Säumnisbeschwerde: Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG, Wegfall der zugrundeliegenden Abgabenfestsetzung
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RS/7100068/2022-RS1 | Fällt bei einer in Rechtskraft erwachsenen Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG die der Festsetzung zu Grunde liegende Abgabennachforderung durch Aufhebung des Abgabenbescheides weg, ist der Bescheid über die Festsetzung der Abgabenerhöhung amtswegig nach § 295 Abs. 3 BAO aufzuheben. |
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Säumnisbeschwerde der beschwerdeführenden Partei vom wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich zum Antrag auf Aufhebung der Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG betreffend Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird eingestellt.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
***Bf1*** hat mit Eingabe vom , eingelangt am , gemäß § 284 Abs. 1 BAO eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über die Aufhebung eines Festsetzungsbescheides zu einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG zur Einkommensteuer 2011 erhoben und vorgebracht, dass die der Festsetzung zu Grunde liegende Abgabennachforderung nach dem Erkenntnis des BFG v. vom (RV/5100089/2020) weggefallen sei. Sie habe am den Antrag auf Aufhebung des Zuschlagsbescheides vom nach § 295 Abs. 3 BAO iVm § 209a Abs. 2 BAO gestellt. Die Entscheidungsfrist sei demnach abgelaufen und Säumigkeit eingetreten.
Dem Finanzamt wurde mit Beschluss vom gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, innerhalb von drei Monaten ab Einlangen der Beschwerde den säumigen Bescheid zu erlassen und eine Abschrift der Entscheidung vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Pflicht zur Erlassung des Bescheides nicht oder nicht mehr vorliegt.
§ 284 BAO lautet auszugsweise:
(1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.
Mit wurde der Abgabenbehörde mitgeteilt, dass die ihr gesetzte Frist zur Erlassung des beantragten Bescheides nunmehr abgelaufen und dem BFG keine Entscheidung vorgelegt worden sei.
Auf dem Abgabenkonto der Bf. sei jedoch eine Gutschrift vom ersichtlich, daher werde ersucht, den Bescheid zu dieser Gutschrift vorzulegen.
Das Finanzamt hat am den säumigen Bescheid zur Aufhebung nach § 295 Abs. 3 BAO der Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG erlassen und dem Bundesfinanzgericht eine Abschrift übermittelt.
Gemäß § 284 Abs. 2 BAO ist das Verfahren einzustellen, wenn der Bescheid erlassen wird oder, wenn er vor Einleitung des Verfahrens erlassen wurde.
Zur Rechtslage vor dem 2. AbgÄG 2014 BGBl. I Nr. 105/2014 hat der VwGH judiziert, dass auch wenn die sinngemäße Anwendung des § 261 BAO in der Aufzählung des § 284 Abs. 7 BAO nicht enthalten sei, diese planwidrige Lücke des Gesetzgebers durch Analogie zu schließen und die Säumnisbeschwerde dann als gegenstandslos zu erklären sei, wenn dem Begehren der Säumnisbeschwerde Rechnung getragen wurde, indem die Abgabenbehörde, deren Säumnis bekämpft wurde, ihren Bescheid erlassen hat (vgl. . Der VwGH spricht zwar von "planmäßiger Lücke", es ergibt sich aber aus dem Zusammenhang, dass "planwidrige Lücke" gemeint ist). Mit dem 2. AbgÄG 2014 BGBl. I Nr. 105/2014 wurde der Satz "Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen." in § 284 Abs. 2 BAO eingefügt. Seither ist das Säumnisbeschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen, wenn dem Begehren der Säumnisbeschwerde Rechnung getragen wurde, indem die Abgabenbehörde, deren Säumnis bekämpft wurde, ihren Bescheid erlassen hat (vgl. ).
: Die Rechtmäßigkeit eines derart wirksam erlassenen Bescheides ist nicht zu prüfen. Daher hängt der Beschluss des Verwaltungsgerichtes, womit eine nach § 284 f BAO erhobene Säumnisbeschwerde als gegenstandslos erklärt wird, nicht davon ab, ob die in § 284 Abs. 2 BAO genannte Frist wirksam und rechtmäßig verlängert wurde oder ob der Bescheid der Abgabenbehörde innerhalb der Frist des § 284 Abs. 2 BAO ergangen ist und die Abgabenbehörde zur Erlassung des Bescheides noch zuständig war.
Das Beschwerdeverfahren ist somit gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 einzustellen.
Zur Unzulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, weil sich die Rechtsfolge der Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens unmittelbar aus § 284 Abs. 2 BAO ergibt und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 29 Abs. 6 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Schmutzer in BFGjournal 2023, 30 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RS.7100068.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at