Umfang der Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Böck & Partner, Wirtschaftstreuhänder, Buchprüfungsgesellschaft m.b.H., Grüngasse 16, 1050 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Aufhebung § 299 BAO / ESt 2012 zur Steuernummer ***Bf-StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt Lilienfeld St. Pölten (nunmehr Finanzamt Österreich, in der Folge "FA" oder "Finanzamt") Einkommensteuer für das Jahr 2012 in Höhe von EUR 14.105,00 fest. Am wurde seitens des Finanzamtes ein Ersuchen um Ergänzung an die Steuerpflichtige (Frau ***Bf***, in der Folge "Bf" oder "Beschwerdeführerin") übermittelt, in dem um die Zusendung weiterer Informationen zu einer im Jahr 2012 erfolgten Grundstücksveräußerung ersucht wurde.
Dieses Ersuchen um Ergänzung wurde durch die Bf am beantwortet und es wurde mitgeteilt, dass das gegenständliche Grundstück mittels Kaufvertrag vom verkauft worden sei, wobei der Kaufpreis in Höhe von EUR 295.000 ebenfalls im Oktober 2012 zugeflossen sei. Zusätzlich wurde mitgeteilt, dass das veräußerte Grundstück aus dem Privatvermögen stamme und der Bf in den letzten 10 Jahren mindestens 5 Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient habe. Gemäß dem ebenfalls übermittelten Kaufvertrag steht das verkaufte Grundstück je zur Hälfte im Eigentum der Bf sowie im Eigentum ihres Ehegatten. Diese haben - gemäß dem im Kaufvertrag abgebildeten Auszug aus dem Grundbuch - das Eigentum am Grundstück mittels Kaufvertrag vom erworben.
Der Einkommensteuerbescheid 2012 wurde - in Folge der im Rahmen des Ersuchens um Ergänzung eingeholten Informationen - mit Bescheid vom gemäß § 299 BAO aufgehoben und durch den am selben Tag erlassenen, neuen Einkommensteuerbescheid 2012 ersetzt. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
"Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen unterliegen ab dem grundsätzlich der Besteuerung unter Anwendung eines besonderen Steuersatzes von 25%. Bemessungsgrundlage für Grundstücke, die vor dem angeschafft wurden, ist grundsätzlich der Verkaufspreis abzüglich pauschal ermittelter Anschaffungskosten (86% des Veräußerungserlöses). Bei der Hauptwohnsitzbefreiung ist Grund und Boden von mehr als 1.000 m² nicht befreit. Die Bemessungsgrundlage beträgt insgesamt EUR 2.913,72 und davon sind 50% bei Ihnen anzusetzen, d.h: EUR 1.456,86 als Bemessungsgrundlage für die Einkünfte aus der Grundstücksveräußerung anzusetzen."
Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom wurde vom Vertreter der Bf wie folgt ausgeführt:
Die veräußerte Liegenschaft mit einer Größe von 1.545 m² sei mit einem "erhaltungswürdigen Gebäude" (errichtet um 1895) und einem Nebengebäude bebaut und verlaufe längs zur Straße. Jener Teil des Grundstücks, welcher an die Grundstücke Nr. ***GS2*** und ***GS3*** anschließe, sei ab der Gebäudekante steil ansteigend und somit nicht nutzbar. Von der zur Straße verlaufenden Grundstücksgrenze gebe es einen circa 6 Meter breiten Streifen zu den Gebäuden. Die Widmung lt. Grundbuch sei 169 m² Bauland, der Rest sei als Garten gewidmet.
Anschließend wurde ausgeführt, dass die Feststellung der Behörde, dass bei der Hauptwohnsitzbefreiung Grund und Boden von mehr als 1.000 m² nicht befreit ist, nicht dem Einkommensteuergesetz entspreche.
Begründet wurde dies damit, dass gemäß § 30 Abs. 2 EStG 1988 unter anderem Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988) ausgenommen seien, wobei der Verweis auf § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 als nähere Definition des Begriffes "Eigenheim" zu verstehen sei und damit für das Vorliegen eines "Eigenheims" eine bestimmte Nutzung vorausgesetzt sei. In dieser Hinsicht sei auch der unter die Befreiung fallende Grund und Boden zu beurteilen. Voraussetzung dafür, dass auch Grund und Boden unter die Befreiungsbestimmung fallen, sei - unabhängig vom Flächenausmaß - dass die Nutzung des (gesamten) Grundstückes als Eigenheim (einschließlich der Nutzung als Garten oder als Nebenfläche) vorliege. Nach den EStR (Rz 6634) sei dies bei einer Grundstücksfläche von bis zu 1.000 m² jedenfalls anzunehmen.
Aus dieser Formulierung in den EStR gehe hervor, dass es bei größeren Grundstücken somit auch Fälle gäbe, bei denen - wie im gegenständlichen Fall - eine andere Nutzung als die im Rahmen eines Eigenheims nicht möglich sei und damit die Hauptwohnsitzbefreiung auch bei Grundstücken mit einer Fläche von mehr als 1.000 m² anzuwenden sei. Dies könne etwa bei größeren Grundflächen und entsprechenden Bebauungsbestimmungen der Fall sein.
Zusätzlich wurde auf die Ausführungen von Doralt, Kommentar zum EStG, Rz 103 zu § 30 verwiesen und ausgeführt, dass die gegenständliche Kommentarstelle eine Entscheidung des BMF zitiere, derzufolge die Befreiung auf bei größeren Grundstücken gänzlich anzuwenden sei, wenn die 1.000 m² übersteigenden Flächen nicht allein verwertbar und von untergeordneter wertmäßiger Bedeutung sind. Dies treffe im gegenständlichen Fall zu, da weder die Böschungsflächen (steil ansteigend ab Gebäudekante) noch die Distanzfläche zur Straße (Streifen von etwa 6 Metern) anders als Nebenfläche oder als Garten nutzbar seien, womit diese - isoliert betrachtet - wertlos seien.
In einem separaten Punkt wurde vorgebracht, dass der Einkommensteuerbescheid 2012 vom mangelhaft begründet sei.
In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung (in der Folge "BVE") vom (Bescheidbegründung vom ) führt das Finanzamt nach erneuter Darstellung des Sachverhalts - verkürzt dargestellt - wie folgt aus:
Für den Grundanteil gilt die Steuerbefreiung nur insoweit, als der Grund und Boden der Nutzung des Eigenheims oder der Eigentumswohnung als Garten oder Nebenfläche dient. Gesamtgrundstücksflächen von insgesamt 1.000 m2 sind von der Befreiung erfasst (siehe auch BMF-010203/0402-VI/6/2012, Punkt 18 und 23). Bei Überschreiten der1.000 m2 ist der übersteigende Teil nicht befreit (für die Interpretation als Richtwert Urtz ÖBA 12, 684; Steckenbauer/Urtz/lmmoESt, 35).
Da die Gesamtgrundstücksfläche 1.000 m2 übersteigt, wurde der übersteigende Teil im Ausmaß von 545m2 der Immobilienertragssteuer unterzogen.
In der Beschwerde vom wird eingewendet, dass bei der veräußerten Liegenschaft ein Grundstücksteil ab der Gebäudekante steil ansteigend ist und somit nicht nutzbar ist sowie ein von der zur Straße verlaufenden Grundstücksgrenze 6 m breiter Streifen zu den Gebäuden, wo eine andere Nutzung als Garten nicht möglich ist. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen in Doralt, Kommentar zum EStG RZ 103 zu § 30, wo eine Entscheidung des BMF zitiert wird, derzufolge die Befreiung auch bei größeren Grundstücken gänzlich anzuwenden ist, wenn die 1.000 m2 übersteigenden Flächen nicht allein verwertbar sind und von untergeordneter wertmäßiger Bedeutung sind. Dazu ist anzumerken, dass es sich dabei um eine Entscheidung aus dem Jahre 1997 handelt und mit der neuen Grundstückbesteuerung des § 30 EStG, welche für Grundstücksveräußerungen ab dem anzuwenden ist, nicht im Zusammenhang steht.
Die Berechnung der Einkünfte aus dem Grundstücksverkauf könne bei Grundstücken, soweit diese am nicht steuerverfangen waren, dergestalt erfolgen, dass als Einkünfte der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten angesetzt werden kann. Die auf die Bf entfallende Immobilienertragsteuer (Steuersatz - 25%) in Höhe von EUR 364,21 sei laut Finanzamt wie folgt zu berechnen:
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Veräußerungserlös | EUR 295.000 |
davon entfallend auf Grund und Boden (20%) | EUR 59.000 |
Preis pro m² (1.545 m² lt. Auszug aus dem Grundbuch) | EUR 38,1877 |
Bemessungsgrundlage (545 m² * 38,1877; 1.000 m² als steuerfrei ausgeschieden) | EUR 20.812,30 |
Einkünfte aus Grundstücksveräußerung (14% der BMGL) | EUR 2.913,72 |
davon entfallend auf Bf (da Grundstück im Hälfteeigentum) | EUR 1.456,86 |
Im gegen die BVE erhobenen Vorlageantrag brachte die Bf im Wesentlichen unverändert vor, dass es keine gesetzliche oder durch die Judikatur erarbeitete Grundlage für die flächenmäßige Beschränkung der Hauptwohnsitzbefreiung auf 1.000 m² gebe, sondern dass es sich lediglich um eine Verwaltungsvereinfachung handle, derzufolge bis zu einer Grundstücksgröße von 1.000 m² keine Einzelfallprüfung anzustellen sei. Gegen die vom Finanzamt vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises (80% entfallend auf das Gebäude, 20% entfallend auf Grund und Boden) wurden seitens der Bf keine Einwände erhoben.
Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde am an das Bundesfinanzgericht (in der Folge "BFG") vorgelegt.
Aufgrund Pensionierung des ursprünglich zuständigen Richters wurde die Beschwerde am in die Zuständigkeit der Geschäftsabteilung des Richters ***R*** übertragen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Aus dem elektronisch vorgelegten Akteninhalt, nämlich dem Kaufvertrag vom , dem Grundbuchsauszug der betroffenen Liegenschaft, der übermittelten Luftaufnahme der Liegenschaft aus dem ATLAS Niederösterreich und dem Vorbringen der Bf, lässt sich folgender Sachverhalt feststellen:
Die Bf hat - gemeinsam mit Ihrem Ehegatten - das gegenständliche Grundstück (***GS1***) mittels Kaufvertrag vom erworben und es stand bis zum Verkauf am im 50%igen Eigentum der Bf. Wie sich aus dem Kaufvertrag vom sowie aus dem Grundbuch zweifelsfrei ergibt, weist das Grundstück eine Fläche von 1.545 m² auf (davon 169 m² Gebäude und 1.376 m² Garten). Sowohl die Bf als auch ihr Ehegatte hatten in dem auf der Liegenschaft befindlichen Eigenheim ab Erwerb des Grundstücks bis zum Verkauf ihren Hauptwohnsitz.
Auf der Liegenschaft befindet sich - neben dem Wohngebäude - auch noch ein Nebengebäude. Jener Teil des Grundstücks, der an die anliegenden Grundstücke (GST-NR ***GS2*** und ***GS3***) anschließt, ist - aufgrund der Steilheit des Geländes - lediglich als Garten nutzbar. Gleiches trifft auf die Fläche zwischen den Gebäuden und der an das Grundstück anschließenden Straße zu.
Mit Kaufvertrag vom veräußerten die Ehegatten ihre jeweiligen Hälfteanteile an die Käufer, Herrn ***Erwerber1*** (2/3 der Anteile) und Frau ***Erwerber2*** (1/3 der Anteile). Als Kaufpreis wurde ein Betrag von EUR 295.000 vereinbart.
Hinsichtlich der Berechnung der Bemessungsgrundlage wird auf die vom Finanzamt im Rahmen der BVE angestellte Berechnung verwiesen.
Beweiswürdigung
Die obigen Feststellungen ergeben sich aus den von der Bf vorgelegten Unterlagen (Kaufvertrag vom inklusive Grundbuchsauszug und Luftaufnahme der Liegenschaft aus dem ATLAS Niederösterreich) sowie dem bisherigen Vorbringen der Bf.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Die Bestimmung des § 30 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 lautet auszugsweise:
(1) Private Grundstücksveräußerungen sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte). Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.
(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:
1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer
a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder
b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.
(…)
(4) Soweit Grundstücke am nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte anzusetzen:
(…)
2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.
Die Bestimmung des § 30a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 lautet auszugsweise:
(1) Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 unterliegen einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 2) anzuwenden ist.
Zur Begriffsbestimmung des Eigenheimes knüpft das Gesetz an die Definition des § 18 Abs. 1 Z 3 lit. b EStG 1988 an. Danach ist ein Eigenheim ein Wohnhaus mit nicht mehr als zwei Wohnungen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen.
Der in § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 enthaltene, unbestimmte Begriff des Eigenheims "samt Grund und Boden" bedarf der Auslegung. Nach den Erläuterungen zur Neuregelung der Immobilienbesteuerung mit dem 1. StabG 2012 (1680 BlgNR 24. GP, 8) sind "wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b)" von der Besteuerung ausgenommen, welche zwischen Anschaffung und Veräußerung durchgehend für mindestens zwei Jahre den Hauptwohnsitz des Veräußerers darstellen. Ergänzend soll die Veräußerung auch dann befreit sein, wenn das Objekt dem Veräußerer innerhalb der letzten 10 Jahre für mindestens 5 Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat. Zur Stammfassung des § 30 EStG 1988 wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt, dass die Steuerbefreiung auch für den "Grundanteil bzw. den Grund gelte, der üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist" (621 BlgNR 17. GP, 82).
In welchem Umfang Grund und Boden einer Baulichkeit zuzuordnen sind, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Zusammenhang mit der Entnahme eines gemischt genutzten Gebäudes in seinem Erkenntnis vom , 98/15/0019, beurteilt. Demnach bildet bei einem bebauten Grundstück das Gebäude mit GuB ein einheitliches Wirtschaftsgut. Dabei gehört zum Wirtschaftsgut nicht nur jener Boden, auf dem das Gebäude steht, sondern auch die das Gebäude umgebende Bodenfläche, welche nach der Verkehrsauffassung zusammen mit dem Gebäude als Einheit "bebautes Grundstück" angesehen wird.
Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0025, unmissverständlich ausführt, ist die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 unter Bedachtnahme auf die Gesetzesmaterialien und die bislang ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend auszulegen, dass dem begünstigten Eigenheim "Grund und Boden" in jenem Ausmaß zuzuordnen ist, das "üblicherweise als Bauplatz erforderlich ist". Nur in diesem Ausmaß erstreckt sich die Steuerbefreiung auch auf den mitveräußerten "Grund und Boden". Die Beurteilung, welche Grundstücksgröße üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich ist, erfolgt nach der Verkehrsauffassung.
Die Verkehrsauffassung muss dabei wohl im Sinne einer typisierenden Betrachtung für das gesamte Bundesgebiet gelten, da der VwGH es im obig angeführten Erkenntnis (Ro 2015/15/0025) abgelehnt hatte, eine Anknüpfung an das konkrete Grundstück vorzunehmen (vgl. Wisiak, BFGjournal, 2020, 162ff). Außerdem käme es zu mehr oder weniger willkürlichen Ergebnissen, wenn man die durchschnittliche Grundstücksgröße anhand eines Vergleiches mit der näheren oder entfernteren Umgebung ermitteln würde. Der Großteil der Wohnhäuser, der auf einem "üblichen Bauplatz" steht, dürfte daher mit einem bis zu 1.000 m² großen Grundstück verbunden sein. Größere Grundstücke sollten die Ausnahme bilden, jedoch vorkommen, denn ansonsten hätte die Grenze keinen Sinn.
Zorn (Senatspräsident des VwGH) zieht aus dem VwGH-Erkenntnis Zl. Ro 2015/15/0025 in RdW 2017/258, 328 ff. folgende Schlussfolgerung:
"Die Hauptwohnsitzbefreiung beinhaltet, was die befreite Grundstücksfläche anbelangt, eine Limitierung. Neben der Fläche, auf welcher das Gebäude errichtet ist, erfasst die Befreiung so viel an das Gebäude umgebender Fläche, als üblicherweise (nach der Verkehrsauffassung, wohl unter Einbeziehung der örtlichen Bauvorschriften) als Bauplatz erforderlich ist. Das werden aber wohl keinesfalls mehr als 1000 m² sein."
Auch das BFG hat bereits mehrfach entschieden, dass die Beschränkung der Hauptwohnsitzbefreiung auf Grundstücke von 1.000 m² den Vorgaben des VwGH in Ro 2015/15/0025 entspricht (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , RV/7102316/2015, vom , RV/4100407/2017, vom , RV/2100879/2018 und vom , RV/7101984/2019).
Der erkennende Richter schließt sich in dieser Frage der bislang zu dieser Thematik ergangenen Judikatur des BFG an und betrachtet jenen Teil der Liegenschaft, welcher das Flächenmaß von 1.000 m² überschreitet, als nicht mehr üblicherweise für einen Bauplatz erforderlich. Daher gelangt für diesen Flächenteil die Hauptwohnsitzbefreiung nicht mehr zur Anwendung.
An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass der unbebaute Teil der Liegenschaft - soweit die Grundgrenze zu den Grundstücken ***GS2*** und ***GS3*** betroffen ist - aufgrund der Steilheit des Geländes nur als Garten nutzbar ist. Auch eine in (teilweiser) Hanglage befindliche Bauparzelle kann nach Auffassung des Gerichts nur bis zu einer Grundstücksgröße von maximal 1.000 m² als üblicher Bauplatz gewertet werden. Dass im vorliegenden Fall aufgrund der faktischen Gegebenheiten der gesamte restliche Teil der Parzelle nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen bebaubar wäre, kann schon aufgrund der zusätzlichen Bebauung der Liegenschaft mit einem Nebengebäude nicht angenommen werden. Überdies ändert dies nichts an der Qualifikation eines üblichen Bauplatzes in Bezug auf die Teilfläche von 1.000m². Die Bf räumt im Vorlageantrag zusätzlich selbst ein, dass eine Nutzung der unbebauten Grundstücksflächen (sowohl der steil ansteigende Grundstücksteil wie auch der Grundstücksteil, der sich zwischen Gebäude und Straße befindet) zumindest als Garten und Erholungsfläche möglich ist.
Beim gegenständlichen Grundstück handelt es ich um sogenanntes "Altvermögen", da es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des 1.StabG 2012 zum nicht mehr steuerverfangen war. Ein Grundstück gilt als am nicht (mehr) steuerverfangen im Sinne dieser Bestimmung, wenn an diesem Tag die Spekulationsfrist iSd § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 idF vor dem 1. StabG 2012 abgelaufen war ( mwN). Die zehnjährige Spekulationsfrist im Sinne der letztgenannten Bestimmung war im vorliegenden Fall aufgrund der unstrittigen Anschaffung im Jahr 1999 jedenfalls abgelaufen.
Umgelegt auf den Beschwerdefall bedeutet das:
Die vom Finanzamt vorgenommene Berechnung der Immobilienertragsteuer ist nicht zu beanstanden. Befreit ist die Veräußerung des Gebäudes mit dem Wert von EUR 236.000 (80% des Kaufpreises) und die Veräußerung von 1.000 m² Grund und Boden mit dem Wert von EUR 38.187,70. Vom steuerpflichtigen Veräußerungserlös von EUR 20.812,30 sind gemäß § 30 Abs 4 EStG 1988 fiktive Anschaffungskosten im Ausmaß von 86% des steuerpflichtigen Veräußerungserlöses abzuziehen. Auf den so ermittelten steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von EUR 1.456,86 (50% von EUR 2.913,72) ist der besondere Steuersatz gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2012 iHv 25% anzuwenden, was eine Immobilienertragsteuer von EUR 364,21 ergibt.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung folgt vollinhaltlich dem einschlägigen Erkenntnis des . Eine über die in diesem Erkenntnis entschiedene Rechtsfrage hinausgehende Fragestellung liegt hier nicht vor, weshalb eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 30 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101431.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
YAAAC-31188