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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.05.2022, RV/7104274/2017

Auswirkung vorläufig erlassener, in Rechtskraft erwachsener, Feststellungsbescheide auf die Verjährungsfrist der abgeleiteten Abgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Einkommensteuer 2008 bis 2010, allesamt vom , zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) erzielte in den Streitjahren 2008, 2009 und 2010 neben anderen Einkünften auch Einkünfte aus der Beteiligung an der ***3*** KEG, StNr ***4***.

Am erging an die ***3*** KEG ein auf § 200 Abs. 1 BAO basierender vorläufiger Bescheid betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2008. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am erging an die ***3*** KEG ein auf § 200 Abs. 1 BAO basierender vorläufiger Bescheid betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am erging an die ***3*** KEG ein auf § 200 Abs. 1 BAO basierender vorläufiger Bescheid betreffend Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2010. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Aufgrund der vorläufigen Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO wurden zuletzt am die Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 gemäß § 295 Abs. 1 BAO abgeändert.

Mit Eingabe vom hat der Bf. gegen diese Bescheide vom Beschwerde erhoben und dazu begründend vorgebracht, dass unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 207 Abs. 2 BAO für das Veranlagungsjahr 2008 am , für das Veranlagungsjahr 2009 am und für das Veranlagungsjahr 2010 am Verjährung eingetreten sei und die Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 ersatzlos aufzuheben seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Entscheidung durch den Senat und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Ergänzend wurde ausgeführt, dass es sich bei den ursprünglichen Feststellungsbescheiden um keine vorläufigen Bescheide gehandelt habe, da im Jahr 2008 die Vorläufigkeit nicht, und in den Jahren 2009 und 2010 die Vorläufigkeit nur standardisiert begründet worden sei. Darüber hinaus sei im Zuge einer Außenprüfung das Verfahren betreffend die Feststellungsbescheide 2008 bis 2010 wiederaufgenommen worden, was sich erübrigt hätte, wenn es sich bei den ursprünglichen Feststellungsbescheiden um vorläufige Bescheide gehandelt hätte.

Mit Eingabe vom hat der Bf. seinen Antrag auf Entscheidung durch den Senat sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Veranlagung der Einkommensteuer 2008 bis 2010 erfolgte zuletzt mit Bescheid vom . Die Änderung der Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 gemäß § 295 Abs. 1 BAO erfolgte auf Grundlage der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes Klagenfurt zur Steuernummer StNr ***4*** (vorläufige Feststellung der Einkünfte der ***3*** KEG, gemäß § 188 BAO vom für das Jahr 2008, vom für das Jahr 2009 und vom für das Jahr 2010). Diese vorläufigen Grundlagenbescheide erwuchsen in Rechtskraft.

In Streit steht, ob den mit Bescheiden vom erfolgten Änderungen der Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 gemäß § 295 Abs. 1 BAO Festsetzungsverjährung entgegenstand.

Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe) und II. (Abweisung)

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist betreffend die Festsetzung der Einkommensteuer fünf Jahre, wobei § 208 Abs. 1 lit. a BAO den Beginn der Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, festlegt.

Abweichend von diesem Grundsatz beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde (§ 208 Abs. 1 lit. d BAO).

Durchschlagswirkung der vorläufigen Feststellungsbescheide 2008 bis 2010 auf das Einkommensteuerverfahren 2008 bis 2010:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0153, ausgeführt, dass sich das Verfahren nach § 188 BAO als Bündelung eines Ausschnittes der Einkommensteuerverfahren aller Beteiligten darstellt. Vorläufige Bescheide werden erlassen, um einen dem Grunde nach wahrscheinlich entstandenen Abgabenanspruch in jenen Fällen realisieren zu können, in denen der eindeutigen und zweifelsfreien Klärung der Abgabepflicht oder der Höhe der Abgabenschuld nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens vorübergehende Hindernisse entgegenstehen. Soweit im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO die Höhe des einheitlichen Gewinnes bzw. Überschusses aufgrund vorübergehender Hindernisse nicht ermittelt werden kann, steht der Anteil am Gewinn bzw. Überschuss der einzelnen Beteiligten nicht fest. Diese Ungewissheit kommt durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck und erfasst insoweit auch den abgeleiteten Einkommensteuerbescheid. Folglich liegt hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl. ).

Des Weiteren führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass für den Fall, dass ein vorläufiger Abgabenbescheid erlassen wurde, obwohl keine Ungewissheit iSd. § 200 Abs 1 BAO bestanden hat, und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, so ist in der Folge auch für die Frage, mit welchem Zeitpunkt die Verjährung beginnt, von der Ungewissheit iSd. § 200 Abs 1 BAO bei Bescheiderlassung auszugehen. Dies hat zur Folge, dass der Verjährungsbeginn nach der Regelung des § 208 Abs 1 lit d BAO bestimmt wird und keinesfalls vor dem Zeitpunkt der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheids liegen kann (vgl. auch Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 208 Rz 6).

Wenn der Bf. ausführt, dass die Grundlagenbescheide im gegenständlichen Fall keine vorläufigen Bescheide dargestellt hätten, so ist dem entgegenzuhalten, dass die vorläufig erlassenen Grundlagenbescheide weder angefochten noch aufgehoben wurden, sondern in Rechtskraft erwuchsen, sodass von vorläufigen Bescheiden iSd. § 200 Abs. 1 BAO auszugehen ist.

Entgegen den Ausführungen des Bf. hat somit die Verjährungsfrist für die Einkommensteuer 2008 bis 2010 nicht mit Ablauf des Jahres des Entstehens des Abgabenanspruchs, sondern mit Ablauf des Jahres, in dem die vorläufigen Bescheide erlassen wurde, begonnen (vgl. auch Ritz, BAO6 § 208 Tz 4).

Dies bedeutet für das Streitjahr 2008 (vorläufiger Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vom ), dass die Verjährungsfrist am endete.

Für das Streitjahr 2009 (vorläufiger Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vom ) endete die Verjährungsfrist am .

Für das Streitjahr 2010 (vorläufiger Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vom ) endete die Verjährungsfrist am .

Den mit Bescheiden vom erfolgten Änderungen der Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 gemäß § 295 Abs. 1 BAO stand somit das Rechtsinstitut der Verjährung entgegen, während die mit Bescheid vom erfolgte Änderung des Einkommensteuerbescheides 2010 gemäß § 295 Abs. 1 BAO innerhalb der Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO erfolgte.

Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt ist, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 200 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104274.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at