist mangels Kenntnis der Behörde von der Steuerpflicht die Erlassung eines Festsetzungsbescheides basierend auf einer Meldung der Beschuldigten unterblieben und wurde in Folge in den nachfolgenden Jahren gegen die Entrichtungsverpflichtung nach § 11 Abs. 3 GAG verstoßen was zu einer Verkürzung der Abgabe führte.

Strafbemessung:

Gemäß § 16 Abs. 1 GAG sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 21.000 Euro, ab bis 42.000 Euro, zu bestrafen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Zur Höhe der verhängten Geld- und Ersatzfreiheitstrafen hat die Beschuldigte, abgesehen von dem ohnehin amtsbekannten, allgemeinen Hinweis auf die Beziehung von Penisonseinkünften, kein Beschwerdevorbringen - wie etwa die Bekanntgabe ihrer aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse - erstattet.

Ausgehend von einer fahrlässigen Handlungsweise der Beschuldigten sah die Verwaltungsstrafbehörde bei der Strafbemessung als mildernd, dass die verkürzte Abgabe inzwischen entrichtet worden ist (Wiedergutmachung) sowie die Unbescholtenheit der Beschuldigten an. Als erschwerend war kein Umstand zu werten.

Für die Annahme ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse besteht in Anbetracht des Umstandes, dass die Beschuldigte Eigentümerin einer (großen) Liegenschaft ist, deren Wohn- und Geschäftseinheiten vermietet sind, keine Veranlassung. Bei der Beurteilung der Strafbemessung werden daher durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse zugrunde gelegt.

Die verhängten Geldstrafen sollen durch ihre Höhe geeignet sein, wirksam von einer Wiederholung abzuhalten (Spezialprävention). Diese Aussage ist jedoch generell zutreffend, daher ist es auch geboten bei Verwaltungsübertretungen mit einer äußerst geringen Abgabenverkürzung eine Geldstrafe zu verhängen, die diese Wirkung erzielen soll. Wie ausgeführt, hat die Beschuldigte ihre gesetzlichen Verpflichtungen, sich als Hauseigentümerin auch über sie treffenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen an geeigneter Stelle zu erkundigen, rechtzeitig um Gebrauchserlaubnis anzusuchen und zeitgerecht die Gebrauchsabgabe zu entrichten, vollumfänglich verletzt, sodass weder die Intensität der Beeinträchtigung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes noch das Verschulden als gering angesehen werden können, sodass die Verhängung einer Geldstrafe im gegenständlichen Fall geboten war und die Voraussetzungen für eine Ermahnung nicht gegeben sind.

Die von der belangten Behörde festgesetzte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe für die hier zugrundeliegende - zur subjektiven Tatseite begründete - fahrlässige Handlungsweise der Beschuldigten ist unter Berücksichtigung sämtlicher Milderungsgründe schuld- und tatangemessen und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Kostenentscheidung

Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.

Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG weitere € 18,00 als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.

Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG idF BGBl l 2013/33 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.

Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.

Hier erweist sich das Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich sowie Wanke/Unger, BFGG § 25 BFGG Anm. 6).

Zahlungsaufforderung

Gemäß § 54b VStG und § 52 VwGVG hat der Beschwerdeführer den Strafbetrag sowie die Kostenbeiträge des verwaltungsbehördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu bezahlen. Für allfällige Ratenvereinbarungen ist der Magistrat zuständig.

[...]

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen und angeführten höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen ab. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 5 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 472 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 5 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500285.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at