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Revisionsverfahren - Einzel - Beschluss, BFG vom 23.05.2022, RR/7300001/2022

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer ao. Revision, da der Zusteller keine Hinterlegungsanzeige in das Hausbrieffach eingelegt haben soll

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RR/7300001/2022-RS1
Der Antragsteller stützt zusammengefasst sein Wiedereinsetzungsbegehren gemäß § 46 VwGG auf die Behauptung, die Verständigung von der Hinterlegung sei aufgrund eines (von ihm vermuteten) Fehlers des Zustellers bzw. Postboten nicht gesetzmäßig vorgenommen worden. Er macht damit im Ergebnis einen Zustellmangel (§ 17 Abs. 2 ZustG) geltend. Ein Zustellmangel bildet aber keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. etwa den zu § 46 VwGG ergangenen B vom , 2009/20/0002, sowie jüngst etwa den B vom , Ra 2014/01/0134, mwN). ).

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Revisionssache von Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schneider Rechtsanwalts KG, Rechte Bahngasse 10 Tür 19D, 1030 Wien, betreffend Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 167 FinStrG abgewiesen wurde, über den Antrag des Revisionswerbers vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7300037/2021, beschlossen:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7300037/2021, wird zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragte der Revisionswerber gemäß § 46 Abs. 1 VwGG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen den Bescheid der belangten Behörde vom und begründete dies wie folgt:

"Der Revisionswerber erhielt am eine Zahlungsaufforderung des Amts für Betrugsbekämpfung, wonach ein Betrag von € 1.375,00 auf seinem Strafkonto unberichtigt aushafte. Er beauftragte daher seine Rechtsvertretung damit, zu erheben, was die Ursache dieser Zahlungssaufforderung ist. Erstmals durch eine E-Mail des ***AB***, Zustellbeauftragter des Amts für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom erlangte der Revisionswerber im Zuge der von seiner Rechtsvertretung durchgeführten Erhebungen Kenntnis von dem angefochtenen Erkenntnis und dem Umstand, dass ihm und seiner Rechtsvertretung dieses Erkenntnis angeblich im Dezember 2021 und im Jänner 2022 jeweils durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Laut Mitteilung des ***AB*** sei die erste Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses an die Rechtsvertretung durch Hinterlegung am erfolgt, wobei diese Sendung nicht behoben worden sei, und daher am 21. Dezember an die belangte Behörde zurückgestellt wurde. Die belangte Behörde kontaktierte in weiterer Folge leider nicht die Rechtsvertretung des Revisionswerbers, um den - für eine Rechtsvertretung unüblichen - Zustellanstand aufzuklären, sondern stellte das Erkenntnis am - zu einem Zeitpunkt, wo die Frist zur Anfechtung des Erkenntnisses theoretisch bereits abgelaufen war - dem Revisionswerber direkt zu, wo es wieder hinterlegt, und wieder später als unbehoben (!) an die belangte Behörde rückgemittelt wurde.

Weder die Rechtsvertretung des Revisionswerbers, noch der Revisionswerber erlangten jemals Kenntnis von diesen Hinterlegungen. Die Rechtsvertretung des Revisionswerbers übt den Beruf der befugten Parteienvertretung seit 1998 und damit seit 24 Jahren aus. In der gesamten Zeit ihrer Berufsausübung hat sie noch nie die Zustellung eines Schriftstückes bzw. fallweise einer Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes übersehen.

Sie verfügt über ein verlässliches und jahrzehntelang erprobtes Posteingangssystem, bei welchem die Post grundsätzlich persönlich übernommen und anschließend den einzelnen Akten zugeordnet und zur weiteren Bearbeitung vorgelegt wird, wobei zuvor allfällige Termine und Fristen in das Fristenbuch eingetragen werden und dieser Eintrag jeweils handschriftlich auf dem Poststück vermerkt wird, um dort auf Erledigung und Richtigkeit überprüft werden zu können. Sofern eine persönliche Übernahme fallweise nicht möglich ist, weil die Kanzlei unbesetzt ist, wird die im Brieffach eingelegte Post besonders sorgfältig auf Verständigungen über die Hinterlegung behördlicher Schriftstücke geprüft und werden diese unverzüglich nach Beginn der Abholfrist behoben. Da es sich bei diesen Vorgängen um langjährige und bestens erprobte Routinen handelt, ist es für die Rechtsvertretung des Revisionswerbers unerklärlich, wie es dazu kommen konnte, dass sie von der Hinterlegung keine Kenntnis erlangte. Auch nach neuerlicher intensiver Suche konnte keine Verständigung aufgefunden werden.

Es ist daher davon auszugehen, dass das Zustellorgan die Verständigung irrtümlich nicht in das Brieffach der Rechtsvertretung des Revisionswerbers einlegte. Allenfalls war zum fraglichen Zeitpunkt eine Vertretung tätig, wie dies in Corona-Zeiten öfters der Fall war. Selbst andernfalls, wenn also die Verständigung an die Rechtsvertretung tatsächlich in das Brieffach eingelegt worden und anschließend irrtümlich in anderer Post "untergegangen" wäre, würde es sich angesichts der langjährigen fehlerfreien Kanzleiorganisation der Rechtsvertretung des Revisionswerbers um ein einmaliges Versehen handeln, wie dieses auch einer noch so sorgfältigen Parteienvertretung in den weit über 2 Jahrzehnten ihrer Berufsausübung ausnahmsweise einmal unterlaufen kann.

Bemerkenswert ist, dass auch der Revisionswerber selbst keine Kenntnis von der nachfolgenden Hinterlegung des angefochtenen Erkenntnisses erlangte. Dessen private Postadresse hat sich in den letzten 7 Jahren nicht verändert und die Geschäftsadresse (***Adresse***) ebenso nicht. Es kann ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber eine Verständigung von der Hinterlegung des Erkenntnisses erhielt, da bisher noch jede, auch internationale, Post bei ihm angekommen ist, der Postkasten regelmäßig geleert wird, und das Zustellorgan wichtige private Poststücke sogar in die Firma bringt, weil es den Revisionsweber kennt.

Der Revisionswerber hat somit wegen eines unvorhergesehenen und unabwendbaren Ereignisses, an welchem ihn kein Verschulden oder allenfalls nur ein minderer Grad des Versehens trifft, die Frist zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis der belangten Behörde vom versäumt, bzw. war dadurch an der rechtzeitigen Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis der belangten Behörde vom gehindert. Durch die Zustellung dieses Erkenntnisses mittels E- Mail der Finanzstrafbehörde vom ist dieses Hindernis weggefallen. Die Voraussetzungen gemäß § 46 Abs. 1 VwGG für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das angefochtene Erkenntnis der belangten Behörde liegen daher vor.

Beweis: unter einem vorgelegte E-Mail der Finanzstrafbehörde vom ; Einvernehme Revisionswerber sowie RA Mag. ***A***.

Dazu wurde erwogen:

§ 46 Abs. 1 VwGG: Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

§ 46 Abs. 3 VwGG: In den Fällen des Abs. 1 ist der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen und zwar bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht und ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof; ein ab Vorlage der Revision vor Zustellung der Mitteilung über deren Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgericht gestellter Antrag gilt als beim Verwaltungsgerichtshof gestellt und ist diesem unverzüglich vorzulegen.

§ 46 Abs. 4 erster Satz VwGG: Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden.

Der Antragsteller stützt zusammengefasst sein Wiedereinsetzungsbegehren gemäß § 46 VwGG auf die Behauptung, die Verständigung von der Hinterlegung sei aufgrund eines (von ihm vermuteten) Fehlers des Zustellers bzw. Postboten nicht gesetzmäßig vorgenommen worden. Er macht damit im Ergebnis einen Zustellmangel (§ 17 Abs. 2 ZustG) geltend. Ein Zustellmangel bildet aber keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. etwa den zu § 46 VwGG ergangenen B vom , sowie jüngst etwa den B vom , mwN). ).

Bei Vorliegen eines Zustellmangels gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist ().

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. "Versäumt" ist eine Frist, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist. Hängt der Fristenlauf von der Zustellung eines behördlichen Schriftstücks an die Partei ab, so beginnt die Frist dann nicht zu laufen - und kann deshalb auch nicht versäumt werden -, wenn die Zustellung wegen Mängeln unwirksam ist (vgl. sowie , 2011/05/0076 mwN).

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher im vorliegenden Fall aufgrund der nicht erfolgten Zustellung schon mangels Vorliegens einer Fristversäumnis zurückzuweisen ().

Soweit der Vertreter des Revisionswerbers meint, die Post habe Fehler bei der Zustellung begangen und es wäre Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes gewesen, sich beim Parteienvertreter zu erkundigen, weshalb er die Sendung nicht übernommen hat, verkennt der Parteienvertreter den Sinn und Zweck des Zustellgesetzes.

§ 17 Zustellgesetz ist da eindeutig, da dessen Abs. 3 besagt: Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. […]

Der Parteienvertreter beschwert sich darüber, die belangte Behörde hätte in weiterer Folge leider nicht die Rechtsvertretung des Revisionswerbers kontaktiert, um den - für eine Rechtsvertretung unüblichen - Zustellanstand aufzuklären. Dazu ist festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht selbstverständlich geprüft hat, ob sich bei der angegebenen Adresse der Abgabestelle eine Änderung ergeben hat. Die Datenbank zur Erstellung der Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes ist mit der Grunddatenbank der Finanzverwaltung verknüpft und Änderungen bei Adressen werden automatisch in das System gemeldet. Eine derartige Meldung lag weder damals noch aktuell vor.

Nach Prüfung der unverändert aufrechten Abgabestelle (laut Rechtsanwaltskammerverzeichnis keine Änderung), war auch die Adresse der Zweigstelle, für die der Parteienvertreter in der Vorweihnachtszeit einen Nachsendeauftrag erteilt hat, unverändert aufrecht. Zudem wurde kein Hinweis des Zustellers angebracht, dass der Empfänger nicht nur vorübergehend sich nicht an der Abgabestelle laut Nachsendeauftrag aufhalten würde. Daher war aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes im Sinne des § 17 ZustG die Zustellung mit Beginn der Abholfrist bewirkt. Eine weitere Prüfung, weshalb eine Sendung nicht behoben wurde, sieht das Zustellgesetz nicht vor.

Es ist schon ein großer Zufall, dass sowohl vom Parteienvertreter, der sich selbst nach Monaten nicht beim Bundesfinanzgericht erkundigt hat, wann denn mit der Zustellung der Entscheidung zu rechnen ist, die Sendung als nicht behoben retourniert wurde als auch vom Beschuldigten selbst das - aufgrund der wohl vermuteten Untätigkeit des Parteienvertreters - zur Information gedachte Erkenntnis (ebenfalls nach Hinterlegung) nicht behoben retourniert wurde.

Aus vergangenen Fällen ist über Nachfragen bei "Post-Sendungsverfolgung" bekannt, dass selbst dann, wenn der Zusteller ausgeforscht werden konnte, dieser sich im Einzelfall nicht mehr mit Sicherheit daran erinnern konnte, dass er die Verständigung von der Hinterlegung gerade in diesem Einzelfall ordnungsgemäß in das Hausbrieffach eingelegt hat (auch wenn er das in der Regel immer so vorgenommen hat).

Nichts desto trotz wird im Zweifel zugunsten des Revisionswerbers davon ausgegangen, dass möglicher Weise ein Fehler beim Zustellvorgang passiert ist.

Im Sinne der oben zitierten Judikatur wird der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher im vorliegenden Fall aufgrund der - im Zweifel - nicht erfolgten Zustellung schon mangels Vorliegens einer Fristversäumnis zurückgewiesen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung orientiert sich an der höchstgerichtlichen Judikatur, sodass insoweit keine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, die Vorausetzung für eine ordentliche Revision wäre.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 167 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 46 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 17 Abs. 2 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Schlagworte
Wiedereinsetzung gemäß § 46 Abs. 1 VwGG
Zustellmangel
Verweise



Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RR.7300001.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at