Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.07.2022, RV/2100230/2022

Freier Dienstvertrag - Sozialversicherungsbeiträge und Zahlungen an die Mitarbeitervorsorgekasse nach § 6 Abs 1 BMSVG die der Auftraggeber als Schuldner trägt sind nicht Teil der Bemessungsgrundlage in der Umsatzsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf, Bf-Adr vertreten durch Kiendl-Großschedl-Pußwald Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungs GmbH, Marburger Straße 109, 8160 Weiz über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer Bf-StNr, betreffend Umsatzsteuer 2020 zu Recht erkannt:

  1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  1. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Am wurde die Umsatzsteuererklärung für das Veranlagungsjahr 2020 elektronisch eingebracht. Am erging ein Umsatzsteuerbescheid 2020 mit welchem ein Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch in der Höhe von € 11.986,64 der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage zu Grunde gelegt wurde. Am wurde gegen diesen Umsatzsteuerbescheid eine Beschwerde elektronisch eingebracht und begründend ausgeführt, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer laut Mitteilung nach § 109a EStG für das Jahr 2020 mit € 11.821,41 festzusetzen sei. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde in der BVE wie folgt ausgeführt: "Wie Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt wurde, unterliegen alle im § 109a ausgewiesenen Einnahmen der Umsatzsteuerpflicht. Ihre Beschwerde konnte daher nicht positiv erledigt werden." Am wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin (Bf) über FinanzOnline ein Vorlageantrag eingebracht und weiters ausgeführt: "GemäßUmsatzsteuerkommentar Ruppe/Achatz zu § 4 Tz 24 ist der Beitragsteil des Auftraggebers zur Sozialversicherung nicht Teil der Gegenleistung für die Leistung bei freien Dienstverträgen.". Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf ist entsprechend den bisherigen Ausführungen als freie Dienstnehmerin (Immobilienmaklerin) tätig. Für das Beschwerdejahr 2020 wurde durch den Auftraggeber der Bf eine Mittelung nach § 109a EStG an das Finanzamt übermittelt. Aus der Mitteilung nach
§ 109a EStG gehen folgende Beträge hervor:


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Bezeichnung
KZ
Betrag
Entgelt (ohne Umsatzsteuer, einschließlich erhaltener Kostenersätze und Sachbezüge. In Fällen von B Pkt. 8 - freier Dienstvertrag - einschließlich Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung und an die Vorsorgekasse eingezahlte Beträge)
(341)
11.986,64
Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung
(270)
1.657,91
An Vorsorgekasse bezahlte Beiträge
(271)
165,23
In Rechnung gestellte USt
(344)
2.364,27

Die Bf stellte bereits im Jahr 2007 einen Regelbesteuerungsantrag für die Umsatzsteuer. An der grundsätzlichen Unternehmereigenschaft der Bf iSd § 2 UStG bestehen weder von Seiten des Finanzamtes, noch seitens der Bf Zweifel. Die Bf behandelte daher ihr Entgelt aus dem freien Dienstvertrag als umsatzsteuerpflichtigen Umsatz und erklärte im Beschwerdejahr 2020 in ihrer Umsatzsteuererklärung einen steuerbaren Umsatz (KZ 000) in Höhe von € 11.574,30.

Das Finanzamt veranlagte im Umsatzsteuerbescheid 2020 als Umsatzsteuerbemessungsgrundlage einen steuerbaren Umsatz in der Höhe von € 11.986,64. Dieser Betrag erschließt sich aus der KZ 341 der Mitteilung gem § 109a EStG. Dagegen erhob die Bf Beschwerde und führte dazu aus, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer laut "§ 109a-Mitteilung" lediglich mit € 11.821,41 festzusetzen sei, weil der Beitragsteil zur Sozialversicherung des Auftraggebers nicht Teil des Umsatzes bei Leistungen im Rahmen eines freien Dienstvertrages wäre.

2. Beweiswürdigung

Aus dem Vorbringen der Bf in der Beschwerde und in ihrem Vorlageantrag erschließt sich, dass die Bf offensichtlich aus dem Betrag von € 11.986,64 der sich aus der KZ 341 der Mitteilung gem § 109a EStG ergibt und der vom Finanzamt als Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer herangezogen wurde, den Betrag von € 165,23 welcher an die Vorsorgekasse geleistet wurde (KZ 271 in der Mitteilung gem § 109a EStG), ausgeschieden haben möchte. Dies mit der Argumentation, dass die Beiträge zur Vorsorgekasse Beiträge des Auftraggebers/Arbeitgebers sind und folglich aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer - analog zu den Sozialversicherungsbeiträgen des Arbeitgebers - auszuscheiden sind.

Aus der Textierung der KZ 341 der Mitteilung gem § 109a EStG "Entgelt (ohne Umsatzsteuer, einschließlich erhaltener Kostenersätze und Sachbezüge. In Fällen von B Pkt. 8 - freier Dienstnehmer - einschließlich Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung und an die Vorsorgekasse eingezahlte Beiträge)" erschließt sich, dass der dort aufgeführte Betrag von
€ 11.986,64 inklusive der an die Mitarbeitervorsorgekasse gezahlten Beiträge zu verstehen ist, da die Bf dieses Entgelt im Rahmen eines freien Dienstvertrages bezogen hat. Die Höhe der an die Vorsorgekasse bezahlten Beiträge ist aus der KZ 271 der Mitteilung gem § 109a EStG ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Die hier zu entscheidende Rechtsfrage ist, ob bei freien Dienstnehmern die Beiträge an die Mitarbeitervorsorgekasse aus der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage auszuscheiden sind, oder ob diese das Schicksal der Sozialversicherungsbeiträge, welche vom freien Dienstnehmer selbst getragen werden, teilen.

§ 2 UStG 1994 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,
1. soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen derart eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen, verpflichtet sind;
2.
[…]"

§ 4 UStG 1994 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"(1) Der Umsatz wird im Falle des § 1 Abs. 1 Z 1 nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten (Solleinnahme); dazu gehören insbesondere auch Gebühren für Rechtsgeschäfte und andere mit der Errichtung von Verträgen über Lieferungen oder sonstige Leistungen verbundene Kosten, die der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung dem Unternehmer zu ersetzen hat.

(2) Zum Entgelt gehört auch,
1. was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung freiwillig aufwendet, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten,
2. was ein anderer als der Empfänger dem Unternehmer für die Lieferung oder sonstige Leistung gewährt.

(3) Nicht zum Entgelt gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten).

(4) […]"

§ 6 Abs 1 BMSVG in der in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung lautet:
"(1) Der Arbeitgeber hat für den Arbeitnehmer ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses einen laufenden Beitrag in Höhe von 1,53 vH des monatlichen Entgelts sowie allfälliger Sonderzahlungen an den für den Arbeitnehmer zuständigen Träger der Krankenversicherung nach Maßgabe des § 58 Abs. 1 bis 6 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, zur Weiterleitung an die BV-Kasse zu überweisen, sofern das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Der erste Monat ist jedenfalls beitragsfrei. Wird innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit dem selben Arbeitgeber erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen, setzt die Beitragspflicht mit dem ersten Tag dieses Arbeitsverhältnisses ein.

(1a) […]"

Bei freien Dienstverträgen, bei denen der Auftragnehmer Unternehmer iSd § 2 UStG ist (), wird das Entgelt nicht um den Sozialversicherungsbeitrag des Auftragnehmers gekürzt (vgl Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 zu § 4 Rz 24). Hingegen ist alles was der Auftraggeber für den freien Dienstnehmer an Beiträgen zur Sozialversicherung schuldet, kein Entgeltbestandteil. Der Auftraggeber tilgt gem § 58 Abs 2 ASVG eine originär eigene Schuld. Daher gehört zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer das vereinbarte Entgelt vor Abzug des Sozialversicherungsanteiles des freien Dienstnehmers aber exklusive der vom Auftraggeber geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge. Dies deswegen, weil - wie eben ausgeführt - der Anteil des Auftraggebers auf einer eigenen Beitragsschuld beruht. (vgl dazu Wiedermann, ecolex 1996, 563; Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG3, § 4 Rz 60)

Aus der Textierung § 6 Abs 1 BMSVG ist abzuleiten, dass - analog zu den vom Arbeitgeber getragenen Sozialversicherungsbeiträgen - der Arbeitgeber (Auftraggeber) Schuldner der Zahlungen an die Mitarbeitervorsorgekasse ist. Daher sind diese Beiträge ebenfalls aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer auszuscheiden. Ausgehend davon, dass der Schuldner und Träger der Beiträge gem § 6 Abs 1 BMSVG der Arbeitgeber bzw Auftraggeber ist, liegt daher diesbezüglich kein umsatzsteuerbares Entgelt vor.

Die Sozialversicherungsbeiträge und die Zahlungen an die Mitarbeitervorsorgekasse die der Auftraggeber als Schuldner trägt, sind daher nicht Teil der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Aus der Bemessungsgrundlage waren daher spruchgemäß die Beiträge zu Mitarbeitervorsorgekasse auszuscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn die vom erkennenden Verwaltungsgericht anzuwendenden Normen klar und eindeutig sind (vgl , mwN). Da sich die gegenständliche Rechtsfrage klar und eindeutig aus dem Gesetz beantworten lässt, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100230.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at