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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.09.2022, RV/7104987/2018

Keine Verpflichtung zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrages für Gemeindebedienstete, die einem ausgegliederten Rechtsträger zur Dienstleistung zugewiesen sind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104987/2018-RS1
Die Überlassung von Bediensteten einer Gebietskörperschaft an deren ausgegliederte Rechtsträger gegen Kostenersatz stellt keinen Betrieb i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG i.d.F. vor BGBl. I Nr. 103/2007 dar. Für diese Bediensteten war daher im zeitlichen Geltungsbereich dieser Bestimmung kein Dienstgeberbeitrag zu entrichten.
RV/7104987/2018-RS2
Ein Antrag auf Abgabenfestsetzung hat die im § 209a Abs. 2 BAO vorgesehene Wirkung (Verjährung steht der Abgabenfestsetzung nicht entgegen, wenn der Antrag vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurde) auch dann wenn ein Antragsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist (hier: Antrag auf Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe vor ausdrücklicher Einführung eines diesbezüglichen Antragsrechtes in § 201 BAO durch das AbgRmRefG, BGBl. Nr. 97/2002).
RV/7104987/2018-RS3
§ 201 BAO verfolgt das Ziel einer materiell rechtsrichtigen Besteuerung. Soweit bei der Anwendung dieser Bestimmung Ermessen eingeräumt ist, haben hierbei Bereicherungsüberlegungen außer Betracht zu bleiben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf**** (***Bf-Kürzel [neu]***; vormals ***Bf-Kürzel [alt]***), ***Bf-Adr*** über die Beschwerden vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (heute zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Dienstgeberbeitrag Jänner 2004 bis Mai 2008 und vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 (heute zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Dienstgeberbeitrag Juli 1999 bis Dezember 2003, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der Bescheid vom wird dahingehend abgeändert, dass der Dienstgeberbeitrag für die der ***Gesellschaft [neu]*** (vormals: ***Gesellschaft [alt]***) zugewiesenen Bediensteten der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Jänner 2004 bis Mai 2008 mit € 0,00 festgesetzt wird. Der Bescheid vom wird dahingehend abgeändert, dass der Dienstgeberbeitrag für die der ***Gesellschaft [neu]*** (vormals: ***Gesellschaft [alt]***) zugewiesenen Bediensteten der Beschwerdeführerin für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2003 mit € 0,00 festgesetzt wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Schriftsätzen vom (betreffend das Jahr 2003), vom (betreffend den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002), vom (betreffend das Jahr 2004), vom (betreffend das Jahr 2005), vom (betreffend das Jahr 2006), vom (betreffend das Jahr 2007) und vom (betreffend Jänner bis Mai 2008) beantragte die Beschwerdeführerin, den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für die jeweiligen Zeiträume mit Null festzusetzen (weitere Anträge betreffend spätere Zeiträume wurden ebenfalls eingebracht, sind allerdings nicht beschwerdegegenständlich). Sie habe den Dienstgeberbeitrag für die der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***) zur Dienstleistung zugewiesenen Bediensteten der Gemeinde Wien entrichtet. Sie sei jedoch der Ansicht, dass für diese Bediensteten richtigerweise kein Dienstgeberbeitrag zu entrichten gewesen wäre, da Gebietskörperschaften gemäß § 42 Abs. 1 lit. a FLAG (Anm.: i.d.F. vor Aufhebung dieser Bestimmung durch BGBl. I Nr. 103/2007) von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit seien. Die in dieser Bestimmung vorgesehene (Gegen-)Ausnahme bezüglich der von Gebietskörperschaften verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds greife nicht, da es sich bei der Beschwerdeführerin nicht um eine derartige Einrichtung handle. Anzumerken ist, dass in den genannten Schriftsätzen auch die ***Gesellschaft [alt]***, die ***Dienststelle2***, die ***Dienststelle3***, die ***Dienststelle4*** sowie die ***Dienststelle5*** als Antragsteller aufscheinen. Über deren Anträge wurden gesonderte Verfahren eingeleitet. Sie sind daher nicht Parteien des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Anträge betreffend den Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2004 bis Mai 2008 (sowie für die späteren - nicht beschwerdegegenständlichen - Zeiträume) ab. Sie ging davon aus, dass durch eine Rückzahlung des entrichteten Dienstgeberbeitrages eine Bereicherung der Beschwerdeführerin eintreten würde, da diese für die Zeit des Bestehens der Selbstträgerschaft (bis inkl. Mai 2008) zur Auszahlung der Familienbeihilfe für ihre Bediensteten verpflichtet gewesen wäre, die Familienbeihilfe an die hier gegenständlichen Bediensteten, die nach der Neustrukturierung der Wiener Stadtwerke den ausgegliederten Unternehmen zur Arbeitsleistung zugewiesen wurden, jedoch tatsächlich von den Finanzämtern ausgezahlt worden sei. Die geleisteten Beträge könnten infolge zwischenzeitig eingetretener Verjährung auch nicht zurückgefordert werden. Soweit die gegenständlichen Anträge innerhalb der Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z. 2 BAO eingebracht wurden (also für die in den Monaten Jänner bis November der jeweiligen Antragsjahre berechneten und abgeführten Beträge), stehe die behördliche Festsetzung des selbst zu berechnenden Dienstgeberbeitrages im Ermessen und sei dieses Ermessen wegen der sonst eintretenden Bereicherung nicht auszuüben. Soweit die Anträge innerhalb der Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z. 1 BAO eingebracht worden sein sollten (also allenfalls für die jeweils im Dezember der Jahre 2004 bis 2007 berechneten und abgeführten Beträge), bestehe zwar kein Ermessen der Behörde, doch könne eine Festsetzung dennoch nicht erfolgen, da die Anträge keinerlei Angaben darüber enthalten, ob die Monatsfrist eingehalten wurde bzw. welches Guthaben sich allenfalls aus einer Festsetzung ergeben würde.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom , womit der Bescheid vom lediglich hinsichtlich der Zeiträume Jänner 2004 bis Mai 2008 bekämpft wird, sodass die Abweisung der Anträge betreffend die späteren Zeiträume in Rechtskraft erwachsen ist. Darin hält die Beschwerdeführerin der belangten Behörde entgegen, dass bei der Ausübung des Ermessens nach § 201 Abs. 2 BAO in erster Line das Prinzip der Rechtsrichtigkeit zu berücksichtigen ist und die Verhinderung einer möglichen Bereicherung nicht dem Zweck dieser Bestimmung entspreche. Zudem habe die belangte Behörde keine Ausführungen zur Höhe der von den Finanzämtern an die gegenständlichen Bediensteten ausgezahlten Familienbeihilfen gemacht, sodass nicht bekannt sei, in welchem Ausmaß die ins Treffen geführte Bereicherung im Falle einer Rückzahlung eintreten würde. Den Ausführungen der belangten Behörde, wonach eine Festsetzung auch in Bezug auf jene Zeiträume, bezüglich derer kein Ermessen bestand (Dezember der Jahre 2004 bis 2007), nicht möglich sei, da die Beschwerdeführerin keine Angaben zur Einhaltung der Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z. 1 BAO bzw. zu einem sich allenfalls ergebenden Guthaben gemacht habe, entgegnet die Beschwerdeführerin, dass der belangten Behörde diese Daten bekannt seien. Zeitpunkt und Betrag der geleisteten Zahlungen seien aus FinanzOnline ersichtlich, die Eingangsdaten der Anträge seien im Bescheid aufgelistet. Zudem sei in den Anträgen ausgeführt und auch mittels Aktenvermerk mit der belangten Behörde abgestimmt worden, dass auf das gegenständliche Abgabenkonto ausschließlich die Dienstgeberbeiträge für die der ausgegliederten Gesellschaft zugewiesenen Bediensteten entrichtet werden. Selbst wenn Angaben für eine Festsetzung fehlen sollten, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig, da es die belangte Behörde unterlassen habe, einen Mängelbehebungsauftrag zu erteilen. Gleichzeitig gab die Beschwerdeführerin die genauen Zeitpunkte und Beträge der jeweils im Dezember der Jahre 2004 bis 2007 geleisteten Zahlungen bekannt.

Mit weiterem Bescheid vom wies die belangte Behörde auch die Anträge betreffend den Dienstgeberbeitrag für Juli 1999 bis Dezember 2003 ab. Hinsichtlich des Zeitraumes Juli 1999 bis Dezember 2002 ging sie von Verjährung aus, da bis Ende 2002 in § 201 BAO (i.d.F. vor dem AbgRmRefG 2002) kein Antragsrecht vorgesehen war, sodass § 209a Abs. 2 BAO, wonach einer Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht, wenn sie von einem in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrag abhängt und dieser Antrag vor Ablauf der Verjährungsfrist eingebracht wurde, nicht anwendbar sei. Hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages 2003 vertrat die belangte Behörde - wie bereits im Bescheid vom - auch hier die Auffassung, dass das in § 201 Abs. 2 BAO normierte Ermessen wegen einer sonstigen Bereicherung der Beschwerdeführerin nicht auszuüben sei bzw. dass - soweit kein Ermessen besteht (§ 201 Abs. 3 Z. 1 BAO) - eine Festsetzung nicht erfolgen könne, da der Antrag keine Angaben über die Einhaltung der Monatsfrist bzw. ein sich allenfalls ergebendes Guthaben enthalte.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am Beschwerde. Den Ausführungen der belangten Behörde zur Verjährung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 entgegnete sie, dass Festsetzungen gem. § 201 BAO i.d.F. vor dem AbgRmRefG 2002 stets zwingend vorzunehmen gewesen seien und dass § 209a Abs. 2 BAO ungeachtet dessen, dass ein Antragsrecht nicht ausdrücklich normiert war, anwendbar gewesen sei. Den Ausführungen der belangten Behörde zum Dienstgeberbeitrag 2003 (Bereicherung, unzureichende Angaben im Antrag) hielt sie inhaltsgleiche Ausführungen wie in der Beschwerde vom entgegen.

Mit (zwei getrennten) Beschwerdevorentscheidungen vom wies die belangte Behörde die Beschwerden vom und als unbegründet ab. Sie ging nun davon aus, dass es sich bei der Tätigkeit der Beschwerdeführerin um "Personalgestellung" handle, also um einen Betrieb (gewerblicher Art), sodass die in § 42 Abs. 1 lit. a FLAG (i.d.F. vor BGBl. I Nr. 103/2007) vorgesehene (Gegen-)Ausnahme zum Tragen komme und die für Gebietskörperschaften damals grundsätzlich vorgesehene Befreiung von der Leistung des Dienstgeberbeitrages hier nicht gelte.

Mit (zwei getrennten) Schriftsätzen vom stellte die Beschwerdeführerin Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Zur Argumentation der belangten Behörde in den Beschwerdevorentscheidungen führte sie aus, dass der Begriff des "Betriebes" i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG nicht mit jenem des § 2 Abs. 1 KStG 1988 gleichzusetzen sei. Vielmehr sei unter einem "Betrieb" i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG eine Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Im vorliegenden Fall werde der ***Gesellschaft [neu]*** (vormals ***Gesellschaft [alt]***) durch die Beschwerdeführerin ausschließlich Personal zur Dienstleistung zugewiesen aber keinerlei Vermögenswerte zur Verfügung gestellt. Zudem habe der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Zuweisung von Bundesbeamten an einen ausgegliederten Rechtsträger ausgesprochen, dass hierin sowie im Ersatz der Kosten für diese Bediensteten kein vom Bund verwalteter Betrieb i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG zu erblicken ist.

Die in den jeweiligen Beschwerden und Vorlageanträgen gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zog die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die ***Gesellschaft*** gegründet. Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde sie in eine Aktiengesellschaft mit der Firma ***Gesellschaft [alt]*** umgewandelt.

Mit Einbringungsvertrag vom wurden die bislang von der Gemeinde Wien betriebenen Unternehmungen der Wiener Stadtwerke auf Grundlage des Bundesgesetzes über Maßnahmen anlässlich der Ausgliederung der Wiener Stadtwerke, BGBl. I Nr. 68/1999, in die ***Gesellschaft [alt]*** eingebracht, wobei die Teilbetriebe ***2***, ***3***, ***4*** und ***5*** sogleich in Tochtergesellschaften der ***Gesellschaft [alt]*** eingebracht wurden. Die bis dahin in den verschiedenen Betrieben der Wiener Stadtwerke tätigen Bediensteten der Gemeinde Wien wurden ab Juli 1999 den jeweiligen Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen. Die hier gegenständlichen Bediensteten der ***1*** und der ***1a*** wurden der ***Gesellschaft [alt]*** zugewiesen. Für diese Bediensteten zahlte die Beschwerdeführerin die Löhne und Gehälter aus und führte im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (Juli 1999 bis Mai 2008) die darauf entfallenden Dienstgeberbeiträge an das Finanzamt ab, wobei auf das hierfür bestehende Abgabenkonto ***BFStNr*** ausschließlich die auf diese Bediensteten entfallenden Lohnabgaben eingezahlt wurden.

Mit Hauptversammlungsbeschluss vom wurde die ***Gesellschaft [alt]*** in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Firma ***Gesellschaft [neu]*** umgewandelt.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der (nunmehrigen) ***Gesellschaft [neu]*** sowie zur Einbringung der verschiedenen Betriebe der Wiener Stadtwerke gründen sich auf das offene Firmenbuch. Dass die bei den (bis dahin gemeindeeigenen) Betrieben der Wiener Stadtwerke tätigen Bediensteten seit der Ausgliederung den entsprechenden Gesellschaften, also der ***Gesellschaft [alt]*** (nunmehr ***Gesellschaft [neu]***) und deren Tochtergesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen sind, hat die Beschwerdeführerin unwidersprochen vorgebracht und entspricht auch den gesetzlichen Vorgaben (s.u.). Auch dass die Beschwerdeführerin die Löhne und Gehälter für die der vormaligen ***Gesellschaft [alt]*** bzw. nunmehrigen ***Gesellschaft [neu]*** zugewiesenen Bediensteten bezahlt und die darauf entfallenden Dienstgeberbeiträge abgeführt hat, wobei auf das Abgabenkonto ***BFStNr*** ausschließlich die auf diese Bediensteten entfallenden Lohnabgaben eingezahlt wurden, hat die Beschwerdeführerin unwidersprochen vorgebracht, und besteht daher keine Veranlassung für das Gericht, daran zu zweifeln. Der Sachverhalt ist daher zwischen den Parteien unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Mit dem Einbringungsvertrag vom wurden die vormals gemeindeeigenen Betriebe der Wiener Stadtwerke an rechtlich selbstständige Gesellschaften übertragen (Ausgliederung). § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Zuweisung von Bediensteten der Wiener Stadtwerke (Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz), LGBl. Nr. 17/1999, bestimmt hierzu, dass die bei den Wiener Stadtwerken beschäftigten Bediensteten der Gemeinde Wien den jeweiligen Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesen werden, und zwar die Bediensteten der "***1***" und der "***1a***" der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***). Gem. § 1 Abs. 4 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz tritt hierdurch in der dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Stellung der Beschäftigten keine Änderung ein. Diese stehen daher nach wie vor in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde Wien, welche - gegen Ersatz durch die Gesellschaften (§ 3 Abs. 3 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz) - auch weiterhin für deren Löhne und Gehälter aufzukommen hat. Die Wahrnehmung sämtlicher Rechte und Pflichten als Dienstbehörde bzw. Dienstgeber gegenüber den zugewiesenen Dienstnehmern obliegt gemäß § 3 Abs. 1 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz dem Magistrat. Hierfür ist gemäß § 3 Abs. 2 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz eine eigene Dienststelle im Bereich der Magistratsdirektion einzurichten. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die in Entsprechung dieser Bestimmung eingerichtete Dienststelle, welche die Rechte und Pflichten gegenüber den der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***) zugewiesenen Bediensteten ausübt, also insbesondere deren Löhne und Gehälter auszahlt und den hierfür von der ***Gesellschaft [alt]*** (heute: ***Gesellschaft [neu]***) zu leistenden Ersatz vereinnahmt. Sie ist daher eine öffentliche Kasse i.S.d. § 85 Abs. 1 EStG 1988 und genießt als solche - wenngleich ansonsten nicht rechtsfähig - als Arbeitgeber steuerliche Rechtssubjektivität (vgl. ).

Gem. § 41 Abs. 1 FLAG haben alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen, den Dienstgeberbeitrag zu leisten. Gem. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG i.d.F. vor BGBl. I Nr. 103/2007 waren der Bund, die Länder und die Gemeinden mit Ausnahme der von diesen Gebietskörperschaften verwalteten Betriebe, Unternehmungen, Anstalten, Stiftungen und Fonds von der Leistung des Dienstgeberbeitrages befreit. Dies korrespondierte mit der (damaligen) Bestimmung des § 46 FLAG, wonach diese Gebietskörperschaften den Aufwand an Familienbeihilfen für Ihre Empfänger von Dienstbezügen und Ruhe- und Versorgungsgenüssen aus eigenen Mitteln zu tragen hatten ("Selbstträgerschaft"; diese wurde gem. BGBl. I Nr. 103/2007 mit Ablauf des abgeschafft; seitdem gelten in Bezug auf die Familienbeihilfe keine Besonderheiten für Gebietskörperschaften und deren Bedienstete, sodass Gebietskörperschaften den Dienstgeberbeitrag zu entrichten haben und auf deren Bedienstete die allgemeinen Regeln über die Auszahlung der Familienbeihilfe anzuwenden sind).

Die Beschwerdeführerin ist eine Dienststelle der Gemeinde Wien und damit unzweifelhaft (und unstrittigermaßen) eine Gebietskörperschaft i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG i.d.F. vor BGBl. I Nr. 103/2007. Strittig ist, ob es sich bei der Beschwerdeführerin um einen von einer Gebietskörperschaft verwalteten Betrieb handelt, in welchem Fall die in dieser Gesetzesbestimmung vorgesehene Befreiungsbestimmung nicht zum Tragen käme. Die belangte Behörde erblickt in der Tätigkeit der Beschwerdeführerin einen Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 2 Abs. 1 KStG 1988 ("Personalgestellung") und argumentiert, dass demnach auch ein Betrieb i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG i.d.F. vor BGBl. I Nr. 103/2007 vorliege, da diese Bestimmung sich an den Grundzügen orientiere, die in § 2 Abs. 1 KStG 1988 für Betriebe gewerblicher Art normiert sind.

Unter einem Betrieb oder einer Unternehmung i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG ist nach ständiger Rechtsprechung eine in einer bestimmten Organisationsform in Erscheinung tretende wirtschaftliche Tätigkeit zu verstehen, die sich auf Vermögenswerte stützt und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden ist. Auch Betriebe einer Gemeinde können beitragspflichtig sein, wenn sich ihre Tätigkeit als Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Wesentlich ist, dass die Tätigkeit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist (; , 2004/14/0107). Hierbei verweist § 42 Abs. 1 lit. a FLAG nicht auf § 2 Abs. 1 KStG 1988, sondern verwendet den Begriff des "Betriebes" eigenständig (). Im Zusammenhang mit der Überlassung von Bediensteten einer Gebietskörperschaft an deren ausgegliederte Rechtsträger hat der VwGH mehrfach ausgesprochen, dass in dieser Überlassung und dem hierfür vom ausgegliederten Rechtsträger zu leistenden Kostenersatz kein Betrieb i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG zu erblicken ist, sodass für diese Bediensteten kein Dienstgeberbeitrag zu entrichten ist (: Staatsdruckerei; , 2009/13/0160: Umweltbundesamt; , 2012/13/0099: Bundesmuseen; , Ra 2019/13/0085: ***Dienststelle2***; , Ra 2019/13/0064: ***Dienststelle5***). Es ist daher auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die bloße Überlassung der Bediensteten der ***1*** und der ***1a*** an die vormalige ***Gesellschaft [alt]*** bzw. die nunmehrige ***Gesellschaft [neu]*** (insb. ohne dass die Beschwerdeführerin am wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, also etwa ihre Dienstnehmer auch anderen Betrieben anbietet) keinen Betrieb i.S.d. § 42 Abs. 1 lit. a FLAG i.d.F. vor BGBl. I Nr. 103/2007 verwirklicht, sodass für diese Bediensteten im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, also vom Beginn der Überlassung mit Juli 1999 bis zur Aufhebung der Selbstträgerschaft und der Befreiungsbestimmung für Gebietskörperschaften mit Ablauf des kein Dienstgeberbeitrag zu entrichten ist. Insb. die Entscheidungen , und , Ra 2019/13/0064, die ebenfalls die Zuweisung von Bediensteten der Gemeinde Wien an ausgegliederte Betriebe der Wiener Stadtwerke gem. § 1 Wiener Stadtwerke-Zuweisungsgesetz betreffen und denen dieselben Anträge zugrunde liegen, wie dem gegenständlichen Verfahren, sind dem vorliegenden Fall völlig gleichgelagert (in diesem Sinne auch : ***Dienststelle4***).

Soweit die belangte Behörde hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 Verjährung annimmt, da § 201 BAO in der insoweit maßgeblichen Fassung vor dem AbgRmRefG 2002, BGBl. I Nr. 97/2002, kein Antragsrecht vorgesehen hat, sodass § 209a Abs. 2 BAO, nicht anwendbar sei, ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung ein vor Eintritt der Verjährung gestellter Antrag auf Rückerstattung von Selbstbemessungsabgaben, der mit der Unrichtigkeit der Selbstbemessung begründet wird, die im § 209a Abs. 2 BAO vorgesehene Wirkung (Verjährung steht der Abgabenfestsetzung nicht entgegen) auch dann hat, wenn ein Antragsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen ist (, zu § 201 BAO i.d.F. vor dem AbgRmRefG 2002, sowie die dort zitierten, zu den entsprechenden Bestimmungen früherer Landesabgabenordnungen ergangenen Entscheidungen). Die Verjährungsfrist für die gegenständlichen Dienstgeberbeiträge beträgt gem. § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Für die ältesten beschwerdegegenständlichen Dienstgeberbeiträge, nämlich jene des Jahres 1999, hat demnach die Verjährung mit Ablauf des begonnen und hätte am geendet, jene für die Dienstgeberbeiträge 2000 bis 2002 jeweils ein Jahr später. Der Antrag vom , mit dem die Beschwerdeführerin die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 beantragte, ist am , sohin noch vor Ablauf der Verjährung für die ältesten Dienstgeberbeiträge bei der belangten Behörde eingegangen. Die Verjährung steht sohin der Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für diesen Zeitraum nicht entgegen.

Soweit die belangte Behörde argumentiert, das in § 201 Abs. 2 BAO eingeräumte Ermessen wegen einer sonst eintretenden Bereicherung der Beschwerdeführerin nicht ausüben zu können, ist festzuhalten, dass Ermessensentscheidungen sich in den Grenzen halten müssen, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 BAO). Die maßgebenden Kriterien für die Ermessensübung ergeben sich primär aus der das Ermessen einräumenden Bestimmung. Soweit diese Bestimmung die Kriterien nicht ausdrücklich nennt, müssen sie aus deren Zweck erschlossen werden (z.B. ; Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz 5 zu § 20). § 201 Abs. 1 BAO sieht die bescheidmäßige Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben für den Fall vor, dass der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist keinen selbst berechneten Betrag bekannt gibt oder dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Der Zweck des § 201 BAO besteht daher darin, unterbliebene Selbstberechnungen nachzuholen bzw. unrichtige Selbstberechnungen zu korrigieren, und verfolgt damit unzweifelhaft das Ziel einer materiell rechtsrichtigen Besteuerung ("Gleichmäßigkeit der Besteuerung"). Bereicherungsüberlegungen sind weder dem § 201 BAO noch dem § 20 BAO zu entnehmen und haben bei der Ermessensübung daher außer Betracht zu bleiben ( [bestätigt durch ]; [bestätigt durch ]; ; Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. [2021], Rz. 30 zu § 201). Der von § 201 BAO verfolgte Zweck der rechtsrichtigen Besteuerung gebietet es daher, die von der Beschwerdeführerin vorgenommene unrichtige Selbstberechnung (auch zu ihren Gunsten) zu korrigieren, sohin von dem in dieser Bestimmung eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen und den Dienstgeberbeitrag in richtiger Höhe festzusetzen. Auch die in § 20 BAO genannten Kriterien der Billigkeit und Zweckmäßigkeit führen zum selben Ergebnis. Einerseits wäre es in hohem Maße unbillig, wenn die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht geschuldete und daher zu Unrecht entrichtete Dienstgeberbeiträge lediglich deshalb nicht zurückerhalten würde, weil die beteiligten Finanzämter es unterlassen haben, die ihrerseits ebenfalls zu Unrecht ausbezahlten Familienbeihilfen innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 4 BAO zurückzufordern. Andererseits kann das öffentliche Interesse an der Einbringung der Abgaben, also die "Zweckmäßigkeit" i.S.d. § 20 BAO nicht so weit gehen, dass Abgaben von jemandem zu entrichten sind, der sie nicht schuldet.

Letztlich steht einer Festsetzung auch nicht entgegen, dass die Anträge hinsichtlich der jeweils im Dezember der Jahre 2003 bis 2007 entrichteten Beträge ursprünglich (in den Beschwerden wurde dies ohnedies nachgeholt) keine Angaben zur Einhaltung der Frist des § 201 Abs. 3 Z. 1 BAO sowie zu einem sich aus der Festsetzung ergebenden Guthaben enthielten. Die Anträge auf Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Jahre 2003-2007 wurden jeweils im Jänner des nächstfolgenden Jahres und damit jedenfalls innerhalb der Jahresfrist des § 201 Abs. 2 Z. 2 BAO eingebracht (die Dienstgeberbeiträge für Jänner der jeweiligen Jahre konnten denklogisch frühestens im Februar des jeweiligen Jahres gem. § 43 FLAG entrichtet und damit i.S.d. § 201 Abs. 2 Z. 2 BAO bekannt gegeben worden sein, sodass für keinen Monatsbeitrag mehr als ein Jahr zwischen Bekanntgabe und Antragstellung verstrichen ist). Da - wie oben ausgeführt - das in § 201 Abs. 2 Z. 2 BAO eingeräumte Ermessen zugunsten der Beschwerdeführerin auszuüben ist, würde es letztlich keine Rolle spielen, wenn die Monatsfrist des § 201 Abs. 3 Z. 1 BAO in Bezug auf einzelne Beträge nicht eingehalten worden sein sollte. Ebensowenig ist es erforderlich, das aus der Festsetzung resultierende Guthaben betraglich anzuführen. Die Beschwerdeführerin hat unter Berufung auf die Abgabenbefreiung des § 42 Abs. 1 lit. a FLAG beantragt, die Dienstgeberbeiträge für den Zeitraum Juli 1999 bis Mai 2008 in Bezug auf die der vormaligen ***Gesellschaft [alt]*** bzw. nunmehrigen ***Gesellschaft [neu]*** zugewiesenen Bediensteten mit € 0,00 festzusetzen. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, bestand diese Abgabenbefreiung tatsächlich. Zu St.Nr. ***BFStNr*** hatte die Beschwerdeführerin daher für den Zeitraum Juli 1999 bis Mai 2008 keine Dienstgeberbeiträge abzuführen, sodass die beantragte Festsetzung erfolgen konnte, ohne die konkrete Höhe der jeweils abgeführten Beträge bzw. ein sich aus der Festsetzung ergebendes Guthaben kennen zu müssen.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin für ihre der vormaligen ***Gesellschaft [alt]*** bzw. nunmehrigen ***Gesellschaft [neu]*** zugewiesenen Bediensteten im Zeitraum Juli 1999 bis Mai 2008 von der Entrichtung des Dienstgeberbeitrages befreit war. Da Umstände, die einer Abgabenfestsetzung gemäß § 201 BAO entgegenstehen, nicht vorliegen, war den Beschwerden stattzugeben und der Dienstgeberbeitrag für diesen Zeitraum mit € 0,00 festzusetzen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsfragen sind durch die zitierte VwGH-Rechtsprechung geklärt und weicht das gegenständliche Erkenntnis nicht von dieser Rechtsprechung ab. Zu verweisen ist insbesondere auf die Entscheidungen , und , Ra 2019/13/0064, die in Parallelverfahren zu ausgegliederten Betrieben der Wiener Stadtwerke ergangen sind. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren daher im vorliegenden Fall nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 42 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104987.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at