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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.08.2022, RV/7300027/2022

1. Gnadenansuchen fast unmittelbar nach Rechtskraft der Strafentscheidung; 2. Keine berücksichtigungswürdigen Umstände, die nicht schon bei der Strafbemessung als mildernd gewertet wurden; 3. Kein Recht auf Amnestie

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7300027/2022-RS1
Die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzbehörden verhängten Strafen bietet die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden. Strebt ein rechtskräftig Verurteilter die gnadenweise Nachsicht der über ihn verhängten Strafe an, dann ist es seine Aufgabe, im Gnadenansuchen das Vorliegen der vom Gesetz dafür vorausgesetzten berücksichtigungswürdigen Umstände zu behaupten.
RV/7300027/2022-RS2
Da dem Finanzstrafgesetz ein Recht auf Amnestie fremd ist (siehe § 187 Abs. 3 FinStrG), kann der Antragsteller darin nicht verletzt sein.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Herrn ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Andreas German, Scheffelstraße 7a, 6900 Bregenz, über die Beschwerde des Gnadenwerbers vom gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ. BMF-2021-0.756.331, mit dem das Ansuchen vom auf gnadenweise Nachsicht der mit Strafverfügung des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , FV 001, verhängten Geldstrafe von € 4.500,00 abgewiesen wurde, gemäß § 187 Finanzstrafgesetz (FinStrG) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung (hier: der Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe von EUR 4.500,00) wird gemäß § 152 Abs. 2 FinStrG abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Im Gnadenansuchen vom beantragte Herr ***Bf1*** (in weiterer Folge: Antragsteller) die gnadenweise Nachsicht der verhängten Strafe in Höhe von EUR 4.500,00 gemäß § 187 FinStrG und begründet diesen Antrag wie folgt:

"Dem Antragsteller ist bewusst, dass sein Verhalten nicht rechtskonform war und bereut er dies zutiefst. Zu seiner Entlastung kann er nur vorbringen, dass er sich in einer solchen finanziellen Notlage befand, dass ihm eine rechtzeitige Begleichung seiner Steuerschuld schlicht nicht möglich war. Der Antragsteller war aufgrund eines völlig unverschuldeten Elementarereignisses, einer Hangrutschung, gezwungen, sein Eigenheim zu verlassen. Die Beschaffung einer Ersatzliegenschaft, die dafür notwendige Finanzierung und schlussendlich die Bewilligung und Auszahlung einer Entschädigungsleistung haben sich aus Umständen, die nicht in der Sphäre des Antragstellers lagen, derart verzögert, dass dem Beschuldigten die rechtzeitige Bezahlung der Steuerschuld trotz ernsthaftem Bemühen nicht möglich war.

Neben dieser katastrophalen finanziellen und persönlichen Situation des Antragstellers hat sich dessen Gesundheit seit 2016 stetig massiv verschlechtert, der Antragsteller leidet unter einer Herzinsuffizienz. Dazu werden diesem Gnadengesuch ärztliche Bestätigungen vorgelegt.

Der Umstand, dass der Antragsteller eine Selbstanzeige veranlasst hat, zeigt - auch wenn die Abgabenschuldigkeit dann in der Folge nicht rechtzeitig beglichen werden konnte - dass der Antragsteller gewillt war, für sein Fehlverhalten einzustehen. Zudem stand der Finanzberater des Antragstellers, Herr ***A1***, in ständigem Kontakt mit der Finanzbehörde, insbesondere mit Frau ***A2***, Frau ***A3*** und Frau ***A4***, und war stets bemüht, die Angelegenheit einem ordnungsgemäßen Abschluss zuzuführen. Sämtliche Meldungen wurden durch den Antragsteller ordnungsgemäß erstattet und gleichzeitig Verhandlungen um Fristen und Zahlungserleichterungen für den Antragsteller geführt. Dazu werden diesem Schriftsatz die Schreiben des ***A1*** an das Finanzamt Feldkirch vom und vom beigelegt. Die Zahlungsbereitschaft des Antragstellers war stets gegeben, Zahlungen wurden im Rahmen des ihm Möglichen getätigt. Die für November und Dezember 2019 angesetzten Verhandlungen wurden von Seiten des Finanzamtes Feldkirch abgesagt und kam im Anschluss kein neuerlicher Termin mehr zustande.

Der Antragsteller hat zuvor noch niemals ein Finanzstrafvergehen begangen, ist vollkommen einsichtig, hat ein Geständnis sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht abgegeben, hat an der abgabenrechtlichen Sachverhaltsaufklärung mitgewirkt, der Schaden ist bereits gutgemacht und ist zudem die Gefahr gleichartiger Verfehlungen in der Zukunft ausgeschlossen, da der Antragsteller mittlerweile nicht mehr unternehmerisch tätig ist. Zudem liegen die Taten auch bereits länger zurück.

Das Bundesministerium für Finanzen wird daher ersucht, diese Faktoren und die schwierige finanzielle, gesundheitliche und persönliche Situation des Antragstellers zu berücksichtigen und die über den Antragsteller im vor dem Amt für Betrugsbekämpfung in Feldkirch geführten Finanzstrafverfahren zu Zahl GF-002 am bzw. zu Zahl FV-001 mit Strafverfügung vom verhängte Geldstrafe von EUR 4.500,00 gänzlich nachzusehen."

Dem Antrag beigelegt sind die angesprochenen ärztlichen Unterlagen.

Mit Bescheid des Bundesministeriums für Finanzen vom , GZ. BMF-2021-0.756.331, wurde das Ansuchen auf gnadenweise Nachsicht der mit Strafverfügung des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde, Strafsachen Team 18, vom , FV 001, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG verhängten Geldstrafe von € 4.500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage), welche in voller Höhe unberichtigt aushaftet, gemäß § 187 FinStrG als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung wurde nach Darstellung des § 187 FinStrG ausgeführt, dass die Ausübung des Gnadenrechtes somit das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände voraussetzt. Die Feststellung dieser Umstände ist keine Frage des Ermessens, sondern der objektiven Sachverhaltsermittlung ().

Berücksichtigungswürdig sind alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben. Dabei sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf (vgl. dazu ; 2012/16/0068; uam).

Ein gnadenwürdiger Umstand ist in der durch eine Naturkatastrophe erfolgten Notwendigkeit sein Eigenheim zu verlassen und sich eine Ersatzliegenschaft zu besorgen zu ersehen.

Seine Herzinsuffizienz wäre ebenso geeignet einen gnadenwürdigen Umstand zu begründen. Allerdings bedürfte es hierfür aktuellerer Befunde als die vom November 2017.

Hat die Behörde nach Ermittlung des Sachverhaltes berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, ist ihr der Weg zu der in weiterer Folge zu treffenden Ermessensentscheidung eröffnet, welche sich in den Grenzen halten muss, die das Gesetz dem Ermessen zieht, wobei § 187 FinStrG der Behörde einen besonders weiten Ermessenspielraum zur Verfügung stellt (vgl. dazu ; ).

Bei der Ermessensentscheidung hat die Behörde die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beachten. Hierbei sind auch die Gesichtspunkte der General- und der Spezialprävention in die Beurteilung miteinzubeziehen (vgl. dazu ; ).

Bei der nunmehr erfolgenden Beurteilung im Zuge einer Ermessensentscheidung ist vorerst darauf zu verweisen, dass die verhängte Geldstrafe in voller Höhe von € 4.500,00 aushaftet.

Es wurde somit dem Strafzweck noch gar nicht entsprochen, einer Gnadenmaßnahme kann daher im Besonderen aus generalpräventiven Gründen nicht nähergetreten werden, da es unbillig wäre, von den steuerredlichen Unternehmen und Bürgern zu verlangen regelmäßig ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen, während man andererseits das Fehlverhalten des Antragstellers ohne eine strafrechtliche Sanktion ließe.

Auch wurde das Gnadenansuchen bereits drei Tage nach Rechtskraft der Strafverfügung gestellt. Es entspricht nicht dem Zweck der Strafrechtspflege, eine verhängte Geldstrafe unmittelbar nach Rechtskraft wiederum gnadenweise nachzusehen.

Ein Umstand der auch spezialpräventiv von Relevanz ist, da der Gnadenwerber das einer Bestrafung innewohnende Strafübel noch gar nicht verspürt hatte.

In der Strafverfügung wurden bereits die Strafmilderungsgründe des Geständnisses sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht, die Mitwirkung an der abgabenrechtlichen Sachverhaltsaufklärung, sowie der teilweisen Schadensgutmachung und das längere Zurückliegen der Taten berücksichtigt. Ebenso wurde die schwierige persönliche und finanzielle Situation entsprechend gewürdigt.

Hingegen ist die vorgebrachte vollständige Schadenswiedergutmachung so nicht gegeben, da die Umsatzsteuersteuer 2018 unverändert mit einem Betrag von € 5.475,52 aushaftet und das Abgabenkonto insgesamt einen Rückstand von € 14.307,41 aufweist, obwohl der Gnadenwerber nicht mehr unternehmerisch tätig ist.

Auch ist die verhängte Geldstrafe von € 4.500,00, welche etwas mehr als 13,02 % des Strafrahmens ausschöpft, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es auch galt, den Straferschwerungsgrund eines längeren Tatzeitraumes zu berücksichtigen, keinesfalls als überhöht anzusehen.

Ferner muss darauf hingewiesen werden, dass für diesen Fall der Uneinbringlichkeit der verhängten Geldstrafe der Gesetzgeber den Vollzug der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen hat, an dessen Stelle auch gemeinnützige Leistungen erbracht werden können.

Eine gnadenweise Nachsicht auch nur eines Teiles der verhängten Geldstrafe ist daher derzeit nicht möglich, selbst wenn man das finanzstrafrechtliche Wohlverhalten des Antragstellers seit den letzten Hinterziehungsfakten sowie die keine strafbefreiende Wirkung entfaltende Selbstanzeige, welche bei der Strafentscheidung als Strafmilderungsgrund nicht gewertet worden war, berücksichtigt.

Zu dem in einem zum Gnadenansuchen eingebrachten Antrag auf Zuerkennung der Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dieses Gnadenansuchen (Punkt II) ist auszuführen, dass § 187 FinStrG keine Bestimmungen über eine solche durch die Einbringung eines Gnadenansuchens vorsieht und somit auch eine bescheidmäßige Zuerkennung nicht zulässig ist."

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird der den Gnadenbescheid vom wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mangelhaften Verfahrens und Verletzung seines Rechts auf Amnestie angefochten und beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass seiner Beschwerde Folge gegeben bzw. dem beantragten Gesuch auf gnadenweise Nachsicht der verhängten Strafe in Höhe von EUR 4.500,00 gemäß § 187 FinStrG stattgegeben wird.

Nach Wiedergabe des Antrages wird ergänzend ausgeführt:

"Wenn die den Bescheid ausstellende Behörde anführt, dass für den Fall der Uneinbringlichkeit der verhängten Geldstrafe der Gesetzgeber den Vollzug der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen hat, muss diesem von Seiten des Beschwerdeführers entgegengehalten werden, dass die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe dem Beschwerdeführer aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes nicht zumutbar ist, selbiges gilt derzeit für die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen.

Die den bekämpften Bescheid ausstellende Behörde hätte erkennen müssen, dass das Gnadengesuch des Beschwerdeführers aus gesetzlicher und menschlicher Sicht gerechtfertigt gewesen ist.

Weiters stellt der Antragsteller den Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe von EUR 4.500,00 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Beschwerde zumal die Beschwerde erfolgsversprechend scheint und das bisherige Verhalten des Antragstellers keine Gefährdung der Einbringlichkeit der Geldstrafe befürchten lässt."

Das Bundesministerium für Finanzen führt anlässlich der Vorlage der Beschwerde aus:

Die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzstrafbehörden verhängten Strafen bietet die Möglichkeit, allfällige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden.

Die Ausübung des Gnadenrechtes setzt das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände voraus, die vom Gnadenwerber zu behaupten sind.

Ein gnadenwürdiger Umstand ist unverändert in der durch eine Naturkatastrophe erfolgten Notwendigkeit, sein Eigenheim zu verlassen und sich eine Ersatzliegenschaft zu besorgen, zu ersehen. Auch ist in seiner Herzinsuffizienz, welche durch aktuelle ärztliche Belege dokumentiert ist, ein weiterer gnadenwürdigen Umstand gegeben.

Da der Beschwerdeführer keine bedeutsamen neuen Umstände und Tatsachen vorbringt, ist wiederum auf die Begründung der Abweisung des Gnadenansuchens im Gnadenbescheid hinzuweisen.

Im Übrigen besteht gemäß § 187 Abs. 3 FinStrG ein Recht auf gnadenweise Nachsicht nicht.

Zu dem in einem zum Gnadenansuchen eingebrachten Antrag auf Zuerkennung einer Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dieses Gnadenansuchen ist - so wie im Gnadenbescheid vom bereits dargelegt - auszuführen, dass § 187 FinStrG keine Bestimmungen über eine solche durch die Einbringung eines Gnadenansuchens vorsieht und somit auch eine bescheidmäßige Zuerkennung nicht zulässig ist.

Es wird daher beantragt die Beschwerde insgesamt als unbegründet abzuweisen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage und Judikatur:

Gemäß § 187 Abs. 1 FinStrG kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände das Bundesministerium für Finanzen über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen oder Freiheitsstrafen in Geldstrafen umwandeln. Unter denselben Voraussetzungen können über Ansuchen verfallene Gegenstände und Beförderungsmittel dem früheren Eigentümer ohne Entgelt oder gegen Leistung eines Geldbetrages freigegeben werden.

Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - wie auch schon im angefochtenen Bescheid dargestellt - bietet die gnadenweise Nachsicht von rechtskräftig durch die Finanzbehörden verhängten Strafen die Möglichkeit, etwaige Fehler bei der Entscheidung zu beseitigen, Härten zu mildern und den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles gerecht zu werden. Strebt ein rechtskräftig Verurteilter die gnadenweise Nachsicht der über ihn verhängten Strafe an, dann ist es seine Aufgabe, im Gnadenansuchen das Vorliegen der vom Gesetz dafür vorausgesetzten berücksichtigungswürdigen Umstände zu behaupten (; ).

Berücksichtigungswürdig nach § 187 FinStrG sind alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben. Ihre Feststellung liegt nicht im Ermessen der Behörde; erst wenn ihr Vorliegen festgestellt ist, liegt die Ausübung des Gnadenrechtes im Ermessen der Behörde ). Dabei sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf ().

Hat die Behörde nach Ermittlung des Sachverhaltes berücksichtigungswürdige Umstände festgestellt, ist ihr der Weg zu der in weiterer Folge zu treffenden Ermessensentscheidung eröffnet, welche sich in den Grenzen halten muss, die das Gesetz dem Ermessen zieht, wobei § 187 FinStrG der Behörde einen besonders weiten Ermessensspielraum zur Verfügung stellt (vgl. , mwN).

Bei der Ermessensentscheidung hat die Finanzstrafbehörde die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Billigkeit (Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei) und Zweckmäßigkeit (Angemessenheit in Bezug auf das öffentliche Interesse) unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu beachten. Hiebei sind auch die Gesichtspunkte der General- und der Spezialprävention in die Beurteilung miteinzubeziehen (vgl. ; ).

§ 187 FinStrG begründet die Befugnis, da helfend und korrigierend einzugreifen, wo die Möglichkeit des behördlichen Finanzstrafverfahrens nicht genügen ().

Die wirtschaftliche Situation für sich allein stellt noch keinen berücksichtigungswürdigen Grund dar, weil im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe tritt. Aber auch der Vollzug dieser Ersatzfreiheitsstrafe stellt für sich noch keinen gnadenwürdigen Grund dar, handelt es sich doch dabei um eine vom Gesetz für alle Fälle dieser Art angeordnete Rechtsfolge (vgl. , mwN; ). Der keinen berücksichtigungswürdigen Grund darstellenden Konsequenz der Ersatzfreiheitsstrafe kann auch im Bereich des Ermessens keine Bedeutung zukommen ().

Das Gnadenrecht dient nicht dazu, versäumte Rechtsmittel nachzuholen oder ein Wiederaufnahmeverfahren zu ersetzen (). Der Gnadenweg darf jedoch eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen (vgl. , mwN; ).

Berücksichtigungswürdige Umstände:

Zunächst ist festzuhalten, dass im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen wurde, dass die Herzinsuffizienz des Antragstellers geeignet wäre, einen gnadenwürdigen Umstand zu begründen. Allerdings bedürfte es hierfür aktuellerer Befunde als die vom November 2017. Insoweit kommt der Bescheidbegründung Vorhaltscharakter zu (vgl. ), wobei in der Beschwerde dazu keine weiterfolgenden, zeitnäheren Informationen vorgebracht wurden. Eine weitere Aufforderung an den Antragsteller war daher entbehrlich.

An berücksichtigungswürdigen Umständen wurden vom Antragsteller seine schlechte persönliche und wirtschaftliche Situation vorgebracht.

Diese schlechte persönliche und wirtschaftliche Lage, die sich aufgrund des kurzen Zeitraumes zwischen Abschluss des Strafverfahrens und Einbringung des Gnadenansuchens innerhalb einer Woche nach Erlassung der Strafverfügung nicht geändert hat, wurde bereits in der Strafentscheidung bei der Strafbemessung berücksichtigt.

Auch die situationsbedingte schwierige Lage (Rutschhang "***R***", Beschaffung einer Ersatzliegenschaft durch die Landesregierung) des Antragstellers führte bei der Strafbemessung dazu, dass eine Geldstrafe von "nur" 13,02% des Strafrahmens ausgemessen wurde (die im Regelfall nur bei geständigen Finanzstraftätern bei annähernd voller Schadensgutmachung verhängt wird). Damit wurde die Geldstrafe ohnehin schon am Rande der Mindestgeldstrafe von 10% des Strafrahmens bemessen.

Am Abgabenkonto des Antragstellers ***123*** reduzierte sich der offene Saldo vom von € 41.781,34 bis zum (Tag der Strafverfügung) auf € 15.433,28, darin enthalten Umsatzsteuer 2018 von € 6.601,39. Daher wurde diese teilweise Schadensgutmachung - zu Recht - bereits bei der Strafbemessung berücksichtigt. Zwischenzeitig reduzierte sich der offene Saldo bis zum auf € 12.775,79, darin enthalten Umsatzsteuer 2018 von € 3.943,90.

Darüber hinaus wurden keine weiteren Argumente vorgebracht, die als berücksichtigungswürdig im Sinn des § 187 FinStrG gewürdigt werden hätten können.

Ermessen:

Liegen "berücksichtigungswürdige Gründe" vor und ist damit die Voraussetzung für eine Ermessensentscheidung erfüllt, so bedeutet dies noch nicht, dass bei der diesfalls durchzuführenden Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen vom Ermessen kein gesetzmäßiger Gebrauch gemacht wird, wenn die die Voraussetzung der Ermessensentscheidung bildenden "Gründe" nicht zugunsten der Antragstellerin "berücksichtigt" werden. Nach § 187 FinStrG hat niemand einen Rechtsanspruch auf die gnadenweise Nachsicht einer Abgabenstrafe, es besteht aber ein Anspruch auf Ermessensübung im Sinne des Gesetzes ().

Bei Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen wäre es unbillig, von den steuerredlichen Unternehmen und Bürgern zu verlangen, regelmäßig ihren steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen, während man andererseits das Fehlverhalten ohne eine notwendige strafrechtliche Sanktion ließe.

Zu dem sehr rasch gestellten Gnadenansuchen (das Ansuchen wurde bereits drei Tage nach Rechtskraft der Strafentscheidung eingebracht) ist anzumerken, dass es nicht dem Zweck der Strafrechtspflege entspricht, eine verhängte Geldstrafe kurze Zeit nach Rechtskraft zum Teil oder zur Gänze wiederum gnadenweise nachzusehen.

Wenn zudem die gesamte verhängte Geldstrafe noch aushaftet, ist einem Strafzweck keinesfalls entsprochen. Eine Nachsicht hätte demnach die Folge, dass die steuerlichen Verfehlungen sanktionslos blieben, was der Intention des Gesetzgebers widerspricht.

Einer Gnadenmaßnahme stehen daher generalpräventive Gründe entgegen, mögliche Täter von Umsatzsteuerhinterziehungen von Nachahmungstaten abzuhalten.

Die Frage, ob der Gesundheitszustand eines Bestraften die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe gestattet, ist nicht im Rahmen eines Gesuches um Nachsicht einer Geldstrafe zu prüfen ().

Spezialpräventive Überlegungen waren angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller seinen Beruf nicht mehr ausübt (ausüben kann), für die Entscheidung nicht relevant.

Zur Frage, wann bzw. ab welchem Prozentsatz der Bezahlung der Geldstrafe ein Bestrafter mit einer Neubewertung der Gnadenwürdigkeit zum dann gegebenen Zeitpunkt rechnen könnte und ob danach wenigstens ein teilweises Nachsehen der Strafzahlungen möglich wäre, ist festzuhalten, dass es, da es schon bei der Strafbemessung keine fixen Prozentsätze gibt, auch bei Gnadenentscheidungen keine genauen Prozentsätze gibt, ab welcher Höhe an bezahlter Geldstrafe welcher Teil einer Geldstrafe gnadenweise nachgesehen werden könnte, da diesfalls die gesetzlich normierte Ermessensübung jeweils vorgegeben wäre, ohne dass es zu einer Interessensabwägung kommen könnte.

Behauptete Verletzung des Rechts auf Amnestie:

§ 187 Abs. 3 FinStrG: Ein Recht auf gnadenweise Nachsicht besteht nicht.

Beim Gnadenrecht des § 187 FinStrG handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Bundesministeriums für Finanzen, bei Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Umständen eine Geldstrafe ganz oder teilweise nachzusehen. Da dem Finanzstrafgesetz ein Recht auf Amnestie fremd ist (siehe § 187 Abs. 3 FinStrG), kann der Antragsteller darin nicht verletzt sein.

Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe

§ 152 Abs. 2 FinStrG: Der Beschwerde nach Abs. 1 kommt eine aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes nicht zu. Die Behörde, deren Bescheid angefochten wird, hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn durch die Vollziehung des Bescheides ein nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten würde und nicht öffentliche Rücksichten die sofortige Vollziehung gebieten. Gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung ist eine abgesonderte Beschwerde nicht zulässig; bei Bescheiden eines Spruchsenatsvorsitzenden entscheidet dieser über den Antrag.

Die Anwendung des Grundsatzes, dass es in der Beurteilung von Parteienvorbringen nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes (Hinweis ; ), setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt, und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann (vgl. ).

Mit seinem Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe hat der Antragsteller vermutlich die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragen wollen.

Die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung als vorläufige Maßnahme ist aus der Sicht der Behörde nur solange möglich, als eine Endentscheidung noch nicht ergangen ist. Nach Erlassung der Endentscheidung kann ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nur mehr abgewiesen werden ().

Da in der Gnadensache mit dieser Entscheidung schon eine Endentscheidung ergeht, war der Antrag auf Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung bzw., der Antrag auf Aussetzung der Einhebung der Geldstrafe abzuweisen.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf die oben zitierte Judikatur wird verwiesen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
berücksichtigungswürdige Umstände
Gnadenansuchen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7300027.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at