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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.10.2022, RV/7102611/2022

Erstattung einer Negativsteuer, wenn kein Einkommen erzielt und die Familienbeihilfe an den Ehegatten ausgezahlt wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2021 des Finanzamtes Österreich vom Steuernummer ***BF1StNr1***

zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die Einkommensteuer wird in Höhe von -669,00 € (Gutschrift) festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Aus dem elektronisch vorgelegten Akt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin (Bf.) eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 am30.01.2022 eingereicht hat. Bei der Anzahl der (inländischen) gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen gab die Bf. den Wert "0" (Null) an. Die Bf. habe den Alleinerzieherabsetzbetrag für 2 Kinder, für die sie für mindestens 7 Monate die Familienbeihilfe bezogen hat., beantragt. Weiters habe die Bf. den ganzen Familienbonus Plus für beide Kinder beantragt.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung abgewiesen, weil die Bf. im Veranlagungszeitraum keine steuerpflichtigen Bezüge hatte. Ebenso sei der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. innerhalb offener Frist Beschwerde und beantragte die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass Voraussetzung für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages sei, wenn Alleinerziehende im betreffenden Kalenderjahr für mehr als 6 Monate Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag haben. Diese werde mit der Familienbeihilfe ausbezahlt.

Da die Bf. laut Aktenlage erst ab Juni 2022 die Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder bezogen habe (bis dahin durch Herrn Gatte), sei der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu berücksichtigen.

Mit Eingabe vom stellte die Bf. fristgerecht einen Vorlageantrag und stellte folgende Anträge.

  1. Durchführung einer mündlichen Verhandlung

  2. Einvernahme von Herrn Gatte

  3. Einvernahme der Bankberaterin

Beigelegt wurde der Beschluss über die einvernehmliche Scheidung vom und die Bestätigung der ZMR-Meldung ihres nunmehr geschiedenen Gatten.

Ihr geschiedener Gatte und die Bankberaterin könnten bezeugen, dass das Familienkonto ausschließlich von der Bf. genutzt worden sei und dass ihr Ehegatte ein eigenes Konto gehabt habe.

Mit Vorlagebericht vom wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Mit Ladung vom wurde die Bf. zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Bf. wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht keine Veranlassung sieht, die beantragten Zeugen zu vernehmen, da diese Tatsachen nicht in Zweifel gezogen werden und es sich ausschließlich um eine Rechtsfrage handle.

Mit Fax vom hat die Bf. den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Bei der Bf. wurden im streitgegenständlichen Jahr 2021 Einkünfte vom Arbeitsmarktservice Österreich im Zeitraum vom bis und vom bis sowie Einkünfte von der Österreichischen Gesundheitskasse im Zeitraum vom bis gemeldet.

Die Familienbeihilfe für die beiden Kinder der Bf. wurden an den Kindesvater, Herrn Gatte bis Mai 2022 ausbezahlt.

Die Ehe der Bf. wurde am geschieden und zeitgleich die eheliche Hausgemeinschaft aufgelöst.

Bis zur Scheidung hatten die Ehegatten den gleichen Wohnsitz, im Zuge der Scheidung, am , verlegte der Kindesvater und nunmehr ehemalige Exgatte seinen Hauptwohnsitz nach Steyr.

Die beiden Kinder, Kind1 und Kind2 waren weiterhin bei der Bf. hauptwohnsitzlich gemeldet.

2. Beweiswürdigung

Laut der Datenbanken der Finanzverwaltung steht zweifelsfrei fest, dass die Bf. im Kalenderjahr 2021 ausschließlich Arbeitslosen- und Krankheitsgelder bezog. Sie hatte keine zusätzlichen Einkünfte, weder aus einem lohnsteuerpflichtigen Beschäftigungsverhältnis noch andere Einkünfte.

Aus dem Zentralen Melderegister ist ersichtlich, dass die Kinder Milena und Adrien und der Exmann der Bf., Gatte bis den gleichen Hauptwohnsitz wie die Bf. hatten. Die beiden Kinder sind weiterhin bei der Bf. hauptwohnsitzlich gemeldet.

Aus der Verwaltungsakt ergibt sich, dass die Familienbeihilfe für die beiden Kinder an Herrn Gatte ausbezahlt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Rechtsgrundlagen:

§ 39 Abs. 1 EStG 1988: Die Einkommensteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen. Sind im Einkommen Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten, so bleiben Überschüsse aus dieser Einkunftsart außer Ansatz, wenn sie 22 Euro nicht übersteigen.

§ 40 EStG 1988: Eine Veranlagung erfolgt nach § 39 auch bei Steuerpflichtigen, die kein Einkommen, aber Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag oder auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben und die Erstattung dieses Absetzbetrages beantragen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraumes gestellt werden.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988: Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 33 Abs. 4 EStG 1988: Darüber hinaus stehen folgende Absetzbeträge zu, wenn sich das Kind ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält:

1. Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu.

2. Alleinerziehenden steht ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich

  1. bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,

  2. bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.

Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

§ 33 Abs. 8 Z 1 EStG 1988: Ergibt sich nach Abs. 1 und 2 eine Einkommensteuer unter null, ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten.

§ 33 Abs. 8 Z 5 EStG 1988: Die Erstattung erfolgt im Wege der Veranlagung gemäß § 41 und ist mit der nach Abs. 1 und 2 berechneten Einkommensteuer unter null begrenzt.

§ 106 Abs. 1 EStG 1988: Als Kinder im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner (Abs. 3) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 zusteht.

§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz): Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

§ 2 Abs. 2 FLAG 1967: Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen wie Krankengeld während Arbeitslosigkeit (Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, Kommentar, Band 1, Tz 23 zu § 3 EStG 1988) von der Einkommensteuer befreit.

Daraus folgt rechtlich:

Unstrittig steht fest, dass die Bf. im verfahrensgegenständlichen Jahr ausschließlich steuerfreie Leistungen vom Arbeitsmarktservice und von der Österreichischen Gesundheitskasse bezogen hat und mangels Einkommen nicht veranlagt wurde. Nun ist zu prüfen, ob die Bf. trotzdem einen Anspruch auf den Alleinerzieherabsetzbetrag hat.

Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit einem Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG 1988 mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.

Für die Zuerkennung des Alleinerzieherabsetzbetrages muss ein Kind im steuerlichen Sinne vorhanden sein und die Sechsmonats-Frist erfüllt sein. Als Kind im Sinne des EStG gilt in diesem Zusammenhang ein Kind, für das dem Steuerpflichtigen mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach Abs. 3 zusteht. § 33 Abs. 3 EStG 1988 stellt wiederum auf die Gewährung von Familienbeihilfe aufgrund des Familienlastenausgleichsgesetzes ab.

Diese Gesetzesbestimmung steht in Verbindung mit der entsprechenden Bestimmung des FLAG 1967 über den Anspruch auf Familienbeihilfe. Besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, besteht auch Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag für dieses Kind.

Im gegenständlichen Fall hat der Kindesvater, der im April 2021 aus dem ehemaligen gemeinsamen Familienwohnsitz ausgezogen ist, das ganze Kalenderjahr 2021 die Familienbeihilfe erhalten. Nach § 2 Abs. 2 FLAG hat jedoch die Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört.

In diesem Fall ist dies die Bf.

Durch die im verfahrensgegenständlichen Jahr erfolgte Trennung der Bf. von ihrem Gatten ist aber in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob der Bf. im Jahr 2021 für mehr als sechs Monate der Kinderabsetzbetrag zusteht.

Dabei geht das BFG aber - im Gegensatz zu der Beurteilung durch das Finanzamt - nicht davon aus, wer die Familienleistungen im Jahr 2021 für welchen Zeitraum bezogen hat, sondern wer Anspruch auf Familienbeihilfe und damit auf den Kinderabsetzbetrag hatte.

Auch wenn die Familienbeihilfe nach Trennung und dem Auszug des Ehegatten vorübergehend (zu Unrecht) weiterhin von diesem bezogen wurde, ist dem Anspruch auf Familienbeihilfe vor dem tatsächlichen Bezug Vorrang zu geben ().

Damit ist der Begriff des Kindes im Sinne des § 106 Abs. 1 EStG als erfüllt anzusehen.

Der tatsächliche Bezug der Familienbeihilfe ist sicher ein Indiz dafür, wer Anspruch auf die Leistungen hatte. Im gegenständlichen Fall weisen die Ausführungen der Bf. jedoch darauf hin, dass der Familienbeihilfenbezug des Gatten spätestens ab Mai 2021 zu Unrecht erfolgte, da jedenfalls ab kein gemeinsamer Haushalt der Ehegatten mehr bestand, obwohl die Kinder weiterhin im Haushalt der Mutter - der Bf. - lebten.

Daraus lässt sich ableiten, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag schon bei Anspruch - und zwar unabhängig von der tatsächlichen Gewährung - auf Familienbeihilfe zusteht.

Nach den Feststellungen im Verfahren steht daher der Bf. und nicht ihrem von ihr getrennt lebenden Mann die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag ab Mai 2021 zu und somit mehr als sechs Monate in diesem Jahr.

Daraus folgt, dass die Bf. Alleinerzieherin im Jahr 2021 ist und der Alleinerzieherabsetzbetrag zu berücksichtigen ist.

Da sich im diesem Fall eine Einkommensteuer unter null, nämlich minus 669 €, ergibt, ist der Alleinerzieherabsetzbetrag insoweit zu erstatten.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision zulässig, da zu der oben getroffenen Auslegung, dass für die Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages nach den oben zitierten Bestimmungen nicht der Familienbeihilfenbezug, sondern der Anspruch auf den Familienbeihilfenbezug entscheidend sei, zwar eine Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes, aber keine Rechtsprechung des VwGH - soweit im Rechtsinformationssystem des Bundes ersichtlich - vorliegt.

Wien, am

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