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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.07.2022, RV/7100077/2022

Gläubigergleichbehandlung wird behauptet, aber nicht nachgewiesen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch ***1*** über die Beschwerde der ***Bf1***, geboren am , ***Bf1-Adr*** vertreten durch Y, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer 001, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
***Bf1*** wird im Ausmaß von 6.667,98 Euro zur Haftung für folgende aushaftende Abgabenverbindlichkeiten der X.Gmbh herangezogen:


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Abgabe
Euro
Umsatzsteuer 01/2019
50,17
Körperschaftsteuer 10-12/2018
293,69
Körperschaftsteuer 01-03/2019
292,35
Kammerumlage 07-09/2018
58,18
Kammerumlage 10-12/2018
20,71
Lohnsteuer 09/2018
553,87
Dienstgeberbeitrag 09/2018
229,43
Zuschlag zum DB 09/2018
23,53
Lohnsteuer 10/2018
444,79
Dienstgeberbeitrag 10/2018
208,90
Zuschlag zum DB 10/2018
21,43
Lohnsteuer 11/2018
1.843,45
Dienstgeberbeitrag 11/2018
537,31
Zuschlag zum DB 11/2018
55,11
Lohnsteuer 12/2018
334,54
Dienstgeberbeitrag 12/2018
159,79
Zuschlag zum DB 12/2018
16,39
Lohnsteuer 01/2019
283,99
Dienstgeberbeitrag 01/2019
132,77
Zuschlag zum DB 01/2019
12,94
Lohnsteuer 02/2019
271,65
Dienstgeberbeitrag 02/2019
125,55
Zuschlag zum DB 02/2019
12,24
Kraftfahrzeugsteuer 07-09/2018
296,83
Kraftfahrzeugsteuer 10-12/2018
296,83
Säumniszuschlag 2018
91,54

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) vertrat die X.Gmbh von ihrer Errichtung im Jahr 2004 zunächst gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer; ab bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Gesellschaft am fungierte sie als deren alleinige handelsrechtliche Geschäftsführerin.

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes Z vom Datum1, GZ, wurde über die X.Gmbh das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Nach der Schlussverteilung (Quote 33,100865 %) wurde der Konkurs aufgehoben (Beschluss des Landesgerichtes Z vom Datum2).

Am Datum3 wurde die Gesellschaft von Amts wegen gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht (Auszug Firmenbuch FN).

Mit dem Vorhalt vom teilte das Finanzamt der Bf. als potentiell Haftungspflichtige gemäß § 9 BAO mit, während ihrer Vertretungsperiode seien als uneinbringlich anzusehende Abgaben der Gesellschaft in der Höhe von 6.817,55 € fällig, aber nicht entrichtet worden.
Sofern die Gesellschaft bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde die Bf. ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. Ebenso seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel anzugeben bzw. gegenüberzustellen.

Zum Vorhalt erstattete der Vertreter der Bf. am folgende Stellungnahme:
"1. Ich habe versucht, die steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft immer nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen. Leider waren in denletzten Monaten vor Insolvenzeröffnung die finanziellen Mittel kaum vorhanden, um alle Verbindlichkeiten abzudecken. Ich habe daher nicht alle Zahlungen an die Gläubiger der Gesellschaft vornehmen können.

Jedenfalls halte ich fest, dass Forderungen, die erst nachträglich auf Grund von Bescheiden betreffend Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer ergangen sind, nicht mir zur Last gelegt werden können, da ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr als Geschäftsführerin für die Zahlungen zuständig war.

2. Ich habe nach meinem Ausscheiden als Geschäftsführerin jener Gesellschaft wieder eine Tätigkeit gefunden, musste allerdings schon auf Grund meines Alters erhebliche Einkommenseinbußen in Kauf nehmen und hatte Glück, überhaupt noch eine Arbeitstätigkeit zu finden. Nun bin ich als gewerberechtliche Geschäftsführerin von zwei Gesellschaften beschäftigt und verdiene im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit insgesamt monatlich netto € 1.640,00. Zu beachten ist allerdings, dass mein Ehegatte bereits in Pension ist und daher in der Familie kaum Einkünfte vorhanden sind, um unseren Lebensunterhalt abzudecken.

An Vermögen habe ich insgesamt Bargeld in Höhe von € 3.000,00 und eine Liegenschaft, auf der sich ein älteres Haus befindet, welches wir bewohnen.

Insgesamt ist daher mit Lebenshaltungskosten von monatlich € 1.525,00 zu rechnen, die unsere Familie nicht entbehren kann. Darin nicht enthalten sind allfällige Erhaltungsmaßnahmen der Liegenschaft die in nächster Zeit anstehen.

Es möge daher bei Festsetzung der Haftung auch auf meine schwierigen finanziellen Verhältnisse Rücksicht genommen werden und darauf, dass ich ohne Gefährdung meines Lebensunterhaltes der vollen Haftung, die das Finanzamt mir aufzuerlegen beabsichtigt, nicht nachkommen kann.

3. In Anbetracht der oben geschilderten finanziellen Situation wäre meine Heranziehung zur Haftung auf Grundlage einer Einmalzahlung, selbst wenn der Haftungsbetrag herabgesetzt wird, für mich unverhältnismäßig und würde auch den Lebensunterhalt von mir und meiner Familie gefährden. Ich beantrage daher die Einräumung einer Ratenzahlung für die auferlegten Haftungsbeträge. Wie man aus meiner Aufstellung entnehmen kann, stehen mir momentan € 150,00 an monatlichen Reserven für die Abdeckung einer entsprechenden Haftung zur Verfügung, es wird daher beantragt eine Ratenzahlung in dieser Höhe festzusetzen. ….."

Mit dem hier angefochtenen Haftungsbescheid vom nahm das Österreich die Bf. gemäß § 9 BAO als Haftungspflichtige für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der X.Gmbh im Ausmaß von 6.817,58 € (Umsatzsteuer 01/2019 51,30 €,
Körperschaftsteuer 10-12/2018 300,28 €, Körperschaftsteuer 01-03/2019 298,91 €,
Kammerumlage 07-09/2018 59,48 €, Kammerumlage 10-12/2018 21,17 €,
Lohnsteuer 09/2018 566,30 €, Dienstgeberbeitrag 09/2018 234,58 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 09/2018 24,06 €,
Lohnsteuer 10/2018 454,76 €, Dienstgeberbeitrag 10/2018 213,59 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10/2018 21,91 €,
Lohnsteuer 11/2018 1.884,80 €, Dienstgeberbeitrag 11/2018 549,37 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 11/2018 56,35 €,
Lohnsteuer 12/2018 342,05 €, Dienstgeberbeitrag 12/2018 163,37 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 12/2018 16,76 €,
Lohnsteuer 01/2019 290,36 €, Dienstgeberbeitrag 01/2019 135,75 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01/2019 13,23 €,
Lohnsteuer 02/2019 277,75 €, Dienstgeberbeitrag 02/2019 128,37 €, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/2019 12,51 €,
Kraftfahrzeugsteuer 07-09 und 10-12/2018 je 303,49 €,
Säumniszuschlag 1 2018 93,59 €) in Anspruch.
Bei den Haftungsbeträgen wurde eine im Insolvenzverfahren zu verteilende Quote in der Höhe von 31,6% berücksichtigt.
Begründend wurde ausgeführt:
Nach ständiger Rechtsprechung habe der Vertreter der Gesellschaft zweifelsfrei darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war.
Ein entsprechender Nachweis, dass die Bf. die liquiden Mittel der Gesellschaft zur anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe, sei nicht vorgelegt worden.
Die im Haftungsbescheid angeführte Umsatzsteuer 01/2019 sowie die Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen seien während der Geschäftsführertätigkeit der Bf. fällig geworden.
Auf Grund des Vorbringens der Bf. zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen sei nicht von einer Uneinbringlichkeit der Haftungsschuld auszugehen. Eine Unbilligkeit sei in der Inanspruchnahme der Bf. als Haftungspflichtige nicht zu sehen. Die Bf. sei ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu ihrer Entlastung vorzubringen, nicht nachgekommen.

Die Bezug habenden Abgabenbescheide wurden dem Haftungsbescheid angeschlossen.

In der Beschwerde vom wurde der Haftungsbescheid seinem vollen Umfang nach angefochten, wobei die Beschwerdegründe der materiellen Rechtswidrigkeit, wesentliche Verfahrensverstöße, falsche Ermessensübung sowie unrichtige Beweiswürdigung geltend gemacht werden.
Unter Punkt 3 der Beschwerde (Beschwerdegründe) wird wörtlich ausgeführt:
"Die belangte Behörde führt aus, dass ich gem § 9 iVm § 80 als Geschäftsführerin insbesondere dafür zu sorgen habe, dass die Abgaben aus den Mitteln die ich verwalte, ordnungsgemäß entrichtet werden. Aus Sicht der belangten Behörde habe ich dies unterlassen und der geltend gemachte Rückstand war infolge schuldhafter Verletzung meiner Pflichten nicht einbringlich, weshalb die Haftung auszusprechen war.

Die Behörde trifft dann folgende Feststellung (Haftungsbescheid Seite 3, 2. Absatz):
"Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung ist aufgrund des bereits abgeschlossenen Insolvenzverfahrens bei der X.GmbH gegeben. Die zu verteilende Quote in Höhe von 31,6 % wurde bei den bekanntgegebenen Abgabenschuldigkeiten bereits in Abzug gebracht".

Diese Feststellung und damit auch der gesamte Haftungsbescheid ist inhaltlich falsch. Der Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der X.GmbH, MV, hat mit Eingabe vom den Verteilungsnachweis vorgelegt. Dabei hat er bekanntgegeben, dass sich eine korrigierte Quote von 33,100865 % ergeben hat. Der Masseverwalter hat dies auch durch Vorlage der Zahlungs- und Überweisungsbelege nachgewiesen. Die Behörde hätte hier statt 31,6% richtigerweise 33,100865 % in Abzug bringen müssen
Beweis: Eingabe des Masseverwalters vom
beizuschaffender Konkursakt LG
Z zu GZ
PV

Die belangte Behörde hat im bekämpften Bescheid keine schuldhafte Verletzung festgestellt. Eine schuldhafte Verletzung des Vertreters ist jedoch iSd § 9 Abs 1 BAO Voraussetzung für eine derartige Inanspruchnahme. Ein solches schuldhaftes Verhalten wird von der belangten Behörde nur hinsichtlich der Lohnsteuer (Seite 4 letzter Absatz) mit folgendem Wortlaut "vermutet": "In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung wäre jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken". Vor diesem Hintergrund hätte der Haftungsbescheid ausschließlich für die zu wenig abgeführte Lohnsteuer erlassen werden dürfen.

Unter den im § 9 Abs 1 angeführten Pflichten sind nur solche Pflichten zu verstehen, die in Abgabenvorschriften auferlegt sind (vgl. , 0109). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln des Vertretenen entrichtet werden (vgl. ). Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters zählen weder die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vertretenen zu stellen, noch die Pflicht, die Entstehung von Abgabennachforderungen beim Vertretenen durch Betriebseinstellung zu vermeiden, noch die Pflicht, die Vertreterstellung durch Rücktritt zur Aufhebung zu bringen (vgl. ).

Die belangte Behörde führt aus, dass der Vertreter nach ständiger Rechtsprechung zweifelsfrei darzutun hat, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglichwar, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. In meiner Stellungnahme vom habe ich dargetan, dass in der Gesellschaft keine finanziellen Mittel vorhanden waren. Der belangten Behörde sollte der Umstand der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der X.GmbH bekannt sein, was als Glaubhaftmachung der Vermögenslosigkeit aus Sicht meiner Rechtsvertreter jedenfalls ausreichend sein sollte.

Die belangte Behörde verlangt dann noch einen Nachweis, dass die Abgabenschuld im Verhältnis nicht schlechter behandelt wurde als andere Verbindlichkeiten. Ein solcher Nachweis ist im vorliegenden Fall überhaupt nicht notwendig. Bereits aus dem Insolvenzverfahren und aus den erfolgten Anfechtungen gegenüber der belangten Behörde ergibt sich zweifelsfrei, dass die Verbindlichkeit nicht schlechter, sondern vielmehr besser behandelt wurde als andere Verbindlichkeiten. Die belangte Behörde hat die erfolgten Anfechtungen durch den Masseverwalter bei ihrer Forderungsanmeldung vom sogar explizit erwähnt. Meinen Rechtsvertretern ist die Judikatur bekannt, wonach es nicht darauf ankommt, ob Zahlungen die an andere Gläubiger geleistet wurden anfechtbar sind. Im gegenständlichen Fall geht es aber nicht um die Anfechtung von Zahlungen an andere Gläubiger. Es wurden Zahlungen an die belangte Behörde angefochten, was zweifelsfrei bestätigt, dass die Behörde sogar besser gestellt wurde als andere Gläubiger. Die belangte Behörde hat jeglichen amtswegigen Erkundungen unterlassen und dadurch wesentlich gegen die Verfahrensvorschriften verstoßen.

Eine Feststellung, dass mir in diesem Zusammenhang eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, gibt es im bekämpften Bescheid nicht, weshalb sich auch die Rechtsfolge, nämlich die Inanspruchnahme meiner Haftung, aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ergibt.

Zuletzt ist an dieser Stelle noch festzuhalten, dass die Rückstände im bekämpften Bescheid, auf welche die Behörde meine Haftung stützt, nicht mit den Rückständen, welche die Behörde im Insolvenzverfahren über das Vermögen der X.GmbH angemeldet hat decken. Ich soll aus Sicht der belangten Behörde somit für Rückstände haften, welche nicht einmal im Insolvenzverfahren angemeldet wurden. Der Bescheid ist auch aus diesem Grund materiell rechtswidrig.

Beweis: Forderungsanmeldung der belangten Behörde vom
beizuschaffender Konkursakt LG
Z zu GZ
PV

Ich habe in meiner Stellungnahme vom meine finanzielle Situation offen gelegt und ausgeführt, dass in Anbetracht meiner finanziellen Situation meine Heranziehung zur Haftung auf Grundlage einer Einmalzahlung, selbst wenn der Haftungsbetrag herabgesetzt wird, für mich unverhältnismäßig wäre und auch den Lebensunterhalt von mir und meiner Familie gefährden würde. Die belangte Behörde führt im bekämpften Bescheid aus, dass ich keine in meiner wirtschaftlichen Lage gelegenen Billigkeitsgründe vorgetragen habe, weshalb in meiner Inanspruchnahme als Haftende eine Unbilligkeit nicht erblickt werden konnte. Darin ist eine unrichtige Feststellung sowie eine unrichtige Ermessensübung zu erblicken.
….."

Die Bf. beantragte, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben bzw. in eventu die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an das Finanzamt Österreich zurückzuverweisen.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftung unter Berücksichtigung der nach vom Finanzamt refundierten Vorsteuerguthaben erhöhten Verteilungsquote von 33,100865 % auf einen Betrag in der Höhe von 6.667,96 € ein.
Ein entsprechender Gläubigergleichbehandlungsnachweis sei nicht erbracht worden, weshalb das Finanzamt von einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bf. ausgehen musste. Leichte Fahrlässigkeit gelte bereits als Verschulden.
Dem Vorbringen, die Gesellschaft habe über keine finanziellen Mittel verfügt, sei entgegen zuhalten, dass im Fälligkeitszeitraum der haftungsrelevanten Abgaben diverse Zahlungen am Abgabenkonto eingelangt seien (: 10.000 €, : 92,46 €, : 136,83 €, : 6,46 €, und 63,01 €, : 291,77 €, : 2.000 €). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lasse die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung zwar auf das Vorhandensein liquider Mittel, nicht aber auf eine aliquote Befriedigung des Abgabengläubigers schließen. Da es im Regelfall nicht der Praxis entspreche, dass alleine das Finanzamt bedient werde, stehe fest, dass Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet worden seien.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege es auch auf der Hand, dass durch der Anfechtung unterliegende Zahlungen an den Abgabengläubiger in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden können. Mit der erfolgreichen Anfechtung werde die Zahlung den Insolvenzgläubigern gegenüber als unwirksam erklärt; die Forderung lebe wieder auf und sei als Insolvenzforderung geltend zu machen. Als Folge der Rechtsunwirksamkeit der Leistung habe der Gemeinschuldner seine Verpflichtung nicht erfüllt. Insoweit liege daher keine im Rahmen der Ermittlung der Haftungssumme wegen Gläubigerungleichbehandlung zu berücksichtigende wirksame Zahlung vor. Der Umstand der Insolvenzeröffnung lasse lediglich auf eine Überschuldung des Unternehmens, nicht aber auf eine gänzliche Vermögenslosigkeit schließen.
Die haftungsrelevanten Abgaben seien in der Forderungsanmeldung vom (über 60.164,02 €) beim Landesgericht Z enthalten. Bei der Forderungsanmeldung vom handle es sich lediglich um eine Nachtragsanmeldung.
Eine Unbilligkeit in der Inanspruchnahme der Haftung liege nicht vor, weil der Haftungsschuld von 6.667,96 € ein Barvermögen von 3.000 €, ein Monatseinkommen von 1.640 € und Grundvermögen gegenüberstehe.

Im Vorlageantrag vom führte die Bf. aus:
"Mit der Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt Österreich meine Bescheidbeschwerde vom hinsichtlich des oben genannten Bescheides fast vollständig als unbegründet abgewiesen. Das Finanzamt Österreich hat dabei nur der von mir aufgegriffenen offensichtlichen Aktenwidrigkeit Beachtung geschenkt und die haftungsrelevanten Abgaben statt um 31,6 % um 33,100865 % eingeschränkt. Mein restliches Vorbringen wurde als lapidar und scheinbar aus der Luft gegriffen abgetan.

Das Finanzamt Österreich hilft sich mit allgemeinen Floskeln wie z.B.: "Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall ist." Die belangte Behörde führt aus, dass meine Haftung als Geschäftsführerin nicht besteht, wenn ich nachweisen kann, dass die Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Dies ist nach meinem Verständnis die Aufgabe des Masseverwalters. Vor der Insolvenzeröffnung habe ich nach bestem Wissen und Gewissen die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeit verwendet und die Abgabenschulden gewiss nicht schlechter behandelt als die anderen Verbindlichkeiten.

Die erfolgten Anfechtungen sprechen unstrittig dafür, dass die Abgabenschuldigkeiten sogar besser gestellt wurden. Die vom Finanzamt Österreich zitierte Rechtsprechung des VwGH ist mit der gegenständlichen Ausgangslage nicht vergleichbar. Das Finanzamt Österreich wirft mir hier vor, dass bewusst eine anfechtbare Zahlung geleistet wurde um nunmehr behaupten zu können, dass mir keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Das zeigt, dass die belangte Behörde ihrer amtswegigen Nachforschungspflicht in keiner Weise nachgekommen ist. Soweit für mich überblickbar, wurden mehrere Zahlungen gegenüber dem Finanzamt angefochten, was deutlich zeigt, dass das Finanzamt sogar besser gestellt wurde als die anderen Gläubiger. Hier beschränkt sich die belangte Behörde auf folgende Beweiswürdigung: "Aufgrund Ihrer Aussage, dass keine finanziellen Mittel vorhanden waren, auf dem Finanzamtskonto jedoch Zahlungseingänge zu verzeichnen waren, steht fest, dass wohl Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet wurden (es entspricht im Regelfall nicht der Praxis, dass alleine das Finanzamt bedient wurde) und somit eine Differenzierung der einzelnen Gläubiger erfolgte.".

Diese "Beweiswürdigung" ergibt keinen Sinn. Die belangte Behörde schließt von der Tatsache, dass an das Finanzamt Zahlungen geleistet wurden darauf, dass

  1. auch Zahlungen an andere Gläubiger geleistet wurden und

  2. die Abgabenschulden schlechter gestellt wurden als die anderen Gläubiger

Es handelt sich dabei um Mutmaßungen, welche von der Behörde auch nicht näher begründet werden können.

Die Ausführungen und die Berechnungen der Behörde erscheinen mir daher nach wie vor scheinbar willkürlich und an die konkrete Situation - um die Ansicht der Behörde zu untermauern - angepasst. Diese haben keinen Bezug zur Realität.

Daher halte ich meine gesamte Bescheidbeschwerde vom über alle darin angeführten Bescheides des Finanzamts Österreich, Dienststelle Niederösterreich Mitte aufrecht, verweise auf deren Inhalt - insbesondere auf die dort gestellten Beweisanträge - und stelle sohin durch meinen ausgewiesenen Vertreter den Antrag auf Entscheidung über die gesamte Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht. ….."

Nach der Vorladung der Bf. zur mündlichen Verhandlung zog diese im Schriftsatz vom den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Vertreterstellung

Unbestritten ist, dass die Bf. seit und somit auch im Haftungszeitraum (Oktober 2018 bis März 2021) alleinige Geschäftsführerin der X.Gmbh war (Auszug aus dem Firmenbuch FN).
Nach der Aktenlage waren die haftungsgegenständlichen Abgaben zwischen und fällig. Daraus ergibt sich, dass die haftungsrelevanten Abgaben in jenem Zeitraum fällig wurden, in welchem die Bf. die Primärschuldnerin vertreten hat.

Zu den Pflichten der Bf. als Geschäftsführerin der Gesellschaft gehörten in diesem Zeitraum nicht nur die Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, die Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, die Abgabenerklärungspflicht, sondern insbesondere auch die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sowie die Vorsorge, für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ).

Uneinbringlichkeit der Abgaben

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin am Datum3 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde (Auszug aus dem Firmenbuch FN), weshalb eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten, soweit sie die im Konkursverfahren ausbezahlte Quote von 33,100865 % übersteigen, bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ausgeschlossen ist.

Höhe der Abgaben

Im Hinblick auf § 50 KO sind Zahlungen des Masseverwalters anteilig auf die eine Konkursforderung darstellenden Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen.
Die vom Masseverwalter ausbezahlte Konkursquote (siehe Vorlage des Verteilungsnachweises des Masseverwalters vom ) ist bei den Haftungsbeträgen zu berücksichtigen. Insoweit ist dem Vorbringen der Bf. zu folgen und sind die Haftungsbeträge entsprechend herabzusetzen. Die Berechnung der einzelnen im Spruch angeführten Abgaben ist der der Beschwerdevorentscheidung angeschlossenen Aufgliederung, gegen die kein Vorbringen erstattet wurde, zu entnehmen.

Dem Vorbringen der Bf. in der Beschwerde, sie hafte für Rückstände, die nicht einmal im Insolvenzverfahren der Gesellschaft angemeldet wurden, entgegnete das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung, am seien im Insolvenzverfahren der Gesellschaft beim Landesgericht Z Forderungen in der Höhe von 60.164,02 € angemeldet worden, die sämtliche haftungsrelevanten Abgaben enthielten. Dieser Feststellung des Finanzamtes ist die Bf. im weiteren Verfahren nicht entgegengetreten.

Die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten, in den Haftungsbescheid übernommenen Selbstberechnungsabgaben wird nicht bestritten. Dazu zählt auch die am dem Finanzamt mit Voranmeldung bekannt gegebene Umsatzsteuer 01/2019 (Fälligkeitstag ). Eine bescheidmäßige Festsetzung dieser Abgabe erfolgte nicht, weshalb das Argument der Bf., in den Haftungsbescheid seien Nachforderungen aus nach ihrer Geschäftsführertätigkeit erlassenen Umsatzsteuerbescheiden aufgenommen worden, widerlegt ist.
Hinsichtlich der im Haftungsbescheid enthaltenen Körperschaftsteuervorauszahlungen
10-12/2018 und 01-03/2019 wird auf die gesetzlich bestimmten Fälligkeitstage und verwiesen. Für eine nachträgliche Forderung aus einem Körperschaftsteuerbescheid wurde die Bf. ebenfalls nicht herangezogen.

Lohnsteuer

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen:
Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe zuletzt , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Nach der ständigen Rechtsprechung ist daher die auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer jedenfalls einzubehalten und spätestens am Fälligkeitstag in voller Höhe zu entrichten. Jede von der Geschäftsführerin vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Abfuhr der darauf entfallenden Lohnsteuer ausreichen und auch abgeführt werden.

Die Haftungsinanspruchnahme für die Lohnsteuer kann daher nicht mit dem Argument fehlender finanzieller Mittel bekämpft werden.
Die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten Lohnsteuerbeträge wurde im Haftungsverfahren nicht bestritten.

Vorhandensein liquider Mittel

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene über keine liquiden Mittel verfügt, trifft den Vertreter kein Verschulden im Sinne des § 9 BAO (VwGH vS , 96/15/0049).
Standen der Bf. daher für Abgaben schon im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit keine liquiden Mittel zu ihrer Entrichtung zur Verfügung, schließt dies die Annahme einer Pflichtverletzung aus.
In diesem Fall hat der Geschäftsführer darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem ihm die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren ().

In der Vorhaltsbeantwortung vom brachte die Bf. vor, "in den letzten Monaten vor Insolvenzeröffnung waren die finanziellen Mittel kaum vorhanden, um alle Verbindlichkeiten abzudecken".
In der Beschwerde vom wird ausgeführt, "in meiner Stellungnahme vom habe ich dargetan, dass in der Gesellschaft keine finanziellen Mittel vorhanden waren".

Diesem Vorbringen hält das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zu Recht entgegen, dass es im Haftungszeitraum (in unregelmäßigen Abständen) Einzahlungen am Abgabenkonto gegeben hat, weshalb davon auszugehen ist, dass die Gesellschaft über liquide Mittel verfügt hat. Dazu kommt, dass laut den gemeldeten Lohnabgaben regelmäßig Löhne ausbezahlt wurden und der Geschäftsbetrieb (Betriebsgegenstand laut Firmenbuchauszug Erdbewegungen und Transporte) angesichts monatlich eingebrachter Umsatzsteuervoranmeldungen im Haftungszeitraum nicht eingestellt war, weshalb liquide Mittel zumindest (auch) für die Bezahlung der laufenden Betriebskosten (etwa Kraftstoffe) vorhanden gewesen sein müssen.
Die Schlussfolgerung des Finanzamtes, es entspreche nicht der Praxis, dass bei laufendem Geschäftsbetrieb alleine das Finanzamt bedient wurde, ist daher plausibel. Dem Vorbringen, es handle sich um eine "reine Mutmaßung", kann nicht zugestimmt werden, zumal die Bf. selbst trotz der ihr auferlegten Beweislast für das Nichtvorhandensein liquider Mittel in drei Schriftsätzen keinerlei Ausführungen über die Höhe der der Gesellschaft im Haftungszeitraum zur Verfügung gestandenen liquiden Mittel macht.

Aufgabe des Geschäftsführers ist es, im Verwaltungsverfahren allfällige Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Er hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.
Eine solcher Nachweis wurde von der Bf. nicht erbracht.
Die in der Beschwerde geltend gemachte "Glaubhaftmachung der Vermögenslosigkeit durch den Umstand der Insolvenzeröffnung" ist als Nachweis nicht ausreichend.

Ebensowenig ergibt sich aus der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der GmbH (Datum1), dass diese im maßgeblichen Haftungszeitraum ( und ) "kaum über finanzielle Mittel" bzw. über "keine finanziellenMittel" verfügt habe.
Entscheidend für die Pflichtverletzung des Geschäftsführers ist nicht der Zeitpunkt der Konkurseröffnung, sondern der Zeitraum, in dem der Geschäftsführer mit der Entstehung der Abgabenforderungen rechnen musste. Für diesen Zeitraum gibt jedoch der Vermögens- und Liquiditätsstand im Zeitpunkt der Konkurseröffnung allein keinen Aufschluss ().

Gleichbehandlungsgrundsatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz: ).

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben.
Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat.
Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Damit der Geschäftsführer seine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast erfüllt, ist die Darstellung der konkreten finanziellen Situation der Gesellschaft und ihrer Gebarung im fraglichen Zeitpunkt erforderlich. Konsequenterweise haftet der Geschäftsführer ansonsten für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (, mwN).

Ein Nachweis, ob ausreichende Mittel zur Abgabenentrichtung fehlten bzw. ob sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleich behandelt wurden, wurde von der Bf. trotz Aufforderung im Vorhalt vom und der ausführlichen Darlegung der Rechtslage im Haftungsbescheid sowie in der Beschwerdevorentscheidung ebensowenig erbracht wie die Berechnung des Betrages, der - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.

Die Rechtsansicht, der Nachweis der anteiligen Mittelverwendung sei Aufgabe des Masseverwalters, widerspricht Lehre und Rechtsprechung. Die Behauptungs- und Beweislast für die Gläubigergleichbehandlung zu den Fälligkeitsterminen der einzelnen Abgaben obliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Haftungsverpflichteten, weil in der Regel auch nur dieser den ausreichenden Einblick in die Gebarung der vertretenen Gesellschaft hat, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht ().

Anfechtungen durch den Masseverwalter

Die Bf. bringt vor, die Anfechtung von Zahlungen durch den Masseverwalter bestätige, dass die Abgabenbehörde gegenüber anderen Gläubigern bessergestellt worden sei.

Der VwGH führte im Erkenntnis vom , 2000/14/0162, dazu aus:
"Aus dem Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes im Sinne der Konkursordnung ergibt sich keineswegs zwingend, dass der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer die Abgabenbehörde insgesamt bevorzugt befriedigt hat. Die Anfechtungsbestimmungen der Konkursordnung richten sich vor allem gegen kurz vor der Konkurseröffnung (vgl. die Frist von 60 Tagen gemäß § 30 Abs. 1 KO [nunmehr § 30 Abs. 1 IO]) vorgenommene Vermögensverschiebungen zu Gunsten einzelner Gläubiger. Dass durch derartige, der Anfechtung unterliegende Zahlungen an die Abgabenbehörde in der Vergangenheit gelegene und vom Vertreter zu verantwortende Versäumnisse bei der zeitgerechten Abgabenentrichtung nicht beseitigt werden können, liegt auf der Hand. Andernfalls läge es im Belieben des Vertreters, sich durch die Verwirklichung eines einzelnen Anfechtungstatbestandes jeder abgabenrechtlichen Geschäftsführerhaftung zu entledigen".

Der VwGH nimmt ausdrücklich auf Anfechtungen Bezug, die Zahlungen an die Abgabenbehörde betreffen. Die Auffassung der Bf., Anfechtungen durch den Masseverwalter bewiesen die Bevorzugung der Abgabenbehörde gegenüber anderen Gläubigern, ist somit nicht geeignet, das Nichtvorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung bei der Bf. nachzuweisen.
Der Bf. ist insoweit zuzustimmen, als die Abgabenbehörde trotz der der Geschäftsführerin auferlegten Beweispflichten nicht von jeglicher Pflicht, entsprechende Feststellungen zu treffen, befreit ist (siehe ), allerdings erfordert eine Ermittlungspflicht der Behörde auch entsprechende Behauptungen und Beweisanbote. Die Entlastungsbehauptungen der Bf. beschränken sich aber auf allgemein gehaltene Behauptungen, ohne konkrete Nachweise vorzulegen.
Ebenso unklar ist, was für die Bf. mit der Beischaffung des Konkursaktes gewonnen wäre. Die Nachweise über die zu den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben vorhanden liquiden Mittel, die Höhe der Entrichtung der Abgabenrückstände sowie der übrigen Gläubiger sowie die sich daraus ergebende Berechnung einer Gläubigergleichbehandlung, Bevorzugung oder Benachteiligung des Abgabengläubigers kann mit dem Konkursakt nicht erbracht werden.

Schuldhafte Pflichtverletzung

Hat der Geschäftsführer im Haftungsverfahren nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis in Bezug auf die Abgabenentrichtung erbracht, kann die Behörde schon deshalb eine die Inanspruchnahme zur Haftung rechtfertigende schuldhafte Pflichtverletzung annehmen ().

Als schuldhaft im Sinne der Bestimmung des § 9 BAO gilt jede Form des Verschuldens, somit auch leichte Fahrlässigkeit (VwGH vS , 91/13/0037).

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Beschwerdeführers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden ist. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit kommt die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt darin, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben ist und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden kann.

Insofern das Finanzamt eine Ermessensentscheidung zu Ungunsten des Beschwerdeführers getroffen hat, kann ihm nicht entgegengetreten werden, da die Haftungsinanspruchnahme die letzte Möglichkeit darstellt, zumindest einen Teil der bei der Primärschuldnerin uneinbringlichen Abgaben im Haftungsweg doch noch einzubringen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 BAO die Ansicht, dass den wirtschaftlichen Verhältnissen des Haftungsschuldners im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung keine Bedeutung zukommt. Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung ( mit Hinweis auf ). Diese kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (z.B. mit zahlreichen weiteren Judikaturnachweisen; ebenso ). Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen steht für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (). Eine allfällige persönliche Unbilligkeit in der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben ist im Rahmen der Ermessensübung zur Geltendmachung der Haftung nicht zu berücksichtigen ().

Der Verwaltungsgerichtshof unterscheidet damit zwischen der Billigkeit bei der Geltendmachung der Haftung und der Billigkeit (persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit) bei der nachfolgenden Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen.
Die Geltendmachung der Haftung ist eine Einhebungsmaßnahme (Ritz, BAO7, § 224 Tz 4), diese bezieht sich aber auf die Einhebung der Abgaben der Primärschuldnerin. Gegenüber dem Haftungsschuldner ist die Heranziehung zur Haftung noch keine Einhebungsmaßnahme, sondern eine Maßnahme, der Festsetzungscharakter zukommt. Gemäß § 7 Abs. 1 BAO wird er erst durch die Geltendmachung der Haftung zum Gesamtschuldner. Daran schließt sich das eigenständige Einhebungsverfahren der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen an.

Daraus folgt, dass eine Unbilligkeit im Zuge der Geltendmachung der Haftung daher nur insofern Berücksichtigung finden kann, als sie nicht in der Einhebung der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen liegt, sondern in der (vollen) Heranziehung zur Haftung läge, etwa weil die Haftung auch gegenüber (weiteren) Geschäftsführern ausgesprochen wurde oder ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits liegt, ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf ().

Im vorliegenden Fall war die Bf. die einzige handelsrechtliche Geschäftsführerin, weshalb eine Einbringung der gegenständlichen Abgaben nur bei ihr möglich ist. Auf die Ausführungen zur Einkommens- und Vermögenslage der Bf. in der Beschwerdevorentscheidung wird verwiesen.

Mit dem am erlassenen Haftungsbescheid wurden nur Abgaben der Jahre 2018 und 2019 geltend gemacht, weshalb eine Berücksichtigung des langen Zeitabstandes zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld und der Haftungsinanspruchnahme vom Finanzamt zu Recht unberücksichtigt blieb.

Weitere Billigkeitsgründe wurden im Verfahren nicht vorgebracht.

Zur Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung beruht auf der zitierten ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100077.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at