Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.08.2022, RV/3100841/2019

Zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes F vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Beim Bezirksgericht B war zu GZ. a ein Exekutionsverfahren der betreibenden Partei Person 1 gegen den Verpflichteten Person 2 anhängig. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes B vom wurde die X-KG (nunmehriger Firmenwortlaut: Y-KG; im Folgenden kurz: Steuerberatungsgesellschaft) zum Sachverständigen im gegenständlichen Exekutionsverfahren bestellt und gleichzeitig beauftragt, die Schätzung des dem Verpflichteten an der L-GmbH zustehenden Geschäftsanteils durchzuführen. Dem Verpflichteten wurde in diesem Beschluss aufgetragen, der Steuerberatungsgesellschaft sämtliche zur Durchführung der Schätzung erforderlichen Geschäftsunterlagen zur Verfügung zu stellen.

Da der Verpflichtete Person 2 der ihn treffenden Mitwirkungspflicht zur Herausgabe der erforderlichen Geschäftsunterlagen trotz entsprechender Aufforderung seitens des Exekutionsgerichtes nicht nachgekommen ist, stellte die betreibende Partei Person 1 am an das Bezirksgericht B den Antrag, die Steuerberatungsgesellschaft zu ermächtigen, beim zuständigen Finanzamt Akteneinsicht zu nehmen. Mit Beschluss vom hat das Bezirksgericht B diesen Antrag zu GZ. a bewilligt und die Steuerberatungsgesellschaft ermächtigt, beim zuständigen Finanzamt Akteneinsicht zu nehmen.

2. Am stellte die Steuerberatungsgesellschaft an das Finanzamt F den Antrag auf Akteneinsicht gemäß dem Beschluss des Bezirksgerichtes B vom , GZ. a. Das Bezirksgericht B habe die Steuerberatungsgesellschaft zum Sachverständigen in der Sache Person 1 gegen Person 2 bestellt. Das Gericht habe mit Beschluss vom dem Antrag der betreibenden Partei stattgegeben, dass der Sachverständige ermächtigt werde, beim Finanzamt Akteneinsicht zu nehmen. Es werde somit der Antrag gestellt, im Sinne dieses Beschlusses den Steuerakt betreffend die L-GmbH zu Steuernummer 111 hinsichtlich der relevanten Unterlagen zur Erstellung eines Gutachtens einsehen zu können.

3. Das Finanzamt F erließ am einen Bescheid betreffend Zurückweisung des Antrages vom auf Akteneinsicht in den Steuerakt der L-GmbH (Zurückweisungsbescheid).

Im Hinblick auf § 90 Abs. 1 BAO habe nur die Partei das Recht auf Akteneinsicht. Wer Partei sei, ergebe sich aus § 78 BAO. Nach dieser Bestimmung hätten ua. der Abgabepflichtige (§ 77 BAO) sowie andere Personen die Rechtsstellung einer Partei "dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht". Im gegenständlichen Verfahren fehle der Steuerberatungsgesellschaft (Antragstellerin) die im Gesetz geforderte Rechtsstellung als Partei. Wegen "Nichtlegitimation" sei der Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen gewesen.

Der Vollständigkeit halber werde mitgeteilt, dass aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht iSd § 48a BAO eine Einsichtnahme in den Akt im Wege der Amtshilfe nicht möglich sei. Die Bestimmung in § 48a Abs. 4 lit. b BAO sehe ua. nur dann die Möglichkeit der Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder Umständen vor, "wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist". Da es sich bei der gegenständlichen Rechtssache (dem gegenständlichen Exekutionsverfahren) um eine Zivilrechtssache handle, könne nicht von einem öffentlichen Interesse ausgegangen werden.

4. Gegen diesen Zurückweisungsbescheid erhob die Steuerberatungsgesellschaft am fristgerecht Beschwerde, mit der sie die ersatzlose Aufhebung des Bescheides und Gewährung der Einsicht in den Steuerakt zu Steuernummer 111 "im Auftrag des Bezirksgerichts B" beantragte.

Das Finanzamt F verkenne die Sachlage, da die Beschwerdeführerin nicht als Steuerberatungsgesellschaft Interesse an der Akteneinsicht habe, sondern vom Exekutionsgericht zum Sachverständigen bestellt worden sei und somit nicht in ihrem eigenen Wirkungsbereich tätig sei.

Die Parteistellung sei somit hinsichtlich des Interesses Dritter zu würdigen. Diesbezüglich verkenne das Finanzamt F die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, welcher im Erkenntnis vom , 3 Ob 64/04i, das zwingende Interesse auch im Rahmen des Exekutionsverfahrens annehme. Die Exekutionsordnung sei per se als Zwangsordnung zu verstehen, da sie den Eingriff in persönliche Grundrechte unter bestimmten Voraussetzungen ermögliche. In das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums werde durch die Regeln der Exekutionsordnung eingegriffen.

Im Hinblick auf die Wahrung des Steuergeheimnisses sei zu entgegnen, dass das "zwingende öffentliche Interesse" im Rahmen des Exekutionsverfahrens gegeben sei, ansonsten sich ein Schuldner durch Verweigerung der Herausgabe von Unterlagen jeglicher Exekutionsmöglichkeiten entziehen könnte.

Dem Antrag auf Akteneinsicht sei daher zur Wahrung des zwingenden öffentlichen Interesses Folge zu geben.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom vom Finanzamt F als unbegründet abgewiesen. Nach Zitierung der Bestimmungen der §§ 48a und 90 Abs. 1 BAO führte das Finanzamt F zur Begründung aus, dass der Beschwerdeführerin die im Gesetz geforderte Rechtsstellung als Partei fehle. Wegen fehlender Legitimation sei der Antrag auf Akteneinsicht daher zurückzuweisen gewesen.

Es sei ferner festzuhalten, dass die Abgabenbehörde an die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht gebunden sei. Eine Durchbrechung der Geheimhaltungspflicht iSd § 48a BAO sei ua. nur zulässig, wenn sie aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolge oder wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen sei. Eine gesetzliche Verpflichtung bestehe im gegenständlichen Fall nicht. Ein zwingendes öffentliches Interesse sei jedenfalls bei der Aufklärung gerichtlich strafbarer, von Amts wegen zu verfolgender Handlungen gegeben, nicht allerdings im Zivilprozess, welcher von der Parteienmaxime getragen werde.

Wenn die Beschwerdeführerin die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 3 Ob 64/04i, zitiere, so sei ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung handle, die außerdem in Form eines obiter dictum ergangen sei. Der Oberste Gerichtshof wie auch die Höchstgerichte hätten weder vor- noch seither in diesem Sinne judiziert. Es würde auch wenig Sinn machen, im Bereich des Strafrechtes Privatanklagedelikte grundsätzlich als nicht geeignet zu beurteilen, ein zwingendes Interesse zu begründen, demgegenüber aber einem ebenso von der Parteienmaxime getragenen Zivilrechtsverfahren die Qualifikation eines Durchbrechungstatbestandes iSd § 48a Abs. 4 lit. b 2. Alternative BAO zuzumessen.

6. Am stellte die Steuerberatungsgesellschaft fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde vom durch das Verwaltungsgericht. Die Abgabenbehörde verkenne die Stellung des Sachverständigen im Rahmen eines Exekutionsverfahrens, wenn sie von der Stellung in einem Zivilprozess ausgehe. Die Beschwerdeführerin verwies dazu auf einen - dem Vorlageantrag beigelegten, dem Finanzamt F bereits übermittelten - weiteren Beschluss des Bezirksgerichtes B vom , GZ. a, mit dem das Finanzamt F im Zuge des Amtshilfeweges ersucht wurde, der Beschwerdeführerin Akteneinsicht, welche einerseits für die amtswegige Verwertung der Geschäftsanteile und andererseits für die Schätzung des Geschäftsanteiles der verpflichteten Partei an der L-GmbH notwendig sei, zu gewähren. Der Begründung dieses Beschlusses zufolge stehe die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht gemäß § 48a Abs. 4 lit. b BAO der Ermächtigung des Sachverständigen, in einem Exekutionsverfahren gemäß § 331 EO auf die Gesamtrechte des verpflichteten Gesellschafters aus seinem Geschäftsanteil an einer GmbH zwecks Ermittlung des Wertes des Geschäftsanteiles Einsicht beim zuständigen Finanzamt zu nehmen, nach ständiger Rechtsprechung nicht entgegen.

7. Mit Vorlagebericht vom wurde die gegenständliche Beschwerde vom vom Finanzamt F zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

8. Der vorstehende Sachverhalt ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt, insbesondere aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen.

Streit besteht darüber, ob der Steuerberatungsgesellschaft das Recht auf Akteneinsicht in den Steuerakt der L-GmbH zu Steuernummer 111 zusteht, insbesondere, ob der Antrag der Steuerberatungsgesellschaft vom auf Akteneinsicht vom Finanzamt F wegen fehlender Aktivlegitimation als unzulässig zurückgewiesen werden durfte.

II. Rechtslage

§ 90 BAO in der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Zurückweisungsbescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 164/1999 hat folgenden Wortlaut:

"(1) Die Abgabenbehörde hat den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer abgabenrechtlichen Interessen oder zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten erforderlich ist. Blinden oder hochgradig sehbehinderten Parteien, die nicht durch Vertreter (§§ 80 ff) vertreten sind, ist auf Verlangen der Inhalt von Akten und Aktenteilen durch Verlesung oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten in sonst geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.

(2) Von der Akteneinsicht ausgenommen sind Beratungsprotokolle, Amtsvorträge, Erledigungsentwürfe und sonstige Schriftstücke (Mitteilungen anderer Behörden, Meldungen, Berichte und dergleichen), deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde.

(3) Gegen die Verweigerung der Akteneinsicht ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig."

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere ) kommt es "für die Berechtigung des Antrags auf Akteneinsicht auf ein gesondertes abgabenrechtliches Interesse der Partei nicht" an. Mit dem AbgÄG 2022, BGBl. I Nr. 108/2022, wurde § 90 Abs. 1 BAO daraufhin dahingehend abgeändert, dass Parteien das Recht auf Akteneinsicht in eigener Sache unabhängig von einem (abgaben-)rechtlichen Interesse zustehen soll (vgl. EB zum AbgÄG 2022, 1534 BlgNR XXVII. GP, 30). Gemäß § 90 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde nunmehr "den Parteien die Einsicht und Abschriftnahme der ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten."

Gemäß § 78 Abs. 1 BAO ist Partei im Abgabenverfahren der Abgabepflichtige (§ 77), im Beschwerdeverfahren auch jeder, der eine Beschwerde einbringt (Beschwerdeführer), einem Beschwerdeverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Beschwerdeführer zu sein, einen Vorlageantrag (§ 264) gestellt hat.

Gemäß § 78 Abs. 3 BAO haben andere als die genannten Personen die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

Gemäß § 85a BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Die Entscheidungspflicht besteht nicht nur für Anbringen, die meritorisch zu erledigen sind. Sie besteht auch dann, wenn das Anbringen zurückzuweisen ist (zB ; ; ; ). Ein Anbringen ist zurückzuweisen, wenn es unzulässig ist (vgl. ). Eine Unzulässigkeit liegt zB bei entschiedener Sache oder bei mangelnder Antragslegitimation vor (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 85a Rz 10).

III. Erwägungen

1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Finanzamt F den Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Akteneinsicht in den Steuerakt der L-GmbH als unzulässig zurückgewiesen (Zurückweisungsbescheid); dies mit der Begründung, dass im Hinblick auf § 90 Abs. 1 BAO nur die Partei das Recht auf Akteneinsicht habe und der Beschwerdeführerin keine Parteistellung zukomme.

Auf der Grundlage der vom Finanzamt F zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Zurückweisungsbescheides anzuwendenden Rechtslage (vgl. § 90 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 164/1999) besteht ein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht, wenn die normierten Voraussetzungen (Partei, Geltendmachung oder Verteidigung abgabenrechtlicher Interessen, Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten) erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann ist die Akteneinsicht zu verweigern.

Die (gänzliche oder teilweise) Verweigerung der Akteneinsicht durch eine Abgabenbehörde hat stets durch Bescheid zu erfolgen (vgl. ). Dass gegen die Verweigerung der Akteneinsicht nach § 90 Abs. 1 BAO gemäß § 90 Abs. 3 BAO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist, gilt dann nicht, wenn nach Lage des Verfahrens eine abschließende Sachentscheidung nicht zu erwarten ist, wie bei der Verweigerung der Akteneinsicht wegen fehlender Parteistellung des Antragstellers oder zwar der Partei gegenüber, aber außerhalb eines Verfahrens. In diesem Fall liegt ein selbständiger verfahrensrechtlicher Bescheid vor, der gesondert mit Beschwerde anfechtbar ist (vgl. ; ; vgl. dazu auch Stoll, BAO-Kommentar, 904).

2. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 90 Abs. 1 BAO ist die Akteneinsicht bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen zu verweigern. Auch nach der zitierten Rechtsprechung und Literatur ist die Akteneinsicht etwa wegen fehlender Parteistellung des Antragstellers zu verweigern. Damit steht fest, dass der Antrag einer Person, die nicht Partei des Verfahrens ist, um dessen Akten es geht, im Sinne einer meritorischen Erledigung abzuweisen und nicht zurückzuweisen ist, falls die Abgabenbehörde eine ablehnende Erledigung für geboten hält (vgl. dazu auch ).

Eine mangelnde Antragslegitimation zur Stellung eines Antrages auf Akteneinsicht liegt im Streitfall nicht vor, weshalb eine bescheidmäßige Zurückweisung des Antrages mittels Zurückweisungsbescheides nicht in Betracht kommt. So war die Beschwerdeführerin berechtigt, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Wenn das Finanzamt F im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen sodann zur Auffassung gelangte, dass der Beschwerdeführerin die Akteneinsicht mangels Parteistellung iSd § 90 Abs. 1 BAO zu verweigern sei, dann hätte es den Antrag vom mittels förmlichen Bescheides abweisen müssen (Abweisungsbescheid).

Auch wenn sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ableiten lässt, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht mangels Parteistellung (es fehle "die im Gesetz geforderte Rechtsstellung als Partei") zurückgewiesen worden ist, so handelt es sich dabei doch um eine Formalentscheidung ("Zurückweisungsbescheid"), und nicht um eine selbständige Sachentscheidung. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nicht die Akteneinsicht verweigert, weil eine der Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 BAO nicht erfüllt war, sondern der Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht als unzulässig zurückgewiesen.

3. Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht (außer in den Fällen des § 278 BAO) immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Änderungsbefugnis ("nach jeder Richtung") ist durch die Sache begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (zB ; ; ; ).

Das Finanzamt F hat den Antrag der Beschwerdeführerin auf Akteneinsicht als unzulässig zurückgewiesen. Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (). Eine allfällige fehlende Parteistellung der Beschwerdeführerin führt - wie vorstehend ausgeführt - nicht zu einer Zurückweisung des Antrages auf Akteneinsicht. Die Zurückweisung des Antrages wegen Unzulässigkeit erfolgte zu Unrecht.

Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund nicht vor, so hat das Bundesfinanzgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (, mwN; ; ). Selbst wenn der Beschwerdeführerin etwa wegen fehlender Parteistellung die Akteneinsicht zu verweigern gewesen wäre, ist das Bundesfinanzgericht nicht berechtigt, den Zurückweisungsbescheid in ein abweisendes Erkenntnis abzuändern ().

Der Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom ist insoweit gemäß § 279 BAO Folge zu geben, als die Beschwerdeführerin die ersatzlose Aufhebung dieses Bescheides beantragte. Der angefochtene Zurückweisungsbescheid vom war vom Bundesfinanzgericht ersatzlos aufzuheben.

IV. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Bei der Beschwerdeerledigung folgte das Bundesfinanzgericht den einschlägigen Gesetzesbestimmungen und der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen ist. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 78 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 90 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100841.2019

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