Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2022, RV/7102996/2021

Vorliegen einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes für Nachzahlungen (§ 67 Abs 8 lit c EStG 1988)

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers Bf1, ***Bf1-Adr*** Steuernummer: ***BF1StNr2***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht:

I)
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird in Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wie folgt abgeändert:

Die Einkommensteuer für das Jahr 2015 wird festgesetzt mit -1.780,00 Euro. Das Einkommen im Jahr 2015 beträgt 115.970,12 Euro.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) reichte am die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2015 elektronisch beim Finanzamt ein. Mit Einkommensteuerbescheid 2015 vom erfolgte eine erklärungsgemäße Veranlagung.

Mit Schreiben vom erhob der BF Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015. In der Begründung wurden im Wesentlichen nachfolgende Punkte angeführt:

1. für Überstundenzuschläge des Jahres 2015, ausbezahlt im Jahr 2015, seien nicht die steuerfreien Beträge gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 berücksichtigt worden,

2. für Nachzahlungen von Überstunden des Jahres 2014 im Jahr 2015 seien nicht die Begünstigungen gem. § 67 Abs 8 lit. c EStG 1988 berücksichtigt worden und

3. für Überstundenzuschläge des Jahres 2014, nachbezahlt im Jahr 2015, seien nicht die steuerfreien Beträge gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 berücksichtigt worden.

Ergänzt wurde die Begründung durch die Vorlage ausführlicher Arbeitszeitaufzeichnungen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde hinsichtlich des ersten Punktes statt. Hinsichtlich der Punkte 2 und 3 wurde die Beschwerde mit Verweis auf die Entscheidung des abgewiesen. Die Auszahlung von Überstunden des Vorjahres gelte nicht als begünstigte Nachzahlung des Vorjahres im Steuerrecht. Diese Auszahlungen wären als Bezüge gem. § 67 Abs 10 EStG 1988 zu betrachten, die im Jahr der Zahlung als laufender Bezug zu versteuern gewesen seien. In Fällen wie dem vorliegenden, wo die Auszahlung erst nach dem 15. Februar des Folgejahres erfolgen würde, seien Zahlungen analog zur Überstundenzahlung gem. § 67 Abs 10 EStG 1988 wie ein laufender Bezug im Zeitraum der Zahlung zu erfassen.

Mit Schreiben vom wurde ein nicht unterfertigter Vorlageantrag beim Finanzamt eingereicht. Nach Erlassung eines Mängelbehebungsauftrags durch das Finanzamt reichte der BF einen mit Datum vom unterfertigten Vorlageantrag nach.

In der Beschwerde sowie im Vorlageantrag wurde vom BF zusammengefasst nachfolgendes Vorbringen erstattet:

In den Jahren 2014 und 2015 seien einige sehr große Projekte bei seinem Arbeitgeber (U) implementiert worden, welche die gesamte technische Systemlandschaft im betroffenen Arbeitsbereich komplett umgestellt und auf gruppenweite Systeme geändert hätten. Als Abteilungsleiter einer betroffenen Abteilung hätte sich dadurch zwingend eine sehr hohe Arbeitsnotwendigkeit ergeben, welche zu einer starken Stundenbelastung der gesamten Abteilung geführt habe. Es werde um nachträgliche Aufrollung der Berechnung der Einkommenssteuer des Jahres 2015 bzw. um Berücksichtigung des Freibetrags gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 für die Monate Jänner, Februar, März, Mai, Juli, August, November, Dezember 2015 ersucht, da der Freibetrag in den in diesen Monaten im Jahr 2015 ausbezahlten Zuschlägen vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt worden sei.

Weiters habe er im Kalenderjahr 2014 mehr Überstunden geleistet als in der im Sideletter (siehe Beilagen) vereinbarten Überstundenpauschale für 2014 abgegolten worden wären. Er habe daher Anfang 2015 beim Arbeitergeber den Antrag auf Nachzahlung der über die vom Pauschale abgegoltenen hinausgehenden Überstunden gestellt. Die sogenannte Deckungsprüfung für Pauschalisten bezüglich Nachverrechnung von Überstunden müsse ein gesamtes Kalenderjahr umfassen und könne daher folglich nur nach dem Ende des betroffenen Kalenderjahres durchgeführt werden. Die Nachzahlung dieser Überstunden sei durch den Arbeitgeber nach Durchführung des einschlägigen internen Prozesses so rasch als möglich ohne willkürliche Verschiebung gemeinsam mit der Auszahlung des Gehalts für April 2015 erfolgt. Die Ermittlung der Nachzahlung habe aufgrund komplexer Sachverhalte längere Zeit in Anspruch genommen, da sie auf Basis einer notwendigen Detailauswertung der gesamten Arbeitszeitaufzeichnungen des gesamten Kalenderjahrs durchgeführt werden musste. Die daraus resultierende notwendige manuelle Berechnung der Nachzahlungshöhe habe weiters aus abrechnungstechnischen Gründen länger gedauert, da diese im System nicht automatisiert durchgeführt werden konnte. Nach Ermittlung des Betrages sei in einem weiteren Schritt nach allen notwendigen internen Freigaben die Nachzahlung im Gehaltsverrechnungssystem (aus systemtechnischen Gründen konnte dort ein Freibetrag nicht berücksichtigt werden) abgewickelt und mit dem nächsten Auszahlungstermin im April 2015 durchgeführt worden. Nachdem der finale Nachzahlungsbetrag in Höhe von € 20.410,57 festgestanden sei, sei eine Aufrollung des vorigen Kalenderjahres technisch nicht mehr möglich gewesen, da das Kalenderjahr bereits fertig abgeschlossen war. Der genaue Zeitpunkt der Auszahlung habe somit im Vorhinein nicht festgelegt werden können und sei daher auch nicht im Einflussbereich des Mitarbeiters gestanden. Somit habe es auch keine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter bezüglich der Auszahlung des Nachverrechnungsbetrages gegeben. Es werde weiters um Berücksichtigung des Freibetrags gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 für die in den Monaten September, Oktober, November und Dezember 2014 geleisteten und im April 2015 ausbezahlten Zuschläge ersucht, da der Freibetrag vom Arbeitgeber nicht berücksichtigt worden sei.

Am wurde die Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das Finanzamt Österreich beauftragt, bei der Arbeitgeberin des BF Ermittlungen dahingehend durchzuführen, inwieweit der zwingende betriebliche Grund für gerade an Sonntagen, Feiertagen oder in der Nacht geleistete Überstunden vorhanden gewesen sei. Weiters wann der BF den Antrag auf Nachzahlung der über die vom Pauschale abgegoltenen hinausgehenden Überstunden bei der Arbeitgeberin gestellt und warum diese den Nachzahlungsbetrag erst im April 2015 ausbezahlt habe.

Mit Schreiben des Finanzamtes Österreich vom wurden dem Bundesfinanzgericht die Ergebnisse der Erhebung durch den Prüfdienst Lohnabgaben und Beiträge (PLB) übermittelt.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurden die Ermittlungsergebnisse dem BF zur Kenntnisnahme übermittelt und Gelegenheit gegeben, eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom wurde vom BF eine entsprechende Stellungnahme samt einem Konvolut von Beilagen an das Bundesfinanzgericht übermittelt. Der BF wiederholte zur Frage des betrieblichen Erfordernisses (§ 68 Abs 1 EStG 1988) das Vorbringen in der Beschwerde und betonte nochmals, dass die erfolgreiche Umsetzung der erwähnten Projekte mit externen Vertragspartnern in den definierten Zeitleisten und die damit verbundene geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit betrieblich erforderlich gewesen sei, da ansonsten durch eine Verlängerung der Zeitleisten größere Kostensteigerungen verursacht worden wären. Die geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sei zusätzlich zur sonstigen (Überstunden)Tätigkeit erfolgt und seien in allen betroffenen Monaten ausnahmslos Überstunden in hohem Ausmaß geleistet worden. Sämtliche Arbeiten seien einzeln vom Vorgesetzten angeordnet, im System nachweisbar einzeln bewilligt und zur Auszahlung freigegeben worden. Daraus sei ein entsprechendes betriebliches Erfordernis abzuleiten. Zusätzlich habe der oberste Vorgesetzte, RK, die betroffenen Überstunden der Jahre 2014 und 2015 mittels Unterschrift genehmigt.

Zur Frage einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes wurde wiederum teilweise das Vorbringen in der Beschwerde wiedergegeben. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Beantragung der Überstunden durch ihn am erfolgt sei. Am sei von der Lohnverrechnung eine Genehmigung durch den zuständigen Ressortleiter gefordert worden, welche am übermittelt worden sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

In den Jahren 2014 und 2015 wurden bei der Arbeitgeberin des BF, der U, Projekte implementiert, welche eine Umstellung der technischen Systemlandschaft in den davon betroffenen Arbeitsbereichen zur Folge hatte.

Der BF war in den Jahren 2014 und 2015 bei der U als Abteilungsleiter der Abteilung "XX" beschäftigt, welche direkt von diesen Umstellungen betroffen war.

Durch diese technische Umstellung ergab sich eine starke Stundenbelastung dieser gesamten Abteilung und war die Umsetzung der Projekte in den definierten Zeitleisten betrieblich erforderlich.

Die vom BF geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erfolgte zusätzlich zur sonstigen Überstundentätigkeit und wurde diese jeweils einzeln vom direkten Vorgesetzten des BF angeordnet und genehmigt. Der oberste Vorgesetzte des BF bzw. Ressortleiter "ML", RK, hat die betroffenen Überstunden der Jahre 2014 und 2015 ebenfalls genehmigt.

Bis Ende August 2014 wurden vom BF geleistete Überstunden auf Basis Einzelverrechnung abgerechnet. Der BF hatte ab einen "All-In Vertrag" mit einem Überstundenpauschale in der Höhe von "€ 2.139,67 brutto pro Monat, zahlbar 12-mal p.a.".

Am stellte der BF einen Antrag auf Nachforderung der über das Überstundenpauschale hinaus geleisteten Überstunden für den Zeitraum September bis Dezember 2014 inklusive des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 EStG 1988.

Am übermittelte der BF die Genehmigung dieser Überstunden durch den zuständigen Ressortleiter, Herrn RK, an die Personalabteilung.

Seitens der Arbeitgeberin wurde in weiterer Folge durch verschiedene Abteilungen das Vorliegen eines rechtlichen Anspruches und die Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit der geforderten Nachzahlung geprüft.

Mit der Auszahlung des Gehaltes für April 2015 wurde von der Arbeitgeberin ein Nachzahlungsbetrag von € 20.410,57 für im Jahr 2014 über das Überstundenpauschale hinaus geleistete Überstunden ohne Berücksichtigung der Freibeträge gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 ausbezahlt.

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich im Wesentlichen aus den vom BF und der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen.

Das Vorliegen eines zwingenden betrieblichen Grundes, gerade an diesen Zeiten (Sonntag-, Feiertags- und Nachtarbeit) Überstunden zu erbringen, wurde vom BF in seinem Vorbringen und mit den von ihm diesbezüglich vorgelegten Unterlagen glaubhaft dargelegt. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass auch die belangte Behörde vom Vorliegen eines zwingend betrieblichen Grundes ausgegangen ist, da diese der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 hinsichtlich dieses Punktes stattgegeben und für die vom BF in den Monaten Jänner, Februar, März, Mai, Juli, August, November, Dezember 2015 geleisteten Überstunden die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (Freibetrag gem. § 68 Abs 1 EStG 1988) zuerkannt hat.

Der zeitliche Ablauf hinsichtlich des vom BF am gestellten Antrages auf Nachforderung der über das Überstundenpauschale hinaus geleisteten Überstunden für den Zeitraum September bis Dezember 2014 inklusive des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 bis zur Auszahlung des Betrages durch die Arbeitgeberin ergibt sich zweifelsfrei aus den vom BF diesbezüglich vorgelegten Unterlagen.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen können daher gem. § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Gem. § 67 Abs 8 lit. c EStG 1988 sind Nachzahlungen, für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, gem. Abs 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Soweit die Nachzahlungen laufenden Arbeitslohn für das laufende Kalenderjahr betreffen, ist die Lohnsteuer durch Aufrollen der in Betracht kommenden Lohnzahlungszeiträume zu berechnen.

Gem. § 67 Abs 10 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die nicht unter Abs 8 fallen, wie ein laufender Bezug im Zeitpunkt des Zufließens nach dem Lohnsteuertarif des jeweiligen Kalendermonats der Besteuerung zu unterziehen. Diese Bezüge erhöhen nicht das Jahressechstel gem. Abs 2.

Gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 sind Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen zusammenhängende Überstundenzuschläge insgesamt bis "360 Euro" steuerfrei.

Zum Punkt "Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 für 2015 ausbezahlte Zuschläge für 2015 geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit":

Wie oben dargestellt wurde vom BF der zwingende betriebliche Grund, gerade an diesen Zeiten (Sonntag, Feiertag, Nacht) Leistungen zu erbringen, mit den Ausführungen im Schreiben vom nachgewiesen, sodass aufgrund des Vorliegens der sonstigen Voraussetzungen (Vorliegen der entsprechenden Arbeitsaufzeichnungen) in Übereinstimmung mit der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom für in den Monaten Jänner, Februar, März, Mai, Juli, August, November und Dezember 2015 geleistete Überstunden die steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (Freibetrag gem. § 68 Abs 1 EStG 1988) zu berücksichtigen sind.

Zu den Punkten "Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 67 Abs 8 lit c EStG 1988 für 2015" und "Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 für 2015 ausbezahlte Zuschläge für 2014 geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit":

Werden Überstunden gem. § 68 Abs 1 und 2 EStG 1988 für das laufende Jahr bzw. bis zum 15. Februar des Folgejahrs nachgezahlt, bleibt die Steuerfreiheit auch bei einer späteren Auszahlung der Überstundenentgelte innerhalb desselben Kalenderjahrs erhalten.

Gelangen steuerfreie Bezugsteile (Zulagen und Zuschläge) gem. § 68 EStG 1988 zur Nachzahlung, sind diese zusammen mit der (übrigen) Nachzahlung zu erfassen und gem. § 67 Abs 10 EStG zu versteuern (vgl. ; Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, Einkommensteuergesetz, § 67, TZ 155 mit Verweis auf LStR 2002 Rz 1101a; ErläutRV 311 BlgNR 21. GP 171).

Eine Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 für die Nachzahlung im Jahr 2015 für im Jahr 2014 geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit kommt aufgrund der angeführten Judikatur nicht in Betracht.

Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre (§ 67 Abs 8 lit c)

Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, sind Bezüge, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses schon ausgezahlt hätten werden müssen, deren rechtzeitige Auszahlung aber aus Gründen unterblieben ist, die nicht im Belieben des Arbeitgebers standen (, 1963, 71; , 1963, 195; , 1965, 119; , 1969, 128; , 1975, 200; ; -I/08); es müssen zwingende wirtschaftliche Gründe die rechtzeitige Auszahlung verhindert haben, also Gründe, die außerhalb des Willensbereichs der Vertragspartner liegende zwingende Umstände objektiver Art darstellen (, 1965, 119). Es muss sich um die Zahlung von Arbeitslohn handeln, der bei einem normalen Lauf der Dinge bereits in früheren Lohnzahlungszeiträumen hätte ausbezahlt werden sollen (; -I/09, keine Begünstigung bei Rückzahlung zu Unrecht einbehaltener Arbeitslosenversicherungsbeiträge).

Wenn das Gesetz bei einem "willkürlichen" Verschieben des Auszahlungszeitpunktes die Anwendung von Abs 8 lit c ausschließt, dann erfasst es damit sowohl den Missbrauch, außerdem aber auch jedes freiwillige Verschieben oder jede freiwillige Lohnzahlung (). Die Nachzahlung ist dann nicht willkürlich, wenn für die Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes eine zwangsläufige wirtschaftliche oder sonstige Notwendigkeit bestanden hat (; in der ÖStZB nicht veröffentlicht). Es ist denkmöglich, dass das Wort "willkürlich" sowohl "vom subjektiven Willen der Beteiligten bestimmt" als auch "aus sachfremden Momenten" bedeuten kann (, VfSlg 4603/1963.

Von einem willkürlichen Verhalten wird gesprochen, wenn es auf ein bewusstes Wollen oder Nichtwollen zurückzuführen ist. Willkür liegt nicht nur bei Missbrauch, sondern auch in allen Fällen vor, in denen die Verschiebung freiwillig erfolgte (, zu freiwilligen Gratifikationen; BFG RV/5100984/2018 vom ).

Nachzahlungen für abgelaufene Kalenderjahre, die auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen, sind bei Nachzahlung eines sonstigen Bezuges gem. § 67 Abs 1 und 2 EStG 1988 zu versteuern (somit Anrechnung auf das Jahressechstel das Auszahlungsjahres, Fragner, SWK 2011, S 339 [343]); bei Nachzahlung eines laufenden Bezuges sind sie gemeinsam mit dem laufenden Bezug des Auszahlungsmonats nach dem Tarif zu versteuern. Bei Nachzahlungen für vergangene Kalenderjahre ist keine Aufrollung möglich (zB ; ; zur steuer- und sozialversicherungsrechtlich unterschiedlichen Behandlung näher Prinz, PVInfo 11/2015, 9; Gruber, ARD 6403/4/2014; vgl. idZ auch zu einer Nachzahlung als laufender Bezug bei Errechnung der Zuverdienstgrenze gem. § 8 KBGG).

Im beschwerdegegenständlichen Fall wurde der Antrag auf Nachforderung der über das Überstundenpauschale hinaus geleisteten Überstunden für den Zeitraum September bis Dezember 2014 inklusive des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 EStG 1988 vom BF am gestellt. Aufgrund der internen Vorgaben der Arbeitgeberin des BF dauerte die Überprüfung des Nachforderungsbetrages (Vorliegen eines rechtlichen Anspruches und Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit der geforderten Nachzahlung) bis zur Auszahlung des Arbeitslohnes für April 2015.

Es liegen somit keine zwingenden wirtschaftlichen Gründe - also Gründe, die außerhalb des Willensbereiches der Vertragspartner liegende zwingende Umstände objektiver Art darstellen - vor, die eine rechtzeitige Auszahlung verhindert hätten. Zum einen war durch den Umstand, dass der BF den Antrag auf Nachforderung erst am gestellt hat, die vorhin angeführte inhaltliche Überprüfung durch die Arbeitgeberin und eine Auszahlung des Nachforderungsbetrages zeitlich bis zum nicht möglich, sodass eine Aufrollung des Kalenderjahres 2014 mit der Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 68 Abs 1 durch die Arbeitgeberin ausgeschlossen war. Zum anderen hat der im festgestellten Sachverhalt dargelegte Überprüfungsprozess durch die Arbeitgeberin einen Zeitraum von 2 Monaten (Stellung des Antrages durch den BF am und Auszahlung des Nachforderungsbetrages mit dem Gehalt für April 2015) in Anspruch genommen, sodass nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine freiwillige Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes vorliegt. Es liegt ein bewusstes Wollen vor, welches eben teilweise durch die späte Antragsstellung des BF und teilweise durch den überaus lang andauernden Überprüfungsprozess des Nachforderungsbetrages durch die Arbeitgeberin bedingt war. Die geschilderten Gründe für die erst mit dem Gehalt für April 2015 erfolgte Auszahlung sind somit im Belieben der Vertragspartner (teils verursacht durch den BF, teils durch die Arbeitgeberin) gestanden.

Es handelt sich im Sinne der oben angeführten Judikatur des VwGH um eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes der Nachzahlung.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen sind, folgt das Bundesfinanzgericht der hg einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 68 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 68 Abs. 1 und 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise







-I/08
-I/09


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102996.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at