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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 21.09.2022, RV/7102383/2022

Vom faktischen Machthaber einer GmbH veruntreute Gelder stellen keine weiteren Lohnzahlungen an diesen dar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durchdie Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Dr. Elfriede Murtinger, sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Wolfgang Weichselbraun und Manfred Fiala in der Beschwerdesache Mag. Walter Dorn, Bahnhofstraße 16, 9500 Villach, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des damaligen Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2012 bis 2015, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Außenprüfungen, Bescheide, Erkenntnis des Bundefinanzgerichtes:

Im Rahmen einer bei der nunmehr in Konkurs befindlichen ***Bf1*** (in der Folge: GmbH) die Jahre 2012 bis 2015 umfassenden Gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) wurde im Bericht über die Außenprüfung vom folgende Feststellung getroffen:

Herr Karl ***X*** (Dienstnehmer und Ehegatte der Geschäftsführerin) habe sich im Zeitraum 2012 bis 2015 neben den fremdüblichen Bezügen (Gehalt), in regelmäßigen Abständen Geldbeträge aus der Kassa der Arbeitgeberin genommen. Um dies zu kaschieren seien zu diesen Entnahmen Scheinrechnungen durch die Firmen ***1*** und ***2*** erstellt worden. Frau ***Y***-***X*** (Geschäftsführerin und Ehegattin von Herrn ***X***) habe von dieser Vorgangsweise gewusst und diese gebilligt. Der zu 100% an der GmbH beteiligte Gesellschafter, Herr ***Y*** (Bruder der Geschäftsführerin), habe davon hingegen nichts gewusst. Da die Geschäftsführerin mit ihrem Handeln die GmbH als Arbeitgeberin repräsentiere und die Entnahmen ihres Ehegatten geduldet habe, diese Entnahmen Herrn ***X*** als Arbeitnehmer zugeflossen seien und er darüber verfügt habe, seien diese Entnahmen als Entgelt gemäß § 49 Abs. 1 ASVG und damit als Einkünfte gemäß § 25 Abs. 1 Z1 lit. a ESTG 1988 zu qualifizieren und der Bemessungsgrundlage gemäß § 5 Kommunalsteuergesetz hinzuzurechnen.

Diese Feststellung wurde in den gegenständlichen, nunmehr bekämpften Haftungsbescheiden vom betreffend Lohnsteuer 2012 bis 2015 übernommen und stellt die einzige Abänderung der bisherigen von der haftungspflichtigen GmbH vorgenommenen Selbstberechnung dar.

Der gleiche Sachverhalt war bereits im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO vom betreffend Umsatz-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuer 2012 bis 2015 in Tz. 1 und 3 folgendermaßen bewertet worden:

Herr Karl ***X***, Ex-Mann der Geschäftsführerin, Frau ***Y***-***X***, sei bis Dienstnehmer der GmbH gewesen. Er habe im Wissen von Frau ***Y***-***X*** Geldbeträge aus der Kassa entnommen und diese durch Scheinrechnungen der Firma ***1*** und der Firma ***2*** zu Betriebsausgaben gemacht.

Mangels eines Leistungsaustausches könnten diese Aufwendungen nicht anerkannt werden und würden wie folgt neutralisiert:

  1. Die in Abzug gebrachten Vorsteuern würden gestrichen.

  2. Die Netto-Rechnungsbeträge würden dem Gewinn zugerechnet.

  3. Die Brutto-Rechnungsbeträge seien der Kapitalertragsteuer zu unterziehen.

  4. Die Brutto-Beträge seien als verdeckte Ausschüttung dem Gesellschafter Herrn ***Y*** zuzurechnen.

Diese Feststellungen waren Grundlage für die in der Folge erlassenen Umsatz-, Kapitalertrag- und Körperschaftsteuerbescheide 2012 und 2015 und deckten sich mit der Expertise des von der Staatsanwaltschaft im Finanzstrafverfahren beauftragten Sachverständigen, in der diesem die tatsächliche Einflussnahme (§ 9a Abs. 1 BAO) des Karl ***X*** auf die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten - konkret Offenlegungspflichten nach § 119 BAO - der GmbH durch Abgabe vollständiger und richtiger Abgabenerklärungen sowie auf die abgabenrechtliche Vertreterin (§ 81 Abs. 1 BAO) dieser Gesellschaft, Frau ***Y***-***X***, erweislich erschien. Danach habe Karl ***X*** faktischen Einfluss auf seine als Geschäftsführerin im Firmenbuch eingetragene (Ex-)Gattin ausgeübt und diesen Einfluss dahingehend ausgeübt, dass Letztere ihre abgabenrechtliche Pflicht für die (Träger-)GmbH nicht ordnungsgemäß wahrgenommen habe.

Den im finanzstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Ermittlungsergebnissen zufolge sei im Wege einer (verdeckten) Treuhandschaft nicht der im Firmenbuch eingetragene ***H*** ***Y***, Bruder der Geschäftsführerin ***F*** ***Y***-***X***, sondern vielmehr Karl ***X*** als Treugeber Anteilsinhaber, da von ihm das Geld für die Einzahlung der Stammeinlage stamme. Die an Karl ***X*** vorzunehmende Zurechnung der Kapitalerträge ändere jedoch nichts an ihrer Kapitalertragsteuerpflicht.

Dass anstelle kapitalertragsteuerpflichtiger Kapitaleinkünfte (§ 27 EStG) ertragsteuerlich lohnsteuerpflichtige Bezüge (§ 25 EStG) des Karl ***X*** anzunehmen sein könnten, hielt der sachverständige Erstatter dieser Expertise für unwahrscheinlich; dies deshalb, weil Herr Karl ***X*** als angestellter Arbeitnehmer (§ 47 Abs 2 EStG) der Körperschaft ohnehin fremdübliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG) bezogen habe und die darüber hinaus "privat" entnommenen Geldzuflüsse nach den Ermittlungsergebnissen ihre Wurzel (gerade) nicht in seinem lohnsteuerpflichtigen Dienstverhältnis (§§ 47 ff EStG) zur GmbH gehabt hätten.

Auch das Bundesfinanzgericht schloss sich im Erkenntnis vom , RV/7104971/2019, dieser Rechtsansicht an.

2. Beschwerde vom :

In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde wandte sich der steuerliche Vertreter der GmbH dagegen, dass das Finanzamt denselben Sachverhalt sowohl als verdeckte Ausschüttung, welche eine Nachforderung an Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer zur Folge habe, als auch als lohnsteuerpflichtige Einkünfte von Herrn Karl ***X*** behandle, was zu einer weiteren Nachforderung an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag führe. Es sei daher davon auszugehen, dass eine der beiden rechtlichen Beurteilungen falsch sein müsse.

Gleichzeitig wurde beantragt, über die Beschwerde möge nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung durch den Senat entschieden werden.

3. Beschwerdevorentscheidung vom :

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Dies wurde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens damit begründet, dass der 100%ige Gesellschafter der GmbH, Herr ***H*** ***Y***, offensichtlich vom deliktischen Zusammenwirken der Geschäftsführerin (seiner Schwester, Frau ***Y***-***X***) mit ihrem Ehemann und Dienstnehmer, Herrn Karl ***X***, nichts gewusst habe. Eventuelle gerichtliche Schritte seien nicht bekannt, über Regressforderungen sei in den Bilanzen ebenfalls nichts zu finden. Das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung setze die Zuwendung eines Vermögensvorteils an den Anteilseigner voraus. Die Zuwendung eines Vorteils an einen Anteilseigner könne auch darin gelegen sein, dass eine dem Anteilseigner nahestehende Person begünstigt werde. Die Vorteilsgewährung an eine dem Anteilseigner nahestehende Person könne aber nur dann eine verdeckte Ausschüttung darstellen, wenn die Zuwendung durch die Anteilseignerschaft veranlasst sei. Da aber der Gesellschafter (Anteilseigner) offensichtlich keine Ahnung von den "Entnahmen" seines Schwagers und Dienstnehmers, Herrn ***X***, gehabt habe, seien diese als Vorteil aus dem Dienstverhältnis gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 den bisher versteuerten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnen.

4. Vorlageantrag vom :

Den rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag begründete der steuerliche Vertreter der GmbH mit Verweis auf den Umstand, dass ein und derselbe Sachverhalt einerseits als zusätzlicher Vorteil aus dem Dienstverhältnis eingestuft und somit Lohnsteuer festgesetzt werde, andererseits aber als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen werde. Um sicherzustellen, dass keine Doppelbesteuerung eintrete, weil die Behörden bezüglich beider Verfahren unabhängig voneinander bei der jeweiligen Rechtsansicht blieben, werde der Antrag gestellt, die Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht, dem bereits die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Kapitalertrag- und Körperschaftsteuerbescheide obliege, zur Entscheidung vorzulegen.

5. Beschwerdevorlage:

Nachdem vom Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der GmbH die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht urgiert worden war, legte das Finanzamt die Beschwerde gegen die Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer 2012 bis 2015 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies im Vorlagebericht vom auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom . Die dort vertretene Rechtsansicht werde weiterhin aufrechterhalten, weshalb die Abweisung der Beschwerde beantragt werde.

Mit Schreiben vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Der Vollständigkeit halber werde mitgeteilt, dass mehr oder weniger zum (teilweise) identen Sachverhalt bereits eine Entscheidung des BFG (RV/7104971/2019) vorliege, die wohl auch Auswirkungen auf die Entscheidung in gegenständlicher Causa habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die ***Bf1*** wurde mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom gegründet und am im Firmenbuch eingetragen. Ihr Geschäftszweig umfasste den Handel mit Alarmanlagen. Als ihre Geschäftsführerin fungierte offiziell Frau ***F*** ***Y***-***X***, Alleingesellschafter war ihr Bruder, Herr ***H*** ***Y***. Tatsächlich wurden die Geschäfte der GmbH vom Ehegatten der Geschäftsführerin und Schwager des Alleingesellschafters (Herrn Karl ***X***) geführt, der auch tatsächlich der Anteilseigner der GmbH-Anteile war, die sein Schwager, Herr ***Y***, nur (verdeckt) treuhändig für ihn hielt.

Herr Karl ***X***, der offiziell als Dienstnehmer der GmbH fungierte, und dafür eine angemessene Entlohnung erhielt, entwendete im Zeitraum 2012 bis 2015 in regelmäßigen Abständen Geldbeträge aus der Kassa der GmbH. Um dies zu verschleiern, wurden zu diesen Entnahmen Scheinrechnungen durch die Firmen ***1*** und ***2*** erstellt und verbucht. Die Geschäftsführerin der GmbH, Frau ***Y***-***X*** (Ehefrau des Herrn Karl ***X***), wusste von dieser Vorgangsweise und duldete sie. Dem nach außen aufscheinenden Alleingesellschafter der GmbH, Herrn ***H*** ***Y***, war diese Vorgehensweise nicht bekannt.

Die entwendeten Gelder sollten keineswegs eine weitere Entlohnung von Herrn Karl ***X*** darstellen, sondern ergaben sich ausschließlich aus dem Umstand, dass dieser aufgrund seiner Position als faktischer Machthaber der GmbH die Möglichkeit hatte, diese Gelder dem Unternehmen zu entnehmen.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen und aus der sachverständigen Expertise im Rahmen des Finanzstrafverfahrens, in der festgehalten wird, dass die Einzahlung der Stammeinlage durch Herrn Karl ***X*** erfolgte, der in sämtlichen Belangen allein entscheidungsbefugt war und im Rahmen seiner Arbeitnehmereigenschaft auch angemessen entlohnt wurde. Aus diesem Grund kann ausgeschlossen werden, dass die veruntreuten Gelder einen zusätzlichen Arbeitslohn darstellen sollten.

Im Übrigen wird auch auf die im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7104971/2019, dazu festgehaltene Begründung verwiesen.

Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

a. Rechtliche Einordnung der mit dem verwirklichten Sachverhalt erzielten Einkünfte:

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind u.a. Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Nach § 25 Abs. 2 EStG 1988 ist es dabei unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht oder ob sie dem zunächst Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen.

Zur Herstellung des Veranlassungszusammenhanges mit nichtselbständigen Einkünften genügt es, wenn die Einnahmen ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben (vgl. , VwSlg. 8839/F, mwN).

Auch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können aber neben dem Dienstverhältnis gesonderte Rechtsbeziehungen bestehen. Sie sind dann steuerlich grundsätzlich getrennt zu beurteilen. Einkünfte, die auf diesen Rechtsbeziehungen beruhen, sind der in Betracht kommenden Einkunftsart zuzurechnen (vgl. , VwSlg. 8853/F, mwN). Insoweit liegt kein Arbeitslohn vor (vgl. , mwN).

Beträge, die nahen Angehörigen zufließen, können nur insoweit als Entgelt (Entlohnung) für die Dienstleistung angesehen werden, als sie unter gleichen Voraussetzungen auch Fremden gezahlt worden wären; trifft diese Voraussetzung aber nicht zu, so stellt der Bezugsteil kein Entgelt für die Dienstleistung dar und kann nicht als Bezug oder Vorteil aus einem Dienstverhältnis angesehen werden (vgl. ; ).

Dabei kann im geschäftlichen Verkehr grundsätzlich vermutet werden, dass zwei unabhängige Vertragspartner einander "nichts schenken wollen". Bei Zuwendungen zwischen nahen Angehörigen wird das subjektive Element des "Bereichernwollens" hingegen vermutet; das Vorliegen des Bereicherungswillens kann aus dem Sachverhalt erschlossen werden (vgl. ; ).

Da Herr Karl ***X*** als Dienstnehmer der GmbH für seine Tätigkeit angemessen entlohnt wurde, können die im Einvernehmen mit seiner Gattin, der Geschäftsführerin der GmbH, privat entnommenen Beträge keine weiteren Lohnzahlungen darstellen, sondern sind im Hinblick auf die besondere Stellung des Herrn Karl ***X*** als Machthaber und faktischer Inhaber der Anteile an der GmbH - wie auch im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7104971/2019 dargestellt - als verdeckte Ausschüttungen zu werten.

b. Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer für 2012 bis 2015.

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des § 201 Abs. 2 BAO und muss nach Maßgabe des § 201 Abs. 3 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Eine Selbstberechnung ist "nicht richtig", wenn sie objektiv rechtswidrig ist. Eine solche Rechtswidrigkeit kann etwa Folge einer unrichtigen Rechtsauffassung oder der (teilweisen) Nichtoffenlegung abgabenrechtlich relevanter Umstände (z.B. Bemessungsgrundlagen) sein (vgl. ; sowie Ritz/Koran BAO7, § 201 Rz 8).

Die Selbstberechnung einer Abgabe obliegt dem Haftungspflichtigen unter anderem gemäß § 79 EStG 1988 (Lohnsteuer), § 201 BAO regelt die erstmalige Festsetzung solcher Abgaben (Selbstberechnungsabgaben) mit Abgabenbescheid.

Nach § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gilt § 201 BAO sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1 BAO) geltend zu machen.

Im Fall einer amtswegigen Festsetzung nach § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO und entsprechenden Bescheiden nach § 202 BAO ist entscheidend, ob und gegebenenfalls welche für das Finanzamt seit der Selbstbemessung neu hervorgekommenen Umstände seitens des Finanzamts herangezogen werden, die als Wiederaufnahmsgrund geeignet sind (vgl. ; ).

Im Hinblick darauf, dass sich die von der belangten Behörde vertretene Ansicht, die GmbH hätte als Haftungspflichtige auch jene von Herrn Karl ***X*** privat entnommenen Beträge gemäß § 79 EStG 1988 als lohnsteuerpflichtige Einkünfte selbst zu berechnen und zu erklären gehabt, als nicht zutreffend erweist, und die Selbstberechnung somit korrekt vorgenommen wurde, gab es keinen Anlass im Sinne des § 201 BAO dazu, Haftungsbescheide betreffend Lohnsteuer für 2012 bis 2015 gemäß § 202 BAO zu erlassen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die vorgenommene Qualifizierung der durch den verwirklichten Sachverhalt erzielten Einkünfte in Übereinstimmung mit den zitierten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vorgenommen wurde, und sich die Rechtsfolge der ersatzlosen Aufhebung von Festsetzungsbescheiden gemäß den §§ 201 und 202 BAO, die mangels unrichtiger Selbstberechnung nicht hätten erlassen werden dürfen, bereits aus dem Gesetz ergibt, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 25 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise









Ritz/Koran BAO7, § 201 Rz 8
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102383.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at