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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.07.2022, RV/5101228/2020

Indexierung der Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Slowakei, vertreten durch ***StB***, über die Beschwerde vom , eingelangt am , gegen den Bescheid des ***FA*** vom zu VNR ***1***, mit dem der am eingelangte Antrag auf Auszahlung der Ausgleichszahlung für die beiden Kinder ***K1*** und ***K2*** in voller nicht indexierter Höhe abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Das Finanzamt gab dem Beschwerdeführer in einer Mitteilung im Sinne des § 12 FLAG 1967 vom bekannt, dass ihm für die beiden im Spruch genannten minderjährigen Kinder Ausgleichszahlungen für den Zeitraum Juni 2019 bis Dezember 2021 (***K1***) und Juli 2018 bis Dezember 2021 (***K2***) gewährt würden. Zur konkreten Höhe der Ausgleichszahlungen enthält die Mitteilung keine Angaben, vielmehr wird auf die Informationen zu den gültigen Familienbeihilfenbeträgen auf der Homepage des Bundeskanzleramtes verwiesen.

Mit Eingabe vom , eingelangt am , beantragte der Beschwerdeführer die Auszahlung der Ausgleichszahlungen in voller nicht indexierter Höhe. Die Ausgleichszahlungen würden nur gekürzt ausgezahlt, da sich seine beiden Töchter ständig in der Slowakei aufhalten würden. Seines Erachtens handle es sich hier um eine Diskriminierung seiner Kinder und einen Verstoß gegen Art. 4 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, Art 45 und 48 AEUV sowie gegen die Verordnung (EG) Nr. 492/2011. Er stelle daher den Antrag auf Nachzahlung der Differenz zwischen der nicht indexierten Ausgleichszahlung und der ihm zuerkannten Ausgleichszahlung für den Zeitraum Jänner 2019 bis April 2020. Ab Mai 2020 beantrage er für seine Kinder die Auszahlung der vollen, nicht an die Lebenshaltungskosten der Slowakei angepassten Ausgleichszahlung.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. Gemäß § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 wären die Beträge an Familienbeihilfe und gem. § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnsitzstaates anzupassen. Die Beträge an Familienbeihilfe nach § 8a FLAG 1967 und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 Z 2 des EStG 1988 wären mit der Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung (BGBl. II Nr 318/2018) kundgemacht worden und würden ab gelten. Da sich die Kinder des Beschwerdeführers ständig in der Slowakei aufhalten würden, bestehe nur ein Anspruch auf die Familienbeihilfe nach § 8a FLAG 1967 sowie auf den Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , eingelangt am . Darin wurde näher begründet, warum die Regelung der im Abweisungsbescheid angeführten Verordnung nach Ansicht des Beschwerdeführers gegen EU-Recht verstoße. Die EU-Kommission habe aus diesem Grund ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet.

Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und führte in der Begründung aus wie im angefochtenen Bescheid vom .

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem weitere Gründe vorgebracht wurden, die für eine Unionsrechtswidrigkeit der Indexierung der Familienbeihilfe (Ausgleichszahlungen) und der Kinderabsetzbeträge sprechen würden.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies auf das beim EuGH zur Frage der Indexierung von Familienleistungen anhängige Verfahren.

Beweiswürdigung:

Der unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen und den in der Beihilfendatenbank gespeicherten Daten.

III. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 883/2004

Die Erwägungsgründe 8, 12 und 16 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:

(8) Der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung ist für Arbeitnehmer, die nicht im Beschäftigungsmitgliedstaat wohnen, einschließlich Grenzgängern, von besonderer Bedeutung.

(12) Im Lichte der Verhältnismäßigkeit sollte sichergestellt werden, dass der Grundsatz der Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen nicht zu sachlich nicht zu rechtfertigenden Ergebnissen oder zum Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art für denselben Zeitraum führt.

(16) Innerhalb der Gemeinschaft ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, Ansprüche der sozialen Sicherheit vom Wohnort der betreffenden Person abhängig zu machen; in besonderen Fällen jedoch - vor allem bei besonderen Leistungen, die an das wirtschaftliche und soziale Umfeld der betreffenden Person gebunden sind - könnte der Wohnort berücksichtigt werden.

Art. 1 Buchst. z der Verordnung Nr. 883/2004 bestimmt:

Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

z) ,Familienleistungen' alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.

Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

j) Familienleistungen.

Art. 4 ("Gleichbehandlung") der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

In Art. 5 ("Gleichstellung von Leistungen, Einkünften, Sachverhalten oder Ereignissen") der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:

Sofern in dieser Verordnung nicht anderes bestimmt ist, gilt unter Berücksichtigung der besonderen Durchführungsbestimmungen Folgendes:

a) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit oder sonstiger Einkünfte bestimmte Rechtswirkungen, so sind die entsprechenden Rechtsvorschriften auch bei Bezug von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gewährten gleichartigen Leistungen oder bei Bezug von in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünften anwendbar.

b) Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so berücksichtigt dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären.

Art. 7 ("Aufhebung der Wohnortklauseln") der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, nicht aufgrund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.

Art. 67 ("Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen") der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 legt die Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen wie folgt fest:

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, …

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. …

Verordnung (EG) Nr. 492/2011

Art. 7 Abs. 1 und 2 in Kapitel I Abschnitt 2 ("Ausübung der Beschäftigung und Gleichbehandlung") der Verordnung Nr. 492/2011 bestimmt:

(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2) Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

Innerstaatliches Recht

Das FLAG 1967 in der durch das Bundesgesetz vom , BGBl. I 83/2018, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, geänderten Fassung bestimmt in § 1, dass die darin vorgesehenen Leistungen zur Herbeiführung eines Lastenausgleiches im Interesse der Familie gewährt werden.

Nach § 2 Abs. 1 FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

§ 4 FLAG sieht vor:

"(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 4 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 4) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

(6) Die Ausgleichszahlung gilt als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe finden jedoch auf die Ausgleichszahlung keine Anwendung.

§ 5 Abs. 3 und 4 FLAG bestimmt:

(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

(4) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichszahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

§ 8 FLAG sieht vor:

(1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

3. ab :

a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,

b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,

c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,

d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind

3. ab , wenn sie

a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,

b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,

c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,

d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,

e) für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,

f) für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,

3. ab um 155,9 €.

(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.

§ 8a FLAG bestimmt derzeit noch:

(1) Die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mit-gliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, sind auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen.

(2) Die Beträge an Familienbeihilfe nach Abs. 1 gelten erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte nach Abs. 1. Die Beträge sind in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

(3) Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend oder der Bundesminister für Frauen, Familien und Jugend hat gemeinsam mit der Bundesministerin für Finanzen oder dem Bundesminister für Finanzen die Berechnungsgrundlagen und die Beträge nach Abs. 1 und 2 sowie die Beträge nach § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit Verordnung kundzumachen.

In § 53 FLAG heißt es:

(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

(4) Abs. 1 zweiter Satz findet in Bezug auf § 8a Abs. 1 bis 3 keine Anwendung.

(5) § 26 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, findet in Bezug auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz bis Anwendung. Ab ist für Leistungen nach diesem Bundesgesetz § 26 Abs. 3 BAO nur für Personen mit Dienstort im Ausland, die im Auftrag einer Gebietskörperschaft tätig werden, sowie für deren Ehegatten und Kinder anwendbar.

§ 33 EStG sieht vor:

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Abweichend davon gilt:

1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.

2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:

a) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

Die Höhe der Familienleistungen für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, ist in den Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnungen geregelt.

§ 2 Abs. 1 der Anpassungsverordnungen normiert, dass zur Bestimmung der Beträge nach § 1 ein Anpassungsfaktor festgelegt wird, der auf den vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten Indikatoren im Rahmen der vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern basiert.

§ 2 Abs. 2 der Anpassungsverordnungen enthält jeweils eine Tabelle mit den für die einzelnen Staaten geltenden Anpassungsfaktoren.

§ 26 der Bundesabgabenordnung bestimmt:

(1) Einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

(2) Den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. …

(3) In einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehende österreichische Staatsbürger, die ihren Dienstort im Ausland haben (Auslandsbeamte), werden wie Personen behandelt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt am Ort der die Dienstbezüge anweisenden Stelle haben. Das gleiche gilt für deren Ehegatten, sofern die Eheleute in dauernder Haushaltsgemeinschaft leben, und für deren minderjährige Kinder, die zu ihrem Haushalt gehören.

C-328/20

Der EuGH hat in diesem Urteil in der Rechtssache C-328/20 betreffend eine von der Europäischen Kommission eingebrachte Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich erkannt, dass die Republik Österreich durch die oben näher dargestellte Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen hat.

Belastendes nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation verdrängt. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale gesetzliche Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Die Verdrängung erreicht dabei bloß jenes Ausmaß, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit ; vgl. jüngst etwa ).

Ein in einem Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH ergangenes, eine Vertragsverletzung feststellendes Urteil bewirkt, dass die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten die in Rede stehende Vorschrift in Übereinstimmung mit der im Vertragsverletzungsurteil dargelegten Auslegung des Unionsrechts zu interpretieren bzw. im Hinblick auf den Vorrang des Unionsrechts die betreffende Vorschrift gänzlich unangewendet zu lassen haben, wenn ihre Anwendung im betreffenden Einzelfall zu einem mit Unionsrecht in Widerspruch stehenden Ergebnis führte. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass das nationale Recht insoweit unangewendet bleibt, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist (vgl. zu dieser Verdrängungswirkung auch ).

Das bedeutet für den gegenständlichen Fall, dass aufgrund des die Bestimmungen des § 8a FLAG 1967 und des § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 nicht anzuwenden sind, und dem Beschwerdeführer damit die ungekürzten Beträge an Ausgleichszahlung und Kinderabsetzbeträgen für seine beiden Kinder zustehen ().

Der verfahrensgegenständliche Abweisungsbescheid erweist sich damit als rechtswidrig und war ersatzlos aufzuheben. Das Finanzamt hat die ungekürzten Beträge gemäß § 11 FLAG 1967 zur Auszahlung zu bringen. Eine bescheidmäßige Zuerkennung der ungekürzten Beträge ist im FLAG 1967 nicht vorgesehen, da gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid nur zu erlassen ist, insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine solche Rechtsfrage liegt im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des , nicht vor. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101228.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
NAAAC-31371