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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.10.2022, RV/2100556/2022

Die Verwendung der UID des Abgangsstaates würde zur Vorschreibung einer Erwerbsteuer führen, die nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Diese wird nicht vorgeschrieben, weil sie dem Neutralitäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Mehrwertsteuer widersprechen würde.

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0003.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Payer Steuerberatung GmbH, Innovationsplatz 1, 4224 Wartberg ob der Aist, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2011 bis 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

1. Die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 wird festgesetzt mit: (-) 137.820,31 (Gutschrift)
2. Die Umsatzsteuer für das Jahr 2012 wird festgesetzt mit: (-) 146.730,94 (Gutschrift)
3. Die Umsatzsteuer für das Jahr 2013 wird festgesetzt mit: (+) 37.238,88 (Zahllast)
4. Die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 wird festgesetzt mit: (-) 92.858,95 (Gutschrift)
5. Die Umsatzsteuer für das Jahr 2015 wird festgesetzt mit: (-) 41.627,94 (Gutschrift)

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Erkenntnis vom , Ro 2021/15/0002 wurde das hg. Erkenntnis RV/2101256/2018 vom hinsichtlich der Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2015 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die oa. Entscheidungen, die der Beschwerdeführerin (Bf.) zugegangen sind, verwiesen. Es werden lediglich zu dem noch strittigen Beschwerdepunkt folgende Ausführungen erstattet:

Im Betriebsprüfungsbericht wurde festgehalten, es seien im Prüfungs- und Nachschauzeitraum von verschiedenen Lieferanten Rechnungen an die Revisionswerberin für grenzüberschreitende Lieferungen in andere Mitgliedstaaten der EU ohne Angabe der ausländischen UID-Nummer der Revisionswerberin bzw. unter Angabe der österreichischen UID-Nummer der Revisionswerberin ausgestellt worden. Teilweise seien solche Rechnungen auch mit österreichischer Umsatzsteuer ausgestellt worden. Der innergemeinschaftliche Erwerb werde gemäß Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befinde. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gelte der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweise, dass der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden sei. Auch die Verwendung einer österreichischen UID gegenüber einem österreichischen Lieferanten verursache einen Doppelerwerb, wenn die Ware in andere Mitgliedstaaten der EU gehe. Die Vorsteuer auf die betreffenden Erwerbe bzw. die Vorsteuer aus der an die Revisionswerberin verrechneten österreichischen Umsatzsteuer für Lieferungen in andere Mitgliedstaaten der EU werde nicht anerkannt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in tatsächlicher Hinsicht unstrittigen Prüfungsfeststellungen.

2. Beweiswürdigung

Hierbei darf auf die unstrittige Aktenlage verwiesen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

Rechtsquellen:

UStG 1994

§ 11. (1)
1.
Führt der Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 aus, ist er berechtigt, Rechnungen auszustellen. Führt er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, aus, ist er verpflichtet, Rechnungen auszustellen. Führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung oder Werkleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück an einen Nichtunternehmer aus, ist er verpflichtet eine Rechnung auszustellen. Der Unternehmer hat seiner Verpflichtung zur Rechnungsausstellung innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung des Umsatzes nachzukommen.
2. Die Verpflichtung zur Rechnungsausstellung besteht auch, wenn
der leistende Unternehmer sein Unternehmen vom Inland aus betreibt oder sich die Betriebsstätte, von der aus die Leistung erbracht wird, im Inland befindet,
- der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der die Lieferung oder sonstige Leistung für sein Unternehmen bezieht oder eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist,
- die Steuerschuld für die im anderen Mitgliedstaat ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung auf den Leistungsempfänger übergeht und
- der leistende Unternehmer in diesem Mitgliedstaat weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte hat.
Dies gilt nicht, wenn mittels Gutschrift abgerechnet wird.
Der Unternehmer hat seiner Verpflichtung zur Rechnungsausstellung für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte sonstige Leistungen, für die der Leistungsempfänger entsprechend
Art. 196 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. Nr. L 347 vom S. 1, die Steuer schuldet, spätestens am fünfzehnten Tag des Kalendermonates, der auf den Kalendermonat folgt, in dem die sonstige Leistung ausgeführt worden ist, nachzukommen.
Die Verpflichtung zur Rechnungsausstellung besteht auch, wenn der leistende Unternehmer sein Unternehmen vom Inland aus betreibt oder sich die Betriebsstätte, von der aus die Leistung erbracht wird, im Inland befindet und die Lieferung oder sonstige Leistung im Drittlandsgebiet an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, soweit sie nicht Unternehmer ist, ausgeführt wird.
3. Rechnungen müssen - soweit in den nachfolgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist - die folgenden Angaben enthalten:

(1a) Führt der Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen aus, für die der Leistungsempfänger nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c, Abs. 1d oder Abs. 1e die Steuer schuldet, hat er in den Rechnungen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Leistungsempfängers anzugeben und auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinzuweisen. Die Vorschrift über den gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung ist nicht anzuwenden.
Dies gilt auch, wenn der Unternehmer Lieferungen oder sonstige Leistungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausführt, für die eine Verpflichtung zur Rechnungsausstellung nach Abs. 1 besteht.

Vorsteuerabzug
§ 12. (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Findet keine Überrechnung gemäß § 215 Abs. 4 BAO in Höhe der gesamten auf die Lieferung oder sonstige Leistung entfallenden Umsatzsteuer auf das Abgabenkonto des Leistungsbringers statt, ist bei einem Unternehmer, der seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) besteuert, zusätzliche Voraussetzung, dass die Zahlung geleistet worden ist. Dies gilt nicht bei Unternehmen im Sinne des § 17 Abs. 1 zweiter Satz oder wenn die Umsätze des Unternehmers nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2 000 000 Euro übersteigen. Bei der Berechnung dieser Grenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz.
b) Soweit in den Fällen der lit. a der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung der Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.
2. a) die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind,
b) in den Fällen des § 26 Abs. 3 Z 2 die geschuldete und auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind;
3. die gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c, Abs. 1d und Abs. 1e geschuldeten Beträge für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 - BMR

Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß.

Vorsteuerabzug

Art. 12. (1) Der Unternehmer kann neben den in § 12 Abs. 1 Z 1 und 2 genannten Vorsteuerbeträgen folgende Beträge abziehen:
1. Die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen. Das gilt nicht für die sich auf Grund des Abs. 4 ergebende Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb;
2. die gemäß Art. 25 Abs. 5 geschuldeten Beträge für Lieferungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind;"

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung/teilweise Stattgabe)

Hinsichtlich der strittigen Umsatzsteuerfälle waren ursprünglich fünf Sachverhaltskonstellationen zu unterscheiden, wobei für das gegenständliche Verfahren aus inhaltlicher Sicht lediglich der Fall 2 aus inhaltlicher Sicht noch relevant ist. Zu Fall 1 verneint der VwGH den Vorsteuerabzug bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb iSd Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 (vgl. , Rz. 22) und kann als materielle Abweisung des Revisionspunktes gedeutet werden, weshalb sich weitere Ausführungen erübrigen.

Bei Fall 2 habe ein Unternehmer aus Österreich Waren in einen anderen Mitgliedstaat an die unter ihrer österreichischen UID-Nummer auftretende Bf. geliefert. Die Bf. habe aus der Rechnung des österreichischen Unternehmers einen Vorsteuerabzug vorgenommen. Ein innergemeinschaftlicher Erwerb kraft UID-Nummer nach Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 ist nicht erklärt worden. Auch in diesem Fall vertrat das Bundesfinanzgericht die Rechtsauffassung, es finde grundsätzlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland statt, da die Ware in den anderen Mitgliedstaat gelange. Da die Bf. jedoch die österreichische UID verwendet habe, finde gleichzeitig ein innergemeinschaftlicher Erwerb in Österreich kraft UID-Verwendung statt. Daher falle sowohl im anderen Mitgliedstaat als auch in Österreich Erwerbsteuer an. Die inländische Erwerbsteuer sei nicht als Vorsteuer abzugsfähig. Da es sich bei der Lieferung in Österreich um einen steuerfreien innergemeinschaftlichen Umsatz handle, sei die österreichische Umsatzsteuer auf der Rechnung zu Unrecht ausgewiesen und berechtige nicht zum Vorsteuerabzug. Dieser Beurteilung ist der angerufene VwGH nicht gefolgt und führt dazu in Rz. 25 und 26 aus:
"Der X und fiscale eenheid Facet-Facet Trading, C-536/08 und C-539/08, dargelegt, dass in Fällen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Sinne des Art. 41 der MwSt-RL kein Vorsteuerabzug zusteht. Der EuGH hat dies u.a. damit begründet, dass die Gewährung des Vorsteuerabzugs in einem solchen Fall die praktische Wirkung des Art. 40 MwSt-RL (früher 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie) beeinträchtigen würde, weil für den Steuerpflichtigen, der im Mitgliedstaat der verwendeten UID zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kein Anreiz mehr bestünde, die Besteuerung des fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nachzuweisen. Eine solche Lösung könnte letztlich die Anwendung der Grundregel gefährden, nach der bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb davon auszugehen ist, dass der Ort der Besteuerung im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung, d. h. im Endverbrauchsmitgliedstaat, liegt, was das Ziel der Übergangsregelung ist (vgl. Rn 44 des Urteils). Im Gegensatz zum Revisionsvorbringen steht somit der Vorsteuerabzug bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb iSd Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 nicht zu. Zur in der Zulässigkeitsbegründung des Bundesfinanzgerichts aufgeworfenen Frage, ob gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 die Verwendung einer österreichischen UID im Abgangsstaat Österreich die Vorschreibung einer Erwerbsteuer auslöse, bis der tatsächliche Erwerb im Bestimmungsstaat nachweislich besteuert/erklärt worden sei, moniert die Revision die Rechtswidrigkeit der vorgeschriebenen Erwerbsteuer. Damit ist die Revision im Recht. Der EuGH hat im (die Regelungen für Dreiecksgeschäfte iSd Art 25 UStG 1994 betreffenden) Urteil vom , C-580/16, Firma Hans Bühler KG, in Rn 36 zum Ausdruck gebracht, wenn bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung "der Mitgliedstaat des Beginnes der Beförderung zugleich derjenige wäre, in dem der Erwerber für den Erwerb der beförderten Gegenstände für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist", bedeute dies, dass der Umsatz in diesem Mitgliedstaat stattgefunden hat und (dort) nicht als innergemeinschaftlicher Erwerb eingestuft werden kann. Somit wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb iSd Art. 41 MwSt-RL nicht dadurch bewirkt, dass der Erwerber die UID des Ausgangsmitgliedstaates der Warenbewegung verwendet (siehe auch Ruppe/Achatz, UStG 4, Art. 3 BMR Rz 35/1). Daraus ergibt sich bereits, dass die Verwendung der UID des Ausgangmitgliedstaates der innergemeinschaftlichen Lieferung durch den Erwerber zu keinem innergemeinschaftlichen Erwerb iSd Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 in diesem Staat führen kann. Die Revisionswerberin hat daher in jenen Fällen, in denen die Ware von einem Unternehmen aus Österreich in ein anderes EU-Mitgliedsland an die Revisionswerberin versendet oder befördert wurde, durch die Verwendung der österreichischen UID keinen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich verwirklicht."

In einem danach ergangenen Urteil des EuGH (, B. gegen Dyrektor Izby Skarbowej w W.) führt dieser Folgendes aus:
"Art. 41 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, wonach ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen als in seinem Gebiet bewirkt gilt, wenn dieser Erwerb, der den ersten Umsatz einer Kette aufeinanderfolgender Umsätze darstellt, von den beteiligten Steuerpflichtigen zu Unrecht als inländischer Umsatz eingestuft wurde und wenn sie die ihnen von diesem Mitgliedstaat zugeteilten Mehrwertsteuer-Identifikationsnummern angaben, während der anschließende, zu Unrecht als innergemeinschaftlicher Umsatz eingestufte Umsatz von den Erwerbern der Gegenstände im Mitgliedstaat der Beendigung ihrer Beförderung als innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen der Mehrwertsteuer unterworfen wurde, nicht entgegensteht. Diese Bestimmung steht jedoch im Licht der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität einer solchen Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der als im Gebiet dieses Mitgliedstaats bewirkt gilt, mit einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen einhergeht, die in diesem Mitgliedstaat nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz behandelt worden ist."

Bei wörtlicher Interpretation scheint der EuGH die in Rz. 3777 UStR 2000 vertretene Ansicht, dass Art. 41 MwSt-RL (Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994) eine Erwerbsbesteuerung auslöst, zu teilen, um sie im letzten Satz des oa. Urteilstenors wieder zu relativieren, wenn das Besteuerungsergebnis den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität einer solchen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz behandelt worden sei, was gegenständlich der Fall ist.

In diesem Zusammenhang bemerkt der EuGH in Rz. 30, dass nach den Angaben in der Vorlageentscheidung trotz der von der Steuerbehörde vorgenommenen Neueinstufung der Steuerpflichtige, der bei der ersten Lieferung der in Rede stehenden Kette aufeinanderfolgender Umsätze als Verkäufer auftrat (BOP), verpflichtet bleibt, die Mehrwertsteuer zum Normalsatz in Rechnung zu stellen, während der Käufer (B.) keine Vorsteuer abziehen kann. Dies war auch gegenständlich der Fall. Die belangte Behörde hat weder im Außenprüfungsbericht noch in der Beschwerdevorentscheidung eine gegenteilige Ansicht vertreten und dies entspricht auch der h.L. (, Rz. 22).

Nach Art. 20 der Mehrwertsteuerrichtlinie gelte als "innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen" die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, der durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versandt oder befördert wird (Rz. 37). Wie der Generalanwalt in Nr. 54 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt habe, kann aus Art. 20 der Mehrwertsteuerrichtlinie aber nicht abgeleitet werden, dass die Einstufung eines Umsatzes als innergemeinschaftlich von der Verwendung einer bestimmten Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer abhängt. Daher schließe der Umstand, dass B. im vorliegenden Fall die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Mitgliedstaats des Beginns der Beförderung der Gegenstände verwendet hat, für sich genommen den innergemeinschaftlichen Charakter des Umsatzes und die Anwendbarkeit von Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht aus (Rz. 38).

Um dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben, sei jedoch noch der oben in Rn. 30 genannte dritte Gesichtspunkt zu prüfen, d. h. die Relevanz der Tatsache, dass nach Ansicht dieses Gerichts der Verkäufer (BOP) trotz der Neueinstufung der ersten Lieferung der in Rede stehenden Kette aufeinanderfolgender Umsätze als innergemeinschaftlichen Umsatz durch die Steuerbehörde verpflichtet bleibt, die Mehrwertsteuer zum Normalsatz in Rechnung zu stellen, während der Käufer (B.) keine Vorsteuer abziehen kann Rz. 49).

In diesem Zusammenhang darf auf Ruppe/Achatz, UStG5 Art. 7 UStG-BMR, Rz. 18 unter Bezugnahme auf Sonnleitner, SWK 2007, S 265, wonach die Verwendung einer österreichischen UID nach der Praxis nicht zu einer Steuerbefreiung führe. Gegenteiliges trägt auch den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht.
Hierzu sei festzustellen, dass sich dem Wortlaut von Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie als solchem nicht entnehmen lässt, ob eine derartige Tatsache für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung relevant ist (Rz. 50).
Zum Kontext von Art. 41 sei jedoch zu präzisieren, dass nach dem allgemeinen System der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie der Generalanwalt in den Nrn. 83 und 84 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, innergemeinschaftliche Lieferungen grundsätzlich im Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung der Gegenstände von der Steuer befreit werden, während innergemeinschaftliche Erwerbe im Mitgliedstaat der Beendigung ihrer Beförderung besteuert werden, so dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen mit einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung einhergeht. (Rz. 51).
Im vorliegenden Fall habe die Steuerbehörde auf der Grundlage der von ihr getroffenen Tatsachenfeststellungen zwar die von BOP an B. bewirkte Lieferung als innergemeinschaftlichen statt als inländischen Umsatz eingestuft, doch bleibe BOP verpflichtet, die Mehrwertsteuer auf diese Lieferung zum Normalsatz zu erheben. Da dieser Umsatz somit in Polen der Steuer unterliegt, sei davon auszugehen, dass die innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen von BOP an B. als nicht steuerbefreit behandelt werde.
Ohne eine Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen im Mitgliedstaat des Beginns ihrer Beförderung könne jedoch keine Gefahr der Steuerumgehung bestehen, so dass ihre Besteuerung in diesem Mitgliedstaat auf der Grundlage der in Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten Regel den mit dieser Bestimmung verfolgten Zielen (siehe oben, Rn. 41) zuwiderlaufe (Rz. 53).
Hinzuzufügen sei lt. EuGH, dass die Mitgliedstaaten zwar Maßnahmen erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, doch dürfen diese Maßnahmen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist; sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist, in Frage stellen würden (Urteil vom , P [Tankkarten], C-48/20, EU:C:2021:215, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung) (Rz. 54).

Die Anwendung der in Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten Regel auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, der mit einer nicht steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen einhergeht, führe aber zu einer zusätzlichen Besteuerung, die nicht mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der steuerlichen Neutralität im Einklang stehe (Rz. 55).

Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass der EuGH i.W. den Ausführungen des Generalanwalts Nicholas Emiliou seinem Schlussantrag vom folgt, die interpretativ zur Auslegung herangezogen werden können.

Dieser kommt zum Ergebnis, dass dieser Umstand (= dass die Abnehmer der B. das zweite der in Rede stehenden Reihengeschäfte versteuert hatten) die Anwendung von Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie unberührt lässt. An diesem Punkt werde er über die Frage, so wie sie ausdrücklich gestellt wurde, hinausgehen und den Umstand prüfen, dass die nationalen Behörden die erste Lieferung in der Reihe, nachdem diese neu eingestuft worden war, als eine nicht steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung behandelten. Im Licht dieses besonderen Umstands gelange er zum Ergebnis, dass die Anwendung der nationalen Vorschriften, durch die Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt wurde, eine unverhältnismäßige steuerliche Belastung bewirkt und ausgeschlossen ist (vgl. Rz. 46 GA).
Weiters teilte dieser die vom vorlegenden Gericht und der Kommission vertretene Auffassung, dass bei diesem Sachverhalt, durchaus ein Problem der unverhältnismäßigen steuerlichen Belastung deutlich wird, das seines Erachtens im Ausgangsverfahren der Anwendung von Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie letztlich doch entgegensteht (GA, Rz. 77). Insoweit hielt er es für problematisch, dass das nationale Gesetz, mit dem Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt wurde, auf einen (neu eingestuften) innergemeinschaftlichen Erwerb angewandt wurde, obwohl die dazugehörige (neu eingestufte) innergemeinschaftliche Lieferung nicht von der Steuer befreit war (Rz. 79).
In Anlehnung an die Ausführungen des Generalanwalts, kommt das Bundesfinanzgericht zum Schluss, dass der liefernde Unternehmer verpflichtet war, 20% Umsatzsteuer auf die neu eingestufte innergemeinschaftliche Lieferung zu erheben, weil die Bf. eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet hatte und diese auch dem Lieferanten zu zahlen hatte. Überdies ist - wie bereits oben ausgeführt - der Vorsteuerabzug verweigert worden. Durch die Vorgangsweise der belangten Behörde, ist die Bf. mit insgesamt 40% Umsatzsteuer belastet (vgl. Rz. 80 GA).

Weiters sei im Rahmen des allgemeinen Systems, in dem die Lieferung steuerbefreit ist und der Erwerb besteuert wird, gestattet Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie dem Mitgliedstaat der Mehrwertsteuerregistrierung, einzugreifen, um Steuerausfälle, die sich durch die Steuerbefreiung im Ursprungsland der Gegenstände ergeben könnten, zu vermeiden. Da es jedoch im vorliegenden Fall keine Steuerbefreiung im Ursprungsmitgliedstaat gab, bestünde keine Gefahr der Steuerhinterziehung (Rz. 88 GA). Der mögliche angesprochene Korrekturmechanismus ändere jedoch nichts am Ausgangspunkt der Überlegungen, dass nämlich die Anwendung der Bestimmung, nachdem die innergemeinschaftliche Lieferung nicht von der Steuer befreit wurde, nicht mehr notwendig war und zu einer nicht notwendigen steuerlichen Belastung führte (Rz. 89 GA). Aus alledem folge, dass Art. 41 der Mehrwertsteuerrichtlinie und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anwendung von Art. 3 Abs. 8 Satz 2 UStG 1994 auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen entgegenstehen, wenn dieser Erwerb auf einer innergemeinschaftlichen Lieferung beruhte, die, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, nicht als steuerbefreit behandelt wurde (Rz. 92).

Aus diesem Grund war von dem vom VwGH () aufgezeigten Lösungsansatz im Ergebnis nicht abzuweichen, zumal der ein innergemeinschaftlicher Erwerb iSd Art. 41 MwSt-RL nicht dadurch bewirkt werde, dass der Erwerber die UID des Ausgangsmitgliedstaates der Warenbewegung verwende (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, Art. 3 BMR, Rz- 35/1). Die Bf. hat daher in jenen Fällen, in denen die Ware von einem Unternehmen aus Österreich in ein anderes Mitgliedsland an die Bf. versendet oder befördert wurde, durch die (bloße) Verwendung der österreichischen UID aus Gründen der Neutralität der Umsatzsteuer und der Verhältnismäßigkeit keinen zusätzlichen Erwerb verwirklicht.
Im Übrigen sind gemäß § 63 VwGG sind im Falle einer Stattgabe einer Revision durch den Verwaltungsgerichtshof die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Daher war der Beschwerde in diesem Punkt Folge zu geben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Übrigen wird auf die obzitierte Judikatur verwiesen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 63 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 41 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100556.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at