Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2022, RV/7100408/2022

Verkauf einer unterpreisig erworbenen Forderung und Verkauf zum Nominale - Vermögenszuwachsbesteuerung nach § 27 Abs. 3 EStG

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/13/0010.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7100408/2022-RS1
§ 27 Abs. 3 EStG 1988 idgF sieht eine Vermögenszuwachsbesteuerung für Kapitalerträge iSd Abs 2 leg. cit vor. § 27 Abs. 2 Z 2 idgF entspricht inhaltlich § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF vor Budgetbegleitgesetz 2011. Zu dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof judiziert, dass im Fall eine Forderung deshalb unter dem Nominale gekauft wird, weil sie notleidend bzw. risikobehaftet ist und sie dann im Privatvermögen zur Gänze eingeht, dieser wirtschaftliche Vorteil nicht von der Einkommensteuer erfasst ist. Ein anderer Fall läge nur dann vor, wenn die Forderung bloß im Hinblick auf ihre spätere Fälligkeit um einen Abzinsungsbetrag billiger erworben würde; in einem solchen Fall würde der Zessionar Einkünfte aus Kapitalvermögen (, 0091; , 2008/15/0241). Diese Erkenntnisse sind wegen der inhaltlichen unverändert gebliebenen Bestimmungen auch für die Rechtslage ab Budgetbegleitgesetz 2011 einschlägig. Wird eine risikobehaftete Forderung unter Nominale erworben und geht sie im Privatvermögen zur Gänze ein, fällt dieser Vorgang nur dann unter die Vermögenszuwachsbesteuerung des § 27 Abs. 3 EStG 1988, wenn die Kapitalforderung zinstragend bzw. abgezinst und daher von § 27 Abs. 2 Z 2 EStG erfasst war.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Krafft in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Aufhebung nach § 299 BAO (ESt 2019) und Einkommensteuerbescheid 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

***Bf1*** (Beschwerdeführer, Bf.) übermittelte der belangten Behörde (FAÖ) am die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 sowie einen Schriftsatz, in welchem er einen im Veranlagungszeitraum gelegenen Sachverhalt wie folgt darstellte:

Mit Gesellschaftsvertrag vom wurde die ***1*** eins GmbH & Co KG (***1***) gegründet und am mit FN ***2*** im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien eingetragen. Der Bf ist als Kommanditist mit einer Kapitaleinlage von EUR 10.000,00 zu einem Drittel an der Gesellschaft beteiligt. Die Kapitaleinlagen betragen insgesamt EUR 30.000,00.

Mit Vereinbarung vom hat ***1*** von ***3*** Forderungen gegenüber der ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von EUR 1.679.190,00 zu einem Kaufpreis von EUR 208.334,26 erworben und Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv EUR 7.328.042,46 übernommen.

Mit Vereinbarung vom hat ***1*** von der ***5*** V.a.G. Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von EUR 72.223,23 zu einem Kaufpreis von EUR 8.560,42 erworben und Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv EUR 315.185,35 übernommen.

Mit Vereinbarung vom hat ***1*** von der ***6*** AG Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von EUR 144.446,45 zu einem Kaufpreis von EUR 18.609,58 erworben und Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv EUR 630.369,12 übernommen.

Mit Vereinbarung vom hat ***1*** von der ***7*** AG Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von EUR 216.669,68 zu einem Kaufpreis von EUR 26.797,80 erworben und Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv EUR 945.554,47 übernommen.

Mit Vereinbarung vom hat ***1*** von der ***8*** Private Equity Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von EUR 361.116,13 zu einem Kaufpreis von EUR 42.802,04 erworben und Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv EUR 1.575.923,93 übernommen.

***1a*** Consulting GmbH hatte die o.g. Forderungen unter aufschiebenden Bedingungen und insbesondere nur in jenem Umfang zu befriedigen, als ***4***-GmbH aus einem Verkauf von Geschäftsanteilen an der ***9*** Group GmbH und nach Abrechnung mit allen anderen, teilweise bevorrechtigten Gesellschaftern, einen positive Verkaufserlös erzielt. Zum Zeitpunkt der o.g. Forderungsabtretungen war hochgradig ungewiss, ob überhaupt ein Verkaufserlös erzielt werden wird, weshalb die Forderungsverkäufer (auch unter Freistellungen von übernommenen Haftungen) bereit waren, die Forderungen unter dem Nominale abzutreten.

Im Oktober 2019 wurden die Geschäftsanteile an der ***9*** Group GmbH von ***4***-GmbH rechtswirksam veräußert, wobei ein Verkaufserlös erzielt wurde, weshalb ***1a*** Consulting GmbH zur Zahlung der Forderungen verpflichtet war.

Es folgt die zahlenmäßig Darstellung aus welchen anteilige Anschaffungskosten des Bf. von 101.959,42 € und ein anteiliger Veräußerungserlös des Bf. von 1.245.382,58 € ersichtlich sind

Nach Ansicht des Bf. handle es sich bei ***1*** um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft. Da ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt werden, habe eine einheitliche und gesonderte Einkünftefeststellung zu unterbleiben (vgl EStR Rz 6023). Das Vermögen und die Einkünfte seien ertragsteuerlich anteilig direkt den Gesellschaftern zuzurechnen. Die Forderungen seien daher ertragsteuerlich anteilig direkt vom Bf. erworben. Werde, wie im gegenständlichen Fall, eine unverzinsliche Forderung unter Nominale erworben, weil sie notleidend sei, unterliege die Forderungseinziehung nicht § 27 Abs. 3 EStG 1988, weil die Forderung keine laufenden Kapitalerträge erzielt. Nach der Judikatur des VwGH stelle die Einziehung einer notleidenden Forderung nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist des § 31 Abs. 1 EStG 1988 im außerbetrieblichen Bereich keinen steuerbaren Vorgang dar ().

Der Einkommsteuerbescheid 2019 (E 2019) erging am erklärungsgemäß. Der Bescheid wurde elektronisch in die Databox zugestellt.

Mit Ergänzungsersuchen vom übermittelte das FAÖ im Rahmen einer Nachbescheidkontrolle dem Bf. einen Fragenvorhalt und ersuchte nach Wiederholung des Sachverhalts um die Beantwortung folgender Fragen:

Aus welchen Gründen wurden von Ihnen aus den geschilderten Umständen keine entsprechenden Einkünfte in der Einkommensteuererklärung 2019 offengelegt?

Erzielt die ***1*** aus Ihrer Sicht gewerbliche Einkünfte oder ist diese bloß vermögensverwaltend tätig?

Welche wirtschaftlichen Umstände begründen die unter der Bezeichnung "Kaufpreisanpassung Forderungen" an die ***1*** getätigten Zahlungen über das Nominale der erworbenen Forderungen hinaus?

Wie hoch sind Ihre Einkünfte aus den geschilderten Umständen und ergänzen Sie bitte diesbezüglich Ihre Einkommensteuererklärung 2019.

Der Bf beantwortete das Ergänzungsersuchen mit Schriftsatz vom wie folgt:

Zur ersten Frage verwies der Bf. auf bzw. wiederholte sein Vorbringen aus sein/em Schreiben vom in welchem er seine ertragssteuerliche Beurteilung des Sachverhalts dargestellt hatte.

Zur zweiten Frage führte der Bf. dar, dass das Vermögen und die Tätigkeit der ***1*** eins GmbH & Co KG (***1***) nur aus dem Erwerb und der Einlösung von Forderungen bestanden habe. Daher handle es sich bei der ***1*** zweifellos um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft. Am sei bei dem damals zuständigen FA Wien 9/18/19 die Aufnahme der Tätigkeit der ***1*** angezeigt worden. Dabei sei die Tätigkeit wie folgt beschrieben worden:

Die ***1*** eins GmbH & Co KG wird Vermögensgegenstände erwerben und Vermögen veranlagen und sonst nicht unternehmerisch tätig werden…... Daher hat eine einheitliche und gesonderte Einkünftefeststellung zu unterbleiben (vgl EStR Rz 6023). Das Vermögen und die Einkünfte sind anteilig direkt den Gesellschaftern zuzurechnen.

Im Formular Verf 16 vom sei unter "(Genaue) Bezeichnung der ausgeübten Geschäftstätigkeit" angegeben:

Vermögensgegenstände erwerben und Vermögen veranlagen und sonst nicht unternehmerisch tätig werden.

Zur dritten Frage wird ausgeführt, dass mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom die ***1a*** Consulting GmbH ("***1a***") sämtliche Anteile an der ***4***-GmbH ("***4***") übernommen habe. Der Gesamtkaufpreis teilte sich in einen fixen Kaufpreis iHv EUR 70.000,- (entsprach dem Stammkapital der ***4***) und einen variablen Kaufpreis. Der fixe Kaufpreis wäre umgehend zu zahlen gewesen, er variable Kaufpreis sei wurde bis zum Zahlungseingang des Verkaufserlöses der letzten verblieben Minderheitsbeteiligung von ***4*** an der ***9*** Group GmbH ("***9***") gestundet, nicht verzinst und habe die gegenständlichen Forderungen ("FORDERUNGEN") begründet. Die bei einem Verkauf von ***9*** realisierten Wertminderungen oder Wertsteigerungen gegenüber dem variablen Kaufpreis sollten über eine Kaufpreisanpassung nach oben oder unten abgebildet werden, welche wirtschaftlich einem Abschlag bzw. Zuschlag zu den FORDERUNGEN entsprochen hätten.

Die Verkäufer der ***4***-Anteile sollten über diesen Mechanismus genau jene Rückflüsse erzielen, die sie bei einer aufrechten Beteiligung an ***4*** auch gehabt hätten. Bei der Beteiligung an der ***9*** gäbe es keinerlei laufende Erträge oder Ausschüttungen und wirtschaftlich würden die FORDERUNGEN die Kapitalrückflüsse aus dem nicht absehbaren zukünftigen Verkauf dieser Beteiligung abbilden.

Im Schriftsatz folgt eine umfangreiche Darstellung der historischen Entwicklung.

Zur vierten Frage wird nochmals auf den Schriftsatz vom verwiesen in welchem die Höhe der Zuflüsse aus der Forderungseinziehung enthalten sei. Die Aufnahme in die Einkommensteuererklärung 2019 sei aus den dort dargestellten Gründen nicht erfolgt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hob das FAÖ den Einkommensteuerbescheid 2019 vom gemäß § 299 BAO auf. Die Begründung dieses Bescheides gibt lediglich den Gesetzeswortlaut wieder. Ausführungen zum Ermessensübung können der Begründung dieses Bescheides nicht entnommen werden.

Mit gleichem Datum () erließ das FAÖ zudem einen neuen Einkommensteuerbescheid 2019, in welchem sie Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von EUR 1.143.423,16, auf die ein besonderer Steuersatz nicht anwendbar ist, zum Ansatz brachte.

Die Begründung des neuen Einkommensteuerbescheids 2019 vom enthielt Ausführungen zum Sonderausgabenviertel sowie einen Hinweis auf eine gesondert ergehende Begründung. Weiters sei die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen gewesen. Aus der "Begründung des Sachbescheides" ergebe sich eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Bescheides, welche nicht bloß geringfügige Auswirkungen habe (Anm. des Gerichts: Dieser Textbaustein wurde irrtümlich nicht im Aufhebungsbescheid sondern im neuen Sachbescheid angedruckt). Die Zustellung beider Bescheide erfolgte am mit Zustellnachweis.

Die gesonderte Begründung wurde am (Anm des Gerichts: bereits am war Beschwerde erhoben worden) ausgefertigt und lautet wie folgt:

Die durch das Budgetbegleitgesetz 2011-2014 (BBG 2011) erfolgte Neufassung des § 27 EStG

hatte laut den zugehörigen Erläuternden Bemerkungen zur diesbezüglichen Regierungsvorlage die Zielsetzung, künftig Substanzgewinne aus Finanzvermögen unabhängig von Behaltedauer oder Beteiligungshöhe zur Einkommensteuer zu erfassen, wobei unter dem im § 27Abs 3 verwendeten Oberbegriff "realisierte Wertsteigerungen" die Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und der sonstigen Abschichtung von Kapitalvermögen erfasst werden. Zur gesetzlichen Definition des im § 27 EStG verwendeten Begriff "Kapitalvermögen" verweist Abs. 3 leg.cit. auf dessen Abs. 2. Dort werden neben Anteilen an Kapitalgesellschaften vor allem "Kapitalforderungen jeder Art" als "Kapitalvermögen" definiert.
So wie auch das Halten von Anteilen aus Kapitalgesellschaften nicht zwangsläufig und wesensbestimmend mit dem Bezug von Erträgnissen (Dividenden, Gewinnausschüttungen etc.) verbunden ist (dazu bedarf es stets gesellschaftsrechtlicher Akte wie etwa einen Vorstandsbeschluss und einen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter sowie des faktischen Vorhandenseins entsprechender Liquidität), ist eine Kapitalforderung auch dann eine Kapitalforderung, wenn keine Verzinsung vereinbart wurde, eine solche ausdrücklich ausgeschlossen wurde oder tatsächlich mangels Liquidität des Schuldners (vereinbarte) Zinsen bisher nichtgeflossen sind.
In Bezug auf das Ziel der Reform der Besteuerung des Kapitalvermögens ist daher unmaßgeblich, ob eine Kapitalforderung Sinne von § 27Abs 2 Z2 EStG idF nach dem BBG 2011 in concreto Zinsen oder andere Erträgnisse abgeworfen hat oder abwerfen wird oder aus anderen Umständen faktischer Art (fehlende Liquidität des Schuldners) bzw. wegen des auf Zinsenlosigkeit gerichteten Vertragswillens eben keine Erträgnisse abgeworfen werden. Wesentlich ist, dass aus Kapitalvermögen Wertsteigerungen realisiert werden. Nichts anderes normiert Abs. 3 leg.cit., indem die Norm auf Wirtschaftsgüter verweist, deren Erträge Einkünfte iSv Abs 2 leg.cit. sind. Die Bedeutung, dass ein Wirtschaftsgut nur dann Kapitalvermögen ist, wenn es in concreto selbst Erträgnisse abwirft, ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen und würde dem eingangs dargelegten Normzweck zuwiderlaufen und sogar eine sachlich nichtgerechtfertigte Ungleichbehandlung realisierter Wertsteigerungen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft sowie von verbrieften zinsenlosen Kapitalforderungen (Nullkuponanleihen) einerseits und von privat gehaltenen nicht verbrieften Kapitalforderungen andererseits herbeiführen. Somit differenziert die Finanzverwaltung, wie auch vom steuerlichen Vertreter in der Beilage zur Einkommensteuererklärung 2019 dargelegt, tatsächlich nicht zwischen verzinslichen und unverzinslichen Kapitalforderungen bei der Beurteilung, ob diese Kapitalvermögen im Sinne von Abs 3 leg.cit. darstellen, die "diesbezügliche VwGH-Judikatur" ist deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sowie vom , 2006/13/0088 sich auf Basis der alten Rechtslage lediglich mit der Frage zu beschäftigen hatten, ob Erträgnisse des Kapitalstammes selbst vorliegen, weil bis zum BBG 2011 Vorgänge in der Vermögenssphäre beim Kapitalvermögen nicht im Rahmen des § 27 EStG tatbestandsmäßig waren. Die vom steuerlichen Vertreter zitierten Kommentarmeinungen sind diesbezüglich unpräzise und missverständlich. Sie lassen daher für den Rechtsstandpunkt der steuerlichen Vertretung nichts gewinnen.
Die bisherige Nichtbesteuerung der Unterschiedsbeträge zwischen Anschaffungskosten und Erlösen der verfahrensgegenständlichen Forderungen ist rechtswidrig.

Der Bf. erhob am nach Fristverlängerung und vor Zugang der ergänzenden Begründung des Sachbescheides Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid und den neuen Einkommensteuerbescheid 2019. Er beantragte gemäß § 262 Abs. 2 BAO das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (BVE), die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie die Entscheidung durch den Senat.

Der Aufhebungsbescheid werde im gesamten Umfang angefochten und seine ersatzlose Aufhebung beantragt.

Begründend führt der Bf. in der Beschwerde aus, dass dem Aufhebungsbescheid nach § 299 BAO mit Ausnahme des Gesetzestextes keine Begründung zu entnehmen sei. Diese sei offenbar irrtümlich im elektronisch ausgefertigten Begründungsteil des neuen Einkommensteuerbescheides aufgedruckt. Schon wegen der fehlenden Begründung der Ermessensübung sei der Aufhebungsbescheid rechtswidrig.

Inhaltlich führt der Bf. aus, dass eine Aufhebung nicht hätte stattfinden dürfen, da sich der Spruch des aufgehobenen Einkommensteuerbescheides 2019 vom nicht als "nicht richtig" erwiesen habe, was aber Voraussetzung für dessen Behebung bilde.

Die streitgegenständlichen Überschüsse aus der Veräußerung der vom Bf. erworbenen Forderungen würden keine Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen, sondern es handle sich um nicht steuerbare Erträge im außerbetrieblichen Bereich der Einkunftserzielung. Die nähere Begründung entspricht dem bisherigen Vorbringen im Schriftsatz vom und den rechtlichen Ausführungen in der Vorhaltsbeantwortung.

Die Einziehung einer notleidenden, unter dem Nennwert angeschafften unverzinslichen Forderung im Privatvermögen sei nicht im Rahmen des § 27 EStG steuerbar. Dieser Vorgang könnte nur dann steuerbar sein, wenn die Voraussetzungen des § 31 EStG erfüllt seien. Da im verfahrensgegenständlichen Sachverhalt die einjährige Spekulationsfrist gemäß § 31 Abs 1 EStG bereits abgelaufens sei ergebe sich auch keine Steuerbarkeit im Rahmen des § 29 EStG 1988.

Die Nichterfassung der Einkünfte in der Steuererklärung 2019 und die erfolgte antragsgemäßen Veranlagung mit Einkommensteuerscheid 2019 vom sei daher inhaltlich richtig gewesen.

Am legte das FAÖ die Beschwerde gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 Abs 1 BAO und gegen den neuen Einkommensteuerbescheid 2019 vom dem Bundesfinanzgericht ohne vorherige Erlassung einer BVE zur Entscheidung vor.

Mit Schreiben vom zog der Bf. den Antrag auf mündliche Verhandlung, mit Schreiben vom den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die ***1*** eins GmbH & Co KG (im Weiteren "***1***") wurde mit Gesellschaftsvertrag vom gegründet und am zur FN ***2*** im Firmenbuch eingetragen. Der Bf. war von der Gründung bis zur Löschung aus dem Firmenbuch am als Kommanditist der ***1*** mit einer Haftungssumme iHv 10.000 € eingetragen. Der Geschäftszweig der ***1*** wurde mit "Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen" angegeben. Aufgrund der - auch vom Finanzamt Wien 9/18/19 nunmehr FAÖ als gegebenen angesehenen - rein vermögensverwaltenden Tätigkeit der ***1*** wurde durch das zuständige Finanzamt kein Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO durchgeführt.

Mit Vereinbarung vom erwarb die ***1*** von der ***3*** Forderungen gegenüber der ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von 1.679.190,00 € zu einem Kaufpreis von 208.334,26 € und übernahm Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv 7.328.042,46 €.

Mit Vereinbarung vom erwarb die ***1*** von der ***5*** V.a.G. Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von 72.223,23 € zu einem Kaufpreis von 8.560,42 € und übernahm Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv EUR 315.185,35.

Mit Vereinbarung vom erwarb die ***1*** von der ***6*** AG Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von 144.446,45 € zu einem Kaufpreis von 18.609,58 € und übernahm Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv 630.369,12 €.

Mit Vereinbarung vom erwarb die ***1*** von der ***7*** AG Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von 216.669,68 € zu einem Kaufpreis von 26.797,80 € und übernahm Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv 945.554,47 €.

Mit Vereinbarung vom erwarb die ***1*** von der ***8*** Private Equity Forderungen gegen die ***1a*** Consulting GmbH im Nominale von 361.116,13 € zu einem Kaufpreis von 42.802,04 € und übernahm Haftungen gegenüber der ***4***-GmbH iHv 1.575.923,93 €.

Die erworbenen Forderungen waren aufschiebend mit dem Verkauf von Geschäftsanteilen an der ***9*** Group GmbH durch die ***4***-GmbH bedingt. Der tatsächliche Umfang der Befriedigung der Forderungen richtete sich nach dem aus der Veräußerung der Geschäftsanteile erzielten Erlös nach Abrechnung mit allen anderen, teilweise bevorrechtigten Gesellschaftern.

Eine Verzinsung der von der ***1*** übernommenen Forderungen war nicht vereinbart.

Die Veräußerung der Geschäftsanteile an der ***9*** Group GmbH durch ***4***-GmbH erfolgte im Oktober 2019, wobei ein Verkaufserlös erzielt werden konnte, der zur Erfüllung der Forderungen durch die ***1a*** Consulting GmbH gegenüber der ***1*** führte. Die in diesem Zusammenhang relevanten Beträge (jeweils in €) lauten wie folgt:

[...]

Der Bf. nahm den im Wege der ***1*** anteilig lukrierten und ihm direkt zuordenbaren Forderungserlös nicht in seine am eingebrachte Einkommensteuererklärung 2019 auf. Mit einem die Einkommensteuer ergänzenden Schriftsatz vom brachte er der Abgabenbehörde den Sachverhalt zur Kenntnis.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zum Inhalt der Bescheidbegründungen ergaben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

Die Feststellungen zur ***1*** wurden auf Grundlage des unbestrittenen Vorbringens des Bf., sowie der Eintragungen im Firmenbuch getroffen. Die Feststellungen hinsichtlich der Forderungen, deren rechtliche Ausgestaltung und die Konditionen der Veräußerung erfolgten auf Grundlage des Vorbringens des Bf. und sind in diesem Beschwerdeverfahren nicht strittig. Strittig ist ausschließlich die ertragssteuerliche Behandlung der erfolgten Forderungsveräußerung.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Nach § 2 Abs. 3 EStG 1988 unterliegen nur die dort in den Z 1 bis Z 7 abschließend aufgezählten - in den §§ 21 bis 29 EStG näher definierten - Einkünfte der sachlichen Einkommensteuer-pflicht.

Gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich Nullkuponanleihen).

Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 umfassen Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kapitalforderungen jeder Art, beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Bankwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes, ausgenommen Stückzinsen.

§ 27 Abs. 3 EStG 1988 knüpft formal an § 27 Abs. 2 EStG 1988 an: Nur Wertsteigerungen jener Wirtschaftsgüter bzw. Kapitalanlagen unterliegt der Besteuerung, deren laufende Erträge von § 27 Abs. 2 EStG erfasst sind. Es kommt dabei nicht auf konkrete Kapitalerträge an; es reicht, wenn laufende Einkünfte aus der betreffenden Kapitalanlage von § 27 Abs. 2 erfasst sein würden (EStR 2000 Rz 6108; Kapitalvermögen-E Pkt 1.2.2.1.). Eine Ausnahme davon bilden Nullkuponanleihen, deren Erträge aufgrund der ausdrücklichen Nennung in § 27 Abs. 3 nur im Rahmen dieser Bestimmung erfasst werden; laufende Kapitalerträge nach § 27 Abs 2 gibt es hier nicht. (Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (16. Lfg 2013) Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen (§ 27 Abs 3)).

Der Gesetzeswortlaut von § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nennt als Beispiele für "Kapitalforderungen jeder Art" Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Bankeinlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und Ergänzungskapital iSd BWG und VAG. Die Aufzählung ist beispielhaft und nicht taxativ. Kapitalforderungen jeder Art sind nach dieser Bestimmung alle auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 27 Abs. 2 EStG 1988 zu erfassen sind (BFH, BStBl 1986 II 557). Der Rechtsgrund für die Kapitalforderung spielt dabei keine Rolle. Auch eine (verzinsliche) Kaufpreisforderung oder eine (verzinsliche) Forderung aus einer gemischten Schenkung () oder eine Schadenersatzforderung, für die Verzugszinsen zu leisten sind (), fallen darunter.

Die Vorgängerbestimmung § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF vor Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 (BBG 2011) lautete:

(1) Folgende Einkünfte sind, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen:

4. Zinsen und andere Erträgnisse aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, zum Beispiel aus Darlehen, Anleihen, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des Kreditwesengesetzes oder des Versicherungsaufsichtsgesetzes.

Daraus ist ersichtlich, dass die nunmehr anzuwendende Bestimmung des § 27 Abs. 2 EStG 1988 wortgleich zur Vorgängerbestimmung des § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF vor BBG 2011 ist.

Zur Frage der Einziehung von Forderungen, welche unter Nominale erworben worden waren und in der Folge zum vollen Nominale eingezogen werden konnten, erkannte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), dass dieser Vorgang unter keinen Einkünftetatbestand zu subsumieren sei. Werde eine Forderung deshalb unter dem Nominale gekauft, weil sie notleidend sei, und gehe sie dann im Privatvermögen zur Gänze ein, werde dieser wirtschaftliche Vorteil nicht von der Einkommensteuer erfasst. Ein anderer Fall läge nur dann vor, wenn die Forderung bloß im Hinblick auf ihre spätere Fälligkeit um einen Abzinsungsbetrag billiger erworben würde; in einem solchen Fall erzielte der Zessionar Einkünfte aus Kapitalvermögen (, 0091; , 2008/15/0241). Nach Ansicht des VwGH fallen "Erträge" aus der Einziehung einer notleidenden Forderung nicht unter § 27 EStG 1988 , da es in diesem Fall am erkennbaren Abzinsungsvorgang fehlt. Während beim Erwerb einer nicht notleidenden Forderung der niedrigere Kaufpreis dem abgezinsten Nennwert entspricht, wird eine notleidende Forderung nicht deshalb mit dem niedrigeren Preis bemessen, um Zinsen wegen späterer Fälligkeit der Forderung zu berücksichtigen. Der erzielte höhere Einlösungsbetrag ist nach VwGH als "Umkehrung" eines einstigen Abwertungsvorgangs und somit als Wertänderung des Kapitalstammes zu verstehen. Der allenfalls realisierte Unterschiedsbetrag kann daher nicht als Entgelt für die Nutzungsüberlassung von Kapital iSd. § 27 EStG EStG 1988 angesehen werden.

Obwohl diese Erkenntnisse zur Rechtslage vor BBG 2011 ergingen, sind sie für den gegenständlichen Streitfall einschlägig, da § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF BBG 2011 keine hier relevante inhaltliche Änderung gegenüber der Vorgängerbestimmung des § 27 Abs. 1 Z 4 EStG idF vor BBG 2011 mit sich brachte.

Im hier relevanten Umfang entspricht diese Bestimmung inhaltlich § 27 Abs 1 Z 4 EStG idF vor dem BBG 2011. Da der VwGH § 27 EStG in Bezug auf notleidende Forderungen schon bis dahin als nicht anwendbar erachtete, ist diese Feststellung auch für den konkreten Tatbestand des § 27 Abs 1 Z 4 EStG idF vor dem BBG 2011 und folglich auch für den Tatbestand des § 27 Abs 2 Z 2 EStG idF BBG 2011 zu treffen. Da die notleidende Forderung daher kein Wirtschaftsgut ist, dessen Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs 2 EStG 1988 idF BBG 2011 sind, wird auch § 27 Abs. 3 EStG 1988 idF BBG 2011 nicht anwendbar sein (Watzinger in SWK 16/2011, S 671).

Die erläuternden Bemerkungen (EB) zu BBG 2011 (981 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage, Zu Z 9 und 36 (§ 27 und § 124b Z 179 und 185 EStG 1988) zu § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF BBG 2011 lauten:

In Z 2 sollen die § 27 Abs. 1 Z 3 und 4 des § 27 in der derzeit geltenden Fassung zusammengefasst werden. Um die sich aufgrund des neuen Systems der generellen steuerlichen Erfassung des Vermögensstamms ergebenden Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, werden zudem die Nullkuponanleihen explizit angeführt. Wird eine Nullkuponanleihe bis zum Ende der Laufzeit gehalten, gehört die Differenz zwischen dem Anschaffungs- und dem Rückzahlungspreis zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gem. § 27 Abs. 2 Z 2. Stückzinsen sollen hingegen künftig nicht mehr als Einkünfte aus der Überlassung von Kapital zu erfassen sein, sondern als Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen.

Zu § 27 Abs. 3 EStG idF BBG 2011 wird ebenda wörtlich ausgeführt:

2. In § 27 Abs. 3 sollen künftig Substanzgewinne aus Finanzvermögen unabhängig von Behaltedauer oder Beteiligungshöhe erfasst werden. Unter dem Oberbegriff "realisierte Wertsteigerungen" sollen positive wie negative Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und der sonstigen Abschichtung erfasst werden. Hinsichtlich des erfassten Finanzvermögens erscheint es zweckmäßig, auf sämtliche Wirtschaftsgüter abzustellen, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des zweiten Absatzes sind. Damit sind insbesondere Aktien, GmbH-Anteile (deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des Abs. 2 Z 1 lit. a sind), Forderungswertpapiere (deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des Abs. 2 Z 2 sind) und auch Abschichtungsgewinne bei der echten stillen Gesellschaft (Abs. 2 Z 4) erfasst. Ebenso unter diesen Tatbestand fällt die Veräußerung einer Nullkuponanleihe vor Ende der Laufzeit….

Daraus ist ersichtlich, dass nur zinstragende Kapitalforderungen jeder Art von der Vermögenszuwachsbesteuerung umfasst sein sollen. Nur Nullkuponanleihen sind ausdrücklich in § 27 Abs. 3 EStG idF BBG 2011 erwähnt; die Erträge aus Nullkuponanleihen fallen sowohl im Fall der Einlösung als auch im Fall der Veräußerung unter die Besteuerung. Einer Abgrenzung zwischen Kapitalertrag und Substanzgewinn bedarf es nur in diesem Fall nicht mehr.

Der Gesetzgeber will entsprechend den Materialen unter § 27 Abs. 3 EStG somit einerseits die Veräußerung von verzinslichen Forderungen erfassen, wenn im Veräußerungspreis zeitanteilig aufgelaufene Stückzinsen abgegolten werden, und andererseits Forderungen, die abgezinst begeben und aufgezinst eingelöst werden, weil in diesem Fall im Einlösungspreis kalkulatorische Zinsen enthalten sind. Anders ausgedrückt unterliegen (nur) die realisierten Wertsteigerungen jener Wirtschaftsgüter der Kursgewinnbesteuerung gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988, deren Früchte - der Art nach - gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 idF BBG 2011 steuerpflichtig sind. Es kommt nicht darauf an, ob Früchte tatsächlich besteuert werden; so unterliegt zB eine Beteiligung auch dann der Kursgewinnbesteuerung, wenn keine Ausschüttung fließt (Marschner in Jakom 2022; § 27, Rz 127)

Auch nach Ansicht des BMF sind von der Vermögenszuwachsbesteuerung abstrakt sämtliche Wirtschaftsgüter, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne des § 27 Abs. 2 EStG 1988 sind betroffen. Damit unterliegen insbesondere Aktien, GmbH-Anteile, Wertpapiere, die ein Forderungsrecht verbriefen, sowie nicht verbriefte Forderungen und auch Abschichtungsgewinne bei der echten stillen Gesellschaft § 27 Abs. 3 und 6 EStG 1988. Entscheidend ist, ob ein Wirtschaftsgut beim konkreten Steuerpflichtigen Einkünfte aus der Überlassung von Kapital erwirtschaften kann, weshalb Verbindlichkeiten nicht von § 27 Abs. 3 EStG 1988 umfasst sind. Daher fallen zB Konvertierungsgewinne von Darlehen nicht unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 (). Daher fallen zB auch realisierte Wertsteigerungen von Kryptoassets (zB Bitcoin), sofern diese zinstragend veranlagt sind, unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 (EStR 2000 Rz 6143).

Im Rahmen der Kursgewinnbesteuerung gem. § 27 Abs. 3 EStG 1088 werden "realisierte Wertsteigerungen von Kapitalvermögen" erfasst, wenn die Realisierung von WG erfolgt, "deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSv Abs 2 sind" (Tüchler Preisänderung, 202 ff).

Nach Marschner (Jakom 2022, § 27 Rz 157) können gemäß § 27 Abs 3 EStG 1988 Unterschiedsbeträge aus nach dem erworbenen notleidenden Forderungen als realisierte Wertsteigerung steuerpflichtig sein; dies ist dann anzunehmen, wenn die Forderung verzinslich ist.

Die vom BMF in Rz 6121 EStR 2000 vertretene Rechtsansicht, dass unter Fremden von der Verzinslichkeit von Forderungen auszugehen sei und daher Einkünfte aus der Einlösung bzw. Realisierung von Forderungen stets Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen darstellen würden vermag in diesem Kontext nicht zu überzeugen, da damit der gesetzliche Zinsbegriff über den Wortsinn hinaus erweitert wird und zudem auch im Hinblick auf die eigenen Aussagen in Rz 6143 widersprüchlich erscheint. Zudem steht diese Rechtsmeinung im offenen Widerspruch zu den oben zitierten, als einschlägig zu erachtenden Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs (, 0091; , 2008/15/0241).

Die Veräußerung der aus Risikogründen unter Nominalwert angeschafften unverzinslichen und auch nicht abgezinsten Forderungen und deren spätere Veräußerung zum Nominale stellt daher keine Einkünfte aus Kapitalvermögen iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar. Auch im späteren höheren Einlösungsbetrag wegen Nichteintritt des erwarteten Ausfallsrisikos ist keine kalkulatorische Zinskomponente erkennbar.

Gemäß § 31 EStG 1988 sind Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Im hier zu beurteilenden Sachverhalt lag zwischen sämtlichen anschaffungsbezogenen Aufwendungen und dem Veräußerungsvorgang eine längerer als einjähriger Zeitraum. Ein steuerbares Spekulationsgeschäft wurde daher nicht verwirklicht. Die Auseinandersetzung mit der Frage ob dieser Steuertatbestand überhaupt anwendbar wäre erübrigt sich daher (kritisch Watzinger SWK 16/2011, S 671).

Damit erweist sich der vom FAÖ als rechtswidrig erachtete Einkommensteuerbescheid vom als rechtskonform. Die Voraussetzung für eine Aufhebung gemäß § 299 BAO - nämlich die Unrichtigkeit des Bescheidspruchs - liegt daher nicht vor.

Es erübrigt sich daher auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Aufhebungsbescheid in Zusammenschau mit der Begründung des neuen Sachbescheides die Ermessensentscheidung ausreichend begründete oder nicht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die hier strittige Rechtsfrage, nämlich die Behandlung der Veräußerung einer aus Risikogründen unter Nominalwert angeschafften unverzinslichen und auch nicht abgezinsten Forderung und deren spätere Veräußerung zum Nominale wurde vom Verwaltungsgerichtshof nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts bereits durch , 0091; , 2008/15/0241 beantwortet. Da diese Entscheidungen zur Rechtslage vor dem BBG 2011 ergingen erscheint es zumindest denkbar, dass der Verwaltungsgerichtshof nach der neuen Rechtslage von seiner bislang vertretenen Ansicht abweicht. Zur Rechtslage eines derartigen Veräußerungsvorganges unter Anwendung des § 27 Abs. 3 EStG 1988 idF BBG 2011 besteht - soweit ersichtlich - bislang keine ausdrückliche Judikatur. Eine Revision ist daher zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 27 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100408.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at