Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer, elektronische Dienstleistungen, Katalogleistung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Erstattung von Vorsteuern gem. VO BGBl 222/2009 für den Zeitraum 1-12/2009 zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gem. BGBl 222/2009 für den Zeitraum 1-12/2009 erfolgt mit 10.714,77 Euro.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Antrag vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.), ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Deutschland, die Erstattung von Vorsteuern in Höhe von 22.445,74 €.
Mit Bescheid vom wurde durch das Finanzamt der zu erstattende Betrag mit 0,00 € festgesetzt, da zu den Sequenznummern 1 - 29 die Originale der Rechnungen bzw. der Einfuhrdokumente angefordert, aber nicht zeitgerecht vorgelegt worden seien.
In der Berufung - nunmehr Beschwerde - vom wurde dargelegt, dass die am abverlangten Rechnungen am versendet worden seien.
Am erging eine abweisende BVE, in der dargelegt wurde, dass die angeforderten Unterlagen nicht nachgereicht worden seien.
Am langte ein als Vorlageantrag zu wertender Schriftsatz vom ein. Angeschlossen waren 29 Rechnungen, teils im Original, teils in Kopie, zu den im Antrag vom angeführten Sequenznummern.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der oben wiedergegebene Verfahrensgang findet im Akteninhalt Deckung, wird von den Verfahrensparteien nicht bestritten und wird somit zum Sachverhalt erhoben.
Ergänzend wird durch das Gericht festgestellt, dass es sich bei den Sequenznummern 11 - 19 und den dazu vorgelegten Rechnungen um Leistungen eines "Transmission Consultant" bzw. Rechnungen für "Engineering Services" handelt. Laut der Internetseite des Rechnungsausstellers (***1***, ATU***2***) sind darunter "Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik" zu verstehen. In diesen Rechnungen wurde Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 11.730,97 € ausgewiesen und von der Bf. als zu erstattende Vorsteuern geltend gemacht.
Die weiteren beantragten Vorsteuern in Höhe von 10.714,77 € betreffen laut vorgelegten Rechnungen Büro- bzw. Arbeitsplatzmieten, Miete von technischen Geräten und den Kauf von Büromaterial.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt findet seinen Niederschlag im Akteninhalt und den vorgelegten Dokumenten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Nach dem unstrittigen Parteienvorbringen erbrachte ein österreichischer Dienstleister in Österreich Leistungen an die Bf. mit Sitz in Deutschland. Für diese Leistungen verrechnete der österreichische Dienstleister österreichische Umsatzsteuer.
Die Leistungen eines "Transmission Consultant" bzw. Leistungen für "Engineering Services" lassen sich als Berater von (Daten)Übertragung, Technologieberatung, Entwicklungsdienstleister oder Engineering-Dienstleister übersetzen. Das deckt sich auch mit der Leistungsbeschreibung laut der Internetseite des Rechnungsausstellers ("Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik").
Die Bf. beantragte ua. die Erstattung der in diesen Rechnungen ausgewiesenen österreichischen Umsatzsteuer. Offen ist die Frage, ob der Ort dieser erbrachten Leistungen in Österreich liegt und ob der österreichische Dienstleister zu Recht österreichische Umsatzsteuer verrechnet hat.
Der Ort der sonstigen Leistung ist im § 3a UStG 1994 geregelt. Die maßgeblichen Bestimmungen der für den Berufungszeitraum gültigen Fassung (BGBl. I Nr. 24/2007) lauten:
Sonstige Leistungen sind nach § 3a Abs. 1 UStG 1994 Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen ...
Abs.9) Die im Abs. 10 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist statt dessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend; ....
Abs. 10) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 9 sind: ...
4. die ... technische ... Beratung...
5. die Datenverarbeitung...
13. die Telekommunikationsdienste...
15. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen...
Die gegenständlichen Leistungen des Jahres 2009 fallen, auch wenn im Konkreten die Subsumierung sich nicht eindeutig abgrenzen lässt, unter die angeführten sonstigen Leistungen des § 3a Abs. 10 UStG 1994 alte Fassung. Die Leistung wurde von einem Unternehmer an einen Unternehmer erbracht.
Entsprechend Abs. 9 dieser Gesetzesstelle wurden die Leistungen am Empfängerort, das ist im Beschwerdefall Deutschland, ausgeführt. Diese Leistungen sind in Österreich weder steuerbar noch steuerpflichtig.
Diese Dienstleistungen wurden laut Richtlinie 1999/59/EG zur Änderung der 6. MWSt-RL in die Liste der Katalogleistungen aufgenommen, um sicherzustellen, dass diese Leistungen, die von einem im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Kunden in Anspruch genommen werden, auch in der Gemeinschaft besteuert werden.
Die MWSt-RL in der Fassung der RL 2008/8/EG hat diese Regelung grundsätzlich beibehalten. Danach fallen die angesprochenen Dienstleistungen unter die Katalogleistungen des Art. 59 der RL. Nach Art. 44 MWSt-RL neue Fassung gilt für diese Leistungen, die an einen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmer von einem anderen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmer erbracht werden, dass Empfängerortprinzip.
Danach war die österreichische Rechtslage im Streitjahr 2009 unionrechtskonform.
Nach § 12 Abs. Z 1 UStG 1994 erster Satz kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen.
Sämtliche Rechnungen über an die Bf. erbrachten elektronischen Dienstleistungen im Sinne der oben angeführten Auflistung berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug, wenn diese Leistungen an die Bf. als deutsche Unternehmerin erbracht worden sind. Nach § 3a Abs. 9 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 24/2007 werden - wie bereits ausgeführt - die im Abs. 10 bezeichneten sonstigen Leistungen (wie die Dienste, lt. Z 4, 5, 13 bzw. 15 UStG 1994) dort ausgeführt, wo der Empfänger der Leistung sein Unternehmen betreibt, wenn der Empfänger der Leistung ein Unternehmer ist. Demnach wird die österreichische Umsatzsteuer nicht aufgrund der Leistung, sondern allenfalls aufgrund der Inrechnungstellung geschuldet. Eine Umsatzsteuer, die der leistende Unternehmer aufgrund der Rechnung, nicht aber aufgrund der Leistung schuldet, kann nicht als Vorsteuer abgezogen werden (vgl. "Genius Holding", Slg 4227; ; , 97/14/0107). Der Unternehmer kann sich "die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11 UStG 1994) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind" als Vorsteuer abziehen (§ 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994). Der Anspruch auf Vorsteuerabzug erstreckt sich nicht auf eine Steuer, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist.
Die österreichische Steuer wurde folglich zu Unrecht ausgewiesen und verrechnet. Eine Rechnungsberichtigung ist zulässig.
Die restliche beantragte Erstattung von Vorsteuern in Höhe von 10.714,77 € war zu gewähren.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die vorliegende Rechtsfrage ist keine von wesentlicher Bedeutung, auch decken sich die Ausführungen mit der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 3a Abs. 10 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100813.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
WAAAC-32019