zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 24.08.2022, RV/2100467/2021

Gegenstandsloserklärung der Beschwerden gegen die Sachbescheide bei erfolgreicher Bekämpfung der Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Porzellangasse 51, 1090 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend
1. Vorsteuererstattung für 01-03/2008
2. Vorsteuererstattung für 04-06/2008
3. Vorsteuererstattung für 07-09/2008
4. Vorsteuererstattung für 10-12/2008
5. Vorsteuererstattung für 01-12/2010
6. Vorsteuererstattung für 01-12/2011
7. Vorsteuererstattung für 01-12/2012

Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 261 Abs. 2 lit. a BAO als gegenstandslos erklärt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig

Begründung

I. Verfahrensgang

In den angefochtenen Bescheiden wurden die Verfahren über die Erstattung von Vorsteuern für die einzelnen im Spruch bezeichneten Zeiträume wiederaufgenommen und die entsprechenden Sachbescheide erlassen. Weiters erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO auf Grund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien. Daraus sei auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt.

Der vorhin erwähnte Bericht umfasst die Zeiträume 2010-2013 und führt Folgendes aus:

"Tz. 7: Prüfungsfeststellungen und Prüfungsergebnis:
Bei der Fa. N. handelt es sich um ein Telekommunikationsunternehmen in Norwegen, welches in Österreich Vorsteuern im Erstattungsweg beantragt hat. Die beantragten Vorsteuern resultieren aus Rechnungen von österr. Telekommunikationsunternehmen, die die Vorschreibung von Roaming-Gebühren für die Nutzung der Netze in Österreich mit Umsatzsteuer verrechnet haben. Sofern die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandunternehmers (= N.) an Leistungsempfänger im Drittland (= deren Kunden) oder an Nichtunternehmer im EU-Raum erbracht wird und diese in Österreich genutzt oder ausgewertet wird (was im gegenständlichen Prüfungsfall der Fall ist), wird der Leistungsort durch die VO BGBI. II 383/2003 nach Österreich verlagert und kann somit die Erstattungsverordnung BGBl 1995/279 nicht zur Anwendung kommen. Die Firma N. hat somit nach Ansicht der BP in Ö. steuerbare und steuerpflichtige Leistungen und somit sowohl seine Umsätze, als auch seine Vorsteuern im Veranlagungsverfahren zu erklären. Der Vorsteuer-Erstattungsantrag für 1/2008 -12/2013 in Höhe von € 188.357,08 wird daher abgewiesen. Das Unternehmen hat für sämtliche Zeiträume eine Umsatzsteuererklärung beim FA Graz-Stadt abzugeben. Auf die Niederschrift wird verwiesen.
Tz. 8 Vorsteuer:
Die bisher gewährten Vorsteuern wurden mit 0 Euro festgesetzt
Telekommunikationsdienstleistungen Verschiebung des Ortes der sonstigen Leistung nach Österreich - wo die Leistung genutzt oder ausgewertet wird (BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221).
.) Generalklausel: (UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3a, Rz. 629)
§ 3 Abs. 12 UStG 1994 enthält die Generalklausel. Kommt keine Spezialbestimmung zur Anwendung, ist für die Bestimmung des Leistungsortes der Ort maßgeblich, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (das ist dort, wo sich die Leitung des Unternehmens befindet). Allerdings gibt es bei den Telekommunikationsleistungen in Bezug auf den Ort dieser sonstigen Leistung folgende Sonderregelung:

.) Sonderfälle des Ortes der sonstigen Leistungen: (UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3d, Rz. 621)
Die Sonderregelungen des
§ 3a Abs. 9 lit. c UStG 1994 und des § 3a Abs. 11 UStG 1994 betreffen sonstige Leistungen, die von einem Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandgebiet aus betreibt, erbracht werden und die im Inland genutzt oder ausgewertet werden.
Gem. § 3a Abs. 16 kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 14, Z. 6, 7, 12 (= die Telekommunikationsdienste) oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.
Dies hat er auch durch die Telekommunikationsverordnung gemacht:
Die Verordnung zu § 3a besagt im § 1: "Liegt bei einer in
§ 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird." (BGBl II 2009/221 ab ).
Es kann/darf damit im Drittland nicht zu einer Doppelbesteuerung kommen, da der Leistungsort eindeutig und unmissverständlich in Österreich liegt, nämlich dort, wo diese sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Da der Antragsteller nach der Verordnung BGBl II Nr. 102/1997, bzw.
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl II Nr. 221/2009, in den Prüfungsjahren steuerpflichtige Umsätze in Österreich getätigt hat, kann die Erstattungsverordnung BGBl Nr. 279/1995 nicht zur Anwendung kommen. Das heißt, dass die beantragten Vorsteuern im Veranlagungsverfahren beantragt werden müssen. Die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 sieht vor, dass der Leistungsort einer Telekommunikationsleistung vom Drittland ins Inland verlagert wird, wenn in Österreich die Nutzung oder Auswertung erfolgt. Dieser Sachverhalt/Umstand ist zweifelsfrei gegeben.
Auch wenn das ausländische Unternehmen die Roaming-Gebühren/-Leistungen (die von den österr. Telekommunikationsunternehmen für die Verwendung der österr. Telefonnetze verrechnet wurden) mit USt weiterfakturiert hat, ändert dies It. Ansicht der BP nichts an der Leistungsortbestimmung. Vielmehr dient It. Ansicht der BP die Bestimmung des Leistungsortes dazu, um eben von Vornhinein derartige Unsicherheiten bei der steuerlichen Beurteilung zu vermeiden. Damit bzw. anhand des österr. USt-Bescheides, kann der jeweiligen Finanzverwaltung im Drittland die Versteuerung in Österreich (die im Rahmen einer Veranlagung unter Bekanntgabe der Umsätze durchzuführen ist) - zur Vermeidung der Versteuerung im jeweiligen Drittland (und somit einer eventuellen Doppelbesteuerung) - nachgewiesen werden. Demzufolge hat das ausländische Telekommunikationsunternehmen seine Umsätze (inkl. den Aufschlägen auf die von den österr. Telekommunikationsunternehmen verrechneten Roaming-Gebühren/-Leistungen) im Rahmen einer Veranlagung bekanntzugeben (widrigenfalls es in Österreich zu einer Schätzung dieser Umsätze kommt).

Lt. Ansicht der BP stellt selbst eine Rechnungskopie vom Unternehmen mit USt-Ausweis oder eine Bestätigung der ausländischen Steuerbehörde, dass "Roaming-Leistungen" im Ausland der Umsatzsteuer unterliegen - keinen Beweis für die Abfuhr der Umsatzsteuer dar. Die Vorlage bzw. Bestätigung der ausländischen Finanzbehörde, dass Roaming-Gebühren/- Leistungen der Umsatzsteuer unterliegen, beweist keinesfalls, dass die gegenständlichen Umsätze auch dort erklärt und die Umsatzsteuer daraus abgeführt wurde. Vielmehr müsste -in übersetzter und beglaubigter Form - der Eingang ins dortige Rechenwerk, in die dortige Umsatzsteuererklärung und auch die Abfuhr der Umsatzsteuer ans dortige Finanzamt eindeutig und unmissverständlich bewiesen werden. Denn selbst bei Vorliegen einer solchen Bestätigung seitens der ausländischen Finanzbehörde (wo ausschließlich der Gesetzestext wiedergegeben wird) kann damit keinesfalls bewiesen werden, dass das ausländische Unternehmen die Umsatzsteuer aus genau diesen Leistungen ("Roaming-Leistungen") abgeführt hat. Aber selbst wenn dieser Beweis erbracht werden kann, so dient er vielmehr als Grundlage dazu, von den Finanzbehörden in den jeweiligen Drittländern die Umsatzsteuer zurückzufordern, da der Leistungsort lt. Telekommunikationsverordnung in Österreich gelegen ist, da hier die Leistung sowohl genutzt, als auch ausgewertet wird. Es besteht somit die Möglichkeit, dass auf Basis der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 es in den einzelnen Ländern zu einer berichtigten Erklärung kommt sodass die vormals gemeldete Umsatzsteuer wieder korrigiert wird. Lt. Ansicht der BP bedurfte es gerade deshalb der Telekommunikationsverordnung, da ansonsten für die BP die Überprüfung der steuerlichen Gegebenheiten und Umstände bei den Telekommunikationsleistungen weder möglich, noch nachvollziehbar ist, zumal bei einer UMA-Prüfung auch nicht die Möglichkeit besteht, in die Bücher der ausländischen Unternehmen Einsicht zu nehmen.
Daher ist lt. Ansicht der BP mit der Telekommunikationsverordnung und der einhergehenden Leistungsortverschiebung ins Inland (= Österreich) eine administrierbare Lösung gefunden worden. Vom Wahlrecht zur Anwendung des günstigeren EU-Rechts wurde nicht Gebrauch gemacht. Dies hätte in der Form ausgeübt werden können, dass die österr. Telekommunikationsanbieter/-unternehmen mit Hinweis darauf, dass die Umsatzsteuer in dem jeweiligen Land abgeführt wird, ohne Umsatzsteuer hätten fakturieren müssen. (Anzumerken ist an dieser Stelle, dass das Wahlrecht dem österr. Telekommunikationsunternehmen zusteht, und nicht dem ausländischen Unternehmen.) Demzufolge wäre es auch nicht zu einem Erstattungsantrag gekommen.
In diesem Zusammenhang ist auf das "Melbourne Agreement" zu verweisen, welches auch von den österr. Telekommunikationsanbietern unterzeichnet wurde. Basierend darauf wurde vereinbart, Roamingleistungen - unter gewissen Voraussetzungen - ohne Umsatzsteuer abzurechnen (siehe dazu unten angeführten UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3a, Rz. 642i).
.) neue Telekommunikationsdienste: (UStG RL-Kommentar 2014, ad § 3a, Rz. 642i)
Die Verordnung des BM für Finanzen,
BGBl. II Nr. 383/2003, hinsichtlich der Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung ist zu beachten. Liegt der Leistungsort der Telekommunikationsdienste gemäß § 3a UStG 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, und unterliegt sie dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandunternehmer auf das für sie günstigere EU Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann. Nur in solchen Fällen kommt es ausnahmslos dazu, dass der Leistungsort nicht in Österreich gelegen ist, und somit keine Veranlagung in Österreich gemacht werden muss. Demzufolge kommt es aber auch zu keinem Erstattungsansuchen, da die Rechnungen ohne österr. Umsatzsteuer fakturiert worden wären. Nachdem dies nicht der Fall ist, hat die BP jedenfalls davon auszugehen, dass dem österr. Telekommunikationsunternehmen keine derartigen Erklärungen und Steuerbescheide seitens des ausländischen Unternehmen vorgelegt wurden bzw. werden konnten, womit jedenfalls der Ort der Telekommunikationsleistung sich in Österreich befindet. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass auch der BP diese Beweise nicht vorgelegt wurden bzw. vorgelegt werden konnten. Jedenfalls hat aber das österr. Telekommunikationsunternehmen von seinem Wahlrecht nicht Gebrauch gemacht. Eine nachträgliche "Sanierung" ist It. Ansicht der BP ausgeschlossen, da die österr. Telekommunikationsunternehmen bereits mit Umsatzsteuer fakturiert haben. Da der Leistungsort bei den Telekommunikationsdiensten dort gelegen ist, wo die Leistung ausgeführt oder ausgewertet wird (= eindeutige und präzise Bestimmung), kann es somit 1t. Ansicht der BP zu keiner Doppelbesteuerung kommen. Eine eventuell irrtümlich im Ausland (Drittland) bezahlte Umsatzsteuer aus diesem Titel wäre somit von den jeweiligen ausländischen Finanzbehörden auf Basis der Verordnung
BGBl. II Nr. 383/2003 mittels einer berichtigten Erklärung zu refundieren. Ab 2015 gilt eine neue Leistungsort-Regelung für elektronisch erbrachte Leistungen. Die Schlüssigkeit und Rechtsrichtigkeit der oben angeführten Begründung wird It. Ansicht der BP auch durch den Umstand Rechnung getragen, dass es ab 2015 diese neue Leistungsort-Regelung für verschiedene elektronisch erbrachte Leistung gibt. Konkret ändert sich ab der Leistungsort für Telekommunikationsleistungen, etc., die Unternehmen im EU-Gemeinschaftsgebiet an Nichtunternehmer erbringen. Künftig gelten diese Dienstleistungen an dem Ort als ausgeführt, an dem der Leistungsempfänger (Nichtunternehmer) seinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es ist dann der Steuersatz des Landes anzuwenden, in dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz hat. Ob es in diesem Zusammenhang zu einer Änderung oder Beibehaltung der Verordnungsermächtigung (und somit eventuell wieder zu einer Leistungsortverschiebung nach Österreich, wo die Leistung genutzt oder ausgewertet wird) kommt, bleibt noch abzuwarten.

Tz. 9
Aufgrund der vorgenommenen abgabenbehördlichen Prüfung ergeben sich Feststellungen, die zu einer Änderung der erklärten Besteuerungsgrundlagen führen.
Tz. 10 Wiederaufnahme des Verfahrens:
Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß
§ 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen Umsatzsteuer 1/2008-12/2013, Tz. 8.

Begründung des Ermessensgebrauches:
Die Wiederaufnahme erfolgte unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtausauswirkung. Bei der im Sinne des
§ 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen."


In der zahlenmäßigen Darstellung wurden Umsätze und Vorsteuern mit Null ausgewiesen. Die Prüfungsfeststellungen der angefochtenen Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens und Sachbescheide hatten zur Folge, dass die in den strittigen Zeiträumen seinerzeitig erstatteten und auch ausbezahlten Vorsteuern wieder zurückgefordert wurden.

In ihrer Beschwerde gegen die Sachbescheide führte die Beschwerdeführerin (Bf.) u.a. i.W. Folgendes aus:
"…
Alle geltend gemachten Vorsteuern resultieren aus von österreichischen Mobiltelefonnetzbetreibern in Rechnung gestellten sog. Roaming-Gebühren. Die Erstattung der Vorsteuem für 01-03/2008 wurde ursprünglich mit Bescheid vom , jene für den Zeitraum 04-06/2008 mit Bescheid vom , jene für den Zeitraum 07-09/2008 mit Bescheid vom , jene für den Zeitraum 10-12/2008 mit Bescheid vom , jene für das Jahr 2010 mit Bescheid vom , jene für das Jahr 2011 mit Bescheid vom und jene für das Jahr 2012 mit Bescheid vom gewährt, mit Bescheiden vom jedoch verweigert. Bei der Bf. handelt es sich um eine in Norwegen und somit im Drittlandsgebiet ansässige Firma, welche Telekommunikationsdienstleistungen an Ihre Kunden erbringt. Die Gesellschaft hat in Österreich weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte, weshalb es zur Geltendmachung der in Rechnung gestellten Vorsteuern im Wege des Erstattungsverfahrens gekommen ist. Die im Wege des Erstattungsverfahrens für die oa. Jahre beantragten Vorsteuern resultieren aus Rechnungen, mit welchen von den österreichischen Mobilfunknetz-Betreibern über Roamingleistungen abgerechnet wurden. Inhalt dieser Roamingleistungen ist die Zurverfügungstellung des österreichischen Mobiltelefonnetzes des jeweiligen österreichischen Providers an die Bf., welches durch die Kunden der Bf. bei Telefonaten in Österreich genutzt wird. Bei der Roamingleistung schließt ein ausländischer Telekommunikationsanbieter (Provider) mit einem inländischen Provider einen Roaming-Vertrag ab, der dem ausländischen Provider die Möglichkeit einräumt, dass seine Kunden gegen Entgelt im Netz des inländischen Providers telefonieren können. Der ausländische Provider verrechnet seinen Kunden die ihm vom österreichischen Provider in Rechnung gestellten Entgelte sowie einen Roaming-Aufschlag. ln vielen Ländern unterliegt das vom ausländischen Provider dem ausländischen Kunden in Rechnung gestellte Entgelt für die Telekommunikationsleistung der lokalen Umsatzsteuer. Nach Ansicht der Betriebsprüfung wird der Ort der Leistung, sofern die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandsunternehmers an Leistungsempfänger im Drittland oder an Nichtunternehmer im EU-Raum erbracht wird und in Österreich genutzt und ausgewertet wird, durch die Verordnung
BGBl. II 383/2003 nach Österreich verlagert, wonach die Erstattungsverordnung (vgl. BGBl. 1995/279) nicht zur Anwendung kommt. Demnach hätte - nach Ansicht der Außenprüfung - die Bf. steuerbare und steuerpflichtige Leistungen im Inland erbracht, wodurch sowohl die Umsätze als auch die Vorsteuern im Veranlagungsverfahren zu erklären sind.
In der Begründung der Bescheide wird ebenfalls angeführt, dass in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbracht wurden. Deshalb ist die Anwendung der Verordnung BGBl 1995/279 idF BGBl 2003/384 ausgeschlossen und Vorsteuern können daher allenfalls im Veranlagungsverfahren geltend gemacht werden. Weshalb die von der Bf. erbrachten Leistungen im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind, wird aber in den Bescheidbegründungen nicht ausgeführt.
Verlagerung des Leistungsortes:
In Zusammenhang mit der Erbringung von Telekommunikationsdiensten ist zu beachten, dass es gemäß Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221, grundsätzlich zu einer
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung ins Inland kommen kann. Dies dann, wenn bei Telekommunikationsdienstleistungen der Ort der Leistung gemäß § 3a UStG (in der bis zum geltenden Fassung) außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt und die Leistung im Inland genutzt und ausgewertet wird.
Nach Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2 06, § 3a Rz 231/2/4, ist, soweit die Verordnung BGBl II 2009/221 undifferenziert auch alle Fälle der Leistung an im Drittland ansässige Abnehmer erfasst, sie durch Art 59a MwSt-SystRL nicht gedeckt. Die Möglichkeit der Verlagerung des Leistungsortes an den Nutzungs- bzw. Auswertungsort ist nach Ansicht des Rates notwendig, um die Auswirkungen der Steuerumgehung zu bekämpfen, da eine wachsende Anzahl Steuerpflichtiger und Nichtsteuerpflichtiger in der Gemeinschaft Telekommunikationsdienstleistungen von außerhalb der Gemeinschaft in Anspruch nehmen, um die Mehrwertsteuer zu umgehen. Ein Fall dieser angesprochenen Steuerumgehung kann aber nicht vorliegen, wenn Drittlandsunternehmer an im Drittland ansässige Abnehmer leisten. Insoweit findet daher die V BGBl II 2009/221 keine gemeinschaftliche Stütze in Art 59a MwSt-SystRL (
2003/15/0059).
Eine Verlagerung des Leistungsortes auf Basis der Verordnung BGBl II 2009/221 in das Inland kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger Nichtunternehmer und in der EU ansässig ist und die Telekommunikationsdienstleistung im Inland genutzt oder ausgewertet wird. Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass es generell zu einer Verlagerung des Leistungsortes auf Basis der Verordnung BGBl II 2009/221 in das Inland kommt, wenn die Leistung im Drittland steuerbar wäre, aber im Inland genutzt oder ausgewertet wird, ist wohl nach oa. VwGH-Judikatur nicht mehr aufrecht zu halten (vgl. Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON206, § 3a Rz 231/2/5). Auch eine Einschränkung auf jene Fälle, bei denen eine vergleichbare Steuerbelastung im Ausland fehlt, überzeugt nicht und scheint in der MwSt-SystRL keine Deckung zu finden. Nach Art 59b MwStSystRL sind die Mitgliedsstaaten nur angehalten, den Leistungsort vom Drittland an den Nutzungs- bzw. Auswertungsort zu verlagern, wenn Telekommunikationsdienstleistungen oder Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen durch einen Drittlandsunternehmer an einen Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet erbracht werden (vgl Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2 06 § 3a Rz 231/2/5).
Die Betriebsprüfung führt in Ihrer Niederschrift wie folgt aus: "Damit Telekommunikationsdienstleistungen, die von in Drittländern ansässigen Steuerpflichtigen an in der Gemeinschaft ansässige Nichtsteuerpflichtige erbracht und in der Gemeinschaft tatsächlich genutzt oder ausgewertet würden, einheitlich besteuert werden, müssen die Mitgliedstaaten von der Möglichkeit der Ortsverlagerung nach Art. 9 Abs. 3 lit. b der 6. MwSt-Richtlinie Gebrauch machen."
Der Hinweis "müssen" stimmt jedenfalls nicht mit den Aussagen der im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden
Richtlinie 2006/112/EG überein, da in der Richtlinie in Artikel 59a folgendes ausgeführt wird: "Um Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, können die Mitgliedstaaten bei Dienstleistungen, deren Erbringungsort sich gemäß den Artikeln 44, 45, 56 und 59 bestimmt,
a) den Ort dieser Dienstleistungen oder bestimmter von diesen Dienstleistungen, der in ihrem jeweiligen Gebiet liegt, als außerhalb der Gemeinschaft gelegen ansehen, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt;
b) den Ort dieser Dienstleistungen oder bestimmter von diesen Dienstleistungen, der außerhalb der Gemeinschaft liegt, als in ihrem jeweiligen Gebiet gelegen ansehen, wenn dort die tatsächliche Nutzung oder Auswertung erfolgt.
Diese Bestimmung gilt jedoch nicht für elektronisch erbrachte Dienstleistungen, wenn diese Dienstleistungen für nicht in der Gemeinschaft ansässige Nichtsteuerpflichtige erbracht werden.
Nach
Art 59b der Richtlinie 2006/112/EG wenden die Mitgliedstaaten Artikel 59a Buchstabe b auf Telekommunikationsdienstleistungen und auf die in Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe j genannten Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen an, die von einem Steuerpflichtigen, der den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort außerhalb der Gemeinschaft hat, an Nichtsteuerpflichtige erbracht werden, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind oder dort ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort haben.
Die
Richtlinie 2006/112/EG führt demnach an, dass es sich bei der Verlagerung des Leistungsortes grundsätzlich um eine Kann-Vorschrift für die Mitgliedstaaten handelt, und eine Verlagerung nur dann erfolgen soll, wenn im Drittland ansässige Unternehmer Leistungen an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Nichtunternehmer erbringen. Da alle Kunden der Bf. in einem Drittland ansässig sind, kommt es auf Basis der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 zu keiner Verlagerung des Leistungsortes ins Inland, und zwar unabhängig davon, ob es sich um bei den Abnehmern um Private oder Unternehmer handelt.
Die Betriebsprüfung führt in der Niederschrift weiters an, dass es unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder Nichtuntemehmer ist, zur Verlagerung des Leistungsortes nach der Verordnung BGBl II Nr. 383/2003 bzw Verordnung BGBl II 1997/102 kommt, wenn der Leistungsort dieser Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt, dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und im Inland genutzt oder ausgewertet wird.
Zum Argument der vergleichbaren Steuerbelastung ist auf das VwGH Erkenntnis vom , 2003/15/0059, hinzuweisen. Der VwGH hat darin festgestellt, dass Maßnahmen nach Absatz 3 Buchstabe b) des Artikels 9 der Richtlinie 77/388/EWG (Verlagerung des Leistungsortes vom Drittland in das Inland) auf den Zweck der Vermeidung von Nichtbesteuerungen gestützt sein können. Das hat aber zur Voraussetzung, dass die Dienstleistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt. Die Regelung der Verordnung BGBl II 102/1997 stellt nach dem VwGH nicht auf die Frage der Steuerbelastung im Drittland ab und kann daher nicht als Maßnahme zur Vermeidung einer Nichtbesteuerung iSd Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG angesehen werden.
Da auch die Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 nicht auf die Frage der Steuerbelastung im Drittland abstellt, findet die Verordnung bei Leistungen von Drittlandsunternehmern an im Drittland ansässige Abnehmer keine gemeinschaftliche Stütze in Art 59a MwSt-SystRL.
Damit ist im vorliegenden Fall die Vermeidung einer Nichtbesteuerung keine Begründung zur Anwendung der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221.
Des Weiteren wird in der Niederschrift angeführt, dass laut Ansicht der Betriebsprüfung durch die Bestimmung, den Ort für Leistungen an im Drittland ansässige Abnehmer in das Gemeinschaftsgebiet zu verlagern, die Gefahr einer möglichen Wettbewerbsverzerrung Einhalt geboten und beseitigt wird. Der VwGH hat dazu jedoch in seinem Erkenntnis vom , 2005/15/0104, angeführt, dass 77/388/EWG getroffen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden - eine Situation vorliegen muss, aufgrund welcher Wettbewerbsverzerrungen bestehen oder eintreten können. Für in der Ermöglichung des Telefonierens bestehende Leistungen an in Drittstaaten ansässige Abnehmer gilt nach der Rechtslage unter Ausblendung der nach Artikel 9 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (also der Verordnung BGBl II 102/1997): soweit Maßnahmen nach Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie
a) Wird die Leistung von einem österreichischen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs. 9 UStG).
b) Wird die Leistung von einem im Drittland ansässigen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs. 9 UStG).
c) Wird die Leistung von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs. 9 UStG).
Weil sich der Leistungsort hinsichtlich aller Unternehmer, die in Bezug auf die in Rede stehenden Leistungen an im Drittland ansässige Personen zueinander im Wettbewerb stehen können, im Drittland befindet, darf die Regelung betreffend den Leistungsort nicht die Grundlage für die Wettbewerbsverzerrung darstellen. Den Ort für Leistungen an im Drittland ansässige Abnehmer in das Gemeinschaftsgebiet zu verlagern, dient daher nach Ansicht des VwGH nicht der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.
Der VwGH verweist darauf, dass es vor diesem Hintergrund zu sehen ist, dass der mit der Richtlinie 1999/59/EG in den Artikel 9 der Richtlinie 77/388/EWG aufgenommene Absatz 4 bloß auf solche Telekommunikationsdienstleistungen abstellt, die von einem in einem Drittland ansässigen Steuerpflichtigen an in der Gemeinschaft ansässige Private erbracht werden. ln den Begründungserwägungen der Richtlinie 1999/59/EG wird darauf verwiesen, dass im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes Wettbewerbsverzerrungen beseitigt und neue harmonisierte Regelungen für diesen Bereich eingeführt werden sollen. Sodann wird ausgeführt:
"(4) Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um insbesondere sicherzustellen, dass Telekommunikationsdienstleistungen, die von in der Gemeinschaft ansässigen Kunden in Anspruch genommen werden, auch in der Gemeinschaft besteuert werden.
(5) Um dieses Ziel zu erreichen, sollten die Telekommunikationsdienstleistungen, die an in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige oder an in Drittländern ansässige Empfänger erbracht werden, grundsätzlich am Ort des Leistungsempfangers besteuert werden."
Diese Begründungserwägungen lassen laut dem Erkenntnis des VwGH erkennen, dass der Gesetzgeber in dem Umstand, dass bei Leistungen an im Drittland ansässige Empfänger der Leistungsort im Drittland gelegen ist, keine Wettbewerbsverzerrung erblickt.
Nach
Art 59b der Richtlinie 2006/112/EG soll es, wie bereits oben angeführt zu einer Verlagerung des Leistungsortes nur dann kommen, wenn Telekommunikationsdienstleistungen von einem in einem Drittland ansässigen Steuerpflichtigen an in der Gemeinschaft ansässige Private erbracht werden, womit die vom VwGH zur Richtlinie 77/388/EWG angestellten Überlegungen auch für die Jahre 2008 bis 2012 gelten.
Es liegt daher im Falle der Bf. auch keine Wettbewerbsverzerrung vor, womit es auch aus diesem Grund zu keiner Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich auf Grund der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II2009/221 kommt.
Aus den oa. Gründen erbrachte die Bf. keine steuerpflichtigen Leistungen in Österreich womit die Voraussetzungen zur Anwendung der Verordnung BGBl 1995/279 idF BGBl 2003/384 vorliegen und die Erstattung der Vorsteuern zu gewähren ist."

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde um folgende Ergänzungen der Beschwerde:
"Bitte übermitteln Sie eine Bestätigung/ein Schreiben der zuständigen norwegischen Finanzbehörde in beglaubigter deutscher oder englischer Übersetzung, aus der/dem hervorgeht, dass der konkrete Steuerpflichtige (mit Angabe seines korrekten Namens) in den streitgegenständlichen Jahren Telekommunikationsdienstleistungen an seine Kunden in Norwegen erbracht hat, und dass er diese Telekommunikationsdienstleistungen, auch wenn die Kunden im Ausland (Österreich) telefoniert haben, in Norwegen zu versteuern hatte bzw. auch tatsächlich versteuert hat. Legen Sie bitte unter Bezugnahme auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (bzw. weitere Unterlagen, etwa Steuererklärungen, Steuerbescheide etc.) dar, welcher konkrete Umsatzsteuersatz (genaue Höhe) auf besagte Telekommunikationsdienstleistungen in den streitgegenständlichen Jahren in Norwegen anzuwenden war."

In ihrer Vorhaltsbeantwortung verweist die Bf. unter wörtlicher Zitierung auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgericht vom , RV/2100255/2015 und kommt in rechtlicher Hinsicht zum Ergebnis, da sie ein im Drittland ansässiges Unternehmen ist, sei eine Orientierung an einer "vergleichbaren Steuer" im Drittland nicht relevant.

In der erlassenen abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

"Dazu wird nunmehr ergänzend ausgeführt, dass ausgehend von Telekommunikationsdienstleistungen, die in Österreich genutzt oder ausgewertet werden und Drittlandsunternehmer, die in Österreich keine Betriebsstätte haben. Folgendes gilt:
Ein Drittlandsunternehmer bekommt (bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen) die Vorsteuer aus der Rechnung des österreichischen Netzbetreibers nur dann im Erstattungsverfahren erstattet, wenn
• der österr. Netzbetreiber seine Telekommunikationsdienstleistung zu Recht mit österr. USt in Rechnung stellt (dh. sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft - die VO BGBl. II 2003/383, idF BGBl II 2009/221 zur Anwendung kommt) und
• der ausländische Unternehmer selbst keine Telekommunikationsdienstleistungen in Österreich erbringt - dh. die VO BGBl. II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 nicht zur Anwendung gelangt.
Bei gegenständlichem Sachverhalt sind daher zwei Leistungsbeziehungen zu unterscheiden:
1. Die Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer/ der Bf.
2. Die Leistungsbeziehung zwischen dem Drittlandsunternehmer/ der Bf. und ihren Kunden.

Ad 1.) Zur Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer/ der Bf.:
Hier ist zu untersuchen, ob der österreichische Netzbetreiber seine Rechnung zu Recht mit österr. Umsatzsteuer ausstellt. Die vom österr. Netzbetreiber an den Drittlandsunternehmer erbrachte Telekommunikationsdienstleistung ist grundsätzlich gemäß
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 (idF ab ) am Empfängerort im Drittland steuerbar.
Wird jedoch diese Telekommunikationsdienstleistung in Österreich genutzt oder ausgewertet, so kommt es zu Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich (VO BGBl. II 2003/383 idF BGBl II 2009/221) und der Netzbetreiber hat eine Rechnung mit österr. Umsatzsteuer auszustellen. Sofern der österr. Netzanbieter seine Leistung mit österr. Umsatzsteuer in Rechnung stellt und sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft (oder nicht berufen kann), ist das rechtens und die Vorsteuer aus dieser Rechnung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) zu erstatten.

Erklärend wird hierzu ausgeführt:

Ad 2.) Leistungsbeziehung zwischen Drittlandsunternehmer/ Bf. und ihren Kunden;
Hier ist zu untersuchen, ob die Bf. die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren erfüllt, insbesondere, ob sie selbst Umsätze in Österreich ausgeführt hat oder nicht. Es muss daher untersucht werden, wo die Telekommunikationsdienstleistung der Bf. an ihre Kunden steuerbar ist, zumal in Österreich steuerbare Umsätze das (vereinfachte) Vorsteuererstattungsverfahren grundsätzlich ausschließen.
Zur Feststellung des Leistungsortes wäre als erstes abzuklären, wer Leistungsempfänger (Unternehmer, Nichtunternehmer) der Bf. ist und wo diese ihren Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Werden Telekommunikationsdienstleistungen an Unternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort ab dem nach
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 (Empfängerort). Wird eine solche Leistung an einen Nichtunternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 7 bzw. § 3a Abs. 13 UStG 1994.
Aber unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder ein Nichtunternehmer ist, kommt es zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach der VO BGBl. II 2003/383 idF BGBl II 2009/221, wenn der Leistungsort dieser Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt, dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und im Inland genutzt oder ausgewertet wird.
Sofern daher die von der Bf. an ihre Kunden erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen nach obigen Bestimmungen im Drittland steuerbar sind, ist in weiterer Folge zu untersuchen, ob die von der Bf. erbrachte Leistung in Österreich genutzt oder ausgewertet wird.
Eine Telekommunikationsdienstleistung wird z.B. dann in Österreich genutzt, wenn hier telefoniert oder das österr. Telefonnetz genützt wird.
In weiterer Folge war zu untersuchen, ob diese Leistung der Bf. im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt.
Für den Nachweis der Besteuerung im Drittland können sämtliche Unterlagen/Beweismittel etc. herangezogen werden, durch die die Bf. in die Lage versetzt wird, der österreichischen Finanzverwaltung glaubhaft darzulegen, dass die erbrachte Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt. Die Vorlage eines Steuerbescheides wäre nicht zwingend nötig, jedoch wäre zusätzlich zur Vorlage entsprechender Unterlagen aber auf jeden Fall die Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland, insbesondere bezogen auf Telekommunikationsdienstleistungen, notwendig gewesen. Ausgangsrechnungen wurden gleichfalls nicht übermittelt, eine ustrl. Besteuerung wurde nicht behauptet.
Nach Ansicht der ho. Finanzverwaltung liegt eine Nichtbesteuerung iS der Judikatur des VwGH zu den Telekommunikationsdienstleistungen iS der VO BGBl II 383/2003 dann vor, wenn die Telekommunikationsdienstleistung des im Drittland ansässigen Abnehmers dort keiner Steuer unterliegt, die den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne der Judikatur des EuGH bzw. der
RL 2006/112/EG (bzw. 6. EG- RL) hat.
Zur Vergleichbarkeit wird die Rechtsansicht vertreten, dass in Analogie zur VwGH-Judikatur ( und 2004/15/0010; und 2002/15/0100 und insbesondere /01044) davon ausgegangen wird, dass Vergleichbarkeit vorliegt, wenn die Umsatzbesteuerung mit der der
RL 2006/112/EG vergleichbar ist. Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der in dieser Richtlinie vorgeschriebene Mindeststeuersatz in Höhe von 15% heranzuziehen ist, da innerhalb der EU der Standardsteuersatz gemäß Art. 97 RL 2006/112/EG nicht weniger als 15% betragen darf.

Den Nachweis, dass die Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt, hat der Unternehmer zu erbringen. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Anforderungen, wie dieser Nachweis auszusehen hat. Für den oa. Nachweis können daher sämtliche Unterlagen/Beweismittel etc. herangezogen werden, durch die der Steuerpflichtige in die Lage versetzt wird, der österreichischen Finanzverwaltung glaubhaft darzulegen, dass die erbrachte Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inl. Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und dort auch tatsächlich versteuert wurde. Dies kann beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen (vgl. UStR 2000 Rz 363). D.h. der Nachweis der tatsächlichen Versteuerung ist durch Vorlage entsprechender Unterlagen seitens der zuständigen Finanzverwaltung aus dem Drittland bzw. durch Unterlagen iZm der zuständigen Finanzverwaltung möglich, z.B.
- Jahreserklärungen mit Unterlagen und Eingangsstempel der drittländischen Finanzverwaltung
- Umsatzsteuerbescheide
- Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung betreffend die Rechtslage in den streitgegenständlichen Jahren
- Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung, dass die Telekommunikationsdienstleistungen der drittländischen Firma XY im Zeitraum von ... bis ... an ihre Kunden, auch wenn diese Kunden im Ausland (Österreich) telefoniert haben, im Drittland tatsächlich versteuert wurden
- beglaubigte Übersetzungen ausländischer Schriftstücke in die Amtssprache Deutsch, vgl. Art. 8 (1) BVG. Nicht ausreichend als Nachweis der tatsächlichen Versteuerung sind Bestätigungen, die nicht von Finanzbehörde stammen bzw. solche, die nicht dem Steuerpflichtigen oder dem streitgegenständlichen Jahr zuordenbar oder bloße Unternehmerbestätigungen sind.
Zusammenfassend zu Punkt I. wird ausgeführt: Ist die VO BGBl II 383/2003 für die Leistungen eines Drittlandsunternehmers an seine Kunden nicht anwendbar (z.B. wenn die Leistung nicht in Österreich genutzt oder ausgewertet wird oder wenn sie im Drittland einer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt), dann hat der Unternehmer keine Umsätze in Österreich und bekommt die Vorsteuer aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers im Erstattungsverfahren erstattet (sofern der Netzbetreiber diese zur Recht mit österr. USt ausgestellt hat - s.o.). Ist aber davon auszugehen, dass die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandsunternehmers an Leistungsempfänger im Drittland oder an Nichtunternehmer im EU Raum erbracht und in Österreich genutzt oder ausgewertet wird bzw. diese im Drittland keiner vergleichbaren Umsatzbesteuerung unterliegt, wird der Leistungsort durch die VO BGBl II 383/2003 nach Österreich verlagert. Der Drittlandsunternehmer hat in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschließen, d.h. die Umsätze im allgemeinen Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären (
§ 21 Abs. 4 UStG 1994) und bekommt auch (nur) dort die Vorsteuern aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers. Art. 59a lit. b der RL 2006/112/EG räumt eine Ermächtigung zur Ortsverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen, die ein drittländischer Steuerpflichtiger an drittländische Nichtsteuerpflichtige erbringt, ein. Art. 59a leg. cit. ist (neben Art. 59b leg. cit) die unionsrechtliche Grundlage für die Telekomverordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 und enthält keine Einschränkung auf Fälle, in denen der Leistungsempfängerin einem Mitgliedstaat ansässig ist (d.h. keine EU-Widrigkeit/keine Berechtigung, sich unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen). Die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 (Telekomverordnung) gelangt sohin zur Anwendung (im ggstl. Fall: keine Nachweise/ keine vergleichbare Umsatzbesteuerung im Drittland; vgl. Ersuchen um Ergänzung vom samt 20 Fristverlängerungsansuchen und Auskunft vom , worin die Orientierung an einer "vergleichbaren Steuer" im Drittland bloß als nicht relevant erklärt wird). Daher sind die Umsätze der Bf. im Inland steuerbar und in weiterer Folge die Voraussetzung für die Erstattung der Vorsteuern nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 (Vorsteuererstattungsverordnung) nicht gegeben. Die Beschwerden waren daher als unbegründet abzuweisen.
Auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht, dh die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnzuschlages sowie gewährter Rabatte (§16
UStG 1994 zu TADIG-Code: NOxxx) wird verwiesen."

Mit Schriftsatz vom stellt die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und verwies im Wesentlichen inhaltlich auf die eingereichte Beschwerde sowie die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts RV/2100255/2015 vom und RV/2101653/2014 vom . Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. In der weiteren Folge wurden die Beschwerden an das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung führte die Bf. durch ihre steuerliche Vertretung Folgendes aus:

"Zur Annahme, die Beschwerdeführerin dürfe das Vorsteuererstattungsverfahren nicht in Anspruch nehmen:
Die Ausführungen der belangten Behörde zur Verlagerung des Leistungsorts von Telekommunikationsdienstleistungen in den angefochtenen Bescheiden sowie in den Beschwerdevorentscheidungen sind aufgrund der mittlerweile ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sowie des Verwaltungsgerichtshofs überholt.
Nach der im vorigen Absatz erwähnten Rechtsprechung kann es zu einer solchen Leistungsortverlagerung im Sinne der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 kommen, wenn die dafür geltenden Voraussetzungen, wie sie im , SK Telecom (im Folgenden: Urteil SK Telecom) präzisiert wurden, erfüllt sind.
Auf das Urteil SK Telecom stellt auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in seinen Entscheidungen Ra 2019/15/0008 und Ra 2019/15/0010 ab.
Die vom EuGH im Urteil SK Telecom präzisierten Voraussetzungen für eine Leistungsortverlagerung ins Inland aufgrund der Nutzung und Auswertung von Roamingdienstleistungen in Österreich liegen jedoch nicht vor.

a) Wettbewerbsverzerrung und Nichtbesteuerung innerhalb der Union
Der EuGH hat zur Möglichkeit der Leistungsortverlagerung durch die Mitgliedstaaten Folgendes entschieden:
"40 Doch selbst wenn die Voraussetzung der tatsächlichen Nutzung oder Auswertung der betreffenden Dienstleistungen im Gebiet eines Mitgliedstaats unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens erfüllt ist, kann dieser Mitgliedstaat von der ihm durch Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, den Ort der Dienstleistungen, der außerhalb der Union liegt, so zu behandeln, als läge er in seinem Gebiet, nur dann Gebrauch machen, wenn dadurch Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.
[…]
44 Folglich steht es den Mitgliedstaaten frei, von der durch Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch zu machen, wenn dies lediglich dazu dient, einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union abzuhelfen, was nach den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Roamingleistungen der Fall war."

Die Zulässigkeit einer Leistungsortverlagerung in Anwendung der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 setzt unionsrechtlich somit den Nachweis entweder (a) von Wettbewerbsverzerrungen oder (b) einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union vor.

Das Vorliegen von Wettbewerbsverzerrungen durch die Nichtbesteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen, die die Beschwerdeführerin im Inland erbracht haben soll, wurde von der belangten Behörde nicht einmal behauptet. Tatsächlich liegen auch keinerlei Anhaltspunkte für derartige Wettbewerbsverzerrungen vor.
Hinsichtlich einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union enthalten die angefochtenen Bescheide keine Feststellungen.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, aus welchen konkreten Umständen die belangte Behörde ableitet, dass die angenommene Leistungsortverlagerung ins Inland einer Nichtbesteuerung innerhalb der Union abhelfen soll.

b) Einschlägige völkerrechtliche Abkommen
Sodann hält der EuGH in den Rn. 45 und 46 des Urteils SK Telecom Folgendes fest:
"45 Als Zweites ist entsprechend der Feststellung des Generalanwalts in Nr. 88 seiner Schlussanträge auszuführen, dass bei der Anwendung dieser Bestimmung etwaige Fälle von Doppelbesteuerung, Nichtbesteuerung oder Wettbewerbsverzerrung anhand der steuerlichen Behandlung der betreffenden Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten zu beurteilen sind, ohne dass die Steuerregelung zu berücksichtigen ist, der diese Dienstleistungen in dem betreffenden Drittland unterliegen.
46 Anderes könnte sich zwar aus einem einschlägigen völkerrechtlichen Abkommen mit diesem Drittland ergeben. Im Vorabentscheidungsersuchen und in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird jedoch kein derartiges Abkommen erwähnt."

Der EuGH geht somit davon aus, dass sich eine Unzulässigkeit der Leistungsortverlagerung für Telekommunikationsleistungen auch aus völkerrechtlichen Abkommen ergeben kann; derartige Abkommen wurden in der Rechtssache, in der das Urteil SK Telecom ergangen ist, bloß nicht geltend gemacht.

Tatsächlich existiert jedoch ein solches völkerrechtliches Abkommen. Im Rahmen der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU), einer Organisation im Rahmen der Vereinten Nationen, werden im Rahmen der Generalversammlungen die "International Telecommunication Regulations" angenommen. Diese Regulations sind für die Mitglieder der ITU verbindlich (vgl. Art. 4 Nr. 3 der "Constitution of the international Telecommunication Union", abrufbar unter https://www.itu.int/dms_pub/itu-s/opb/conf/S-CONF-PLEN-2019-PDF-E.pdf). Die letztgültigen Regulations wurden in der Schlussakte der ITU-Weltkonferenz in Dubai 2012 beschlossen. Nach Punkt 8.3.1 des Abschnitt 8.3 "Taxation" (Besteuerung) dürfen mangels von der ITU angenommener Sonderregeln Steuern auf internationale Telekommunikationsleistungen nur Kunden im Inland vorgeschrieben werden. Die Anwendung der Leistungsortverlagerung nach der Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 ist daher auch aus völkerrechtlichen Gründen unzulässig.
c) Keine eigene, selbständige Leistung im Sinne des Urteils SK Telecom
Schließlich ergibt sich aus dem Urteil SK Telecom, dass eine Leistungsortverlagerung in Bezug auf Roamingdienstleistungen nur dann stattfinden darf, wenn diese Leistungen als "eigene, selbständige" Leistungen anzusehen sind, deren umsatzsteuerrechtliche Trennung vom sonstigen Teil der dem Kunden erbrachten Dienstleistung nicht als künstlich anzusehen ist (vgl. Rn. 36 und 37 des Urteils). Aus anderen Passagen des Urteils geht hervor, unter welchen Umständen dies nach Auffassung des EuGH der Fall sein kann, nämlich im Wesentlichen jedenfalls nur dann, wenn diese Leistungen getrennt ausgewiesen und den Kunden, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, zusätzlich, nämlich in Form von Roaminggebühren, in Rechnung gestellt werden. Die angefochtenen Bescheide, die vor dem Urteil SK Telecom ergingen, enthalten auch zu dieser Frage keinerlei Feststellungen.
Nach alledem ist auf der Basis des Urteils SK Telecom klar davon auszugehen, dass im vorliegenden Fall die Anordnung einer umsatzsteuerlichen Leistungsortverlagerung ins Inland durch die Republik Österreich unionsrechtswidrig ist. Da diese staatliche Maßnahme die Beschwerdeführerin in unionsrechtswidriger Weise belastet, kann sie sich unmittelbar auf das sie begünstigende Richtlinienrecht in seiner Auslegung durch den EuGH berufen. Die Verordnung BGBl. II Nr. 383/2003 ist daher im vorliegenden Fall unangewendet zu lassen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem oa. Verfahrensgang. Auf Grund der Telekom-Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom VwGH geteilt (). Ausgehend von dieser Rechtsansicht wäre daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen gewesen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.

Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren unbestritten entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.

2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung gründet sich entsprechend auf der im Verfahrensgang dargestellten Aktenlage. Widersprechend zur damals geübten Verwaltungspraxis und Rechtslage (s.u.) wurden Vorsteuern erstattet, die im wiederaufgenommenen Verfahren rückgefordert wurden. Nachvollziehbare tatsächliche Wiederaufnahmegründe wurden in den angefochtenen Bescheiden nicht ausgeführt.


3. Rechtliche Beurteilung

Rechtsquellen:

§ 303 BAO:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) …
[BGBl I 2013/14]

§ 307 BAO:
(1) Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(2) (aufgehoben durch BGBl I 2002/97)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
[BGBl I 2009/20]

3.3. Zu Spruchpunkt I. (Beschluss Gegenstandsloserklärung der Beschwerden gegen die Sachbescheide im wiederaufgenommenen Verfahren)

Mit oa. Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes RV/2100482/2021 vom xx.yy.zzzz wurde den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens Folge gegeben und die Wiederaufnahmebescheide aufgehoben.

Nach § 307 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

§ 261 BAO lautet:
(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird
a) in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder
b) in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid.
(2) Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Vor diesem Hintergrund scheidet durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend das Verfahren hinsichtlich der im Spruch bezeichneten Vorsteuererstattung der neue Sachbescheid ex lege aus dem Rechtsbestand aus und der alte Sachbescheid lebt wieder auf (, ). Die Beschwerden gegen die neu erlassenen Sachbescheide waren daher im Sinne des § 261 BAO als gegenstandslos zu erklären.
Daher war auf die inhaltlichen Ausführungen der Bf. nicht mehr einzugehen.

3.4. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Gegenstandloserklärung von Bescheiden, denen seine Rechtsgrundlage entzogen ist, ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Im Übrigen wird auf die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 261 Abs. 2 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100467.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at