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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2022, RV/2101346/2019

Der bloße Verweis auf Rabattvereinbarungen und Geschäftsanalysen stellt keine ausreichenden Wiederaufnahmegründe dar

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Alois Pichler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Porzellangasse 51, 1090 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend

1. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2010
2. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2011
3. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2012
4. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2013
5. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Vorsteuererstattung für den Zeitraum 1-12/2014

Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheid werden - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Weiters hat das Bundesfinanzgericht den Beschluss gefasst:

I. Die Beschwerden gegen die Bescheide im

1. wiederaufgenommenen Verfahren der Vorsteuererstattung für 1-12/2010
2. wiederaufgenommenen Verfahren der Vorsteuererstattung für 1-12/2011
3. wiederaufgenommenen Verfahren der Vorsteuererstattung für 1-12/2012
4. wiederaufgenommenen Verfahren der Vorsteuererstattung für 1-12/2013
5. wiederaufgenommenen Verfahren der Vorsteuererstattung für 1-12/2014

werden als gegenstandslos geworden erklärt.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Wiederaufnahme des Verfahrens

In den angefochtenen Bescheiden verfügte die belangte Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens früherer positiv beschiedener Vorsteuererstattungsverfahren. In ihrer Begründung führte sie aus, es seien Tatsachen neu hervorgekommen, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Weitere Ausführungen sind in diesen Bescheiden nicht enthalten. In der Begründung zu den Sachbescheiden im wiederaufgenommenen Verfahren wird u.a. ausgeführt, seitens der Finanzverwaltung sei nunmehr bekannt geworden, dass es auf Basis von zwischen der Konzernmutter des österreichischen Telekomunternehmens und der Bf. geschlossene Rabattvereinbarungen zu nachträglichen Rabattierungen von Roamingdienstleistungen gekommen sei, wobei der Rabatt über die Konzernmutter verrechnet bzw. weitergeleitet worden sei. Nach Minderung der Bemessungsgrundlage wären die Vorsteuern des Leistungsempfängers zu korrigieren. Weiters verwies die belangte Behörde auf die Umsatzsteuerveranlagungspflicht unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Gewinnzuschlages sowie gewährter Rabatte.

In ihrer Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide bestritt die Beschwerdeführerin (Bf.) das Vorliegen eines Neuerungstatbestandes, weil im jeweiligen Vorsteuererstattungsverfahren an das Finanzamt sämtliche Belege sowie eine Ansässigkeitsbescheinigung im Original vorgelegt worden seien. Es seien somit sämtliche Unterlagen für die Würdigung des Sachverhaltes von Anfang an offengelegt worden. Es sei auch zu keinen weiteren Rückfragen des Finanzamtes gekommen. Die Vorsteuern wurden erstattet.

Was die Begründung hinsichtlich der Rabattvereinbarungen zwischen der Konzernmutter eines österreichischen Telekomunternehmens und der Bf. anlange, werde nicht näher ausgeführt, um welches Unternehmen es sich handelt, wobei über die Rabattvereinbarungen lediglich Mutmaßungen angestellt worden seien. Es gebe auch dazu keine Ausführungen, dass die Bf. in den angeführten Jahren Rabattierungen erhalten habe, welche die Bemessungsgrundlage gemindert hätte. Der bloße Hinweis auf behördliche Ermittlungen genüge nicht als Begründung des angefochtenen Bescheides.

In ihrer Beschwerdevorentscheidung gegen die Wiederaufnahmebescheide führte die belangte Behörde u.a. aus, die Bf. sei ein im Drittland ansässiges Telekommunikationsunternehmen, welches im Finanzamt als Vorsteuer-Erstatter (VO BGBl 1995/279 idgF) geführt werde. Der Umstand, dass im Zuge von Ermittlungen der Betriebsprüfung die Nichtanwendung des Erstattungsverfahrens Rabattzahlungen festgestellt wurden, könne als neue Tatsache angesehen werden und diese Umstände wären im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt gewesen. Die Geschäftsanalyse des Unternehmens bzw. die umsatzsteuerliche Beurteilung hinsichtlich der Besteuerung der Telekommunikationsdienstleistungen der Bf. an ihre Kunden seien Umstände, die im abgeschlossenen Verfahren bisher nicht bekannt gewesen wären. Eine "wesentliche" neue Tatsache, die eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertige, sei, dass sich durch die Prüfung eine Steuerpflicht in Österreich und damit die Anwendung des Umsatzsteuerveranlagungsverfahrens ergebe und die Erstattungs-VO somit nicht mehr Anwendung finde.

In ihrem Vorlageantrag wiederholte die Bf. i.W. ihre bisher vorgebrachten Argumente des Nichtvorhandenseins eines ausreichenden Neuerungstatbestandes und der Hinweis auf Rabattzahlungen in der Beschwerdevorentscheidung sei ein - nach der Judikatur des VwGH - unzulässiges Nachschieben von Gründen, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen.

2. Sachbescheide

In ihren Beschwerden gegen die Sachbescheide bezog sich die Bf. auf die damals zu ihren Gunsten sprechende Judikatur des Bundesfinanzgerichts, die durch die neuere Judikatur des EuGH und VwGH obsolet geworden ist. Nach ihrer Rechtsansicht sei die Telekom-Verordnung zu weit gefasst und aus unionsrechtlicher Sicht auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar.
Ob die Umsätze im Drittland einer vergleichbaren Besteuerung unterliegen, könne aber für die Besteuerung im Inland bzw. im Gemeinschaftsgebiet nicht maßgeblich sein. Die Besteuerung im Gemeinschaftsgebiet bzw. in Österreich wäre danach von Kriterien abhängig, die außerhalb der Regelungshoheit der EU stehen. Warum das Vorliegen einer "vergleichbaren" Besteuerung im Drittland maßgeblich dafür sein soll, ob es zu einer Ortverlagerung in das Gemeinschaftsgebiet kommt oder nicht, sei nicht nachvollziehbar und willkürlich. Im Beschwerdefall liege außerdem keine Nutzung oder Auswertung im Inland vor, da eine solche nur dann vorliege, wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig ist. Dass diese nicht im Inland und auch nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig seien, ist unbestritten. Daher sei davon auszugehen, dass keine Ortsverlagerung der erbrachten Telekommunikationsleistungen in das Inland auf Grund der Telekom-Verordnung stattgefunden haben und daher die Vorsteuererstattung zu gewähren sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung wurden die Beschwerden hinsichtlich aller Zeiträume als unbegründet abgewiesen. Im Einzelnen argumentiert die belangte Behörde wie folgt:

"Dazu wird nunmehr ergänzend ausgeführt, dass ausgehend von Telekommunikationsdienstleistungen, die in Österreich genutzt oder ausgewertet werden und Drittlandsunternehmer, die in Österreich keine Betriebsstätte haben, Folgendes gilt:

Ein Drittlandsunternehmer bekommt (bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen) die Vorsteuer aus der Rechnung des österreichischen Netzbetreibers nur dann im Erstattungsverfahren erstattet, wenn
• der österr. Netzbetreiber seine Telekommunikatonsdienstleistung zu Recht mit österr. USt in Rechnung stellt (d.h. sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft - die VO
BGBl. II Nr. 383/2003 zur Anwendung kommt) und
• der ausländische Unternehmer selbst keine (Telekommunikatonsdienstleistungen in
Österreich erbringt - dh die VO
BGBl. II Nr. 383/2003 nicht zur Anwendung gelangt.

Bei jedem Sachverhalt sind daher zwei Leistungsbeziehungen zu unterscheiden:
1. Die Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer
2. Die Leistungsbeziehung zwischen dem Drittlandsunternehmer und ihren Kunden.


Ad 1. Zur Leistungsbeziehung zwischen dem österr. Netzbetreiber und dem Drittlandsunternehmer:

Hier ist zu untersuchen, ob der österreichische Netzbetreiber seine Rechnung zu Recht mit österr. Umsatzsteuer ausstellt. Die vom österr. Netzbetreiber an den Drittlandsunternehmer erbrachte Telekommunikationsdienstleistung ist grundsätzlich gemäß § 3a Abs. 6 UStG 1994 am Empfängerort im Drittland steuerbar. Wird jedoch diese Telekommunikationsdienstleistung in Österreich genutzt oder ausgewertet, so kommt es zu Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich und der Netzbetreiber hat eine Rechnung mit österr. Umsatzsteuer auszustellen. Sofern der österr. Netzanbieter seine Leistung mit österr. Umsatzsteuer in Rechnung stellt und sich nicht auf das günstigere EU-Recht beruft oder nicht berufen kann, ist das rechtens und die Vorsteuer aus dieser Rechnung (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) abzugsfähig.

Ad 2. Zur Leistungsbeziehung zwischen Drittlandsunternehmer und ihren Kunden:

Hier ist zu untersuchen, ob der Drittlandsunternehmer die Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren erfüllt, insbesondere, ob er selbst Umsätze in Österreich ausgeführt hat oder nicht. Es muss daher untersucht werden, wo die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandsunternehmers an seine Kunden steuerbar ist, zumal in Österreich steuerbare Umsätze das (vereinfachte) Vorsteuererstattungsverfahren grundsätzlich ausschließen.

Zur Feststellung des Leistungsortes wäre als Erstes abzuklären, wer Leistungsempfänger (Unternehmer, Nichtunternehmer) des Drittlandsunternehmers ist und wo diese ihren Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Werden Telekommunikationsdienstleistung an Unternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort ab dem nach § 3a Abs. 6 UStG 1994 (Empfängerort). Wird eine solche Leistung an einen Nichtunternehmer erbracht, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 7 bzw. § 3a Abs. 13 UStG 1994.

Aber unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder ein Nichtunternehmer ist, kommt es zu einer Verlagerung des Leistungsortes nach der VO BGBl II Nr. 383/2003, wenn der Leistungsort dieser Leistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt, dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und im Inland genutzt oder ausgewertet wird.

Sofern daher die vom Drittlands-Telekomunternehmer an seine Kunden erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen nach obigen Bestimmungen im Drittland steuerbar sind, ist in weiterer Folge zu untersuchen, ob die vom Drittlandsunternehmer erbrachte Leistung in Österreich genutzt oder ausgewertet wird. Eine Telekommunikationsdienstleistung wird zB dann in Österreich genutzt, wenn hier telefoniert oder das österr. Telefonnetz genützt wird.

In weiterer Folge ist zu untersuchen, ob diese Leistung des Drittlandsunternehmers im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt.

Eine Nichtbesteuerung iS der Judikatur des VwGH zu den Telekommunikationsdienstleistungen iS der VO BGBl II 383/2003 liegt dann vor, wenn die Telekommunikationsdienstleistung des im Drittland ansässigen Abnehmers dort keiner Steuer unterliegt, die den Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne der Judikatur des EuGH bzw. der RL 2006/112/EG (bzw. 6. EG- RL) hat. Zur Vergleichbarkeit wird die Rechtsansicht vertreten, dass in Analogie zur VwGH-Judikatur ( 2003/15/0059 und 2004/15/0010; und 2002/15/0100 und insbesondere /01044) davon ausgegangen wird, dass Vergleichbarkeit vorliegt, wenn die Umsatzbesteuerung mit der der RL 2006/112/EG vergleichbar ist. Daher ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der in dieser Richtlinie vorgeschriebene Mindeststeuersatz in Höhe von 15% heranzuziehen ist, da innerhalb der EU der Standardsteuersatz gern. Art. 97 RL 2006/112/EG nicht weniger als 15% betragen darf.

Den Nachweis, dass die Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt, hat der Unternehmer zu erbringen. Es gibt jedoch keine gesetzlichen Anforderungen, wie dieser Nachweis auszusehen hat. Für den oa. Nachweis können daher sämtliche Unterlagen/Beweismittel etc. herangezogen werden, durch die der Steuerpflichtige in die Lage versetzt wird, der österreichischen Finanzverwaltung glaubhaft darzulegen, dass die erbrachte Telekommunikationsdienstleistung im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt und dort auch tatsächlich versteuert wurde. Dies kann beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen (vgl. UStR 2000 Rz 363).

Dh, der Nachweis der tatsächlichen Versteuerung ist durch Vorlage entsprechender Unterlagen seitens der zuständigen Finanzverwaltung aus dem Drittland bzw. durch Unterlagen iZm der zuständigen Finanzverwaltung möglich, z.B. Jahreserklärungen mit Unterlagen und Eingangsstempel der drittländischen Finanzverwaltung, Umsatzsteuerbescheide, Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung betreffend die Rechtslage in den streitgegenständlichen Jahren, Bestätigung der drittländischen Finanzverwaltung, dass die Telekommunikationsdienstleistungen der drittländischen Firma XY im Zeitraum von ... bis ... an ihre Kunden, auch wenn diese Kunden im Ausland (Österreich) telefoniert haben, im Drittland tatsächlich versteuert wurden 'beglaubigte Übersetzungen ausländischer Schriftstücke in die Amtssprache Deutsch, vgl. Art. 8(1) BVG.

Nicht ausreichend als Nachweis der tatsächlichen Versteuerung sind Bestätigungen, die nicht von Finanzbehörde stammen bzw. solche, die nicht dem Steuerpflichtigen oder dem streitgegenständlichen Jahr zuordenbar oder bloße Unternehmerbestätigungen sind.

Zusammenfassend zu Punkt I. wird ausgeführt:

Ist die VO BGBl II 383/2003 für die Leistungen eines Drittlandsunternehmers an seine Kunden nicht anwendbar (zB wenn die Leistung nicht in Österreich genutzt oder ausgewertet wird oder wenn sie im Drittland einer vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt), dann hat der Unternehmer keine Umsätze in Österreich und bekommt die Vorsteuer aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers im Erstattungsverfahren erstattet (sofern der Netzbetreiber diese zur Recht mit österr. USt ausgestellt hat - s.o.).

Ist aber davon auszugehen, dass die Telekommunikationsdienstleistung des Drittlandsunternehmers an Leistungsempfänger im Drittland oder an Nichtunternehmer im EU-Raum erbracht und in Österreich genutzt oder ausgewertet wird bzw. diese im Drittland keiner vergleichbaren Umsatzbesteuerung unterliegt, wird der Leistungsort durch die VO BGBl II 383/2003 nach Österreich verlagert. Der Drittlandsunternehmer hat in Österreich steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die das Erstattungsverfahren ausschließen, dh die Umsätze im allgemeinen Umsatzsteuerveranlagungsverfahren zu erklären (§ 21 Abs. 4 UStG 1994) und bekommt auch (nur) dort die Vorsteuern aus der Rechnung des österr. Netzbetreibers.

Art. 59a lit. b der RL 2006/112/EG räumt eine Ermächtigung zur Ortsverlagerung für Telekommunikationsdienstleistungen, die ein drittländischer Steuerpflichtiger an drittländische Nichtsteuerpflichtige erbringt, ein. Art. 59a leg. cit. ist (neben Art. 59b leg. cit) die unionsrechtliche Grundlage für die Telekomverordnung BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 und enthält keine Einschränkung auf Fälle, in denen die Leistungsempfängerin einem Mitgliedstaat ansässig ist (d.h. keine EU-Widrigkeit/keine Berechtigung, sich unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen).

Die VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 (Telekomverordnung) gelangt sohin zur Anwendung (im ggstl. Fall: keine Nachweise/ keine vergleichbare Umsatzbesteuerung im Drittland). Daher sind die Umsätze der Bf. im Inland steuerbar und in weiterer Folge die Voraussetzung für die Erstattung der Vorsteuern nach der VO BGBl. Nr. 279/1995 (Vorsteuererstattungsverordnung) nicht gegeben. …"

Weiters war der Beschwerdevorentscheidung ein Berechnungsblatt der Überprüfungsliste GBP aus 11/2017 angeschlossen, indem die Vorsteuerminderungen aus erhaltenen Rabatten wie folgt aufgelistet wurden:
2010: 0
2011: 1.984,34
2012: 5.864,82
2013: 10.862,22
2014: 0
2015: 299,52
2016: 6.352,92

In ihrem Vorlageantrag führte die Bf. u.a. Folgendes aus:
"…
In Zusammenhang mit der Erbringung von Telekommunikationsdiensten ist zu beachten, dass es gemäß Verordnung des Bundesministeriums für Finanzen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221, grundsätzlich zu einer
Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung ins Inland kommen kann. Dies dann, wenn bei Telekommunikationsdienstleistungen der Ort der Leistung gemäß § 3a UStG (in der bis zum geltenden Fassung) außerhalb des Gemeinschaftsgebietes liegt und die Leistung im Inland genutzt und ausgewertet wird. Nach Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2.06 § 3a Rz 231/2/4, ist, soweit die Verordnung BGBl II 2009/221 undifferenziert auch alle Fälle der Leistung an im Drittland ansässige Abnehmer erfasst, sie durch Art 59 a MwSt-SystRL nicht gedeckt. Die Möglichkeit der Verlagerung des Leistungsortes an den Nutzungs- bzw. Auswertungsort ist nach Ansicht des Rates notwendig, um die Auswirkungen der Steuerumgehung zu bekämpfen, da eine wachsende Anzahl Steuerpflichtiger und Nichtsteuerpflichtiger in der Gemeinschaft Telekommunikationsdienstleistungen von außerhalb der Gemeinschaft in Anspruch nehmen, um die Mehrwertsteuer zu umgehen. Ein Fall dieser angesprochenen Steuerumgehung kann aber nicht vorliegen, wenn Drittlandsunternehmer an im Drittland ansässige Abnehmer leisten. Insoweit findet daher die VO BGBl II 2009/221 keine gemeinschaftliche Stütze in Art 59 a MwSt-SystRL ().

Eine Verlagerung des Leistungsortes auf Basis der Verordnung BGBl II 2009/221 in das Inland kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Leistungsempfänger Nichtunternehmer und in der EU ansässig ist und die Telekommunikationsdienstleistung im Inland genutzt oder ausgewertet wird. Die Auffassung der Finanzverwaltung, dass es generell zu einer Verlagerung des Leistungsortes auf Basis der Verordnung BGBl II 2009/221 in das Inland kommt, wenn die Leistung im Drittland steuerbar wäre, aber im Inland genutzt oder ausgewertet wird, ist wohl nach oa VwGH-Judikatur nicht mehr aufrecht zu halten (vgl. Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON2.06 § 3a Rz. 231/2/5). Auch eine Einschränkung auf jene Fälle, bei denen eine vergleichbare Steuerbelastung im Ausland fehlt, überzeugt nicht und scheint in der MwSt-SystRL keine Deckung zu finden. Nach Art 59b MwSt-SystRL sind die Mitgliedsstaaten nur angehalten, den Leistungsort vom Drittland an den Nutzungs- bzw. Auswertungsort zu verlagern, wenn Telekommunikationsdienstleistungen oder Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen durch einen Drittlandsunternehmer an einen Nichtunternehmer im Gemeinschaftsgebiet erbracht werden (vgl. Bürgler/Pleininger/Six in Berger/Bürgler/KanduthKristen/Wakounig, UStG-ON2.06 § 3a Rz 231/2/5).

Die Richtlinie 2006/112/EG führt demnach an, dass es sich bei der Verlagerung des Leistungsortes grundsätzlich um eine Kann-Vorschrift für die Mitgliedstaaten handelt, und eine Verlagerung nur dann erfolgen soll, wenn im Drittland ansässige Unternehmer Leistungen an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Nichtunternehmer erbringen.
Da alle Kunden der Bf. in einem Drittland ansässig sind, kommt es auf Basis der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 zu keiner Verlagerung des Leistungsortes ins Inland, und zwar unabhängig davon, ob es sich um bei den Abnehmern um Private oder Unternehmer handelt.

Zum Argument der vergleichbaren Steuerbelastung ist auf das VwGH Erkenntnis vom , 2003/15/0059, hinzuweisen. Der VwGH hat darin festgestellt, dass Maßnahmen nach Absatz 3 Buchstabe b) des Artikels 9 der Richtlinie 77/388/EWG (Verlagerung des Leistungsortes vom Drittland in das Inland) auf den Zweck der Vermeidung von Nichtbesteuerungen gestützt sein können. Das hat aber zur Voraussetzung, dass die Dienstleistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegt. Die Regelung der Verordnung BGBl. II 102/1997 stellt nach dem VwGH nicht auf die Frage der Steuerbelastung im Drittland ab und kann daher nicht als Maßnahme zur Vermeidung einer Nichtbesteuerung iSd Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG angesehen werden.
Da auch die Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 nicht auf die Frage der Steuerbelastung im Drittland abstellt findet die Verordnung bei Leistungen von Drittlandsunternehmern an im Drittland ansässige Abnehmer keine gemeinschaftliche Stütze in Art 59 a MwSt-SystRL.
Damit ist im vorliegenden Fall die Vermeidung einer Nichtbesteuerung keine Begründung zur Anwendung der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221.
Darüber hinaus hat der VwGH dazu jedoch in seiner Erkenntnis vom , 2005/15/0104, angeführt, dass - soweit Maßnahmen nach Artikel 9 Absatz 3 der Richtlinie 77/388/EWG getroffen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden - eine Situation vorliegen muss, aufgrund welcher Wettbewerbsverzerrungen bestehen oder eintreten können. Für in der Ermöglichung des Telefonierens bestehende Leistungen an in Drittstaaten ansässige Abnehmer gilt nach der Rechtslage unter Ausblendung der nach Artikel 9 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (also der Verordnung BGBl II 102/1997):
Wird die Leistung von einem österreichischen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs. 9 UStG). Wird die Leistung von einem im Drittland ansässigen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs. 9 UStG).
Wird die Leistung von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmer erbracht, liegt der Leistungsort im Drittland (§ 3a Abs 9 UStG).
Weil sich der Leistungsort hinsichtlich aller Unternehmer, die in Bezug auf die in Rede stehenden Leistungen an im Drittland ansässige Personen zueinander im Wettbewerb stehen können, im Drittland befindet, darf die Regelung betreffend den Leistungsort nicht die Grundlage für die Wettbewerbsverzerrung darstellen. Den Ort für Leistungen an im Drittland ansässige Abnehmer in das Gemeinschaftsgebiet zu verlagern, dient daher nach Ansicht des VwGH nicht der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.

Nach
Art 59b der Richtlinie 2006/112/EG soll es, wie bereits oben angeführt zu einer Verlagerung des Leistungsortes nur dann kommen, wenn Telekommunikationsdienstleistungen von einem in einem Drittland ansässigen Steuerpflichtigen an in der Gemeinschaft ansässige Private erbracht werden, womit die vom VwGH zur Richtlinie 77/388/EWG angestellten Überlegungen auch für das Jahr 2014 gelten.
Es liegt daher im Falle der Bf. auch keine Wettbewerbsverzerrung vor, womit es auch aus diesem Grund zu keiner Verlagerung des Leistungsortes nach Österreich auf Grund der Verordnung BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221 kommt.
…"

In der mündlichen Verhandlung ist die Bf. nicht erschienen. Die Vertreterin der belangten Behörde verwies auf ihre bisherigen Ausführungen und beantragte die Abweisung der Beschwerden wie im Verfahren RV/2100410/2019 vom .

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem oa. Verfahrensgang. Auf Grund der Telekom-Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom , geteilt.
Ausgehend von dieser Rechtsansicht wäre daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen gewesen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.
Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren unbestritten Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die mit antragsgemäßen Bescheiden erstattet wurden.

Hierzu ist festzustellen, dass die in den angefochtenen Bescheiden erwähnten Rabatte im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch gar nicht bekannt waren, da sich in den wiederaufgenommenen Bescheiden hierzu keine Änderungen gegenüber den ursprünglichen Erstattungsbescheiden fanden. Die Äußerung einer vermeintlich festzustellenden Tatsache stellt noch keinen ausreichenden Wiederaufnahmegrund dar. Sie indiziert lediglich, dass Gutschriften, Rabatte möglicherweise stattgefunden hätten. Damit stellt die belangte Behörde lediglich einen allfälligen Erhebungsbedarf fest.

Beispielsweise konnten nach Erlassung der angefochtenen Bescheide für die Kalenderjahre 2010-2014 lediglich Vorsteuerminderungen von 2010: 0; 2011: 1.984,34; 2012: 5.864,82; 2013: 10.862,22; 2014: 0; aus Rabatten (Entgeltsminderungen) ins Treffen geführt werden.

Beweiswürdigung

Bereits aus den seinerzeit eingereichten Rechnungen kann unschwer auf einen inländischen Leistungsort und damit auf die Unzulässigkeit des Erstattungsverfahrens indiziell geschlossen werden. Daraus ist zu erkennen, dass die Kunden der Bf. im Inland telefoniert haben. Somit war der belangten Behörde bekannt, dass die Bf. aus der Ermöglichung des Telefonierens im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt hat. Trotz dieses ein Vorsteuererstattungsverfahrens hindernden Umstandes (kurz zusammengefasst: Erzielen von steuerpflichtigen Umsätzen) wurden Vorsteuererstattungen gewährt. In den angefochtenen Bescheiden wurden keine neuen Tatsachen aufgezeigt, sondern lediglich eine andere rechtliche Beurteilung vorgenommen.
Was die Vorsteuerminderungen aus erhaltenen Rabatten anlangt, ist festzuhalten, dass diese erst im November 2017 (nach Erlassung der angefochtenen Bescheide) ermittelt wurden. Dies geht aus dem der Beschwerdevorentscheidung beigeschlossenen Berechnungsblatt hervor.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsquellen:

§ 303 BAO:
(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
(2) …
[BGBl I 2013/14]

§ 307 BAO:
(1) Mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid ist unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(2) (aufgehoben durch BGBl I 2002/97)
(3) Durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.
[BGBl I 2009/20]

§ 3a UStG 1994 (bis BGBl. I 40/2014) lautet:

(13) Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;
b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.
(14) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:
1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;
2. die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen;
3. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
4. die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
5. die Datenverarbeitung;
6. die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen;
7. die sonstigen Leistungen der in § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis i und Z 9 lit. c bezeichneten Art;
8. die Gestellung von Personal;
9. der Verzicht, ein in diesem Absatz bezeichnetes Recht wahrzunehmen;
10. der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben;
11. die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel;
12. die Telekommunikationsdienste;
13. die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen;
14. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;
15. die Gewährung des Zugangs zu einem Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder zu einem an ein solches Netz angeschlossenes Netz, zum Elektrizitätsnetz oder zu Wärme- oder Kältenetzen sowie die Fernleitung, Übertragung oder Verteilung über diese Netze und die Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen.
(15) Erbringt ein Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt,
1. die Vermietung von Beförderungsmitteln oder
2. eine sonstige Leistung, die im Abs. 14 Z 1 bis 13 und 15 bezeichnet ist, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, mit Sitz im Inland, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte ausgeführt wird.
(16) Der Bundesminister für Finanzen kann, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 6, 7, 12 oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach
1. statt im Inland als im Drittlandsgebiet gelegen und
2. statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen
behandelt werden. Das gilt nicht für Leistungen im Sinne des Abs. 14 Z 14, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, der keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221:

Auf Grund des § 3a Abs. 10 Z 13 und 14 sowie Abs. 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 wird verordnet:

§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
§ 2. Als Telekommunikationsdienste gelten solche Dienstleistungen, mit denen Übertragung, Ausstrahlung oder Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien gewährleistet werden; dazu gehören auch die Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang.
§ 3. (1) Die Verordnung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(2) Die
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten, BGBl. II Nr. 102/1997, ist nicht mehr auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(3) § 1 in der Fassung der Verordnung
BGBl. II Nr. 221/2009 ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden.

Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)
Rz 643:
Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen,
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für sie günstigere EU-Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Beispiel:
Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich. Die Telekommunikationsdienstleistung unterliegt im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung.
Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß
§ 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 13 lit. a oder Abs. 7 UStG 1994) jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich."

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Auf Grund der oa. Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch vom , geteilt.

Ausgehend von dieser Rechtsansicht ist daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren ausgeschlossen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.

Die Bf. hat in den seinerzeitigen Erstattungsverfahren entsprechende Rechnungen inländischer Telekommunikationsunternehmen betreffend im Inland erbrachte Roamingleistungen zur Vorsteuererstattung eingereicht, die nach den Ausführungen der Außenprüfung auch mit entsprechenden Bescheiden erstattet wurden.

Bereits aus den Rechnungen über die verrechneten Roaminggebühren der inländischen Telekombetreiber kann unschwer geschlossen werden, dass die Kunden der Bf. im Inland telefoniert haben. Somit war in rechtlicher Hinsicht der Sachverhalt der belangten Behörde ausreichend bekannt. Damit lag in rechtlicher Hinsicht die die Unzulässigkeit des Erstattungsverfahrens auf der Hand. Somit war der belangten Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht bekannt, dass die Bf. aus der Ermöglichung des Telefonierens im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erzielt hat. Trotz dieses ein Vorsteuererstattungsverfahren hindernden Umstandes (kurz zusammengefasst: Erzielen von steuerpflichtigen Umsätzen) wurden Vorsteuererstattungen gewährt. Damit wurde in den Wiederaufnahmebescheiden keine neue Tatsache aufgezeigt.

Das Anführen von allfälligen gewährten Rabatten, ohne diese in den angefochtenen Bescheiden zu quantifizieren, stellt keinen ausreichenden Wiederaufnahmegrund dar. Welche Rabattgutschriften dies im Detail seien, ist in den angefochtenen Bescheiden einschließlich Sachbescheiden nicht zu entnehmen. Die bloße Kenntnis der Behörde von möglichen nicht konkret festgestellten Rabatten bietet noch keinen ausreichenden Grund eine Wiederaufnahme des Erstattungsverfahrens zu verfügen, ohne gleichzeitig die Höhe der vorzunehmenden Berichtigungen zu nennen. M.a.W. wird die Wiederaufnahme des Verfahrens mit später zu erwarteten Feststellungen (abgabenbehördliche Auswertungen) in Bezug auf das Vorsteuervolumen (Rabatte) begründet. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass es für jeden Wiederaufnahmebescheid einen begründeten Wiederaufnahmegrund bedurft hätte. Das der Beschwerdevorentscheidung beigefügte Berechnungsblatt über Vorsteuerminderungen aus Rabatte stellt ein versuchtes Nachholen von zur Zeit der Erlassung der angefochtenen Bescheide nicht ausreichend festgestellter Wiederaufnahmegründe dar. Abgesehen davon könnte man damit für die Jahre 2010 und 2014 keine Wiederaufnahme begründen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH gehört der maßgebliche Wiederaufnahmetatbestand in den Spruch des Bescheides (; , 90/13/0027; , 91/14/0165; , 96/16/0135). Lässt der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen, so ist die Begründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen. Entsprechend der Judikatur des VwGH () erscheint es ausreichend, dass der Wiederaufnahmetatbestand dem Betriebsprüfungsbericht zu entnehmen ist. Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung anzuführen. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil nach der Judikatur des VwGH (; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188) sich die Rechtsmittelbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Rechtsmittels auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann (Verbot des Nachschiebens von Wiederaufnahmegründen im Rechtsmittelverfahren). "Neue" Wiederaufnahmegründe könnten (nach der Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes) neuerlich zu einer Verfügung der Wiederaufnahme durch die Abgabenbehörde führen. Eine zweite Wiederaufnahme kann sich nicht auf denselben Wiederaufnahmegrund wie die erste, gescheiterte Wiederaufnahme stützen (vgl ). Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die für Beschwerdevorentscheidungen bestehende Änderungsbefugnis (§ 263 Abs. 1) ident ist mit jener für Erkenntnisse (§ 279 Abs. 3). Weiters ist im Beschwerdeverfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (und nicht über jene der Beschwerdevorentscheidung) zu entscheiden.

Die Begründung von Verfügungen der Wiederaufnahme hat nicht nur (je Bescheid) die entsprechenden Wiederaufnahmegründe anzugeben, sondern auch die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgebenden Tatsachen und Beweismittel darzustellen ().

Die Wiederaufnahme eines Abgabenverfahrens führt zur gänzlichen Beseitigung jenes Bescheides, der das wiederaufgenommene Verfahren seinerzeit zum Abschluss gebracht hat. Der frühere Bescheid tritt durch eine (erfolgreiche) Wiederaufnahme des Verfahrens zur Gänze außer Kraft (). Der Wiederaufnahmebescheid und der neue Sachbescheid sind zwei getrennt () zu beurteilende Bescheide, die jeder für sich einer Bescheidbeschwerde zugänglich sind bzw. der Rechtskraft teilhaftig werden können (; , 2000/14/0142; , 2006/15/0367; , 2007/15/0041; ).

Zu Spruchpunkt I. (Gegenstandsloserklärung)

Mit oa. Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wurde den Beschwerden gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens Folge gegeben und die Wiederaufnahmebescheide aufgehoben.

Nach § 307 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat.

§ 261 BAO lautet:

(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§278) als gegenstandslos zu erklären, wenn dem Beschwerdebegehren Rechnung getragen wird
a) in einem an die Stelle des angefochtenen Bescheides tretenden Bescheid oder
b) in einem den angefochtenen Bescheid abändernden oder aufhebenden Bescheid.
(2) Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung (§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Vor diesem Hintergrund scheidet durch die Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide betreffend das Verfahren hinsichtlich der im Spruch bezeichneten Vorsteuererstattung ex lege der neue Sachbescheid aus dem Rechtsbestand aus und der alte Sachbescheid lebt wieder auf (, ). Die Beschwerden gegen die neu erlassenen Sachbescheide waren daher im Sinne des § 261 BAO als gegenstandslos zu erklären.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Feststellung fehlender Wiederaufnahmegründe sowie die Gegenstandloserklärung von Bescheiden sind keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.

Graz, am

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