DBA: Tragweite des Kausalitätsprinzips bei Befreiungsmethode mit Progressionsvorbehalt
Rechtssätze
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RV/7102144/2021-RS1 | Es steht außer Zweifel, dass das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zusteht, der nach dem Kausalitätsprinzip Frankreich ist. Der in Art 23 Abs 2 lit c DBA Frankreich vorgesehene Progressionsvorbehalt greift aber eben genau dann im Ansässigkeitsstaat, wenn das Besteuerungsrecht – hier nach Art 15 DBA Frankreich – dem Tätigkeitsstaat zugewiesen wird. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Hans Blasina, den Richter Dr. Sebastian Pfeiffer sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. KomzlR. Hans Eisenkölbl und Gerald Cuny-Kreuzer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2014, Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 und Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit bzw. ergingen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 bzw. 2015 und ergaben jeweils eine Abgabengutschrift iHv. € 3.195,00 bzw. € 3.696,00. Aufgrund gesetzlicher Verpflichtung wurde dem Finanzamt mitgeteilt, dass 2014 und 2015 ausländische Einkünfte bezogen wurden. Es handelte sich dabei um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, gemeldet von ***1*** FRANCE für 2014 iHv € 118.800 und für 2015 iHv € 47.499.
Das Finanzamt wies den Abgabepflichtigen mit Vorhalt vom darauf hin, dass diese Einkünfte nicht in seinen Einkommensteuererklärungen von 2014 und 2015 ersichtlich waren, diese aber sehr wohl zur Progression herangezogen werden müssen. Die Vorhaltefrist verstrich ohne Antwort, weshalb das Finanzamt mit zwei Wiederaufnahmebescheide gemäß § 303 Abs 1 BAO erließ und in Verbindung damit, die Einkommensteuerbescheide für beide Jahre inkl. Einberechnung der jeweiligen ausländischen Einkünfte mit neu erließ. Für die Jahre 2014 bzw 2015 ergab dies Abgabennachforderungen iHv. € 2.403 und € 960.
In der fristgerecht eingebrachten Beschwerde begehrte der Abgabepflichtige, die in 2014 im Tätigkeitsstaat Frankreich versteuerte Bonuszahlung iHv. € 118.800 und die in 2015 im Tätigkeitsstaat Frankreich versteuerte Gehaltszahlung iHv. € 47.499 von der Besteuerung und dem Progressionsvorbehalt in Österreich freizustellen. Weiters beantragte er die Aufhebung der festgesetzten Anspruchszinsen für 2014 iHv. € 139,03.
Begründend führt der Bf aus, die in den Jahren 2014 und 2015 zugeflossenen Boni aus Frankreich beträfen seine Tätigkeit dort in den Jahren 2009 und 2010, in denen der Bf nicht in Österreich steuerpflichtig gewesen sei. Daher komme Österreich kein Besteuerungsrecht (auch nicht unter Progressionsvorbehalt) zu (Verweis auf ; EAS 2447, 1579, 1872). Im Zeitraum, für den die Boni gebührten, sei Frankreich der Tätigkeits- und Ansässigkeitsstaat gewesen. Aufgrund der Zuteilung des Besteuerungsrechts nach Kausalität und nicht nach dem Zuflussprinzip komme somit nach Art 15 DBA Frankreich nur diesem das Besteuerungsrecht zu.
Demgegenüber führt die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung aus, das angewandte Kausalitätsprinzip hindere den Wohnsitzstaat im Zeitpunkt des Zuflusses einer nachträglichen Zahlung aus einem Dienstverhältnis nicht daran, diese Einkünfte zur Progression heranzuziehen. Die zitierte UFS-Entscheidung sei nicht vergleichbar, weil der Abgabepflichtige dort im Zuflusszeitpunkt nicht in Österreich ansässig war. Auch die EAS träfen nicht zu, sie bezögen sich auf andere DBAs.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf war von bis von seinem deutschen Arbeitgeber nach Frankreich entsendet, wo er in diesem Zeitraum ansässig war. Ab wurde er nach Österreich entsendet, wo er ab diesem Zeitpunkt und in den Streitjahren 2014 und 2015 durchgängig ansässig war.
Im Jahr 2014 flossen ihm von seinem ehemaligen französischen Arbeitgeber Bonuszahlungen in Höhe von 118.800 Euro zu, die seine dortige Beschäftigung aus dem Jahr 2009 betrafen. Im Jahr 2015 flossen ihm von seinem ehemaligen französischen Arbeitgeber Bonuszahlungen in Höhe von 47.499 Euro zu, die seine dortige Beschäftigung aus dem Jahr 2010 betrafen.
In Frankreich wurden diese Beträge vom Bf in Steuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015 deklariert. In Österreich wurden sie von der belangten Behörde nach einer Kontrollmitteilung im Rahmen der Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren 2014 und 2015 zwar steuerfrei belassen, aber bei der Progressionsberechnung berücksichtigt.
Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den unbedenklichen Parteienvorbringen und ist unstrittig.
Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Art 15 Abs 1 DBA Frankreich lautet: "Vorbehaltlich der Artikel 16, 17, 18, 19 und 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden."
Art 23 Abs 2 DBA Frankreich lautet: "Die Republik Österreich wird die Doppelbesteuerung wie folgt beseitigen:
a) Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in Frankreich besteuert werden, so nimmt Österreich vorbehaltlich der lit. b und c diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus.
b) …
c) Einkünfte oder Vermögen einer in Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden."
Soweit sich der Bf auf die Entscheidung des , bezieht, ist anzumerken, dass daraus nichts zu gewinnen ist: Das dort anwendbare DBA Großbritannien sieht die Anrechnungsmethode vor; der dortige Bf war zwar in Österreich nach nationalem Recht unbeschränkt steuerpflichtig, nach dem DBA aber nicht hier ansässig; das Kausalitätsprinzip dient zur Zuweisung des Besteuerungsrechtes zum Ansässigkeits- oder Tätigkeitsstaat, zur Anwendbarkeit eines allfälligen Progressionsvorbehaltes ist aus diesem Prinzip jedoch nichts abzuleiten.
Es steht außer Zweifel, dass das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat zusteht, der nach dem Kausalitätsprinzip Frankreich ist. Der in Art 23 Abs 2 lit c DBA Frankreich vorgesehene Progressionsvorbehalt greift aber eben genau dann im Ansässigkeitsstaat, wenn das Besteuerungsrecht - hier nach Art 15 DBA Frankreich - dem Tätigkeitsstaat zugewiesen wird. Nichts Anderes ist den zitierten EAS 1579 und 1872 zu entnehmen, die zum Besteuerungsrecht nach dem Kausalitätsprinzip Stellung beziehen, zum der Befreiung nachgelagerten Progressionsvorbehalt aber gar keine Aussage treffen. EAS 2447 ist hingegen nicht im Entferntesten einschlägig.
Gleichfalls hat der VwGH für Zahlungen, die aus dem Dienstverhältnis erfließen, aber erst nach Beendigung der Tätigkeit gezahlt werden, ausgesprochen, dass nach dem Kausalitätsprinzip dem bisherigen Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht nach Art 15 des anzuwendenden DBA zusteht (; , Ro 2014/15/0050). In dem Sachverhalt, der dem zitierten Erkenntnis vom zugrunde liegt, hat der Bf diese nachträglich zugeflossenen Einnahmen als unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite Auslandseinkünfte erklärt. Der VwGH hat im Sinne des Beschwerdebegehrens diese Rechtsansicht bestätigt.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten:
Bonuszahlungen, die für eine in Vorjahren in Frankreich verrichtete nichtselbständige Tätigkeit in einem späteren Jahr zufließen, sind nach § 19 EStG im Jahr des Zuflusses zu erfassen. Dass im Veranlassungsjahr keine Ansässigkeit in Österreich bestanden hat, ist unbedeutend; entscheidend ist der steuerliche Status in dem Jahr, in dem sich die Einnahme steuerlich auswirkt.
Im Zuflussjahr hatte der Bf seinen Wohnsitz in Österreich und galt nach Art 4 DBA Frankreich hier als ansässig.
Das Besteuerungsrecht an den nachträglichen Bonuszahlungen stand aber Frankreich zu, weil die zugrundeliegende Tätigkeit nach Art 15 DBA Frankreich dort ausgeübt worden ist (Kausalitätsprinzip).
Gemäß Art 23 Abs 2 lit a DBA Frankreich hatte Österreich diese Einkünfte zwar von der Besteuerung auszunehmen, gemäß lit c leg cit durften sie gleichwohl in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen des Bf einbezogen werden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Sowohl über das Kausalitätsprinzip nach Art 15 DBA als auch über die Anwendbarkeit eines Progressionsvorbehaltes in Art 23 DBA liegt eine Rechtsprechung vor (), nach der sich dieses Erkenntnis richtet. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 23 Abs. 2 lit. c DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 Art. 15 DBA F (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Frankreich (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 613/1994 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102144.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at