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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.08.2022, RV/5100172/2016

Wert des Grundstückes gemäß § 6 GrEStG idF BGBl. I Nr. 142/2000

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. P F, Rechtsanwalt, Kanzleianschrift, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Grunderwerbsteuer, Steuernummer ***BF1StNr1***, Erfassungsnummer 10-2011, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am und zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf) ist im Lebensmitteleinzelhandel tätig und betreibt Verkaufsmärkte an verschiedenen Standorten im Inland.

Grundstücksmietvertrag

Die ISC-GmbH (in der Folge kurz: Verkäuferin) war Mieterin von Grundstücken, inneliegend ob den Liegenschaften EZ-1 sowie EZ-2, jeweils Grundbuch XY L, im unverbürgten Ausmaß von 1.300 m².

Die Mieterin hat darauf einen Verkaufsmarkt als Superädifikat samt Parkplätzen auf ihre Kosten errichten zu lassen.

Immobilienleasing

Die Verkäuferin vermietete den Lebensmittelmarkt (Superädifikat) an die Bf (Immobilienleasing-Mietvertrag vom ). Die Bf verzichtete auf die Dauer von 20 Jahren auf die Ausübung des Kündigungsrechtes (Grundvertragsdauer).

Einheitswert

Für dieses Geschäftsgrundstück (Superädifikat) war ein (erhöhter) Einheitswert in Höhe von € 88.200,00 festgestellt (siehe EW-AZ).

Kaufvertrag

Mit beschwerdegegenständlichem Kaufvertrag vom 15.12./ veräußerte die Verkäuferin das Superädifikat (Lebensmittelmarkt) an die Bf um einen Kaufpreis in Höhe von € 96.073,49.

Vom Kaufpreis erfolgte die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer durch den Vertragserrichter.

Mit Nachtrag vom 07.12./15.12./ wurde der Grundstücksmietvertrag auf die Bf überbunden.

Außenprüfung

Das Finanzamt nahm eine Überprüfung der Selbstberechnung durch den Vertragserrichter vor.

Im Zuge der Prüfung wurden zu einzelnen Kaufverträgen Schreiben des Architekten DI J M vorgelegt, in denen Kaufpreise empfohlen wurden. Diese Urkunden enthalten auch den Vermerk, dass diese 'Wertermittlung' ein Gutachten nicht ersetzt.

Von den Prüfern wurden mehrere Kaufverträge der Bf, die Verkäufsmärkte zum Gegenstand hatten, sei es als Superädifikat oder bebautes Grundstück, beanstandet. Im Prüfbericht vom trafen die Prüfer ua. folgende Feststellungen:

" TZ 6.1.3

Art der Berechnung gemäß § 4 Abs. 1 bzw Abs. 2 Z 1 GrEStG iVm § 6 1 b GrEStG:

Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.

Gemäß § 4 Abs.2 Z 1 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden ist oder die Gegenleistung geringer ist als der Wert des Grundstücks.

Das bedeutet, dass in den Fällen, wo die vereinbarte Gegenleistung den verdreifachten Einheitswert nicht erreicht, der 3-fache Einheitswert die Bemessungsgrundlage darstellt.

Als Wert des Grundstückes ist gemäß § 6 (1) b GrEStG das 3-fache des Einheitswertes, anzusetzen.

Sollte der nachgewiesene gemeine Wert geringer als der 3-fachen Einheitswert sein, dann stellt die Höhe des nachgewiesenen gemeinen Wertes die Bemessungsgrundlage dar.

Hinweis:

Die Überprüfung der durchgeführten Selbstberechnungen erfolgte dergestalt, als Herrn Dr. F dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel einen Datenträger zur Verfügung gestellt hat.

Nach den Angaben von Herrn Dr. F sollten auf diesem Datenträger alle notwendigen Unterlagen gespeichert sein, welche für die ordnungsgemäße Selbstberechnung notwendig gewesen sind (siehe dazu auch die Ausführungen in der Einleitung).

Tatsache ist, dass auf diesem Datenträger keine Nachweise über den gemeinen Wert von Liegenschaften abgespeichert waren. In einer Besprechung vom hat Herr Dr. F zu diesem Thema ua. angegeben, dass Schätzungsgutachten sich heute nicht in seinen Akten befinden und er zum Zeitpunkt der Selbstberechnung davon ausgegangen ist, dass der vereinbarte Kaufpreis zumindest dem gemeinen Wert entspricht und er sich damals auf die Auskünfte der Vertragsparteien verlassen habe, wonach der Wert (gemeint gemeiner Wert) dem vereinbarten Kaufpreis entspricht. Weiter hat Herr Dr. F angegeben, dass er zu allen betroffenen Selbstberechnungen die entsprechenden Nachweise vorlegen wird.

Mit Mail vom teilt Herr Dr. F dem Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel mit, dass sich die entsprechenden Berechnungsgrundlagen (gemeint Nachweise über die gemeinen Werte) bei der Firma K (die Bf) befinden. Sobald ihm diese vorliegen, wird er diese Unterlagen unverzüglich an das Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel weiterleiten.

Infolge sind von Herrn Dr. F Unterlagen - im Begleitschreiben als Gutachten bezeichnet sowie Mietverträge - per Mail vorgelegt worden.

Festzuhalten ist, dass es sich bei den vorgelegten Nachweisen jedenfalls um keine Gutachten handelt. Vorgelegt wurden Wertermittlungen des DI J M, die, wie dieser selbst angibt, keine Gutachten ersetzen, sondern nur den für ihn realistischen Wert der Gebäude spiegeln.

Festzuhalten ist weiter, dass nicht zu allen betroffenen Erfassungsnummern Unterlagen vorgelegt wurden.

Nachfolgend eine Darstellung zu welchen Erfassungsnummer Wertermittlungen und Mietverträge vorgelegt worden sind bzw. bei welchen Erfassungsnummern keinerlei Unterlagen vorgelegt worden sind:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Erfassungsnummer
vorgelegte Unterlagen
EN 92-…………/2009
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 10-…………/2009
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 10-…………./2009
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 55-…………/2010
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 55-…………./2010
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 55-…………../2010
keine
EN 10-2011
keine
EN 10-………../2011
keine
EN 10-…….…/2011
keine
EN 10-………../2011
keine
EN 10-…………/2011
keine
EN 10-………../2012
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 10-…………./2013
keine
EN 10-……….../2012
Mietvertrag, Schreiben vom DI M
EN 10-………../2013
Mietvertrag, Schreiben vom DI M

Nachfolgend nunmehr die Stellungnahme des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu diesem Thema.

Punkt a):

Hingewiesen wird auf die Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen zum Thema Selbstberechnung, dort heißt es wörtlich:

Die für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage außerhalb des elektronischen Selbstberechnungsverfahrens erstellten Berechnungsblätter und/oder Ausdrucke von automatischen Berechnungshilfen sind dem Selbstberechnungsakt beizuschließen und gemeinsam mit der über den Rechtsvorgang ausgefertigten Schrift sieben Jahre aufzubewahren.

Offensichtlich ist, dass Wertermittlungen zwar zum Zeitpunkt der Selbstberechnungen vorgelegen sind, aber entgegen der in Erlassform ergangenen Vorschriften, nicht dem Selbstberechnungsakt zwecks Aufbewahrung beigeschlossen wurden.

Punkt b):

Diese vorgelegten Schriftstücke stellen keine geeigneten Nachweise über den gemeinen Wert der betroffenen Liegenschaft dar.

Nachfolgend auszugsweise der Wortlaut des § 6 1 b GrEStG:

" Wird von einem Steuerschuldner nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Grundstücks im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als das Dreifache des Einheitswertes, ist der nachgewiesene gemeine Wert maßgebend"

Gemäß dieser Gesetzesstelle ist somit ein Nachweis erforderlich - eine bloße Glaubhaftmachung ist demnach nicht ausreichend.

Nach herrschender Literaturmeinung (zB Kommentar Dr. Karl-Werner Fellner zur Grunderwerbsteuer) könnte ein gemeiner Wert eines Gebäudes in der Regel von einem Bausachverständigen im Wege der Schätzung erfolgen.

Auch im Kommentar "Arnold" zum Grunderwerbsteuergesetz 1987 heißt es:

...."Der Gesetzgeber bürdet dem Steuerschuldner also die Beweislast dafür auf, dass der gemeine Wert niedriger als der dreifache EW ist.".... und weiter ...."Ein derartiger Nachweis wird wohl typischerweise nur durch Beibringung eines Sachverständigengutachtens geführt werden können "

Nach Auffassung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel erfüllen die vorgelegten Unterlagen nicht die Erfordernisse eines Nachweises im Sinne des § 6 1 b GrEStG.

Bei den vorgelegten Unterlagen handelt es sich einerseits um Mietverträge und andererseits um Schreiben des Herrn DI J M. Im angeführten Postskriptum dieser Schreiben hat Herr DI M folgendes angeführt:

PS. Diese Wertermittlung ersetzt kein Gutachten und spiegelt nur den für mich realistischen Wert des Gebäudes wieder.

Inhaltlich werden in diesen Schreiben Kaufpreisempfehlungen abgegeben. Für das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel ist nicht nachvollziehbar, anhand welchen Zahlenmaterials diese Kaufpreisempfehlungen errechnet wurden. Berechnungen oder genaue Details sind diesen Schreiben nicht zu entnehmen. Auffällig ist allerdings, dass die Höhe der Kaufpreisempfehlungen immer runde Zahlen darstellen zB betreffend EN 92-2009 liegt die Kaufpreisempfehlung zwischen € 90.000,00 und € 120.000,00. Der Kaufpreis laut Kaufvertrag beläuft sich dann auf € 92.483,45. Wie sich die Summe von € 92.483,45 genau errechnet ist weder im Kaufvertrag noch im Schreiben des DI J M ersichtlich.

TZ 6.1.3. 1

Wert des Grundstückes im Sinne des § 6 GrEStG

Gemäß § 4 Abs.2 Z 1 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden ist oder die Gegenleistung geringer ist als der Wert des Grundstücks.

Als Wert des Grundstückes ist gemäß § 6 (1) b GrEStG das 3-fache des zuletzt festgestellten Einheitswertes anzusetzen.

Haben sich allerdings die Verhältnisse zwischen dem zuletzt festgestellten Einheitswert und dem Zeitpunkt des Erwerbsvorganges dergestalt geändert, dass nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung oder Artfortschreibung oder spätestens durch den Erwerbsvorgang die Voraussetzungen für eine Nachfeststellung gegeben sind, so ist auf den Zeitpunkt des Erwerbsvorganges (Stichtag) ein besonderer Einheitswert zu ermitteln. Wird ein besonderer Einheitswert ermittelt, ist das Dreifache des besonderen Einheitswertes anzusetzen."

Bescheid

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht der Prüfer an und setzte für den gegenständlichen Kaufvertrag gemäß § 201 BAO die Grunderwerbsteuer vom dreifachen Einheitswert des Superädifikates in Höhe von € 264.600,00 entsprechend fest. Unter Berücksichtigung des selbstberechneten Betrages in Höhe von € 3.362,57 ergab sich eine Nachforderung in Höhe von € 5.898,43.

Beschwerde

Innerhalb offener Frist wurde Beschwerde erhoben und im Wesentlichen unter Hinweis auf § 6 GrEStG - vor Inkrafttreten der Novelle - vorgebracht, dass mit der Schätzung des Architekten Dipl. Ing. J M für das Superädifikat ein gemeiner Wert von ca. € 100.000,00 nachgewiesen wurde. Eine Nachberechnung von Grunderwerbsteuer sei daher rechtswidrig.

Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

Beschwerdevorentscheidung

Das Finanzamt wies die Beschwerde als unbegründet ab und begründete dies wie folgt:

"Gem. § 4 Abs. 2 Z 1 GrEStG ist die Steuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen, wenn die Gegenleistung geringer ist als der Wert des Grundstückes.

Gem. § 6 Abs. 1 lit b GrEStG ist als Wert des Grundstückes das Dreifache des Einheitswertes (lit. a) anzusetzen. Wird von einem Steuerschuldner nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als das Dreifache des Einheitswertes, ist der nachgewiesene gemeine Wert (§ 10 Abs 2 BewG) maßgebend.

Der Nachweis, dass der gemeine Wert niedriger ist als der dreifache Einheitswert ist nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes vom Abgabepflichtigen zu erbringen und nicht von der Abgabenbehörde zu ermitteln.

Aus Punkt 6.1.3 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom geht hervor, dass zum gegenständlichen Fall keine Unterlage zur Wertermittlung der erworbenen Liegenschaft vorgelegt wurden.

Trotzdem wird in der Beschwerdeschrift auf eine bereits vorgelegte Schätzung des Architekten DI J M Bezug genommen, ohne diese oder andere Nachweise anzuschließen.

Da also keine Nachweise über den gemeinen Wert erbracht wurden, war die Grunderwerbsteuer im Sinne des § 4 Abs. 2 Z. 1 GrEStG zu Recht vom 3-fachen Einheitswert zu erheben."

Vorlageantrag, Gutachten1

Fristgerecht wurde dagegen der Antrag gestellt, über die Beschwerde das Bundesfinanzgericht entscheiden zu lassen.

Mit dem Schriftsatz wurde ein Gutachten des Sachverständigen C U vorgelegt, wonach der Verkehrswert der Liegenschaft zum Bewertungsstichtag, das ist der Tag der Befundaufnahme am , € 178.000,00 betragen würde (in der Folge kurz: Gutachten1).

Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht

Die Abgabenbehörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt laut Aktenverzeichnis an das Bundesfinanzgericht vor (Bericht vom ).

Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht:

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des wurde der Beschwerdefall der Gerichtsabteilung 7006 zugeteilt.

Erörterung

Am fand eine Erörterung der Sach- und Rechtslage gemäß § 269 Abs. 3 BAO statt.

Da die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Gutachten auf den Tag der jeweiligen Befundaufnahme berechnet wurden, wurde der maßgebliche Bewertungsstichtag erörtert.

Weiters die Frage, warum die Kaufpreise so erheblich vom jeweiligen 3-fachen Einheitswert oder vom bisher vorliegenden SV-Gutachten abweichen. Die Ursache dürfte in den Leasingverträgen liegen, die es der Bf ermöglichten, das Leasinggut nach Ablauf der Grundvertragsdauer käuflich zu erwerben.

Im Ergebnis wurden die Liegenschaften oder die Superädifikate nach ca. 20 Jahren aus dem Leasingvertrag 'herausgekauft'. Die Kaufpreisermittlung erfolgte daher nach den Bestimmungen des Leasingvertrages.

Vom Vertreter der Bf wurde zugesagt, neue Gutachten auf den Stichtag des Abschlusses des Kaufvertrages erstellen zu lassen.

Vorhalteverfahren

Vom Vertreter wurden div. Leasingverträge übermittelt (Mail vom ).

Mit Mail vom wurde den Vertretern der Verfahrensparteien ein Überblick über die anhängigen Verfahren und die Streitpunkte mitgeteilt. Die Vertragsparteien wurden darüber informiert, dass die gemeinen Werte zum jeweiligen Verkaufsstichtag maßgeblich sind.

Dazu wurde von der belangten Behörde die Stellungnahme vom erstattet.

Vom Vertreter der Bf wurde für die Vorlage der bereits angekündigten Gutachten durch den Sachverständigen eine Fristerstreckung beantragt (Schreiben vom ).

Urkundenvorlage, Gutachten2

Mit Schriftsatz vom legte der Vertreter der Bf ein korrigiertes Gutachten des Sachverständigen C U ("Evaluierung und Korrektur des 2015 erstellten Gutachtens und rückgerechnete Wertermittlung für das Jahr 2010"; in der Folge kurz: Gutachten2) vor.

In diesem Gutachten wurde für das Superädifikat in L ein rückgerechneter Verkehrswert 2010 von € 26.000,00 berechnet.

Vorhalteverfahren

In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung wurde um Stellungnahme zu den Bewirtschaftungskosten, Räumungs- und Schließungskosten sowie Grundstücksmiete ersucht (Mail vom ).

Mündliche Verhandlung

Im Zuge der mündlichen Verhandlung am wurde vom Sachverständigen U ausgeführt:

Er sei seit 23 Jahren für die Fa. K und als Gutachter hauptsächlich im gewerblichen Bereich tätig.

Bezüglich der Grundstücksmiete in L legte der SV Auszüge aus den Unterlagen der Finanzbuchhaltung der Bf vor, wonach die Pacht für das Grundstück dem im Gutachten2 angegebenen Wert entsprechen würde.

Die Räumungs- und Schließungskosten würden sich aus Erfahrungswerten der Bf ergeben. Die Beträge wären mit € 40.000 bis € 60.000 anzunehmen und variieren, da die Objekte - was Ausstattung und bauliche Qualität betrifft - unterschiedlich sind. Die Preissteigerungen in den Jahren 2009 bis 2013 seien in den Gutachten berücksichtigt. Die angenommenen Kosten seien ein pauschaler Ansatz, eine Prognose der zu erwartenden Kosten.

Für die Instandhaltungskosten habe er einen Ansatz von 10 - 15% des Jahresrohertrages gewählt. Kranewitter rechnet bei einem Ansatz von max. 2% von den Herstellungskosten. Die Verwaltungskosten wurden mit 3 - 5% angenommen.

Für das Mietausfallswagnis (MAW) sei seiner Ansicht nach ein Abschlag von 10 - 15% vorzunehmen.

Über Vorhalt, dass bei der Nutzungsdauer ohnehin nur die Dauer des Kündigungsverzichtes herangezogen wird:

Es gebe auch Märkte die trotz bestehender Verträge den Betrieb einstellen. Man könne aber über einen gesonderten Abschlag für das Leerstandsrisiko diskutieren.

Die Roherträge seien entsprechend der Lage, der Situierung und der Mitbewerber bewertet worden.

Zur Restnutzungsdauer bei den Superädifikaten wurde als wirtschaftliche Restnutzungsdauer die Zeit des Kündigungsverzichtes angenommen. Überschreitet dieser Wert die steuerliche Nutzungsdauer lt. EStG (33 Jahre) wurde im 2. Gutachten der steuerliche Wert angenommen (entsprechend dem AfA-Satz 33 Jahre).

Mit den Vertretern der Verfahrensparteien wurde vereinbart, vom SV U noch einmal eine Neuberechnung mit einem einheitlichen Rohertrag pro m² für alle anhängigen Liegenschaften von € 5,00 und ohne Leerstandsrisiko errechnen zu lassen.

Die belangte Behörde würde sich nach Rücksprache mit ihrem Sachverständigen sodann zu diesen Neuberechnungen äußern.

Neuberechnung

Der Vertreter der Bf übermittelte mit Schriftsatz vom die in der Verhandlung besprochene Neuberechnung. Für das gegenständliche Grundstück (Superädifikat) in L wurde ein Verkehrswert von € 11.400,00 ermittelt.

Einwendungen des Finanzamtes

Das Finanzamt hat zur Neuberechnung Einwendungen erhoben.

Der Rohertrag pro m² sei, wie im Gutachten2, mit € 6,00 anzusetzen.

Der Verkehrswert sei ohne Abzug eines gesonderten 10%igen Lehrstandsrisikos zu berechnen und würde geringer als die Gegenleistung laut Selbstberechnung sein.

Mündliche Verhandlung

Vom Vertreter der Bf wurde anlässlich der mündlichen Verhandlung am festgehalten, dass nicht die vergleichsweise Neuberechnung, sondern das Gutachten2 als Gegenstand und Nachweis des Beschwerdevorbringens anzusehen ist.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1 Mit Kaufvertrag vom 15.12./ erwarb die Bf die vertragsgegenständliche Liegenschaft, ein Superädifikat (Verkaufsmarkt), um einen Kaufpreis in Höhe von € 96.073,49.

2 Der Kaufpreis lag unter dem 3-fachen Einheitswert der Liegenschaft in Höhe von € 264.600,00, weshalb vom Finanzamt die Grunderwerbsteuer vom höheren Wert des Grundstückes festgesetzt wurde.

3 Dagegen wurde Beschwerde erhoben und mit Urkundenvorlage vom das Gutachten2 mit einem rückgerechnetem Verkehrswert 2010 von € 26.000,00 als Nachweis vorgelegt.

4 Zusammenfassend ist festzuhalten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Kaufpreis laut Vertrag (Gegenleistung)
€ 96.073,49
3-facher Einheitswert
€ 264.600,00
Verkehrswert laut Gutachten2
€ 26.000,00
Errechneter Verkehrswert gemäß den Einwendungen des Finanzamtes
€ 69.500,00

5 Im Rahmen der freien Beweiswürdigung wird daher als erwiesen angenommen, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer war als der Kaufpreis.

2. Beweiswürdigung

Mit dem Ertragswertverfahren werden bspw. Mehrwohnungshäuser, Büro- und Geschäftsgebäude sowie Gewerbe- und Industrieobjekte bewertet (vgl. Kranewitter, Liegenschaftsbewertung7, Seite 89).

Der Nachweis des geringeren gemeinen Wertes (vgl. § 10 Abs. 2 und 3 BewG) unterliegt grundsätzlich der freien Beweiswürdigung.

In Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, Grunderwerbsteuer, ist in Rz 24 zu § 4 GrEStG 1987 ausgeführt:

"Für den Nachweis des geringeren gemeinen Wertes kann jedes taugliche Mittel herangezogen werden, auch ein Gutachten, das nicht von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde.

Erfolgt der Nachweis des gemeinen Wertes durch Vorlage eines Schätzungsgutachtens, das von einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Immobiliensachverständigen erstellt wurde, hat der von diesem festgestellte Wert die (widerlegbare) Vermutung der Richtigkeit für sich. Für ein solches Gutachten gilt also die Beweislastumkehr. Das Finanzamt muss bei Vorlage eines solchen Gutachtens gegebenenfalls nachweisen, dass es falsch ist.

Die erhöhte Beweiskraft eines Gutachtens eines gerichtlich beeideten und zertifizierten Immobiliensachverständigen beruht darauf, dass mit dem Wesen der Zertifizierung auch eine strenge Bindung der zertifizierten Personen an den von ihnen abgelegten Sachverständigeneid verbunden ist. Dieser Eid verpflichtet dazu, die Gegenstände eines Augenscheins sorgfältig zu untersuchen, die gemachten Wahrnehmungen treu und vollständig anzugeben und Befund und Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der Wissenschaft (der Kunst, des Gewerbes) anzugeben.

Ein Gutachten, das diesen Anforderungen entspricht, liegt dann vor, wenn bei der Beurteilung des gemeinen Wertes eines Grundstückes die Voraussetzungen der §§ 9 und 10 Liegenschaftsbewertungsgesetz beachtet wurden.

Ein "Kurzgutachten" (mit unvollständiger Befundaufnahme oder reduzierter Gutachtensmethodik und -begründung) erfüllt diesen Standard nicht, kann daher auch nicht zur Beweislastumkehr führen, sondern unterliegt ebenso wie ein Gutachten, das von einer anderen Person als einem Immobiliensachverständigen erstellt wird, der freien Beweiswürdigung ( 010206/0058-VI/5/2016).

Ein Gutachten, aus dem weder die zugrunde gelegten Tatsachen noch wie sie beschafft wurden, erkennbar sind, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar ()."

Die 'Kaufpreisempfehlung' von DI M erfüllt nicht die oben dargestellten Anforderungen an ein Gutachten.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Verfahrensschritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegen Kaufverträge, die sich auf inländische Grundstücke beziehen, der Grunderwerbsteuer.

Der gegenständliche Erwerbsvorgang wurde 2010 verwirklicht, weshalb die Rechtslage bis anzuwenden ist.

§ 4 GrEStG 1987, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009, lautete in der bis anzuwendenden Fassung auszugsweise wie folgt:

"§ 4 Art der Berechnung

(1) Die Steuer ist vom Wert der Gegenleistung zu berechnen.

(2) Die Steuer ist vom Wert des Grundstückes zu berechnen,

1. soweit eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist, oder die Gegenleistung geringer ist als der Wert des Grundstückes,

……………."

§ 6 "Wert des Grundstücks" hatte in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 auszugsweise folgenden Wortlaut:

"(1) Als Wert des Grundstückes ist

a) …………….

b) das Dreifache des Einheitswertes (lit a) anzusetzen. Wird von einem Steuerschuldner nachgewiesen, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld geringer ist als das Dreifache des Einheitswertes, ist der nachgewiesene gemeine Wert maßgebend.

(2) ………….."

Mit Erkenntnis des , kundgemacht unter BGBl. I Nr. 116/2012, wurde § 6 GrEStG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat mit Ablauf des in Kraft.

Aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass die Steuer grundsätzlich von der Gegenleistung (zB Kaufpreis) zu berechnen ist.

Ist die Gegenleistung geringer als der Wert des Grundstückes, so ist die Steuer vom Wert des Grundstückes zu berechnen.

Als Wert des Grundstücks kommt das Dreifache des Einheitswertes oder der nachgewiesene niedrigere gemeine Wert in Frage.

Der Nachweis des gemeinen Wertes kann bis zur Beendigung des Festsetzungs- und Beschwerdeverfahrens erbracht werden.

Im gegenständlichen Beschwerdefall beträgt die Gegenleistung € 96.073,49.

Laut dem von der Bf vorgelegten Gutachten2 und dem Einwand des Finanzamtes ist der gemeine Wert geringer als die Gegenleistung. Ein Nachweis eines geringeren gemeinen Wertes liegt daher vor.

§ 201 Abs. 1 BAO lautet:

"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist."

§ 201 regelt die erstmalige Festsetzung solcher Abgaben (Selbstberechnungsabgaben) mit Abgabenbescheid (vgl. Ritz, BAO7, § 201 Tz 6).

Die Abgabenbehörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die Selbstberechnung nicht richtig war.

Beide Verfahrensparteien gehen in ihren Berechnungen (€ 26.000,00 bzw. € 69.500,00) übereinstimmend davon aus, dass der gemeine Wert des Grundstückes im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld niedriger als die Gegenleistung war.

Die Steuer ist daher gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG vom (höheren) Wert der Gegenleistung zu berechnen.

Die Selbstberechnung erfolgte von der Gegenleistung. Der selbstberechnete Betrag in Höhe von € 3.362,57 entsprach daher der Rechtslage, weshalb die Festsetzung gemäß § 201 BAO zu Unrecht erfolgte.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der Schwerpunkt des Verfahrens lag auf der Sachverhaltsebene (Ermittlung des gemeinen Wertes zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorganges), die einer Revision nicht zugänglich ist (vgl. etwa , unter Hinweis auf den Beschluss vom , Ra 2016/16/0006, mwN).

Im Übrigen konnte sich das Bundesfinanzgericht bei der Lösung der anstehenden Rechtsfragen auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und auf die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zudem die Auffassung, dass keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt, wenn die revisionsgegenständliche Regelung bereits außer Kraft getreten ist und es angesichts eines kleinen Kreises potentiell betroffener Personen nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (vgl. Beschluss vom , Ro 2016/17/0014, unter Hinweis zB auf den Beschluss vom , Ro 2016/01/0007).

Eine ordentliche Revision ist daher gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100172.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at