Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.07.2022, RV/7101088/2022

Beschwerde gegen Pfändungs(gebühren)bescheid; Einwendungen gegen Haftungsbescheid. ZustellG:Haftantritt innerhalb der Abholfrist ändert nichts an rechtswirksamer Zustellung durch Hinterlegung.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Pfändung einer Geldforderung und Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (in Folge kurz BF) war im Zeitraum von bis und von bis Geschäftsführer der ***3***.

Mit Haftungsbescheid vom wurde er gemäß § 9 iVm § 80 BAO für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten (Umsatzsteuer 2015 und 1-4/2016; in Summe EUR 70.815,10) als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen.

Den Haftungsbescheid hat er persönlich am übernommen.

In seiner dagegen gerichteten Beschwerde vom brachte er vor, dass die Höhe der Steuern unrichtig und nicht rechtskräftig vorgeschrieben worden seien und das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei, weil Auftraggeber nicht bezahlt haben. Deswegen sei kein Geld für etwaige Klagen vorhanden gewesen und sei die Gesellschaft in eine unverschuldete Schieflage geraten.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Die aushaftenden Beträge seien rechtskräftig vorgeschrieben worden. Gegen die Beschwerde der USt-Vorschreibung 2015 sei eine rechtskräftige BVE ergangen, da kein weiteres Rechtsmittel erhoben worden sei. Die BVE vom sei am hinterlegt worden; der Beginn Abholfrist sei der gewesen. Mit Ende der Abholfrist am sei die BVE unbehoben an die belangte Behörde retourniert worden.

In weiterer Folge wurde aufgrund der Abgabenschulden des BF am ein Pfändungsbescheid (§ 290a EO gemäß § 65 AbgEO) über EUR 70.815,10 (Abgaben und Nebengebühren) plus EUR 713,67 (Pfändungsgebühren und Barauslagen), gesamt sohin EUR 71.528,77 an die ***1*** ausgestellt. Am selben Tag wurden dem BF mit Bescheid die Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens (§ 26 AbgEO) vorgeschrieben (Pfändungsgebühr 1% von EUR 70.815,10 = EUR 708,15 und Auslagenersätze EUR 5,52 = gesamt EUR 713,67).

In der dagegen eingebrachten Beschwerde vom bringt der BF folgendes vor:

"1. Der Pfändungsbescheid vom wird zur Gänze angefochten.

2. Es existiert kein Haftungsbescheid mir gegenüber. Es gibt damit keinen Exekutionstitel zur Sache. Das FA führt gegen mich damit zu Unrecht Exekution.

3. Damit ist die Pfändung rechtswidrig.

4. Ich stelle den Antrag auf Aussetzung der Einhebung für einen Betrag von EUR 71.528,77 (Pfändungsbescheid vom ) und EUR 713,67 wegen Bescheid vom wegen Gebühren und Auslagenersatz EUR 713,67.

5. Ich habe mein Anliegen zur Sache bereits mit Eingabe vom 09.09.20219 an das FA herangetragen, eine Beschwerde erhoben, einen Aussetzungsantrag und einen Zustellantrag gestellt. Das FA ist mit der Bearbeitung meiner Eingabe vom erheblich in Säumigkeit.

6. Ich beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.

7. Ich gebe meine Vermögensverhältnisse damit bekannt, dass ich derzeit EUR 1.000,- netto im Rahmen einer Anstellung verdiene, sonst kein nennenswertes Vermögen habe. Auf Grund dieser wirtschaftlichen Verhältnisse ist eine Haftungsinanspruchnahme auch unbillig.

Ich stelle den BESCHWERDEANTRAG es wolle meiner Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid vom (EUR 71.528,77) und Bescheid vom Gebühren und Auslagenersatz EUR 713,67 Folge gegeben werden, beide bekämpften Bescheide ersatzlos behoben und das Haftungsverfahren eingestellt werden. Hilfsweise wolle der Bescheid dahingehend abgeändert werden, als der Haftungsbetrag auf ein Mindestmaß reduziert wird."

Mit BVEvom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit folgender Begründung ab:

"[…] 1. Pfändungsbescheid:In der Beschwerde brachten Sie im Wesentlichen vor, dass Ihnen gegenüber kein Haftungsbescheid erlassen worden wäre und es damit keinen Exekutionstitel gäbe. Die Beschwerde richtet sich daher offensichtlich gegen den Bestand der Zahlungsverpflichtung (des Haftungsbescheides).

Gemäß § 12 AbgEO können Einwendungen gegen den Anspruch jedoch nur insofern erhoben werden, als sie auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Dies würde z.B. dann zutreffen, wenn nach Ausstellung des Rückstandsausweises die Abgabenschuld zur Gänze oder zum Teil gestundet wurde (vgl. 92/17/0129).

Von Ihnen wurde jedoch nicht das Vorliegen von Tatsachen behauptet, die nach Ausstellung des Haftungsbescheides eingetreten sind. Derartige Tatsachen ergeben sich auch nicht aus dem sonstigen Akteninhalt. Ihre Einwendungen können daher gemäß § 12 AbgEO und der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Vollstreckungsverfahren geltend gemacht werden.

2. Bescheid über die Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen des VoIIstreckungsverfahrens:Gemäß § 26 Abs. 1 und 3 AbgEO hat der Abgabenschuldner die im Vollstreckungsverfahren anfallenden Gebühren und Auslagenersätze zu entrichten.

Da Sie Ihrer Verpflichtung, die mit Haftungsbescheid vom vorgeschriebenen Abgaben zu entrichten, nicht im geforderten Ausmaß nachgekommen sind, waren von der Abgabenbehörde im Zuge des Einbringungsverfahrens Vollstreckungsmaßnahmen zu setzen, die zu den im Spruch des Bescheids vom angeführten Gebühren und Auslagenersätzen führten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung:Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass von Ihnen der Haftungsbescheid nachweislich am persönlich übernommen wurde. Die Unterschrift auf dem Rückschein stimmt mit Ihrer Unterschrift, mit der Sie den Beschwerdeantrag unterschrieben haben, offenkundig überein. Gegen diesen Haftungsbescheid erhoben Sie am Beschwerde, die mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen wurde. Diese Beschwerdevorentscheidung wurde Ihnen am durch Hinterlegung zugestellt, aber von Ihnen innerhalb der Abholfrist nicht behoben. Aufgrund Ihrer Eingabe vom wurde am eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Auch dieses Schriftstück wurde beim Postamt hinterlegt und von Ihnen innerhalb der Abholfrist nicht behoben."

Am selben Tag () erfolgte auch die Abweisung des Aussetzungsantrages.

Mit rechtzeitig eingebrachtem Vorlageantrag vom (eingelangt am ) beantragte der BF die Vorlage der Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (in Folge kurz BFG) und führte dazu aus:

"Betrifft: Fa. ***3***
St.Nr.
***2***
Pfändungsbescheid vom (EUR 71.528,77)
Bescheid vom Gebühren und Auslagenersatz EUR 713,67

VORLAGEANTRAG zur BVE vom

Beschwerde gegen Bescheid vom/gegen
Mit Antrag auf Aussetzung der Einhebung über EUR 70.815,- und EUR 713,67

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde meiner Beschwerde vom keine Folge gegeben. Dazu stelle ich fristgerecht den VORLAGEANTRAG: es möge mein Rechtsmittel an das BFG Bundesfinanzgericht vorgelegt werden. Ich halte mein bisheriger Beschwerdevorbringen zur Gänze aufrecht. Ich erkläre dieses auch zum Vorbringen für diesen Vorlageantrag.

Ich wiederhole daher für diesen Vorlageantrag:

1. Der Pfändungsbescheid vom wird zur Gänze angefochten.
2. Es existiert kein Haftungsbescheid mir gegenüber. Es gibt damit keinen

Exekutionstitel zur Sache. Das FA führt gegen mich damit zu Unrecht Exekution.
3. Damit ist die Pfändung rechtswidrig.

4. Ich stelle den Antrag auf Aussetzung der Einhebung für einen Betrag von EUR
71.528,77 (Pfändungsbescheid vom ) und EUR 713,67 wegenBescheid vom wegen Gebühren und Auslagenersatz EUR 713,67.
5. Ich habe mein Anliegen zur Sache bereits mit Eingabe vom 09.09.20219 an das
FA herangetragen, eine Beschwerde erhoben, einen Aussetzungsantrag undeinen Zustellantrag gestellt. Das FA ist mit der Bearbeitung meiner Eingabe vom erheblich in Säumigkeit.
6. Ich beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.
7. Ich gebe meine Vermögensverhältnisse damit bekannt, dass ich derzeit EUR
1.000,-- netto im Rahmen einer Anstellung verdiene, sonst kein nennenswertesVermögen habe. Auf Grund dieser wirtschaftlichen Verhältnisse ist eineHaftungsinanspruchnahme auch unbillig. Es dürfen Einbringungsschritte vom FAnur dann veranlasst werden, wenn Einbringlichkeit gegeben erscheint. DieseVoraussetzung liegt nicht vor. Ich wende auch ein, dass Einbringungsschritte desFA auch deshalb unzulässig sind, weil eine gesetzliche Stundung von Steuerschulden wegen COVID-19 vorgegeben sind.

Ich beantrage eine mündliche Beschwerdeverhandlung.

Gegen den Bescheid vom wegen Abweisung der Aussetzung derEinhebung erhebe ich fristgerecht BESCHWERDE:

Da fristgerecht Vorlageantrag eingebracht wurde, ist die ursprüngliche Beschwerdewiederum offen und unerledigt. Unrichtig ist damit die Begründung im Bescheid über dieAbweisung der Aussetzung der Einhebung, dass eine Beschwerdeerledigung vorliegt.

Dazu stelle ich den BESCHWERDEANTRAG: es wolle meiner Beschwerde gegen den Bescheid vom wegen Abweisung der Aussetzung der Einhebung Folge gegeben werden, dieser im Sinne der Antragstellung abgeändert werden. Hilfsweise wolle er aufgehoben werden. Vorsichtshalber stelle ich den ANTRAG auf Bewilligung der Aussetzung der Einhebung für einen Betrag von EUR 71.528,77."

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem BFG zur Entscheidung vor und brachte darin vor:

"Mit Bescheid vom wurde ***Bf1*** gemäß § 9 iVm § 80 BAO als Haftungspflichtiger für die Entrichtung von Abgabenschulden der Firma ***3*** Liquidation in der Höhe von € 70.815,10 in Anspruch genommen. Der Haftungsbescheid wurde von ihm nachweislich am persönlich übernommen. Die Unterschrift auf dem Rückschein stimmt mit der Unterschrift, mit der er den Beschwerdeantrag vom gegen diesen Haftungsbescheid unterschrieben hat, offenkundig überein. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen und ihm diese am durch Hinterlegung zugestellt, aber innerhalb der Abholfrist nicht behoben. Mit Bescheid vom über die Pfändung einer Geldforderung gegenüber der Firma ***1***, bei der ***Bf1*** zum damaligen Zeitpunkt beschäftigt war, wurde die Einbringung des Haftungsbetrages versucht. Ein dadurch entstandener Betrag von € 713,67 an Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens wurde am selben Tag bescheidmäßig festgesetzt. Gegen beide Bescheide erhob ***Bf1*** mit Schreiben vom Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass ihm gegenüber kein Haftungsbescheid bestünde und auf Grund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse eine Haftungsinanspruchnahme unbillig wäre. Diese Beschwerden wurden mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass gemäß § 12 AbgEO Einwendungen gegen den Anspruch nur insofern erhoben werden können, als sie auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind und andererseits, weil von der Abgabenbehörde im Zuge des Einbringungsverfahrens Vollstreckungsmaßnahmen zu setzen waren, die zu den im Spruch des Bescheids vom angeführten Gebühren und Auslagenersätzen führten, da der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, die mit dem Haftungsbescheid vorgeschriebenen Abgaben zu entrichten, nicht nachgekommen war. Dagegen wurde am der gegenständliche Vorlageantrag eingebracht, in dem die Begründung der Beschwerde fast zur Gänze wortgleich wiedergegeben wurde.

Beweismittel: Vorgelegte Aktenteile

Stellungnahme: Weil der Beschwerdeführer in seinem Vorlageantrag lediglich die bereits in der Beschwerde vorgebrachten Argumente wörtlich wiederholt, darf zur Gänze auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung verwiesen werden.

Da der Beschwerdeführer aber nur bis zum bei der Firma ***1*** beschäftigt war, und aus dem damaligen Arbeitsverhältnis keine Forderungen auf Bezüge mehr bestehen, geht der Pfändungsbescheid nunmehr ins Leere und wurde die Vollstreckung daher eingestellt. Am wurde aus diesem Grund ein neuer Pfändungsbescheid gegenüber der Firma ***4*** erlassen, bei der ***Bf1*** seit dem beschäftigt ist. Es wird daher die Abweisung der Beschwerden beantragt."

Am erließ die belangte Behörde bezüglich der Beschwerde vom eine abweisende BVE zum Aussetzungsantrag.

Ebenfalls am wurde der Antrag vom auf (erneute) Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung eines Betrages von € 71.528,77 gemäß § 212a BAO abgewiesen.

In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BFG erschien der BF trotz ordnungsgemäß durchgeführter Ladung unentschuldigt nicht. Die Verhandlung erfolgte sohin in Abwesenheit des BF; im Anschluss wurde das Erkenntnis (Abweisung) verkündet.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (in Folge kurz BF) war im Zeitraum von bis und von bis Geschäftsführer der ***3***.

Mit Haftungsbescheid vom wurde er gemäß § 9 iVm § 80 BAO für die aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten (Umsatzsteuer 2015 und 1-4/2016 in Summe EUR 70.815,10) als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen. Den Haftungsbescheid hat er persönlich am übernommen.

Am erhob er dagegen Beschwerde, welche mit BVE vom abgewiesen wurde. Die BVE wurde an der gültigen Zustelladresse zugestellt. Dabei fand am gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz ein Zustellversuch statt; die BVE wurde bei der zuständigen Postgeschäftsstelle hinterlegt und ab zur Abholung bereitgehalten, da das Dokument beim Zustellversuch nicht übergeben werden konnte.

Von bis befand sich der BF im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände.

Die BVE wurde nicht behoben und nach Ablauf der Abholfrist an die belangte Behörde mit der Aufschrift "zurück-nicht behoben" zurückgesendet (Datum des Einlangens ).

Zustellmängel liegen nicht vor.

Am wurde ein Pfändungsbescheid (§ 290a EO gemäß § 65 AbgEO) über EUR 70.815,1 (Abgaben und Nebengebühren) plus EUR 713,67 (Pfändungsgebühren und Barauslagen), gesamt sohin EUR 71.528,77 an den aktuellen Arbeitgeber des BF, die ***1***, ausgestellt. Am selben Tag wurden dem BF mit Bescheid die Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens (§ 26 AbgEO) vorgeschrieben (Pfändungsgebühr 1% von EUR 70.815,10 = EUR 708,15 und Auslagenersätze EUR 5,52 = gesamt EUR 713,67).

Der am gestellte Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde vom wurde mit BVE vom abgewiesen. Der am erneute und gleichzeitig mit dem Vorlageantrag gegen den Pfändungsbescheid gestellte Aussetzungsantrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Ein Vorlageantrag bzw. eine Beschwerde gegen diesen Bescheid/diese BVE wurde nicht eingebracht.

Beweiswürdigung

Der Vorgang der dargestellten Zustellung der BVE (zum Haftungsbescheid) ist aus dem im Verwaltungsakt der belangten Behörde erliegenden RSa-Brief ersichtlich. Auch die Rücksendung an die belangte Behörde (da das Schreiben nicht behoben wurde) ist aktenkundig.

Dass der BF zeitweilig ortsabwesend war, wurde von ihm nicht behauptet, konnte aber durch Ermittlungen durch das Gericht erhoben werden. Die Daten der Ortswesenheit ergeben sich aus der durchgeführten ZMR-Abfrage.

Etwaige Zustellmängel wurden weder vorgebracht noch gab es dafür Anhaltspunkte aus dem Akteninhalt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtskraft des Haftungsbescheides

§ 8 des Zustellgesetzes lautet:

Änderung der Abgabestelle

(1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Hinterlegung

§ 17. (1) Zustellgesetz: Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

Die Zustellung der am ergangenen BVE zum Haftungsbescheid erfolgte aus folgenden Gründen rechtswirksam:

Der ordnungsgemäße Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde. Er begründet die Vermutung über Echtheit und Richtigkeit der Zustellung, ein Gegenbeweis ist möglich (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 22 Tz 2).

Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen.

Im gegenständlichen Fall sind die Vorschriften des Zustellgesetzes eingehalten worden. Die Zustelladresse, nämlich die tatsächlich bewohnte Wohnung des BF ist eine Abgabestelle. Der Zusteller hatte Grund zur Annahme, dass sich der BF regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

Das hinterlegte Dokument gilt gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG nur dann als nicht zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

Die Hinterlegung erfolgte rechtskonform. Die gesetzlich vorgesehenen Formerfordernisse wurden eingehalten. Das hinterlegte Dokument gilt daher mit dem ersten Tag der Abholfrist, dem , als zugestellt. Der Beweis über die erfolgte Zustellung konnte vom BF nicht widerlegt werden. Dass er zeitweilig ortsabwesend war, wurde durch den BF nicht einmal selbst vorgebracht, konnte allerdings durch Ermittlungen des BFG eruiert werden. Allerdings betrifft die Abwesenheit von der Abgabestelle nicht den Tag der Zustellung/Hinterlegung, den Beginn der Abholfrist, sondern erfolgte diese erst (13) Tage nach der Zustellung, nämlich ab .

Beginnt die Abwesenheit von der Abgabestelle erst am Tag nach dem Zustellversuch und der Hinterlegung der Sendung sowie der Verständigung hiervon, so konnte der Empfänger rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es hiebei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht an (; ).

Selbst eine Abwesenheit während des gesamten Abholungszeitraumes wäre für die Rechtswirksamkeit der Zustellung ohne Bedeutung, da § 17 Zustellgesetz nämlich nicht darauf abstellt, ob einem Empfänger die Abholung einer hinterlegten Sendung möglich ist oder nicht (, ).

Sogar wenn es dem Empfänger unmöglich ist, das Dokument selbst abzuholen, ist die Zustellung wirksam (, ZfVB 1992/6/2097); allerdings besteht die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ( , ZfVB 1991/4/1806; , 93/01/0950, ZfVB 1995/1/281).

Das hinterlegte Dokument gilt (bei rechtmäßiger Hinterlegung) dann nicht mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger (bzw. der Vertreter iSd § 13 Abs 3 ZustG) wegen Abwesenheit nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Zum Begriff "rechtzeitig" wird (ebenso wie zu § 16 Abs 5 ZustG) bei Rechtsmittelfristen von der Rechtsprechung (vgl zB , RdW 1993, 334; ; , Ro 2014/07/0107; , Ra 2016/16/0094; , Ra 2020/14/0023; , Ra 2019/01/0117, 0118; , Ra 2020/10/0031) die Auffassung vertreten, es sei nach den Erfahrungen des täglichen Lebens davon auszugehen, dass ein Großteil der berufstätigen, tagsüber von der Abgabestelle abwesenden Bevölkerung bei Kenntnis von der postamtlichen Hinterlegung einer Sendung üblicherweise die Möglichkeit hat, die Sendung jedenfalls an dem der Hinterlegung nächstfolgenden Werktag zu beheben. Dieses Wirksamwerden der Zustellung tritt auch ein, wenn der Empfänger nach seiner Rückkehr an dem Tag, an dem die Abholung möglich wäre, oder vorher die Abgabestelle wieder verlässt (Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), ZustG, § 17, VI. Zeitpunkt der Zustellung [Rz 19; , ZfVB 1994/3/1169; , 99/18/0395; vgl , ZfVB 1998/5/1715).

Im vorliegenden Fall war der BF im Zeitpunkt des Zustellvorganges nicht ortsabwesend; da die Hinterlegungsanzeige am in sein (Haus)postfach gelegt wurde und die Polizeianhaltung erst 13 Tage später erfolgte, konnte der BF zweifellos rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen. Die haftbedingte Ortsabwesenheit hinderte den BF daher weder daran, vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen noch daran, die BVE innerhalb der zweiwöchigen Abholfrist zu beheben.

Die Zustellung der BVE zum Haftungsbescheid war daher mit der Hinterlegung beendet. Das Ergebnis nämlich, dass die Abholung (sohin das Erhalten) nicht mehr zur Zustellung gehört, lässt sich zwingend aus dem Normzweck ableiten, welcher sicherzustellen sucht, dass behördliche Verfahren auch dann weitergeführt werden können, wenn hinterlegte und zur Abholung bereitgehaltene Schriftstücke den Empfänger (etwa mangels Abholung) gar nicht erreichen. Denn stellte man darauf ab, dass die Zustellung erst dann bewirkt wäre, wenn das Schriftstück dem Empfänger zugekommen ist, läge bei nicht abgeholten Schriftstücken regelmäßig ein Mangel nach § 7 ZustG vor, welcher mangels Zukommens an den Empfänger nie sanierbar wäre (vgl. , ).

Die BVE vom ist somit in Rechtskraft erwachsen.

Einwendungen gegen den Pfändungs- und Gebührenbescheid

§ 65 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) lautet:

(1) Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß die Abgabenbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.

(2) Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei mitzuteilen, daß die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Das Zahlungsverbot ist mit Zustellnachweis zuzustellen, wobei die Zustellung an einen Ersatzempfänger zulässig ist.

(3) Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.

(4) Der Drittschuldner kann das Zahlungsverbot anfechten oder bei der Abgabenbehörde die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.

(5) Ein für die gepfändete Forderung bestelltes Handpfand kann in Verwahrung genommen werden.

§ 26 AbgEO lautet:

  1. Der Abgabenschuldner hat für Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens nachstehende Gebühren zu entrichten:

  2. Die Pfändungsgebühr anläßlich einer Pfändung im Ausmaß von 1% vom einzubringenden Abgabenbetrag; wird jedoch an Stelle einer Pfändung lediglich Bargeld abgenommen, dann nur 1% vom abgenommenen Geldbetrag.

  3. Die Versteigerungsgebühr anläßlich einer Versteigerung (eines Verkaufes) im Ausmaß von 1 1/2% vom einzubringenden Abgabenbetrag.

Das Mindestmaß dieser Gebühren beträgt 10 Euro.

(2) Die im Abs. 1 genannten Gebühren sind auch dann zu entrichten, wenn die Amtshandlung erfolglos verlief oder nur deshalb unterblieb, weil der Abgabenschuldner die Schuld erst unmittelbar vor Beginn der Amtshandlung an den Vollstrecker bezahlt hat.

(3) Außer den gemäß Abs. 1 zu entrichtenden Gebühren hat der Abgabenschuldner auch die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen zu ersetzen. Zu diesen zählen auch die Entlohnung der bei der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens verwendeten Hilfspersonen, wie Schätzleute und Verwahrer, ferner bei Durchführung der Versteigerung durch einen Versteigerer dessen Kosten sowie die Kosten der Überstellung.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 161/2005)

(5) Gebühren und Auslagenersätze werden mit Beginn der jeweiligen Amtshandlung fällig und können gleichzeitig mit dem einzubringenden Abgabenbetrag vollstreckt werden; sie sind mit Bescheid festzusetzen, wenn sie nicht unmittelbar aus einem Verkaufserlös beglichen werden (§ 51).

(6) Im Falle der nachträglichen Herabsetzung der Abgabenschuld sind die nach Abs. 1 festgesetzten Gebühren auf Antrag des Abgabepflichtigen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu berechnen; fällt die Abgabenschuld nachträglich zur Gänze weg, so sind die Bescheide, mit denen die Gebühren nach Abs. 1 festgesetzt wurden, auf Antrag aufzuheben.

(7) Abs. 6 zweiter Halbsatz gilt sinngemäß für den Ersatz von Barauslagen nach Abs. 3, es sei denn, die Barauslagen sind dem Vermögen des Abgabepflichtigen zugutegekommen oder der Abgabepflichtige hat durch sein Verhalten maßgebend zum Entstehen dieser Kosten beigetragen.

(8) Anträge nach Abs. 6 und 7 haben die Bezeichnung der Festsetzungsbescheide nach Abs. 5 und allenfalls der Bescheide nach § 51 zu enthalten und sind nur innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenschuld herabgesetzt wurde oder weggefallen ist, zulässig. Die Abs. 6 und 7 finden keine Anwendung auf abgeschriebene (§§ 235, 236 BAO) Nebengebühren.

§ 12 AbgEO lautet:

(1) Gegen den Anspruch können im Zuge des abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten sind.

(2) Die Einwendungen sind bei jener Abgabenbehörde anzubringen, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist.

(3) Alle Einwendungen, die der Abgabenschuldner zur Zeit der Antragstellung vorzubringen imstande war, müssen bei sonstigem Ausschluß gleichzeitig geltend gemacht werden.

(4) Wenn den Einwendungen rechtskräftig stattgegeben wird, ist die Vollstreckung einzustellen.

§ 65 AbgEO regelt u.a. den Vorgang bei der abgabenbehördlichen Vollstreckung von Geldforderungen. Die Vollstreckung wird ebenso wie im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren (§ 294 EO) durch Erlassung eines Zahlungsverbotes an den Drittschuldner und eines Verfügungsverbotes an den Abgpflichtigen vollzogen. Beide Verbote sind vom vollstreckenden Finanzamt mit Bescheid zu erlassen. Dies erfolgte fallgegenständlich mit Bescheiden vom .

Ob die Inanspruchnahme der Abgabenbehörde im Haftungsverfahren nach zu Recht besteht oder nicht, ist nicht Gegenstand der Prüfung im Einbringungsverfahren (vgl. ).

Dem Abgabepflichtigen steht gegen das an ihn gerichtete bescheidmäßige Verfügungsverbot gem § 77 Abs 1 Z 1 AbgEO kein Rechtsmittel zu (zB ; ). Er kann jedoch gem §§ 12, 13 AbgEO Einwendungen gegen den Anspruch und gegen die Zulässigkeit der Pfändung erheben, über die seitens der Abgbehörde mit rechtsmittelfähigem Bescheid abzusprechen ist (zB Reeger/Stoll 158). Weiters stehen dem Abgpflichtigen aber auch die Rechtsbehelfe der §§ 15 ff AbgEO offen.

In dem vor der Titelbehörde durchzuführenden Verfahren gemäß §§ 12 und 13 AbgEO können keine Einwendungen gegen die Richtigkeit des Abgaben-/Haftungsbescheides erhoben werden (Stoll, BAO-Kommentar, 2380).

Gemäß § 12 AbgEO können Einwendungen gegen den Anspruch im Vollstreckungsverfahren nur insofern erhoben werden, als sie sich auf den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsachen beziehen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind. Derartige den Anspruch aufhebende bzw. hemmende Umstände, die erst nach Ausfertigung des Haftungsbescheides eingetreten sind, wurden im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht. Das Vorbringen, dass kein Haftungsbescheid existiere und diesem zugrundeliegenden Vorschreibungen überhöht seien, bezieht sich eindeutig auf den zugrundeliegenden Umsatzsteuer- und Haftungsbescheid, welche unbekämpft in Rechtskraft erwuchsen.

§ 12 AbgEO handelt in Anlehnung an § 35 EO von den Einwendungen, die gegen den zu vollstreckenden Abgabenanspruch erhoben werden dürfen, wenn zeitlich nach Ausstellung des Rückstandsausweises Umstände eingetreten sind, die den Abgabenanspruch aufheben (zB Zahlung) oder seine Geltendmachung hemmen (zB Bewilligung einer Stundung). Alle in Betracht kommenden Einwendungen sind bei sonstigem Verlust des Rechtes, sie vorzubringen, gleichzeitig beim Finanzamt geltend zu machen (insoweit besteht ein "Neuerungsverbot"; vgl ; vgl auch ; 3 Ob 182/05v; , 3 Ob 67/07k, zur sog "Eventualmaxime"). Die Stattgebung hat die Einstellung des Vollstreckungsverfahrens zur Folge. Jene Einwendungen, die gegen die Richtigkeit des Exekutionstitels als solchen geltend gemacht werden können, sind in § 15 AbgEO geregelt (AB 829 BlgNR 5. GP 33 f).

Einwendungen, die sich gegen den Abgabenanspruch oder gegen die Höhe der Abgabe richten, sind im Veranlagungsverfahren mit Beschwerde gegen die Abgabenbescheide - und nicht gem § 12 Abs 1 AbgEO (§ 35 Abs 1 EO) - geltend zu machen (, 0090 = ÖStZB 1990, 75; ; ; ; ). In dem vor der Titelbehörde durchzuführenden Verfahren gem § 12 (und § 13) AbgEO können keine Einwendungen gegen die Richtigkeit des Abgabenbescheides (mehr) erhoben werden ( = ÖStZB 1998, 319; ; ; ; ; Stoll III 2380; vgl auch § 65 Rz 33). Ebenso können gem § 12 Abs 1 AbgEO zB nicht wirksam geltend gemacht werden: Einwendungen im Vollstreckungsverfahren auf Grund des Haftungsbescheides, die sich gegen den Haftungsbescheid (dieser wurde im Abgabenverfahren nicht mit Berufung nach der BAO bekämpft) selbst richten ( = ÖStZB 1966, 85; -I/08; vgl auch Reeger/Stoll 24) oder Einwendungen, dass die Steuerbescheide noch nicht rechtskräfitg sind (vgl. § 12 AbgEO (Liebeg), 2. Auflage; = VwSlg 2.400 F).

Zum Beschwerdeeinwand des BF, wonach kein Haftungsbescheid existiere, wird auf die unbedenklichen Ausführungen in der BVE vom verwiesen, mit welcher der BF darauf hingewiesen wurde, dass die aushaftenden Abgaben der Primärschuldnerin rechtskräftig vorgeschrieben wurden. Gegen die eingebrachte Beschwerde betreffend der Umsatzsteuer 2015 erging am eine BVE. Weitere Rechtsmittel liegen nicht vor.

Der Bestand der Abgabenforderung ist im Exekutions-(Pfändungs-)verfahren nicht zu prüfen; die Prüfung erstreckt sich in diesem nur darauf, ob die zu pfändende Forderung bestehen und dem Schuldner zustehen kann (Schlüssigkeitsprüfung) und ob die Forderung pfändbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0020, und Liebeg, Abgabenexekutionsordnung, § 65 Rz 8 und Rz 19).

Dass die ausgewiesenen Beträge tatsächlich bereits entrichtet und die entsprechende Abgabenschuld damit getilgt worden wäre, wird vom BF ebenso wenig wie ein anderer der Vollstreckbarkeit des gegenständlichen Haftungsbescheides allfällig entgegenstehender Tatbestand (Stundungen oder Verzichtserklärungen) dargetan.

Nach § 26 Abs 1 AbgEO hat der Abgabepflichtige für Amtshandlungen des Vollstreckungsverfahrens die dort angeführten Gebühren zu entrichten. Die Pfändungsgebühr ist eine reine Amtshandlungsgebühr. Sie wird insbesondere wegen der der Abgbehörde bei Durchführung der Pfändung auflaufenden Kosten erhoben und ist sohin auch dann zu entrichten, wenn die Amtshandlung zu keiner Pfändung führte, sei es, dass keine pfändbaren Gegenstände vorgefunden oder der Abgpflichtigen nicht angetroffen wurde (/01611 = ÖStZB 1983, 186; , 90/14/0023 = ÖStZB 1992, 198; , 94/13/0217 = ÖStZB 1997, 64; , 96/15/0044 = VwSlg 7.486 F = ÖStZB 2000, 394; ; ; ; ; , RV/7100612/2012; ; ; ; ; : [Pfändung eines KFZ in Unkenntnis, dass es sich um ein Leasing-KFZ handelt]; ; ; ; ; vgl auch Reeger/Stoll 78 f). Letzteres gilt jedoch dann nicht, wenn die Abwesenheit des Abgpflichtigen die Pfändung nicht gehindert hätte, weil zB der Zutritt zu den in der Gewahrsame des Abgpflichtigen befindlichen Gegenständen ungeachtet der Abwesenheit möglich gewesen wäre ( = VwSlg 6.916 F).

Irrelevant ist etwa (auch) der Einwand, die Verwaltungsakte seien rechtswidrig; dies bleibt für die Pfändungsgebühren ohne Auswirkung, sofern die Vollstreckungshandlung und die Ordnungsmäßigkeit der Beitreibung ausgesprochen ist; erweist sich die Pfändung als rechtmäßig, dann wurden auch die Kosten rechtmäßig eingehoben (; ). Unbeachtlich sind - wie im Übrigen im gesamten Vollstreckungsverfahren - Einwendungen, die sich gegen den Abgabenanspruch richten (zB ; vgl. die Abgabenexekutionsordnung, Liebeg, § 26 Rz 5).

Mangels im Haftungsbescheid unterlaufene offenbare Unrichtigkeiten erweist sich somit die im angefochtenen Bescheid erfolgte Pfändung der Geldforderung sowie die Festsetzung von Gebühren und Auslagenersätzen des Vollstreckungsverfahrens als rechtmäßig.

Dem Beschwerdevorbringen und den Beschwerdeanträgen des BF konnte somit insgesamt nicht gefolgt werden. Zusammengefasst wurden keine Gründe vorgebracht, die geeignet wären, eine Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Bescheide aufzuzeigen. Aus den angeführten Sach- und Rechtsgründen war der Beschwerde der Erfolg zu versagen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtskraft des abweisenden Aussetzungsbescheides

Informativ wird an dieser Stelle festgehalten, dass sämtliche Anträge und Rechtsmittel betreffend Aussetzung der Einbringung erledigt und rechtskräftig sind. Ein diesbezüglicher Vorlageantrag liegt diesem Verfahren nicht zugrunde, weswegen darüber nicht abzusprechen war.

Wie in der Ladung hingewiesen, stand das Fernbleiben des BF von der mündlichen Verhandlung der Durchführung der Verhandlung nicht entgegen (§ 274 Abs. 4 BAO).

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Tatfrage, ob die BVE zum Haftungsbescheid ordnungsgemäß zugestellt wurde, ist grundsätzlich nicht reversibel. Die sich daraus ergebende Rechtsfrage wurde entsprechend der umfassenden höchstgerichtlichen Judikatur beurteilt. Hinsichtlich der Einwendungen gegen den Pfändungs- und Gebührenbescheid werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukämen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 290a EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 26 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 12 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 26 Abs. 1 und 3 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 8 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 16 Abs. 5 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 294 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
§ 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§§ 15 ff AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 13 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 15 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 12 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 26 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949
§ 35 Abs. 1 EO, Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896
Verweise







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ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101088.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at