Keine Zollschuldentstehung bei der Einreise einer außerhalb der Union ansässigen Person mit einem im Drittland zugelassenen unverzollten Beförderungsmittel
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Zollamtes ***ZA*** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , GZ. ***0000***, betreffend die Vorschreibung von Eingangsabgaben und Verzugszinsen zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabeordnung (BAO) ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit dem angefochtenen Bescheid vom schrieb das Zollamt dem Beschwerdeführer (Bf.) für zwei näher bezeichnete Beförderungsmittel eine mit Ende Juli 2014 entstandene Eingangsabgabenschuld in der Höhe von 6.575,16 Euro (2.054,74 Euro an Zoll sowie 4.520,42 Euro an Einfuhrumsatzsteuer) samt Verzugszinsen im Ausmaß von 395,23 Euro zur Entrichtung vor.
Dies zusammengefasst mit der Begründung, dass der Bf. aufgrund seines gewöhnlichen Wohnsitzes im Zollgebiet der Union die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben für die im Bescheidspruch genannten Beförderungsmittel nach den Bestimmungen des Artikel 558 Abs. 1 ZK-DVO nicht erfüllt habe und somit die andere Form der Willensäußerung gemäß Artikel 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO bei der seit sieben Jahren (VW ******) bzw. dreieinhalb Jahren (VW *****) über das Zollamt ***ZA*** regelmäßig erfolgten Einfahrten in das Zollgebiet der Union zu Unrecht in Anspruch genommen habe.
Die Beförderungsmittel würden zu diesen Zeitpunkten somit gemäß Artikel 234 Abs. 2 ZK-DVO als vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht gelten.
Könnten die Zollbehörden aus den ihnen bekannten Umständen schließen, dass die Zollschuld vor dem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem sie zu zur Feststellung gelangt seien, dass die Zollschuld entstanden sei, so gelte die Zollschuld als zu dem am weitesten zurückliegenden Zeitpunkt entstanden, für den eine solche Lage festgestellt werden könne. Da die Zollschuld nach Art. 221 Abs. 3 ZK (nunmehr Art. 103 Abs. 1 UZK) nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr mitgeteilt werden dürfe, sei dieser am weitesten zurückliegende Zeitpunkt mit Ende Juli 2014 anzusetzen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde vom .
Der Bf. bringt darin im Wesentlichen vor, dass die Behörde erster Instanz bei richtiger rechtlicher Beurteilung zur Ansicht gelangen hätte müssen, dass der Beschwerdeführer keinen gewöhnlichen Wohnsitz im Unionsgebiet, insbesondere in Österreich, unterhalte. Lediglich der Umstand, dass die Familie des Beschwerdeführers in Österreich lebe, rechtfertige nicht die Vermutung, dass sich auch der Lebensmittelpunk in Österreich befinde. Über die Familienverhältnisse selbst seien keine Feststellungen getroffen worden.
Der Beschwerdeführer selbst habe angegeben, seine Gattin und seine Kinder lediglich zu besuchen. Damit sei jedoch klar, dass es sich nicht um ein Familienleben im klassischen Sinne handle. Der Beschwerdeführer und seine Gattin würden getrennt leben. Der Beschwerdeführer nehme lediglich das Besuchsrecht seiner Kinder wahr. Er lebe jedoch nicht im Streit mit seiner Gattin und seinen Kindern und es sei daher eine ordentliche Begegnung selbstverständlich. Da es sich um bloße Besuche handle, könne von einem Familienleben und von einem Lebensmittelpunkt am Wohnsitz der Gattin nicht gesprochen werden. Die Kinder würden die Schule auch nicht in Österreich, sondern in Deutschland besuchen.
Die Behörde habe es unterlassen, zur Wohnsitzfeststellung weitere Ermittlungen anzustrengen. Insbesondere wäre die Einvernahme der Gattin und der Kinder des Beschwerdeführers angezeigt gewesen. Die Einvernahme hätte ergeben, dass der Beschwerdeführer keinen gewöhnlichen Wohnsitz in Österreich unterhalte. Der Sachverhalt, auf den sich der Abgabenbescheid stütze, sei amtswegig zu ermitteln.
Der angegebene Hauptwohnsitz in der Schweiz sei weder ein vorübergehender noch ein Nebenwohnsitz. Der bloße Umstand, dass der Haustürschlüssel hinterlegt werde, ändere an der Wohnsitzqualität nichts. Der Beschwerdeführer habe seinen Hauptwohnsitz nicht im Unionsgebiet, sondern in der Schweiz.
Nach den Angaben des Beschwerdeführers habe er die Fahrzeuge dreieinhalb Jahre bzw. sieben Jahre zuvor schon in der beschriebenen Art und Weise verwendet.
Gern. Art. 221 Abs. 3 ZK, nunmehr Art. 103 Abs. 1 UZK, dürften nach Ablauf von drei Jahren Steuerschulden nicht mehr mitgeteilt werden. Die Mitteilung der Zollschuld sei daher jedenfalls nach der Dreijahresfrist erfolgt. Die Mitteilung hinsichtlich der Zollschuld sei daher verfristet.
Auch die Höhe der Zollschuld sei für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar. Die Behörde erster Instanz habe zwar erwähnt, dass die Wertermittlung der Fahrzeuge geschätzt worden sei. Wie diese Schätzung erfolgt sei und aufgrund welchen Prämissen werde nicht dargelegt. Insoweit sei der Bescheid nicht nachvollziehbar, unbegründet, unvollständig und rechtswidrig.
Das Zollamt wies in der Folge die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Wie der Beschwerdeführer selbst vor der Behörde zu Protokoll gegeben habe, habe er die unverzollten in der Schweiz auf ihn zugelassenen Fahrzeuge seit ihrem Erwerb vor sieben bzw. drei bis dreieinhalb Jahren regelmäßig im Zollgebiet der Europäischen Union verwendet, um seine Familie in Österreich und seine Eltern in Deutschland zu besuchen.
Der Beschwerdeführer sei in der Schweiz selbstständig tätig und verfüge dort über einen Wohnsitz in ***CH-Ort*** genauer eine angemietete Einraumwohnung, deren Schlüssel sich bei den Eigentümern des Hauses befinden würden. Seine Ehefrau und seine Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren hätten von 2011 bis 2016 in ***AT-Ort1*** und anschließend bis zum Frühjahr 2017 in einem Einfamilienhaus in ***AT-Ort2*** zu dem auch der Beschwerdeführer einen Schlüssel gehabt habe, gewohnt. Da seine Frau kein Einkommen erzielt habe, habe der Beschwerdeführer die Miete und die Betriebskosten für die österreichischen Wohnsitze bezahlt. Vor dem Haus in ***AT-Ort2*** habe er zudem aus Platzgründen gelegentlich auch eines der Fahrzeuge, die im Zollgebiet der Europäischen Union nur von ihm sowohl privat als auch beruflich verwendet wurden, stehen gelassen.
Die Abgabenfestsetzung habe die Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass die Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung der schweizerischen Fahrzeuge im Zollgebiet der Europäischen Union nach Art. 558 Abs. 1 lit. a ZK-DVO (nunmehr Art. 212 Abs. 3 lit. a UZK-DA) nicht erfüllt gewesen seien, da der Beschwerdeführer wegen der im Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld überwiegend in Österreich bestehenden persönlichen Bindungen iSd § 4 Abs. 2 Z 8 ZollR-DG innerhalb der Union ansässig gewesen sei. Als für die Entstehung der Zollschuld relevanten Zeitpunkt der erstmaligen widerrechtlichen Einfuhr sei aufgrund Art. 221 Abs. 3 ZK (nunmehr Art 103 Abs. 1 UZK) Ende Juli 2014 angenommen worden, da eine entstandene Zollschuld dieser Bestimmung zufolge nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr mitgeteilt werden dürfe.
Mit jedem einzelnen Mal, das der Beschwerdeführer die schweizerisch-österreichische Grenze mit dem gegenständlichen Fahrzeug passiert habe, sei mithin eine Nichtunionsware widerrechtlich in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht worden. Der zugrundeliegende Sachverhalt sei also auch im und nach dem für die Zollschuldentstehung gemäß Art 221 Abs. 3 ZK (nunmehr Art 103 Abs. 1 UZK) mit Ende Juli 2014 angenommenen Zeitpunkt der erstmaligen Verbringung wiederholt verwirklicht worden, weswegen von einer Verfristung hinsichtlich der Mitteilung der Zollschuld jedenfalls nicht auszugehen sei.
Die vorübergehende Verwendung eines drittländischen Fahrzeuges unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben im Zollgebiet der Europäischen Union sei gemäß Art. 137 ZK iVm Art. 558 Abs. 1 lit. a ZK-DVO (nunmehr Art. 250 UZK iVm Art. 212 Abs. 3 lit. a UZK-DA) grundsätzlich lediglich einer im Drittland ansässigen Person erlaubt.
Bei der Beurteilung der Ansässigkeit seien alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalles einer Gesamtwertung zu unterziehen, um zu prüfen, zu welchem Ort oder Land die stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen würden (vgl ). Doch habe auch der VwGH in einem Erkenntnis vom , 90/13/0073, festgestellt, dass den wirtschaftlichen Beziehungen idR eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zukomme.
So schließe auch eine berufliche Tätigkeit im Ausland einen Wohnsitz im Inland nicht aus () und seien auch die melderechtlichen Verhältnisse nur ein Indiz für die Begründung bzw. Beendigung des gewöhnlichen Aufenthalts (). Ebenso sie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer über eigene Schlüssel lediglich zu seinem österreichischen Wohnsitz dauernd verfügt habe nur als Indiz gewertet worden.
Unter persönlichen Beziehungen seien in diesem Zusammenhang alle jene zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen an ein bestimmtes Land binden würden, so z.B. auf Grund der Geburt, der Staatsangehörigkeit, des Familienstandes, der Betätigung religiöser und kultureller Art (vgl. etwa ). Jedoch sei unter dem Begriff persönlichen Beziehungen nicht nur die Beziehung zu einem Ehepartner zur verstehen, sondern auch jene zu den eigenen (minderjährigen) Kindern, die nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates erfahrungsgemäß auch als exclusiver anzusehen seien als die zu den übrigen Verwandten bestehenden Bindungen (vgl. dazu -F/09 und -F/08).
Darüber hinaus sei die Ehe des Beschwerdeführers - zumindest auf dem Papier - nach wie vor aufrecht und unterhalte er seine Gattin auch zur Gänze, was trotz einer behaupteten Trennung von Tisch und Bett eine gewisse Art von Bindung annehmen lasse.
Hinweise auf bestehende persönliche Bindungen des Beschwerdeführers in der Schweiz würden keine vorliegen und seien solche auch in den Eingaben des Beschwerdeführers nicht behauptet worden.
Schließlich entspreche es auch den Wahrnehmungen und den Ermittlungsergebnissen der Finanzpolizei, dass der Beschwerdeführer zumindest an seinem Wohnsitz in ***AT-Ort2*** in einer Regelmäßigkeit anwesend gewesen sei, die zweifelsfrei annehmen lasse, dass der Beschwerdeführer im wahrsten Sinne des Wortes dort gewohnt habe und anderslautende Behauptungen schlicht nicht zutreffen würden.
Vor diesem Hintergrund erachte es die Behörde nicht für nötig, die Ehefrau des Beschwerdeführers oder dessen Kinder zu einer Einvernahme zu laden. Der Sachverhalt sei ihres Erachtens ausreichend geklärt und seien aus einer Einvernahme der Genannten keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.
Nach wie vor sei die Behörde daher der Meinung, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers in Österreich gelegen sei und er das Fahrzeug mithin erstmalig im Juli 2014 widerrechtlich - da nicht im Rahmen und unter den Voraussetzungen der vorübergehenden Verwendung, anmeldungs- und gestellungslos - in das Zollgebiet der Union verbracht habe.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Das Zollamt legte die Beschwerde in der Folge mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Die gegenständliche Rechtssache wurde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom dem bisher zuständig gewesenen Richter abgenommen und dem hier ausgewiesenen Richter zur Erledigung zugeteilt.
Das Bundesfinanzgericht ersuchte das Zollamt in der Folge mit Schreiben vom zu den vorgelegten und einer Zollschuldentstehung im Juli 2014 entgegenstehenden Beweismitteln Stellung zu nehmen sowie darzulegen, aufgrund welcher Beweismittel - außer den Eintragungen im Zentralen Melderegister - die Behörde auf das Vorliegen eines bereits ab Ende Juli 2014 bestehenden Wohnsitzes (§ 26 BAO) bzw. gewöhnlichen Wohnsitzes (§ 4 Abs. 2 Z. 8 ZollR-DG) des Bf. in Österreich geschlossen hat, und ob Ermittlungsergebnisse zum behaupteten Wohnsitz in ***CH-Ort1*** in der Schweiz und zum Ausmaß der Nutzung der Wohnsitze in ***AT-Ort1***/Österreich bzw. ***CH-Ort1***/Schweiz durch die Ehegattin und die Kinder des Bf. ab Juli 2014 vorliegen.
Dieses Ersuchen blieb jedoch unbeantwortet.
Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zog der Bf. in der Folge seine Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Entscheidung durch den Senat zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht sieht es bei der vorliegenden Beweislage als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer (Bf.), ein deutscher Staatsangehöriger, zwei im angefochtenen Bescheid näher bezeichnete und in der Schweiz auf seinen Namen zugelassene Beförderungsmittel regelmäßig im Zollgebiet der Union verwendet hat, in dem von der Zollbehörde mit Ende Juli 2014 angenommenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung jedoch in der Schweiz und somit außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union ansässig im Sinne des Art. 4 Nr. 2 ZK der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 302 vom , S. 1 (Zollkodex - ZK) gewesen ist.
Beweiswürdigung
Hinsichtlich des gewöhnlichen Wohnsitzes des Bf. finden sich im angefochtenen Bescheid folgende Sachverhaltsannahmen:
"Die Gattin des Abgabenschuldners war gemäß Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom bis laufend mit Hauptwohnsitz in ***AT-Ort1*** gemeldet. Seit ist sie zudem mit Nebenwohnsitz in ***AT-Ort2*** gemeldet. Obwohl der Abgabenschuldner gemäß Auszug aus dem Zentralen Melderegister selbst nur seit in ***AT-Ort2*** mit Nebenwohnsitz gemeldet ist, ergibt sich aus den vom Abgabenschuldner gemachten Angaben zweifelsfrei, dass sich sein gewöhnlicher Wohnsitz im Zollgebiet der Union befindet: Seine Familie, nämlich seine Gattin und Kinder wohnen dort, seine Kinder gehen dort zur Schule und er selbst hält sich regelmäßig bei seiner Gattin und den Kindern auf. In der Schweiz hat der Abgabenschuldner lediglich eine Einraumwohnung gemietet, deren Schlüssel beim Hauseigentümer hinterlegt ist. Es kann somit dahin gestellt bleiben, ob diese Wohnung des Abgabenschuldners in der Schweiz auf Grund der beschränkten Zutrittsmöglichkeit tatsächlich die Qualität eines Wohnsitzes erreicht, da seine persönlichen Bindungen jedenfalls im Zollgebiet der Union liegen und er regelmäßig an den Ort seiner persönlichen Bindungen zurückkehrt."
Der Beschwerdevorentscheidung vom wurde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:
"Wie der Beschwerdeführer selbst vor der ho Behörde zu Protokoll gab, verwendete er die unverzollten in der Schweiz auf ihn zugelassenen Fahrzeuge der Marke VW, Modell ****** (FIN: ***xxxx***) mit dem Kennzeichen ***++++*** sowie Modell ***** (FIN: ***xxx***) mit dem Kennzeichen ***+++*** seit ihrem Erwerb vor sieben bzw. drei - dreieinhalb Jahren regelmäßig im Zollgebiet der Europäischen Union, um seine Familie in Österreich und seine Eltern in Deutschland zu besuchen.
Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz selbstständig tätig und verfügt dort über einen Wohnsitz in ***CH-Ort*** genauer eine angemietete Einraumwohnung, deren Schlüssel sich bei den Eigentümern des Hauses befinden.
Seine Ehefrau und seine Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren wohnten von 2011 bis 2016 in ***AT-Ort1*** und anschließend bis zum Frühjahr 2017 in einem Einfamilienhaus in ***AT-Ort2*** zu dem auch der Beschwerdeführer einen Schlüssel hatte. Da seine Frau kein Einkommen erzielt, bezahlte der Beschwerdeführer die Miete und die Betriebskosten für die österreichischen Wohnsitze. Vor dem Haus in ***AT-Ort2*** habe er zudem aus Platzgründen gelegentlich auch eines der Fahrzeuge, die im Zollgebiet der Europäischen Union nur von ihm sowohl privat als auch beruflich verwendet wurden, stehen gelassen."
In der Beschwerdevorentscheidung wird (auf Seite 4) auch ausgeführt, dass Hinweise auf bestehende persönliche Bindungen des Beschwerdeführers in der Schweiz nicht vorliegen würden und solche persönliche Bindungen vom Bf. auch nicht behauptet worden seien.
Dem Bundesfinanzgericht wurden von der belangten Behörde u.a. auch die in der Niederschrift vom protokollierten Angaben des Bf. vor der Finanzpolizei (Leiterin der Amtshandlung: ***XY***) vorgelegt.
Der Bf. gab Folgendes zu Protokoll (auszugsweise):
Auf die Frage: "Wie sind Ihre Familienverhältnisse? Sind Sie verheiratet? Wie heißt Ihre Gattin/Partnerin? Wo wohnt sie und wo ist sie beschäftigt?"
"…
Meine Frau und ich haben gemeinsam in der Schweiz gelebt. Das war in ***CH-Ort1***. Dort hatten wir ein Reihenhaus angemietet. Dann haben wir uns getrennt, das war anfangs Jahr 2016. Wir haben uns räumlich getrennt. Meine Frau ist mit den Kindern nach ***AT-Ort1*** gezogen. Dann hat sie das Haus in ***AT-Ort2*** gefunden und ist dann umgezogen nach ***AT-Ort2***. Ich bin nicht mit nach ***AT-Ort1*** gezogen, ich bin nach ***CH-Ort*** (o.g. Adresse).
Ich bin seit 2002 verheiratet. Meine Frau und ich waren mit dem schweizer Schulsystem nicht einverstanden, deshalb sind meine Kinder in Österreich zur Schule gegangen. Das war der Grund, weshalb meine Frau seit 2010 einen Wohnsitz in Österreich hat. Meine Frau hat diesen Wohnsitz gebraucht. Ich war in ***AT-Ort1*** nie gemeldet. Das war eine Wohnung für meine Frau und die Kinder. Die Wohnung wurde von mir nicht genutzt. Es ist auch vorgekommen dass meine Frau die Kinder von der Schweiz nach Österreich zur Schule gebracht hat und von der Schule wieder in die Schweiz zurück.
…"
Auf die Frage: "Wie sind die Kinder zur Schule gekommen?"
"Meine Frau organisiert das. Als wir noch in der Schweiz gelebt haben, hat meine Frau ein KFZ von mir nutzen können. Als sie in ***AT-Ort1*** gewohnt hat konnten die Kinder zu Fuß gehen.
…"
Auf die Frage: "Haben Sie Ihre Kinder zur Schule gebracht?"
"Ja aber von der Schweiz nach ***AT-Ort1***. ..."
Auf die Frage: "Wie groß ist die Wohnung in ***AT-Ort1***?"
"Es sind 2 Zimmer. Das ist ein Einfamilienhaus in dem sich diese Wohnung befindet.
In der Zeit als meine Kinder in ***AT-Ort1*** zur Schule gegangen sind, haben die Frau und die Kinder zu 90% bei mir in der Schweiz gewohnt. Im Wesentlichen sind sie gependelt. Es gab keine fixe Miete in ***AT-Ort1***.
Die Eigentümerin des Hauses in ***AT-Ort1*** ist eine Bekannte von meiner Frau. Sie hat die Eigentümerin über den Privat-Kindergarten kennengelernt."
Gemäß § 166 Bundesabgabenordnung (BAO) kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Insbesondere aus den oben dargestellten Aussagen des Bf. vor der Finanzpolizei lässt sich ableiten, dass der Bf. bis zur behaupteten Trennung Anfang 2016 mit seiner Familie überwiegend (zu 90 % laut obiger Angabe des Bf.) in ***CH-Ort1*** in der Schweiz gewohnt hat und die polizeiliche Wohnsitzanmeldung der Ehegattin in ***AT-Ort1*** zumindest bis dahin lediglich für den Schulbesuch der Kinder in Österreich vorgenommen worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind polizeiliche Meldebestätigungen nicht geeignet, vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse zu liefern, sondern können nur ein - widerlegbares - Indiz hiefür sein ( mwN).
Das Bundesfinanzgericht ersuchte daher das Zollamt zu den einer Zollschuldentstehung im Juli 2014 entgegenstehenden Beweismitteln Stellung zu nehmen sowie darzulegen, aufgrund welcher Beweismittel - außer den Eintragungen im Zentralen Melderegister - die Behörde auf das Vorliegen eines bereits ab Ende Juli 2014 bestehenden Wohnsitzes (§ 26 BAO) bzw. gewöhnlichen Wohnsitzes (§ 4 Abs. 2 Z. 8 ZollR-DG) des Bf. in Österreich geschlossen hat, und ob Ermittlungsergebnisse zum behaupteten Wohnsitz in ***CH-Ort1*** in der Schweiz und zum Ausmaß der Nutzung der Wohnsitze in ***AT-Ort1***/Österreich bzw. ***CH-Ort1***/Schweiz durch die Ehegattin und die Kinder des Bf. ab Juli 2014 vorliegen.
Dieses Ersuchen blieb jedoch unbeantwortet, sodass bei der vorliegenden Sach- und Beweislage und mangels gegenteiliger Ermittlungsergebnisse der Behörde daher anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer in dem von der Zollbehörde mit Ende Juli 2014 herangezogenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung (noch) nicht im Zollgebiet der Europäischen Union ansässig im Sinne des Art. 4 Nr. 2 ZK gewesen ist.
Auch die in der Niederschrift vom , GZ. ***000***, protokollierten Angaben des Bf. beziehen sich auf die Verhältnisse und persönlichen Bindungen ab Oktober 2016 und lassen keine Rückschlüsse auf den von der Zollbehörde mit Ende Juli 2014 herangezogenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung zu.
Rechtslage
Gemäß Art. 4 Nr. 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABL L 302 vom , (Zollkodex - ZK) ist eine in der Gemeinschaft ansässige Person im Fall einer natürlichen Person eine Person, die in der Gemeinschaft ihren normalen Wohnsitz hat, im Fall einer juristischen Person oder Personenvereinigung eine Person, die in der Gemeinschaft ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder eine dauernde Niederlassung hat.
Gemäß § 4 Abs. 2 Z. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung bedeutet im Zollrecht "normaler Wohnsitz" oder "gewöhnlicher Wohnsitz" jenen Wohnsitz (§ 26 BAO) einer natürlichen Person, an dem diese wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Jedoch gilt als gewöhnlicher Wohnsitz einer Person, deren berufliche Bindungen an einem anderen Ort als dem ihrer persönlichen Bindungen liegen und die daher veranlasst ist, sich abwechselnd an verschiedenen Orten innerhalb und außerhalb des Zollgebietes der Gemeinschaft aufzuhalten, der Ort ihrer persönlichen Bindungen, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt.
Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, sind vom Verbringer gemäß Art. 38 Abs. 1 Buchstabe a) ZK unverzüglich und gegebenenfalls unter Benutzung des von den Zollbehörden bezeichneten Verkehrsweges nach Maßgabe der von diesen Behörden festgelegten Einzelheiten zu der von den Zollbehörden bezeichneten Zollstelle oder einem anderen von diesen Behörden bezeichneten oder zugelassenen Ort zu befördern und gemäß Art. 40 ZK von der Person zu gestellen, die die Waren beim Eingang in das Zollgebiet der Gemeinschaft dorthin verbracht hat oder gegebenenfalls die Verantwortung für eine Weiterbeförderung übernimmt.
Gemäß Art. 59 Abs. 1 ZK sind alle Waren, die in ein Zollverfahren übergeführt werden sollen, zu dem betreffenden Verfahren anzumelden.
Zollanmeldungen werden gemäß Art. 61 Buchstabe a) ZK schriftlich oder gemäß Art. 61 Buchstabe c) ZK mündlich oder durch eine Handlung abgegeben, mit der der Wareninhaber den Willen bekundet, die Waren in ein Zollverfahren überführen zu lassen, wenn diese Möglichkeit in nachdem Ausschussverfahren erlassenen Vorschriften vorgesehen ist.
Nach Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zu Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 253 vom , (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) können Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für in den Artikeln 556 bis 561 genannte Beförderungsmittel durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 nach Maßgabe des Artikels 579 abgegeben werden, sofern sie nicht schriftlich oder mündlich angemeldet werden. Sofern die in Absatz 1 genannten Waren nicht Gegenstand einer ausdrücklichen Zollanmeldung sind, werden sie als zur Wiederausfuhr nach Beendigung der vorübergehenden Verwendung durch eine Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 angemeldet angesehen (Absatz 2 leg. cit.).
Im Sinne der Art. 230 bis 232 ZK-DVO kann die als Zollanmeldung geltende Willensäußerung bei Befördern der Waren bis zu einer Zollstelle oder einem anderen nach Art. 38 Abs. 1 Buchstabe a des Zollkodex bezeichneten oder zugelassenen Ort "konkludent" durch Passieren einer Zollstelle ohne getrennte Kontrollausgänge, ohne spontan eine Zollanmeldung abzugeben, abgegeben werden (Art. 233 Abs. 1 Buchstabe a, zweiter Anstrich ZK-DVO; sog. konkludente Willensäußerung).
Sind die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 erfüllt, so gelten gemäß Art. 234 Abs. 1 ZK-DVO die betreffenden Waren als im Sinne des Art. 63 ZK gestellt, die Zollanmeldung als angenommen und die Waren als (zum Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung) überlassen, sobald die (konkludente) Willensäußerung im Sinne des Art. 233 erfolgt ist.
Gemäß Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO gelten, wenn sich bei einer Kontrolle ergibt, dass die Willensäußerung im Sinne des Artikels 233 erfolgt ist, ohne dass die verbrachten oder ausgeführten Waren die Voraussetzungen der Artikel 230 bis 232 erfüllen, diese Waren als vorschriftswidrig verbracht oder ausgeführt.
Gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. entsteht die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind Zollschuldner:
- die Person, welche die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht hat;
- die Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln;
- die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.
Der Abgabenbetrag ist gem. Art. 221 Abs. 1 ZK dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.
Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Art. 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.
Gemäß Art. 137 ZK können im Verfahren der vorübergehenden Verwendung Nichtgemeinschaftswaren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind, ohne dass sie, abgesehen von der normalen Wertminderung aufgrund des von ihnen gemachten Gebrauchs, Veränderungen erfahren hätten, unter vollständiger oder teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben, und ohne dass sie handelspolitischen Maßnahmen unterliegen, im Zollgebiet der Gemeinschaft verwendet werden.
Für die vorübergehende Verwendung von Beförderungsmitteln (Titel III, Kapitel 5, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 der ZK-DVO gelten gemäß Art. 555 Abs. 1 ZK-DVO folgende Definitionen:
a) "gewerbliche Verwendung": die Verwendung eines Beförderungsmittels zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur industriellen oder gewerblichen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt;
b) "eigener Gebrauch": eine andere als die gewerbliche Verwendung eines Beförderungsmittels.
Die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben wird für im Straßen-, Schienen- oder Luftverkehr und in der See- und Binnenschifffahrt eingesetzte Beförderungsmittel gemäß Art. 558 Abs. 1 ZK-DVO bewilligt, die
a) außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft auf den Namen einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person amtlich zugelassen sind; in Ermangelung einer amtlichen Zulassung gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn die betreffenden Fahrzeuge einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person gehören;
b) unbeschadet der Art. 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ansässigen Person verwendet werden; und
c) bei gewerblicher Verwendung ....
Rechtliche Beurteilung
Die Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b, 558 ZK-DVO ermöglichen die Überführung eines ausländischen unverzollten Beförderungsmittels in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung durch Abgabe einer konkludenten Zollanmeldung, weil hier von Anfang an klar ist, dass es nicht auf Dauer als Unionsware im Zollgebiet der Europäischen Union verbleiben soll, sondern lediglich zu Transportzwecken dient. In diesem Fall ist das Beförderungsmittel gem. Art. 232 Abs. 2 ZK-DVO als zur Wiederausfuhr nach Beendigung der vorübergehenden Verwendung durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO angemeldet zu sehen (vgl. etwa Finanzgericht München , 14 K 1929/08).
Nach Art. 558 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO setzt die vorübergehende Verwendung mit vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben für im Straßenverkehr eingesetzte Beförderungsmittel voraus, dass diese unbeschadet der Art. 559, 560 und 561 von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet werden.
Die Einreise mit einem im Drittland zugelassenen Fahrzeug durch eine in der Union ansässige Person stellt ein vorschriftswidriges Verbringen im Sinne des Art. 202 ZK dar, wenn für das Fahrzeug keine ausdrückliche Zollanmeldung abgegeben wird (Witte, Zollkodex6, Art. 141 Rz 16).
In einem solchen Fall ist die vorübergehende Verwendung des Fahrzeuges unzulässig, weil es sich nicht um ein in den Art. 558 bis 561 genanntes Beförderungsmittel im Sinne des Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO handelt und demnach auch die Fiktion des Art. 234 Abs. 1 ZK-DVO über die Gestellung und Überlassung nicht greifen kann.
Erfolgen die Willensäußerungen im Sinne des Art. 233 ZK-DVO anlässlich der jeweiligen Einfuhren, ohne dass die verbrachten Fahrzeuge die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 erfüllen, gelten diese Waren gemäß Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO als vorschriftswidrig verbracht mit der Folge, dass die Zollschuld für die Fahrzeuge nach Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Zollschuldentstehung ist der Zeitpunkt des vorschriftswidrigen Verbringens (Art. 202 Abs. 2 ZK). Unter der Voraussetzung, dass es sich beim Bf. um eine in der Union ansässige Person handelt, würde somit die Zollschuld im jeweiligen Zeitpunkt der Abgabe der Willensäußerung nach Art. 233 Abs. 1 Buchstabe a dritter Anstrich ZK-DVO (Passieren der Zollstelle) anlässlich jeder Einreise des Bf. mit den gegenständlichen Fahrzeugen in das Zollgebiet entstehen. Das wiederholte Verbringen derselben Nichtunionsware (Art. 4 Nr. 8 ZK) in das Zollgebiet führt zur wiederholten Einfuhrzollschuldentstehung, und zwar pro Einfuhrvorgang.
In diesem Zusammenhang ist es der Zollbehörde auch nicht verwehrt, auf den frühesten innerhalb der Verjährungsfrist des Art. 221 Abs. 3 ZK liegenden Einfuhrvorgang als maßgeblichen Zollschuldentstehungszeitpunkt abzustellen.
Das damalige Zollamt ***ZA*** hat im angefochtenen Bescheid diesen Zeitpunkt mit Ende Juli 2014 angesetzt.
Im vorliegenden Fall wurden die in der Schweiz auf den Namen des Bf. zugelassenen Fahrzeuge durch Passieren von Zollstellen an der Grenze wiederholt formlos in das Zollgebiet der Union verbracht. Es ist daher zu prüfen, ob in dem von der Zollbehörde im angefochtenen Bescheid angenommenen Einfuhrzeitpunkt die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 (hier: Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO - Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für in Art. 556 bis 561 genannte Beförderungsmittel) vorlagen.
Zunächst ist unbestritten, dass kein in den Art. 559 bis 561 ZK-DVO genannter Tatbestand vorliegt und die Beförderungsmittel nicht im Sinne der Definition des Art. 555 Abs. 1 Buchstabe a ZK-DVO gewerblich, also zur Beförderung von Personen gegen Entgelt oder zur industriellen oder gewerblichen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt verwendet wurden, sondern zum "eigenen Gebrauch" des Bf. gemäß Buchstabe b der zuletzt zitierten Bestimmung.
Im Beschwerdefall ist insbesondere strittig, ob die in Rede stehenden Beförderungsmittel auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person amtlich zugelassen (Art. 558 Abs. 1 Buchstabe a ZK-DVO) und unbeschadet der Art. 559, 560 und 561 ZK-DVO von einer außerhalb dieses Gebiets ansässigen Person verwendet (Art. 558 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO) worden sind.
Wie in der "Beweiswürdigung" bereits dargelegt wurde, muss bei der vorliegenden Sach- und Beweislage und mangels gegenteiliger Ermittlungsergebnisse der Behörde angenommen werden, dass der Bf. in dem von der Zollbehörde mit Ende Juli 2014 herangezogenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung seinen gewöhnlichen bzw. normalen Wohnsitz im Sinne des § 4 Abs. 2 Z. 8 ZollR-DG in der Schweiz gehabt hat und daher nicht im Zollgebiet der Europäischen Union ansässig im Sinne des Art. 4 Nr. 2 ZK gewesen ist. Auf die entsprechenden Ausführungen in Punkt 2. dieses Erkenntnisses wird verwiesen.
War die vorübergehende Verwendung der Fahrzeuge zulässig, dann handelte es sich um in Art. 558 bis 561 genannte Beförderungsmittel im Sinne des Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO. Demnach konnte auch die Fiktion des Art. 234 Abs. 1 ZK-DVO über die Gestellung und Überlassung im hier maßgeblichen Zeitpunkt zur Anwendung kommen.
In dem von der Behörde angenommenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung waren daher alle objektiven Voraussetzungen erfüllt, um die Beförderungsmittel durch Abgabe einer konkludenten Zollanmeldung in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung überführen zu können, da eben die Fahrzeuge auf den Namen einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person amtlich zugelassen und von einer außerhalb des Zollgebiets der Union ansässigen Person verwendet wurden.
Im Rahmen der mit Ende Juli 2014 angenommenen Einfuhrvorgänge waren die Beförderungsmittel sowohl gemäß Art. 232 Abs. 1 ZK-DVO zur vorübergehenden Verwendung als auch gemäß Art. 232 Abs. 2 ZK-DVO als zur Wiederausfuhr nach Beendigung der vorübergehenden Verwendung durch eine Willensäußerung im Sinne des Art. 233 ZK-DVO angemeldet anzusehen.
Damit galten diese Waren nicht im Sinne des Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO als vorschriftswidrig verbracht. Dies mit der Folge, dass in dem von der Zollbehörde herangezogenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung auch keine Zollschuld nach Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entstand.
Gemäß § 279 Abs. 1 BAO ist das Verwaltungsgericht berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes darf nicht zu einer Entscheidung führen, die nicht "Sache" (also Gegenstand des Verfahrens) vor der Abgabenbehörde war (vgl. die bei Ritz, BAO6, § 279 Tz 11 ff, angeführte hg. Rechtsprechung). "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz bildete.
Dem Verwaltungsgericht ist es somit ganz allgemein untersagt, erstmals ein anderes sachverhaltsmäßiges Verhalten einer Person anzunehmen. So darf es auch nicht erstmals einen im Verfahren vor der Abgabenbehörde nicht vorgekommenen Sachverhalt, etwa ein - wenn auch gleiches - Zollvergehen an einem anderen Tag - seiner Entscheidung zu Grunde legen ().
Das bedeutet für den Beschwerdefall, dass das Bundesfinanzgericht seiner Entscheidung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht auch nicht spätere - etwa im Oktober 2016 erfolgte - Einfuhrvorgänge und somit einen anderen Zeitpunkt der Entstehung der Zollschuld erstmals zugrunde legen darf.
Dem Beschwerdeantrag entsprechend war daher der angefochtene Bescheid aufzuheben, weil bei der vorliegenden Sach- und Beweislage eine vorschriftswidrige Verbringung der verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge durch den Bf. in dem von der Zollbehörde herangezogenen Zeitpunkt der Zollschuldentstehung nicht vorlag und daher in dieser vom angefochtenen Bescheid umfassten Sache keine weitere Entscheidung mehr in Betracht kommt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt ().
Im gegenständlichen Beschwerdefall war im Rahmen der Beweiswürdigung festzustellen, ob in dem von der Zollbehörde angenommenen Einfuhrzeitpunkt die Voraussetzungen des Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO - Zollanmeldungen zur vorübergehenden Verwendung für in Art. 556 bis 561 ZK-DVO genannte Beförderungsmittel - vorlagen. Hinsichtlich der aufgeworfenen Rechtsfragen, insbesondere zur Änderungsbefugnis des Bundesfinanzgerichtes im Rahmen des § 279 Abs. 1 BAO, orientiert sich das Erkenntnis an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Weder die im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht.
Die Revision ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 234 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1 Art. 558 ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1 Art. 4 Nr. 2 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 202 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 61 Buchstabe c ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 Art. 232 Abs. 1 Buchstabe b ZK-DVO, VO 2454/93, ABl. Nr. L 253 vom S. 1 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.1200040.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at