Postenlauf gem. § 108 Abs. 4 BAO bei Paketdienst
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7200062/2021-RS1 | Wird eine richtig adressierte und an die zuständige Behörde gerichtete Beschwerde nicht per Post (die Österreichische Post AG) sondern per Paketdienst (Postdiensteanbieter) befördert, kommt es für die fristgerechte Einbringung der Beschwerde (§ 245 Abs. 1 BAO) auf den Zeitpunkt des Einlangens bei der Behörde an. Im Gegensatz zur Beförderung durch die Post genügt es in diesen Fällen nicht, dass die Beschwerde am letzten Tag der Frist an den Postdiensteanbieter übergeben wurde, zumal die Bestimmungen des § 108 Abs. 4 BAO ausschließlich dann zur Anwendung kommen, wenn der betreffende Schriftsatz wirksam der Post (also der Österreichischen Post AG) übergeben wurde. |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Herbert Schober BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Schottenring 19, 1010 Wien, betreffend die am beim Zollamt Österreich eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , ***1***, betreffend Verbindliche Zolltarifauskunft beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Begründung
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Außer Streit steht, dass das Zollamt Österreich die angefochtene vZTA ***1*** am im elektronischen System hinterlegte. Sie gelangte somit an diesem Tag in den elektronischen Verfügungsbereich der nunmehrigen Beschwerdeführerin (Bf.), der ***Bf*** und gilt als an diesem Tag zugestellt (§ 37 Abs. 5 ZollR-DG).
Diese vZTA enthält eine richtige und vollständige Rechtsbehelfsbelehrung, der u.a. zu entnehmen ist, dass innerhalb eines Monats nach Bescheidzustellung der Rechtsbehelf der Beschwerde eingebracht werden kann. Die Beschwerdefrist endete somit am , einem Donnerstag.
Gegen diese gem. § 37 Abs. 7 ZollR-DG als Bescheid geltende Entscheidung richtet sich die vorliegende undatierte Beschwerde, die beim Zollamt Österreich am Dienstag, den , also nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist einlangte.
Das Zollamt ging dennoch von einer fristgerechten Beschwerde aus und entschied über die Beschwerde meritorisch mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zl. ***2***.
Die Bf. stellte daraufhin mit Eingabe vom fristgerecht den Vorlageantrag.
Das Bundesfinanzgericht teilte der Bf. mit Vorhalt vom mit, dass die Beschwerde nach der Aktenlage gem. § 260 Abs. 1 BAO mit Beschluss als verspätet zurückzuweisen sein werde und räumte der Bf. die Gelegenheit ein, sich dazu bis zum zu äußern. Auf Begehren der Bf. erstreckte das Bundesfinanzgericht diese Frist bis .
In der Stellungnahme vom räumt die Bf. ein, dass die einmonatige Beschwerdefrist am endete. Sie geht dennoch von einer rechtzeitigen Beschwerde aus. Aus ihrer ausführlichen Schilderung des Sachverhalts ergibt sich, dass sie den Brief mit der Beschwerde am der Spedition **NN** übergab. Diese Spedition bediente sich zur Zustellung der Briefsendung der Firma **NN1** (kurz *NN1*), einem Paketdienst und Postdiensteanbieter.
Der Vertreter des zuletzt genannten Unternehmens bestätigte dem Bundesfinanzgericht auf Anfrage, dass die Sendung am um 11.16 Uhr mittels IT-System avisiert worden sei (d.h. es wurde ein entsprechendes Label erzeugt). Es könne nicht festgestellt werden, wann der Brief tatsächlich im Zeitraum von bis in den Gewahrsam der *NN1* gelangt sei. Es sei zu vermuten, dass **NN** den Brief in einen Sammelbehälter für Briefe verladen habe und dass dieser im Zeitraum zwischen 19.4. und zu dem in ***Ort1*** gelegenen zentralen Umschlagplatz in Österreich transportiert worden sei.
In ***Ort1*** sei der Postsack nicht geöffnet, sondern irrtümlich zu einem Umschlagplatz in Deutschland befördert worden. Dort sei der Postsack geöffnet worden und dort sei auch die erste "physische" Scannung erfolgt /, 19:35).
Dann sei der Brief zurück zum zentralen Umschlagplatz nach Österreich gebracht worden, wo er am ein weiteres Mal gescannt worden sei. Am sei der Brief schließlich systemkonform in Wien zugestellt worden.
Es könne somit nicht festgestellt werden, wann der Brief tatsächlich im Zeitraum von und in den Gewahrsam der *NN1* gelangt sei. Tatsache sei, dass der Brief aber spätestens am in ***Ort1*** (beim zentralen Umschlagplatz in Österreich) gewesen sei müsse, zumal die Hauptläufe nur in der Nacht stattfänden und der Brief ja am bereits in Deutschland gewesen sei.
Rechtslage:
§ 245 BAO lautet:
(1) Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.
(2) Durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a) wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.
(3) Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.
(4) Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (Abs. 2 oder 3) und endet mit dem Tag, an dem die Mitteilung (Abs. 2) oder die Entscheidung (Abs. 3) über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird. In den Fällen des Abs. 3 kann jedoch die Hemmung nicht dazu führen, dass die Beschwerdefrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft.
(5) Abs. 3 und 4 gelten sinngemäß für Anträge auf Verlängerung der Frist des § 85 Abs. 2 bei Mängeln von Beschwerden.
Gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Mit ungenütztem Ablauf der Beschwerdefrist tritt die (formelle) Rechtskraft des Bescheides ein.
Nach § 108 Abs 2 BAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht.
Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 108 Abs 3 BAO durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
Die Tage des Postenlaufes werden gemäß Abs 4 der vorzitierten Bestimmung in die Frist nicht eingerechnet.
Für den Beginn der Beschwerdefrist ist der Tag maßgebend, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist (nach § 109 BAO). Bei schriftlichen Bescheiden beginnt die Frist daher am Tag der Bescheidzustellung.
Erwägungen:
Die Bf. meint, die Beschwerde habe sich spätestens am im Gewahrsam der *NN1* befunden. Dieses Datum sei wesentlich für den Beginn des Postenlaufs gem. § 108 Abs. 4 BAO.
Gem. § 108 Abs. 4 BAO würden die Tage des Postenlaufes in die Beschwerdefrist nicht eingerechnet. Eine Frist sei somit auch dann gewahrt, wenn ein Schriftstück (bei Angabe der zuständigen Behörde mit richtiger Anschrift auf dem Briefumschlag) am letzten Tag der Frist zur Post gegeben werde, auch wenn die Sendung erst nach Fristablauf bei der Behörde einlange. Unter Post iSd § 108 Abs. 4 BAO sei sowohl die inländische als auch die ausländische Post zu verstehen.
Das Postmarktgesetz (PMG) regle die gewerbsmäßige Erbringung von Postdiensten. Aufgrund der Öffnung des Postmarktes sei grundsätzlich jedermann berechtigt, unter den im PMG normierten Voraussetzungen Postdienste anzubieten und zu erbringen. Es bestehe eine Anzeigepflicht für alle Postdienste.
*NN1* sei gemäß der von der zuständigen Regulierungsbehörde RTR-GmbH veröffentlichten Liste der angezeigten Postdiensteanbieter als solcher zu Erbringung von Brief- und Paket-Postdiensten berechtigt.
Während nach dem AVG gemäß § 33 Abs. 3 AVG der Postlauf nur dann nicht in die Frist einzurechnen sei, wenn das Schriftstück an einen Zustelldienst iSd § 2 Z 7 Zustellgesetz (das ist die Österreichische Post AG) zur Übermittlung an die Behörde übergeben werde, enthalte § 108 Abs. 4 BAO diese Einschränkung nicht. Daher könne die Beschwerde grundsätzlich bei jedem Postdiensteanbieter, sohin auch bei der *NN1* aufgegeben werden.
Die Tage von der Übergabe der Beschwerde an die *NN1* seien daher gem. § 108 Abs. 4 BAO nicht in die Beschwerdefrist einzurechnen. Im gegenständlichen Fall komme es auf den Zeitpunkt der Übergabe an die *NN1* an.
Das Bundesfinanzgericht teilt diese Rechtsansicht nicht.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass unter Postenlauf unstrittig die Zeit zu verstehen ist, die zwischen (behandlungs-)wirksamer Übergabe eines Schriftstückes an die Post und dessen Einlangen bei der zuständigen Behörde liegt.
Das Gesetz unterstellt, mit der Postaufgabe habe die Behörde die Verfügungsmacht erlangt. Mit der Übergabe eines Schriftstückes an die Einrichtungen der Post zur Beförderung an die Stelle, bei der das Schriftstück einzubringen ist, gilt das Schriftstück als der Behörde übergeben, auch wenn die Behörde die Sendung erst später, uU nach Ablauf der vorgesehenen Frist, erhält (siehe Stoll, BAO, 1181).
Der Bf. ist zuzustimmen, wenn sie meint, im Anwendungsbereich des § 33 Abs. 3 AVG gelte das Postlaufprivileg nur dann, wenn die Beförderung durch die Post (die Österreichische Post AG) erfolge.
Die genannte Norm präzisiert im Hinblick auf die bereits erfolgte Liberalisierung des Postmarkts die Herausrechnung des "Postenlaufs" bzw "Postlaufs" dahin, dass es auf die Übergabe an einen Zustelldienst iSd § 2 Z 7 ZustG ankommt (und damit nicht zwingend auf eine Übergabe an die Österreichische Post AG iSd 2 Z 6 ZustG). § 2 Z 7 ZustG definiert als "Zustelldienst" im gegebenen Zusammenhang einen Universaldienstbetreiber iSd § 3 Z 4 PMG. § 12 Abs 1 PMG definiert die Österreichische Post AG (§ 3 Z 1 PMG), als (derzeit einzigen) Universaldienstbetreiber. Im Ergebnis bedeutet "Post(en)lauf" damit nach allen diesen Regelungen die Zeit ab der mit Poststempel dokumentierten Übergabe an die Österreichische Post AG (siehe Nogratnig in Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG, Rz. 3 zu § 89 GOG).
Zu prüfen bleibt, ob diese Einschränkung des Postlaufprivilegs auch im Anwendungsbereich des § 108 Abs. 4 BAO gilt und ob der vom Normensetzer gewählt Begriff "Postenlauf" so auszulegen ist, dass er auch dann gilt, wenn die Beförderung einer Briefsendung durch einen Postdienstanbieter (also nicht durch die Österreichische Post AG) vorgenommen wird.
Da sich im Gesetz eine Definition des Begriffes "Postenlaufes" nicht findet, ist dieser zu interpretieren.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die allgemeinen Grundsätze der Gesetzesinterpretation und Gesetzesanwendung uneingeschränkt auch für das Steuerrecht gelten. Die Judikatur geht ganz allgemein davon aus, dass die Abgabenvorschriften grundsätzlich nicht nur dem Wortlaut nach (grammatikalische Interpretation), sondern auch nach ihren Zusammenhängen (logische, systematische Interpretation) und den damit offenbar verfolgten Zwecken (teleologische Interpretation) auszulegen sind (siehe Stoll, BAO, 225).
Beim Wort "Post(en)lauf" handelt es sich um ein Kompositum, das - wie alle zusammengesetzten Nomen - aus einem beschreibendem Wort (Post) und einem nachfolgenden Grundwort (Lauf) besteht. Die reine Wortinterpretation führt im vorliegenden Fall des hier auszulegenden Begriffes zu keinem eindeutigen Ergebnis. Denn aus dem beschreibenden Wort "Post" lässt sich nicht zweifelsfrei erschließen, ob mit dem Wort "Postenlauf" ausschließlich auf die Dauer der Beförderung durch die Post (die Österreichische Post AG) oder zusätzlich auch auf die Dauer der Beförderung durch einen Postdiensteanbieter abgestellt wird.
Stellt man sich unter Heranziehung der grammatikalisch-logischen Interpretation und unter Bedachtnahme auf historisch(-subjektiven) Auslegungsparameter die Frage, worauf die vom historischen Gesetzgeber gewählte Formulierung abzielte, zeigt sich, dass der Normensetzer ausschließlich der Post (Definition siehe § 1 Postgesetz, BGBl. 58/1957, gültig bis : Die Post ist die Gesamtheit der Einrichtungen, durch die der Bund die in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten des Postwesens besorgt) das Postenlaufprivileg einräumen wollte.
Das ergibt sich auch aus der einschlägigen Literatur, in der dieses Privileg mit der Sonderstellung der Post begründet wird, die seit jeher als verlängerter Arm jener Behörde betrachtet worden ist, an die eine Sendung gerichtet ist (siehe Stoll aaO).
Die Entwicklung der Postverwaltung von einer staatlichen Monopolverwaltung zu einem privatrechtlich organisierten Postdienstleistungsunternehmen erfolgte in einem schrittweisen Liberalisierungsprozess, dem auch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu Grunde lagen (/09). Diese Entwicklung - bei der auch auf die Bestimmungen des Weltpostvertrages Bedacht zu nehmen war - führte letztlich zur Gründung der Österreichischen Post AG, die den Geschäftszweig "Gelbe Post" von der ehemaligen Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung übernahm.
Der Weltpostvertrag, ein völkerrechtlicher Vertrag, abgeschlossen zwischen den Mitgliedstaaten des Weltpostvereins, regelt die internationale Zusammenarbeit der Postunternehmen und -behörden, die Rahmenbedingungen des grenzüberschreitenden Postverkehrs und die Abrechnung der dabei anfallenden Postgebühren. Die Hauptaufgabe des Weltpostvereins besteht in der Sicherstellung einer weltumspannenden, zeitnahen Zustellung von Briefen und Paketen über Länder- und Sprachgrenzen hinweg.
Der Weltpostvertrag schreibt eine umfassende Versorgungssicherheit fest. Im Hinblick auf die Entwicklung der Öffnung der Märkte für die Postdienstleistungen führte er den Begriff "Universalpostdienst" (service postal universel) erstmals im September 1999 ein. Art. 1 Weltpostvertrag beschreibt den Universalpostdienst als "ständige flächendeckende Bereitstellung von hochwertigen Basispostdiensten zu erschwinglichen Preisen für alle Kunden". Gemäß Art. 3 sind die Mitgliedsländer verpflichtet, den Zugang zu Basispostdiensten für alle sicherzustellen und mit innerstaatlichen Regelungen den Umfang, die Bedingungen für die Qualität und erschwingliche Preise unter Berücksichtigung der Bevölkerungsbedürfnisse und der landeseigenen Gegebenheiten festzulegen; weiters haben sie darauf zu achten, dass sich der Universaldienst rechnet und im Fortbestand gesichert ist.
Obwohl der Weltpostvertrag grundsätzlich mehrere Postdiensteanbieter pro Land zuließ, benannten die meisten Länder, so auch Österreich mit der Österreichischen Post AG, nur einen Anbieter, der die Kooperationspflichten aus dem Vertrag übernahm (siehe § 12 Postmarktgesetz).
Da die Österreichische Post AG im Gegensatz zu allen anderen Marktteilnehmern die Rolle der ehemaligen Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung in wesentlichen Teilen übernahm und gem. § 6 Abs. 6 PMG ihre Dienste entsprechend den Bestimmungen des Weltpostvertrages und der sonstigen Abkommen des Weltpostvereines zu erbringen hat, spricht alles dafür, dass nunmehr diesem Unternehmen als einzigen Universaldienstbetreiber Österreichs die oben beschriebene Sonderstellung der damaligen Post (iSd § 1 Postgesetz 1957) zukommt und dass sie insofern als deren mittelbare Rechtsnachfolgerin zu sehen ist.
Wenn die Bf. meint, diese Sonderstellung betreffe auch die zahlreichen Postdiensteanbieter (§ 3 Z 3 PMG) und somit auch die *NN1*, kann ihr aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen des § 3 PMG eine deutliche Differenzierung zwischen Postdiensteanbieter (§ 3 Z 3 PMG) und Universaldienstbetreiber (§ 3 Z 4 PMG) normieren. Für Letzteren gelten besonders strenge Verpflichtungen, etwa betreffend die flächendeckende Versorgung mit Post-Geschäftsstellen (§ 7 PMG), Briefmarken (§ 8 PMG) und Postbriefkästen (§ 9 PMG). Es ist daher nicht einzusehen, warum im gegebenen Zusammenhang diese verschiedenen Wirtschaftsbeteiligten, für die völlig unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen gelten (siehe auch die oben erwähnten Kooperationspflichten aus dem Weltpostvertrag) gänzlich gleichgestellt sein sollen.
Auch die Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, ABl L 015 vom , definiert die Postdienste (Art. 2 Z 1) und die Anbieter von Universaldienstleistungen (Art. 2 Z 13) völlig unterschiedlich und spricht nur dann von "Postsendungen" wenn diese vom Anbieter von Universaldienstleistungen übernommen werden (Art. 2 Z 6).
Dazu kommt, dass nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür bestehen, den Begriff des Postenlaufes, der - wie die Bf. selbst einräumt - im Anwendungsbereich des AVG ausschließlich bei Beförderungen durch die Österreichische Post AG zu beachten ist, im Anwendungsbereich der BAO anders auszulegen. Es ist daher insofern von einer Analogie auszugehen.
Außerdem ist festzustellen, dass die Grundsätze über die Nichteinrechnung des Postenlaufes seit jeher nur zu beachten waren, wenn sich die Partei zur Beförderung einer für die Behörde bestimmten Sendung der Post bediente (siehe Stoll, BAO, 1181).
Das Postenlaufprivileg galt daher dann nicht, wenn der Absender die Briefsendung einem Dritten (z.B. einer Spedition oder einem Boten) übergab. Dass der Normensetzer durch die Liberalisierung des Postmarkts eine Ausweitung dieser strikten Regelung auf alle Postdiensteanbieter im Auge hatte, lässt sich den gesetzlichen Bestimmungen mit keinem Wort entnehmen.
Aus all diesen Gründen ist die Bf. nicht im Recht, wenn sie meint, der Postenlauf iSd § 108 Abs. 4 BAO sei auch bei der Beförderung einer Briefsendung durch andere Unternehmen als die Österreichische Post AG beachtlich.
Die Beschwerde war daher schon aus diesem Grund als verspätet zurückzuweisen.
Selbst wenn man der Argumentation der Bf. folgen möchte, dass die Regelungen des Postenlaufes iSd eben zitierten Norm doch auch für die *NN1* gelten, lässt sich für ihren Standpunkt nichts gewinnen, zumal nicht zweifelsfrei erwiesen ist, dass die *NN1* die Beschwerde tatsächlich am (also innerhalb der Beschwerdefrist) übernommen hat.
Die Bf. verweist auf die stRsp des VwGH, nach der der Einwurf in einen Briefkasten den Postlauf am selben Tag nur dann auslöst, wenn am Briefkasten der Vermerk angebracht ist, dass dieser noch am selben Tag ausgehoben werde. In diesem Sinn habe der VwGH auch ausgesprochen, dass der Einwurf eines Briefs in die Postklappe eines Postamts im Vertrauen auf die Ankündigung, wonach die letzte Aushebung bis 24.00 Uhr angekündigt werde, als Postaufgabe an jenem Tag zu rechnen sei, an dem sie erfolgt sei ().
Dasselbe müsse auch in ihrem Fall gelten: Ihr sei bewusst gewesen, dass sie die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist aufzugeben habe. Durch die schriftliche Bestätigung von *NN1* (copy for sender) über die Aufgabe am habe sie auf die Rechtzeitigkeit ihrer Beschwerde vertraut.
Anders als bei einem Einwurf in einen Briefkasten - wo der Absender keinerlei Bestätigung über die Aufgabe des Briefs erhalte - habe sie nämlich eine Bestätigung von *NN1* über die Aufgabe der Sendung am erhalten.
Auch in der Rechnung von **NN** scheine der als Abholtermin auf. Weiters sei auch auf der im Akt vorliegenden Kopie des Kuverts der eingetragen. Dieser Tag sei daher als Zeitpunkt der Übergabe zu qualifizieren.
Wenn die Bf. mit dieser Argumentation zum Ausdruck bringen möchte, sie habe damit den Beweis erbracht, die Beschwerde bereits am der *NN1* übergeben zu haben, kann ihr aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für den Beginn des Postenlaufes bei Einwurf des Schriftstückes in einen Briefkasten nach ständiger Rechtsprechung der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der Briefkasten tatsächlich ausgehoben wird ().
Zur Feststellung des Zeitpunkts, in dem das in einen Briefkasten eingeworfene Schriftstück zur Weiterbeförderung durch die Post übergeben wurde, ist grundsätzlich der von der Post auf der Briefsendung angebrachte Datumsstempel (Poststempel) als Beweismittel heranzuziehen (), wobei ein Gegenbeweis zulässig ist ().
Vom Poststempel ist der sog Freistempel zu unterscheiden, der lediglich die Entrichtung der Gebühr an einem bestimmten Tag bekundet (). Die Freistempelung setzt weder den Postenlauf in Gang () noch liefert sie einen Beweis dafür, dass das Poststück an dem im Freistempelaufdruck genannten Tag von der Post in Behandlung genommen wurde.
Durch die Anführung des Datums auf dem Aufgabekuvert und auf dem Dokument "copy for sender" wird im Streitfall nicht die Übergabe der Sendung an die *NN1* dokumentiert. Es wird vielmehr dadurch bloß ersichtlich, dass die Sendung am im IT-System der *NN1* erfasst wurde ist und dass das Label, also das Klebeetikett mit den Angaben über Versender und Empfänger, an diesem Tag ausgedruckt wurde. Rückschlüsse auf die Übergabe des Dokuments an die *NN1* lassen sich aus diesem Datum hingegen nicht ableiten. Dem Ausdruck des Labels kommt daher - vergleichbar mit dem eben erwähnten Freistempelaufdruck - hinsichtlich des Beginns des Postenlaufs keinerlei Beweiskraft zu.
Bei einem Brief, der bei einem Postamt aufgegeben wird, kommt es nicht auf das Datum der Beschriftung des Kuverts oder den Zeitpunkt des Aufklebens der Briefmarke an. Es ist daher auch im hier vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Erstellung des Labels und das Datum der Anbringung des Etiketts auf dem Kuvert völlig belanglos.
Gegen die Richtigkeit der Behauptung, die Übergabe an die *NN1* am sei erwiesen, sprechen schon die Angaben auf dem Vordruck Sendungsverfolgung. Dort scheint folgender Vermerk auf: "19/04/2021 11:36, Die Paketdaten wurden im *NN1*/IT-System erfasst, das Paket wurde noch nicht an *NN1* übergeben."
Der Vertreter der *NN1* hat gegenüber dem Bundesfinanzgericht ausdrücklich bestätigt, es könne nicht festgestellt werden, wann der Brief tatsächlich im Zeitraum von und in den Gewahrsam der *NN1* gelangt sei.
Ohne Einfluss auf die rechtliche Würdigung ist im Übrigen auch das Datum der Übergabe des Kuverts durch die Bf. an die **NN**. Denn Letztere ist keine Postdiensteanbieterin. Die Bf. hat hinsichtlich der in Rede stehenden Briefsendung mit **NN** einen Beförderungsvertrag abgeschlossen. Dies zeigt sich u.a. an der Tatsache, dass sie von diesem Speditionsunternehmen eine entsprechende Faktura erhalten hat (siehe Blg. 4 der Stellungnahme vom ). Warum die Übergabe der Beschwerde an die **NN** - wie von der Bf. eingewendet - als Übergabe an die *NN1* zu qualifizieren sein soll ist nicht nachvollziehbar. Denn auch eine Person, die sich zur Briefaufgabe beim Postamt eines Dritten bedient, kann nicht erfolgreich argumentieren, sie habe eine Briefsendung rechtzeitig dem Boten übergeben und dessen verspätete Aufgabe beim Postamt sei ihr nicht anzulasten.
Die Bf. ist auch nicht im Recht, wenn sie meint, die Deponierung der Beschwerde in einem Wechselaufbau (WAB) käme dem Einwurf einer Briefsendung in einen Postkasten gleich. Während nämlich an Briefkästen die Anbringung eines Vermerkes möglich ist, wonach dieser noch am selben Tag ausgehoben werde (), gibt es derartige Hinweis auf WAB bekanntlich nicht. Beim Ablegen des Schriftstückes im WAB konnte also die betreffende Person nicht darauf vertrauen, dass die Eingabe noch am von der *NN1* übernommen werde.
Die Sendung wurde laut **NN** am verladen (irrtümlich im Standardversand statt wie bei Dokumentensendungen eigentlich vorgesehen im Expressversand). Bei Standardsendungen kann es aber (u.a. witterungsbedingt) immer wieder zu Verzögerungen kommen (siehe Auskunft von **NN**, Blg. 9 der Stellungnahme vom ).
Daraus folgt, dass zwischen Verladung und Abholung eines WAB offensichtlich mehrere Tage vergehen können (die Verladung erfolgte im Streitfall am , die Abholung durch *NN1* in der Nacht vom auf den , ob vor Mitternacht, also innerhalb der Frist oder nach Mitternacht, also außerhalb der Frist ist nicht bekannt).
Es zeigt sich daher auch aus dieser Sicht, dass die Mitarbeiter der **NN**, die die Briefsendung in den WAB deponierten, weder darauf vertrauen konnten, dass der WAB zu einem bestimmten Zeitpunkt entleert werde noch, dass die *NN1* die Eingabe innerhalb der offenen Frist übernehmen werde.
Als einziger dokumentierter Nachweis für die tatsächliche Übernahme der Beschwerde durch die *NN1* verbleibt im vorliegenden Fall somit nur der Vermerk auf dem Ausdruck Sendungsverfolgung, der wie folgt lautet: "Das Paket wurde durch *NN1* übernommen, *NN1* Standort Deutschland ***Ort2***, 23/04/2021, 19:35." Es besteht keine Veranlassung, diesem Vermerk nicht die gleiche Beweiskraft zuzumessen wie einem Datumstempel, den die Post nach Einwurf einer Briefsendung in den Postkasten als Nachweis dafür anbringt, dass sie die Sendung an diesem Tag übernommen hat. Der angeführte Zeitpunkt ist daher als Übergabedatum iSd oben zitierten Rechtsprechung () anzusehen.
Dieses Datum liegt aber zweifellos außerhalb der Beschwerdefrist.
Auch mit ihrem Hinweis, wonach das Zollamt ebenfalls von einer fristgerechten Beschwerde ausgehe, kann die Bf. nicht durchdringen.
Der damit zum Ausdruck gebrachten Ansicht, das Bundesfinanzgericht müsse von der belangten Behörde nicht substantiiert Bestrittenes seinen Feststellungen ungeprüft zugrunde legen, steht § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO und die dazu sowie die zur Vorgängerregelung des § 289 Abs. 2 zweiter Satz BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Demnach ist das Verwaltungsgericht berechtigt, die zwischen den Parteien unstrittigen Standpunkte nicht zu teilen (vgl. , und ).
Nach dem Gesagten ist als erwiesen anzunehmen, dass die Beschwerde erst am beim Zollamt einlangte. Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdefrist gem. § 245 BAO bereits am endete, erweist sich die Beschwerde somit als verspätet und war gem. § 260 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss als verspätet zurückzuweisen.
Dem Bundesfinanzgericht ist es aus diesem Grund verwehrt, auf das materielle Vorbringen der Bf. einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 274 Abs. 5 BAO iVm § 274 Abs. 3 BAO abgesehen werden.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da sich - soweit ersichtlich - in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung keine Auslegung des Begriffes des "Postenlaufes" iSd § 108 Abs. 4 BAO findet und dieser Auslegung für die Lösung der hier zu klärenden Rechtsfrage einer fristgerechten Einbringung einer Beschwerde grundsätzliche Bedeutung zuzumessen ist, war die Revision zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 37 Abs. 5 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 37 Abs. 7 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 § 2 Z 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 3 Z 4 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 12 Abs. 1 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 3 Z 1 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 12 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 6 Abs. 6 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 3 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 108 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 108 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 3 Z 3 PMG, Postmarktgesetz, BGBl. I Nr. 123/2009 § 108 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 Abs. 3 AVG, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 § 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7200062.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at