Neuerlicher Antrag auf Familienbeihilfe für einen Polizeischüler
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden ***V*** und die weiteren Senatsmitglieder ***R1***, ***R2*** und ***R3*** im Beisein der Schriftführerin ***S*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Zurückweisung des Antrages vom auf Zuerkennung von Familienbeihilfe nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Am beantragte der Beschwerdeführer (Bf) mit dem Formular Beih 100 die Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine am ***3*** geborene Tochter ***1***. Beigefügt war eine Ausbildungsbestätigung des Bildungszentrums der Sicherheitsakademie ***2*** vom ***6***, wonach ***1*** vom ***4*** bis ***5*** den Polizeigrundausbildungslehrgang absolvierte. Weiters war dem Antrag ein an die Ehegattin des Bf adressierter Bescheid des Finanzamtes Österreich vom beigefügt, mit welchem der Antrag auf Familienbeihilfe für ***1*** ab Juni 2019 abgewiesen wurde. In einem beigelegten Schreiben führte der Bf im Wesentlichen aus, dass mit dem Besuch der Polizeischule der Bezug der Familienbeihilfe für seine Tochter eingestellt worden sei. Dagegen habe er Beschwerde eingelegt, welche abgewiesen worden sei. Zwischenzeitig stehe die Familienbeihilfe den Polizeischülern aber wieder zu. Auf Anraten des Finanzamtes Villach habe die Ehegattin des Bf den Antrag auf Familienbeihilfe gestellt. Dieser sei jedoch mit der Begründung abgewiesen worden, sie habe bereits bei den Anträgen des Bf eine Verzichtserklärung abgegeben. Es sei ihm daher geraten worden, neuerlich einen entsprechenden Antrag zu stellen, da sich die Gesetzeslage mittlerweile geändert habe.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag des Bf auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***1*** für den Zeitraum ab Juni 2019 zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag zurückzuweisen sei, da die Abgabenbehörde in ein und derselben Sache bereits rechtskräftig entschieden habe (Abweisungsbescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom ). Eine Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 Abs.1 BAO sei infolge Fristablaufes nicht mehr möglich.
Gegen diesen Bescheid hat der Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass an andere Polizeischüler sehr wohl die Familienbeihilfe nachbezahlt worden sei, obwohl deren Antrag auch in erster Instanz abgelehnt wurde.
Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Der Bf führte ergänzend aus, dass er immer nur den Anweisungen der Finanzbediensteten gefolgt sei. Er beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.
In der mündlichen Verhandlung vom führte der Bf aus wie in den bisherigen Schriftsätzen. Es sei für ihn und seine Tochter nicht nachvollziehbar, warum andere Polizeischüler, deren Anträge ebenfalls erstinstanzlich abgelehnt wurden, später die Familienbeihilfe erhalten haben. Die Vertreterin des Finanzamtes verwies darauf, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Gewährung der Familienbeihilfe für Polizeischüler die Frist zur Aufhebung des abweisenden Bescheides gemäß § 299 BAO bereits abgelaufen war. Es sei durchaus möglich, dass diese Frist in anderen Fällen, in denen die Gewährung der Familienbeihilfe ebenfalls in erster Instanz abgelehnt wurde, noch offen war, oder der abweisende Bescheid überhaupt noch nicht in Rechtskraft erwachsen war.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die am ***3*** geborene Tochter des Bf, ***1***, besuchte vom ***4*** bis ***5*** im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie ***2*** den Polizeigrundausbildungslehrgang.
Mit Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom wurde der Antrag des Bf auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine Tochter für den Zeitraum "ab Juni 2019" abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Polizeigrundausbildung stelle eine Berufsausübung und keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) dar.
Die Beschwerde des Bf gegen diesen Bescheid wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Spittal Villach vom als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf mit dem Formular Beih 100 neuerlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***1*** ab ***4***. In einem beiliegenden Erläuterungsschreiben verwies der Bf auf eine Aussendung der Polizeigewerkschaft AUF und das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/6100175/2018.
Mit Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom wurde der Antrag vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zurückgewiesen. Begründend wurde unter Verweis auf das Erkenntnis des , ausgeführt, die Polizeigrundausbildung stelle eine Berufsausübung und keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) dar. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/16/0039, wurde bei Polizeischülern das Vorliegen einer Berufsausbildung und keiner Berufsausübung grundsätzlich bejaht.
Mit Eingabe vom beantragte der Bf mit dem Formular Beih 100 neuerlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***1*** ab ***4***.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag auf Grund der Beschwerdevorentscheidung vom und dem Zurückweisungsbescheid vom wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Am beantragte die Ehegattin des Bf die Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihre Tochter ***1*** ab Juni 2019. Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde die Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Familienbeihilfe sei bereits mit einer Verzichtserklärung der Ehegattin vom Bf beantragt worden.
Am beantragte der Bf mit dem Formular Beih 100 neuerlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***1*** ab ***4***.
Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag des Bf auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für seine Tochter ***1*** für den Zeitraum ab Juni 2019 abermals zurückgewiesen.
Beweiswürdigung
Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).
Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Der Sachverhalt ist unbestritten.
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs.1 lit.b FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 10 Abs.1 FLAG wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.
Gemäß § 13 FLAG hat über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.
Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. , 0275). Unter Rechtskraft im materiellen Sinn ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides zu verstehen (vgl. ).
Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3). Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 13 Rz 25; ).
Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. ; ; ; u.v.a.).
In seinem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:
Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird.
Mit Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach vom wurde der Antrag des Bf auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine Tochter ***1*** für den Zeitraum ab Juni 2019 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Polizeigrundausbildung stelle eine Berufsausübung und keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) dar. Die Beschwerde des Bf gegen diesen Bescheid wurde mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Spittal Villach vom als unbegründet abgewiesen.
Diese Beschwerdevorentscheidung stellt eine endgültige Entscheidung dar. Eine Entscheidung ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. ).
Gegenüber dieser Beschwerdevorentscheidung vom hat sich die Sachlage nicht geändert. Die Tochter des Bf hat die Polizeigrundausbildung absolviert. Es hat sich seither auch nicht die maßgebende Rechtsvorschrift, nämlich § 2 Abs. 1 lit. b Satz 1 FLAG 1967, geändert. Diese Norm ist unverändert geblieben.
Geändert oder aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs präzisiert wurde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Polizeischülern mit Erkenntnis . Demnach wird das Vorliegen einer Berufsausbildung und keiner Berufsausübung bei Polizeischülern grundsätzlich bejaht.
Eine geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts bei unveränderten Rechtsvorschriften ändert nichts am Vorliegen einer entschiedenen Sache. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. ).
Wie ausgeführt, erstreckt sich die Wirkung eines Bescheides über den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, hinaus solange, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (siehe auch ).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig, die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100398.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at