Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.04.2022, RV/7102676/2021

Nachtrag über eine Laufzeitverlängerung eines Bestandvertrages - Voraussetzungen der durch das 3. COVID-19 Gesetz eingefügten Befreiung nach § 35 Abs. 8 GebG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Bestandvertragsgebühr für den Nachtrag vom , ErfNr. ***1***, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf

Anzeige des Nachtrages vom zu ErfNr ***1***

Am wurde über Finanzonline zu ErfNr ***1*** beim (damaligen) Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich, Dienststelle für Sonderzuständigkeiten, kurz FA) ein am 1.9/7.9 zwischen der ***2*** als Bestandgeberin und der ***Bf1*** (die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf.) als Bestandnehmerin abgeschlossener Nachtrag zum Bestandvertrag vom betreffend das Bestandobjekt Hotel ***3*** (kurz Hotel) angezeigt, mit dem die Laufzeit des Vertrages bis zum verlängert wurde.

Bestandvertrag vom - Verfahren ErfNr. ***4***

Der Bestandvertrag vom hatte eine Laufzeit bis zum vorgesehen und war für diesen Bestandvertrag vom FA unter ErfNr ***4*** die Bestandvertragsgebühr zunächst am vorläufig mit € 43.067,56 festgesetzt worden. Über entsprechende Anfrage teilte die Bf. mit Schreiben vom dem FA die Höhe des tatsächlich seit Vertragsbeginn bezahlten Mietentgelts samt Betriebs- und Nebenkosten mit. Dazu wurde von der Bf. angemerkt, dass wegen Covid 19 vom Vermieter die Mieten April und Mai 2020 zu 100% nachgelassen, November und Dezember 2020 zu 50% nachgelassen, ebenso Jänner und Februar 2021 zu 50% nachgelassen worden seien. Weiters gebe es Stundungen, die vereinbart wurden, um die Schließzeit bzw. die Zeit der Betretungsverbote zu überbrücken. Auf Grund der Angaben der Bf. setzte das FA mit Bescheid vom die Gebühr für den Bestandvertrag gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig ausgehend von einer bestimmten Vertragsdauer von 10 Jahren von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von € 15.076.362,24 mit € 150.763,62 fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. Beschwerde, die vom BFG mit Erkenntnis vom , RV/7102701/2021 als unbegründet abgewiesen wurde.

Bescheid zu ErfNr. ***1***

Mit Bescheid vom setzte das FA für den Nachtrag vom eine Gebühr gemäß § 33 TP 5 GebG ausgehend von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von € 266.225,58 mit € 2.662,26 fest.

Die Begründung lautet wie folgt:

"Bemessungsgrundlage (It. Anfragenbeantwortung v. u. ***4***):

Monatliche Mindestmiete It. Bestandvertrag x Verlängerungsdauer {€ 95.000,00x 2) zzgl. Ust.

Errechneter Durchschnitt aus bekanntgegebenen Betriebs- u. Nebenkosten für den Zeitraum 01-03/2021 (3 Monate € 13.661,28) x Verlängerungsdauer (€ 4.553,76x 2) zzgl. Ust.

Errechneter Durchschnitt aus bekanntgegebenen Heizungs-, Strom- u. Wasserkosten für den Zeitraum 01-12/2019 (12 Monate € 52.193,74, 27.120,49 u. 52.327,47) x Verlängerungsdauer ((€ 4.349,48 + 2.260,04 + 4.360,62) x 2) zzgl. Ust.

Errechneter Durchschnitt aus bekanntgegebenen Versicherungskosten für den Zeitraum 01-03/2021 (3 Monate € 1.452,32) x Verlängerungsdauer (€ 484,11 x 2)"

Beschwerde vom

Gegen diesen Bescheid wurde am das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Die Begründung lautet wie folgt:

"Der gegenständliche Nachtrag zum Bestandvertrag wurde zur Bewältigung der aktuellen COVID-19-Krise abgeschlossen, das Rechtsgeschäft in Abänderung des bereits bestehenden Bestandvertrages ist daher von einer Rechtsgeschäftsgebühr befreit. Eine Kopie des Nachtrages wird nochmals angeschlossen: In Punkt 6. wurde für die Zwecke der Gebührenbemessung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verlängerung des Bestandvertrages um 2 Monate zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COCID-19 Krisensituation notwendig war und daher die Rechtsgeschäftsgebühr mit Null festzusetzen ist.

Gleichzeitig mit dem angezeigten Nachtrag haben die Parteien eine weitere Vereinbarung über teilweisen Mietverzicht, Mietreduktionen und Stundungen für den Zeitraum vom bis Dezember 2020 abgeschlossen.

Mit dem 3. Covid-19-Gesetz sieht der Gesetzgeber krisenbezogene Erleichterungen im Gebührengesetz vor:

Von den Rechtsgeschäftsgebühren des § 33 GebG sind nach § 35 Abs 8 GebG Rechtsgeschäfte befreit, "die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind." Diese Befreiung gilt von bis (§ 37 Abs 41 GebG). Der Nachtrag datiert vom und fällt daher in diese Bestimmung.

Der Nachtrag war für die Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig, da damit die erforderliche Liquidität sichergestellt wurde. Der Zweck des Nachtrages dient ausschließlich die Bewältigung der aktuellen Krisensituation."

Abschließend beantragte die Bf. die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides.

BVE vom

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

"Gemäß § 35 Abs.8 GebG sind Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit,

Da es sich bei gegenständlichem Nachtrag jedoch um eine Vereinbarung zur Verlängerung handelt und nicht um eine behördliche Maßnahmen (z.B. Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Testungen) ist dieses Rechtsgeschäft nicht von den Bestandvertragsgebühren befreit."

Vorlageantrag

Im Antrag auf Vorlage der Beschwerde erstatte die Bf. kein weiteres Vorbringen.

Vorlage der Beschwerde an das BFG

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor

Im Vorlagebericht (der auch der Bf. übermittelt wurde) gab das FA eine Stellungnahme mit folgendem Inhalt ab:

"§ 35 Abs. 8 GebG idF BGBl. I Nr. 23/2020 (gem. § 37 Abs. 41 GebG mit Ablauf des außer Kraft getreten) lautet: "Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit."

Gemäß § 35 Abs. 8 GebG sind Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, von den Hundertsatzgebühren befreit.

Es muss sich bei diesen Maßnahmen um behördliche Maßnahmen handeln, die der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation dienen (z.B. Lazarett in der Messe Wien, Anmietung von Räumlichkeiten zur Durchführung von Testungen) und nicht um Vorkehrungen von Privaten im Eigeninteresse.

Der Zweck der Einführung der Befreiungsbestimmung war beispielsweise, dass Bestandverträge, die von Gebietskörperschaften oder Hilfsorganisationen abgeschlossen werden, um die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen, von der Gebühr befreit werden sollen.

Vereinbarungen von Privaten, wie insbesondere Nachträge zu Geschäftsraummietverträgen, die nach Reduktion oder Entfall des Mietentgeltes während einer Lockdown-Phase eine Verlängerung der Bestanddauer vorsehen, sind nicht von der Gebührenbefreiung erfasst. Liegen hier doch freiwillige privatrechtliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter vor.

Die Befreiung gem. § 35 Abs. 8 GebG kann daher im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung kommen.

Das Finanzamt beantragt das Bundesfinanzgericht möge die Beschwerde als unbegründet abzuweisen."

Beweisaufnahme durch das BFG

Von der zuständigen Richterin wurde zunächst Beweis erhoben durch Einsicht in die vom FA elektronisch vorgelegten Teile der Bemessungsakte ErfNr. ***4*** (vorgelegt im Verfahren RV/7102701/2021) und ErfNr. ***1*** und ergibt sich daraus der oben dargestellte Verfahrensablauf.

Mit Beschluss vom wurde die Bf. aufgefordert, dem BFG die in der Beschwerde erwähnte, gleichzeitig mit dem Nachtrag abgeschlossene weitere Vereinbarung (über teilweisen Mietverzicht, Mietreduktionen und Stundungen) bis zum in Kopie zu übermitteln. Laut Rückschein wurde der Beschluss am von einer Mitarbeiterin der Bf. übernommen.

Dieser Aufforderung kam die Bf. bis dato nicht nach und langte auch sonst kein weiterer Schriftsatz mehr beim BFG ein.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Bestandvertrag vom

Am wurde zwischen der ***2*** als Bestandgeberin und der Bf. als Bestandnehmerin ein Bestandvertrag betreffend das Bestandobjekt Hotel ***3*** (kurz Hotel) abgeschlossen.

Die über den Bestandvertrag errichtete Vertragsurkunde hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"…

4.1. Die Inbestandgabe erfolgt zum Betrieb eines Hotels der 4-Sterne-Kategorie oder 4-Sterne-Garni gemäß Beilage 4. Das Bestandobjekt darf nur zum vorgenannten Zweck unter Beachtung der gesetzlichen und behördlichen Bestimmungen genutzt werden. Eine Änderung der Nutzung und/oder der Branche bedarf der schriftlichen Einwilligung der Bestandgeberin. Während der Bestandzeit ist das Hotel vom Bestandnehmer in der vereinbarten 4-Sterne-Kategorie oder in gleichwertiger Weise ohne Kategorisierung durchgehend zu betreiben (Betriebspflicht).

4.5 Der Bestandnehmer verpflichtet sich, den Geschäftsbetrieb im Bestandobjekt vier Wochen nach Übergabe aufzunehmen.

Der Bestandnehmer verpflichtet sich weiters, den Geschäftsbetrieb dauernd und ununterbrochen aufrecht, das Bestandobjekt geöffnet und beleuchtet zu halten sowie im Bestandobjekt Hotel- bzw Beherbergungsleistungen zu erbringen. Vorab angemeldete und von der Bestandgeberin genehmigte Umbauten sind von dieser Betriebspflicht ausgenommen. Weiters ausgenommen sind Schließungen des Geschäfts- bzw Hotelbetriebs bis zu höchstens zwei Wochen im Jahr; weiters zwingend erforderliche Schließungen, die ihre Ursache nicht in der Sphäre des Bestandnehmers haben."

§6 Bestanddauer, Kündigung

6.1 Das auf die Dauer von 10 Jahren (in Worten: zehn) fest abgeschlossene Bestandverhältnis beginnt mit der Übergabe und Übernahme des Bestandgegenstandes nach § 5 und endet am letzten Tag des Monats, in dem das 10. Bestandjahr abläuft, ohne dass es einer Kündigung oder sonstigen Erklärung bedarf.

Das Bestandverhältnis kann während dieser befristeten Vertragszeit nur aus den im Punkt 6.3. dieses Vertrages genannten Gründen vorzeitig aufgelöst oder aufgekündigt werden.

§7 Bestandzins, Umsatzsteuer

7.1 Der jährliche Bestandzins für den gesamten Bestandgegenstand Hotel mit 158 Hotelzimmern inkl. Nebenflächen und 30 Stellplätzen in der Tiefgarage wird mit 23,5 % des Gesamt-Nettoumsatzes vereinbart.

7.3 Als jährlicher Mindestbestandzins wird ein Betrag von netto 1.140.000.-- …, im Folgenden "Mindestbestandzins" genannt, zuzüglich 20 % USt vereinbart.

7.4. Die Pflicht zur Zahlung des Mindestbestandzinses beginnt am .

§10 Nebenkosten

10.1. Betriebs- und Nebenkosten im Sinne dieses Bestandvertrages sind alle in Beilage 7 aufgeführten Abgaben, Beiträge, Gebühren und Kosten.

10.2. Vereinbart wird eine Nebenkostenpauschale von € 51.321,-- … zuzüglich USt pro Jahr.

Dies mit folgender, im Detail verhandelter und ausdrücklichen Abrede.

15.2. Verletzt der Bestandnehmer eine nach diesem Vertrag pönalisierte Vertragspflicht oder wird für den Fall der Verletzung einer Vertragspflicht durch den Bestandnehmer auf diese Bestimmung Punkt 15.1 verwiesen, so ist die Bestandgeberin unbeschadet weiterer Ansprüche, insbesondere auf Vertragszuhaltung, Schadenersatz und vorzeitige Auflösung oder Aufkündigung des Vertrages gemäß Punkt 6.3., berechtigt, vom Bestandnehmer eine nicht dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegende und vom Nachweis des Eintritts eines Schadens sowie vom Verschulden unabhängige Vertragsstrafe zu verlangen. Diese Vertragsstrafe beträgt € 500,-- (in Worten: Euro fünfhundert) und ist vom Bestandnehmer für jeden Tag zu bezahlen, an dem der Bestandnehmer eine dieser Vertragspflichten verletzt. Die Vertragsstrafe gebührt auch dann, wenn die Bestandgeberin von ihrem Recht gemäß Vertragszuhaltung, Schadenersatz und vorzeitige Auflösung oder Aufkündigung des Vertrages gemäß Punkt 6.3, Gebrauch macht, wegen der Verletzung einer dieser Vertragspflichten die vorzeitige Auflösung oder Aufkündigung des Vertrages zu erklären. In diesem Fall zählt für die Berechnung der Vertragsstrafe jeder Tag bis zur vertragsgemäßen Übergabe des Bestandobjektes durch den Bestandnehmer an die Bestandgeberin

…"

2. Nachtrag vom - Urkundeninhalt

Am 1.9/ schlossen die ***2*** und die Bf. den hier gegenständlichen Nachtrag zum Bestandvertrag vom betreffend das Bestandobjekt Hotel ***3*** (kurz Hotel) über die Verlängerung der Laufzeit des Bestandvertrages ab.

Die über den Nachtrag errichtete Vertragsurkunde hat folgenden Inhalt:

"1. Die Vertragsparteien haben am einen bis befristeten Bestandvertrag (im Folgenden "Bestandvertrag" genannt) über das Bestandobjekt Hotel ***3***, angezeigt beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu Erf. Nr. ***4***, abgeschlossen.

2. Die Vertragsparteien vereinbaren, den Bestandvertrag bis zu verlängern. Das Bestandverhältnis endet daher zu diesem Zeitpunkt durch Zeitablauf, ohne dass es einer Kündigung oder sonstigen Erklärung einer der Vertragsparteien bedarf.

3. Der Bestandvertrag und der vorliegende Nachtrag bilden eine rechtliche Einheit, sodass die allfällige Auflösung oder Unwirksamkeit des Bestandvertrages auch automatisch für den vorliegenden Nachtrag die Auflösung oder die Ungültigkeit bedeutet, ohne dass es einer zusätzlichen Rechtshandlung bedarf.

4. Sämtliche im Zusammenhang mit der Errichtung oder Durchführung dieses Nachtrages anfallenden Steuern, Gebühren und Abgaben, wie insbesondere die Rechtsgeschäftsgebühr, trägt der Bestandnehmer.

5. Soweit im Vorstehenden nichts anderes bestimmt ist gelten sämtliche Bestimmungen des Bestandvertrages unverändert weiter bzw sind sinngemäß auch auf den vorliegenden Nachtrag anzuwenden.

6. Für die Zwecke der Gebührenbemessung wird einvernehmlich festgehalten, dass der Abschluss dieses Nachtrags ausschließlich aufgrund der Verordnungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich geworden ist. Dieser Nachtrag stellt sohin ein Rechtsgeschäft dar, welches zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig ist. Die Parteien sind daher der Auffassung, dass die Rechtsgeschäftsgebühr mit 0,-- festzusetzen ist. Sollte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern wider Erwarten dennoch Rechtsgeschäftsgebühren vorschreiben, werden diese vom Bestandnehmer getragen.

7. Dieser Nachtrag wird in drei Ausfertigungen errichtet. Die drei Ausfertigungen verbleiben zunächst bei der Bestandgeberin zum Zweck der Vornahme der Vergebührung dieses Nachtrages.

In der Folge gebührt jedem Vertragsteil eine Ausfertigung."

Neben dem Nachtrag haben die Vertragsparteien eine Vereinbarung über teilweisen Mietverzicht (April und Mai 2020), Mietreduktionen (November und Dezember 2020 zu 50%, ebenso Jänner und Februar 2021 zu 50%) und Stundungen für den Zeitraum vom April 2020 bis Dezember 2020 abgeschlossen. Diese Vereinbarung wurde geschlossen um die Schließzeit des Hotels (ab Beginn der COVID-19 Krisensituation im März 2020) und die Zeit der gesetzlichen Betretungsverbote zu überbrücken und die erforderliche Liquidität zu erhalten. Der genaue Inhalt der Vereinbarung kann nicht festgestellt werden, da die Vereinbarung trotz Aufforderung dem BFG nicht vorgelegt wurde.

2. Beweiswürdigung

Zu den Sachverhaltsfeststellungen gelangte das Bundesfinanzgericht durch Einsicht in die vom Finanzamt vorgelegten Aktenteile.

Die Feststellung, dass die Bf. neben dem Nachtrag die sog "Vereinbarung" über Mietreduktionen und Stundungen mit der Bestandgeberin getroffen hat, gründet sich auf die Schriftsätze der Bf. und besteht kein Anlass an den Angaben der Bf. zu zweifeln, dass diese Vereinbarung getroffen wurde. Es ist allgemein bekannt, dass auf Grund der COVID-19 Maßnahmen Hotels geschlossen bleiben mussten und auch darüber hinaus mangels Auslastung - insbesondere Seminarhotels und Hotels in Großstädten wie jenes der Bf. - mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen haben und deshalb Mietzinsreduktionen/Stundungen vereinbart wurden.

Nähere Angaben über den Zusammenhang der hier gegenständlichen Laufzeitverlängerung mit den übrigen Vereinbarungen über Mietzinsreduktion/Stundungen tätigte die Bf. nicht. Mangels Kenntnis des genauen Inhaltes der sog "Vereinbarung" kann nicht festgestellt werden, ob der hier gegenständliche Nachtrag und die Wirksamkeit der sog "Vereinbarung" in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Die über den Nachtrag errichtete Urkunde bietet dafür keinen Hinweis, sie erwähnt die "Vereinbarung" nicht einmal.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Rechtslage

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird gemäß § 17 Abs. 2 GebG bis zum Gegenbeweis der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Urkunde die darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert oder wird die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert, so ist dieser Zusatz oder Nachtrag gemäß § 21 GebG im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung als selbständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig.

Gemäß § 33 TP 5 Z. 1 GebG 1957 unterliegen Bestandverträge (§§ 1090ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, im allgemeinen einer Gebühr von 1 v.H. nach dem Wert.

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

§ 35 Abs. 8 GebG lautet in der am gültigen Fassung BGBl. I Nr. 23/2020 wie folgt:

Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit.

§ 37 Abs. 41 GebG bestimmt, dass § 35 Abs. 8 GebG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/2020 mit in Kraft und mit außer Kraft tritt.

Erwägungen

Gebührenrechtliche Beurteilung des Nachtrages vom als Zusatz iSd § 21 GebG

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 21 GebG ist ein Nachtrag betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes als selbstständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig. Nach den Materialien zu § 21 GebG sollte damit klarstellend zum Ausdruck gebracht werden, dass bei allen Rechtsgeschäften, bei denen das durch sie begründete Rechtsverhältnis nach Ablauf einer vereinbarten Zeit beendet sein soll, die Verlängerung dieser vereinbarten Geltungsdauer neuerlich eine Gebührenschuld begründet. Die Verlängerung der vereinbarten Geltungsdauer ist gebührenrechtlich insoweit als Neuabschluss eines selbstständigen Rechtsgeschäftes zu behandeln und unterliegt im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung nach jener Tarifpost der Gebühr, der das geänderte Rechtsgeschäft unterlag (vgl. unter Hinweis Regierungsvorlage zur GebG-Novelle 1981, 549 BlgNR 15. GP).

Mit dem gegenständlichen Nachtrag wurde die Laufzeit des Bestandverhältnisses von bisher 10 Jahren um 2 Monate verlängert und unterliegt dieser Nachtrag somit grundsätzlich - soferne keine Befreiung anwendbar ist - einer Gebühr nach § 33 TP 5 GebG ausgehend vom Entgelt für diesen Verlängerungszeitraum von 2 Monaten. Die Höhe dieses Entgelts und damit die Höhe der - möglichen - Bemessungsgrundlage sind unstrittig.

Anwendbarkeit der Befreiung nach § 35 Abs. 8 GebG idF BGBl. I Nr. 23/2020

Strittig ist alleine die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung des § 35 Abs 8 GebG idF BGBl. I Nr. 23/2020. Soweit überblickbar liegt bisher keine Rechtsprechung zu der durch das sog. "3. COVID-19-Gesetz" (BGBl. I Nr. 23/2020) eingefügten Befreiungsbestimmung vor.

§ 35 Abs 8 GebG sieht in der Fassung BGBl. I Nr. 23/2020 (3. COVID-19 Gesetz) eine temporäre Gebührenbefreiung
- erstens für Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, und
- zweitens für Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, vor.
Die Befreiungsbestimmung ist gemäß § 37 Abs. 41 GebG mit in Kraft getreten und mit außer Kraft getreten und fällt der am abgeschlossene Nachtrag daher unstrittig in den Anwendungszeitraum der Befreiungsbestimmung.

Nach 115 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung wurde diese Änderung des Gebührengesetztes über einen Initiativantrag am im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

"Mit der Anpassung des Gebührengesetzes 1957 sollen insbesondere Bürgschaften befreit werden, die als Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation die Liquidität der betroffenen Unternehmen sicherstellen. Außerdem sollen beispielsweise Bestandverträge von den Hundertsatzgebühren befreit werden, die von Gebietskörperschaften oder Hilfsorganisationen abgeschlossen werden, um die medizinische Versorgung in Österreich sicherzustellen. Die Befreiungsbestimmung soll rückwirkend in Kraft gesetzt werden."

Die Befreiungsbestimmung wurde mehrmals novelliert und der zeitliche Geltungsbereich verlängert.

Vor der hier maßgeblichen Fassung lautete die durch BGBl. I Nr. 16/2020 (2. COVID-19 Gesetz) eingefügte Befreiungsbestimmung:

"(8) Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit."

Rechtsgeschäfte waren daher nicht erfasst.

Die Begründung des Initiativantrages dazu lautete wie folgt (397/A XXVII. GP - Initiativantrag):

"Mit der Anpassung des Gebührengesetzes soll eine umfassende Befreiung von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben für sämtliche Schriften und Amtshandlungen geschaffen werden, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation erfolgen. Erforderliche Maßnahmen sind insbesondere jene Maßnahmen, die in § 3 Abs. 1 COVID-19-FondsG angeführt werden. Es soll damit sichergestellt werden, dass beispielsweise für Anträge betreffend Unterstützungszahlungen nach dem Epidemiegesetz 1950 keine Gebühren gemäß § 14 Gebührengesetz 1957 oder Bundesverwaltungsabgaben zu entrichten sind.

Die Befreiungsbestimmung soll rückwirkend in Kraft gesetzt werden und soll sowohl zukünftige als auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits laufende Verfahren erfassen."

Die hier angesprochene Bestimmung des § 3 Abs. 1 COVID-19-FondsG bestimmt, dass die finanziellen Mittel des Fonds insbesondere für die folgenden Handlungsfelder verwendet werden können (Hervorhebung durch das BFG):

"1. Maßnahmen zur Stabilisierung der Gesundheitsversorgung;

2. Maßnahmen zur Belebung des Arbeitsmarkts (vor allem Kurzarbeit im Sinne des § 13 Abs. 1 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz (AMPFG));

3. Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit;

4. Maßnahmen im Zusammenhang mit den Vorgaben für die Bildungseinrichtungen;

5. Maßnahmen zur Abfederung von Einnahmenausfällen in Folge der Krise;

6. Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950;

7. Maßnahmen zur Konjunkturbelebung;

8. Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von Unternehmen."

Durch BGBl. I Nr. 3/2021 wurde zusätzlich § 35 Abs. 9 GebG mit folgendem Inhalt eingefügt:

"Bestandverträge im Zusammenhang mit Veranstaltungen, deren Bestandzeitraum zur Gänze zwischen und liegt und deren Ausführung wegen der COVID-19 Krisensituation gänzlich unterbleibt, sind von den Hundertsatzgebühren befreit. Wurde die Hundertsatzgebühr bereits festgesetzt, so ist auf Antrag der Abgabenbescheid vom Finanzamt Österreich mit Bescheid aufzuheben. Wurde die Hundertsatzgebühr bereits selbstberechnet, ist auf Antrag vom Finanzamt Österreich ein Bescheid zu erlassen, wonach die Hundertsatzgebühr nicht festgesetzt wird."

BGBl. I Nr. 52/2021 änderte die Befreiungsbestimmungen nur hinsichtlich des Gültigkeitszeitraumes ab.

Durch BGBl. I Nr. 227/2021 wurde die Befreiungsbestimmung schließlich wie folgt geändert und das Wort "hoheitlich" eingefügt:

"(8) Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen hoheitlichen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation erfolgen, sind von den Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben befreit. Die Befreiung gilt auch in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof. Wurden Bundesverwaltungsabgaben bereits bescheidmäßig festgesetzt, so ist auf Antrag der Bescheid durch die Behörde abzuändern und eine bereits entrichtete Bundesverwaltungsabgabe rückzuerstatten. Hinsichtlich der Gebühren gilt § 241 Abs. 2 BAO sinngemäß. Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind, sind von den Hundertsatzgebühren befreit.

(9) Bestandverträge im Zusammenhang mit Veranstaltungen, deren Bestandzeitraum zur Gänze zwischen und liegt und deren Ausführung wegen der COVID-19 Krisensituation gänzlich unterbleibt, sind von den Hundertsatzgebühren befreit. Wurde die Hundertsatzgebühr bereits festgesetzt, so ist auf Antrag der Abgabenbescheid vom Finanzamt Österreich mit Bescheid aufzuheben. Wurde die Hundertsatzgebühr bereits selbstberechnet, ist auf Antrag vom Finanzamt Österreich ein Bescheid zu erlassen, wonach die Hundertsatzgebühr nicht festgesetzt wird."

Die Begründung des Initiativantrages vom (2080/A XXVII. GP - Initiativantrag) lautet wie folgt:

"Die ursprüngliche Befreiungsbestimmung iZm COVID-19 (§ 35 Abs. 8 idF BGBl. I Nr. 23/2020) ist gemeinsam mit den meisten anderen abgabenrechtlichen Befreiungsbestimmungen mit ausgelaufen. Aufgrund der außergewöhnlichen Situation wurden einige Verfahren (zB nach dem Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950) bis zum noch nicht abgeschlossen. Da die Gebührenschuld insbesondere bei Eingaben nach § 14 Tarifpost 6 in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die abschließende Erledigung über die in der Eingabe enthaltenen Anbringen zugestellt wird, wären diese Eingaben nun gebührenpflichtig. Zudem ist damit zu rechnen, dass zukünftig weitere Eingaben aufgrund von gesetzten Maßnahmen erfolgen werden. Aus diesen Gründen soll eine Befreiungsbestimmung geschaffen werden, die wie § 35 Abs. 8 idF BGBl. I Nr. 23/2020, auf hoheitliche Maßnahmen (zB Bescheide gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186/1950) zur Bewältigung der COVID-19 Krisensituation abstellt. Diese Maßnahmen müssen allerdings bereits vor dem gesetzt worden sein, womit der Zusammenhang mit der COVID-19 Krisensituation sichergestellt werden soll. Zu § 37 Abs. 45: Die Befreiungsbestimmung iZm COVID-19 soll rückwirkend mit in Kraft treten, um - unter Berücksichtigung des Außerkrafttretens von § 35 Abs. 8 idF BGBl. I Nr. 23/2020 - eine lückenlose Regelung betreffend COVID-19 zu gewährleisten."

Das Argument des FA in der BVE, wonach es sich nicht um eine behördliche Maßnahme gehandelt habe, geht daher ins Leere, weil § 35 Abs. 8 GebG idF BGBl I Nr. 23/2020 keinen Zusammenhang mit "behördlichen" (oder "hoheitlichen" wie in der Fassung BGBl. I Nr. 227/2021) Maßnahmen fordert. In der hier maßgeblichen Fassung muss es sich (nur) um Rechtsgeschäfte, die "zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendig sind", handeln.

Wie Twardosz in Twardosz, GebG7.00, § 35 (Stand , rdb.at) Rz ausführt, ist der Umfang der Befreiung strittig.

Nach der Literatur ist keine "Ausschließlichkeit" erforderlich, dh es schadet nicht, wenn das Rechtsgeschäft auch anderen Zwecken dient (vgl. dazu Moser, taxlex 2020, 145).

Pinetz/Wimpissinger führen in GRAU 2020/21, Heft 3, S 71 ff zu Änderungen an Bestandverträgen, insbesondere Mietzinsreduktionen ua aus:

"Im Zuge der COVID-19-Krise wurden vielfältig Änderungen an bestehenden Mietverträgen vorgenommen, wobei es sich dabei regelmäßig um Mietzinsreduktionen gehandelt hat. Eine solche Mietzinsreduktion ist bereits nach allgemeinen Vorgaben nicht gebührenpflichtig, soweit der ursprüngliche Bestandvertrag ordnungsgemäß vergebührt wurde. Gebührenrechtlich relevant sind nämlich nur solche Änderungen des ursprünglichen Rechtsgeschäfts, mit denen zusätzliche Rechte oder Pflichten begründet werden, die für die Höhe der Gebührenschuld maßgeblich sind. Der Nachtrag zum ursprünglichen Bestandvertrag unterliegt somit nur nach dem Wert der zusätzlich bedungenen Leistungen der Gebühr. Werden in einem Zusatz oder Nachtrag dagegen nicht zusätzliche Leistungen vereinbart, sondern werden - wie bei einer Mietzinsreduktion - die Leistungen eines Vertragsteils bloß herabgesetzt, so ist dieser Zusatz oder Nachtrag nicht gebührenpflichtig. Dies kann insofern gebührenschonend zur Optimierung herangezogen werden, wenn etwa bei kurzfristigen Mietverträgen die Leistung nicht verwertet werden konnte, aber die Leistung vielleicht im nächsten Jahr vom Mieter genützt werden könnte. In einem solchen Fall könnte ein Nachtrag mit Veränderung der Leistung auf einen neuen Zeitraum gebührenfrei möglich sein."

Nach Ansicht der erkennenden Richterin spricht die Begründung des Initiativantrages zum 3. COVID-19 Gesetz, wonach insbesondere Bürgschaften befreit werden sollen, die als Maßnahme zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation die Liquidität der betroffenen Unternehmen sicherstellen, dafür, dass vom Gesetzgeber ein mittelbarer Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation als ausreichend angesehen wurde. Gerade das angeführte Beispiel der Bürgschaft zeigt weiters, dass Rechtsgeschäfte zwischen Privaten sehr wohl erfasst sein sollten, allerdings mit der Einschränkung der "Sicherstellung" (so im Initiativantrag) bzw der "Notwendigkeit" (so im Gesetzestext) der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation.

Bei Schriften und Amtshandlungen ist nach der ausdrücklichen Textierung der Befreiungsbestimmung des § 35 Abs. 8 GebG ein "mittelbarer" Zusammenhang ausreichend (diese müssen "mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19 Krisensituation " erfolgen) und wird nicht - wie es ansonsten häufig Voraussetzung für die Anwendung der in einem Bundesgesetz außerhalb des GebG enthaltenen Befreiungen ist (siehe dazu Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, Rz 5 Gebührenbefreiungen außerhalb des Gebührengesetzes) - eine "unmittelbare Veranlassung" gefordert.

Nach Ansicht der erkennenden Richterin ist es im Wortlaut der Bestimmung gedeckt und entspricht es dem Sinn und Zweck, der sich aus den erläuternden Bemerkungen ergibt, dass auch bei Rechtsgeschäften grundsätzlich ein mittelbarer Zusammenhang mit Maßnahmen iSd § 3 Abs. 1 Z. 8 des Covid-19-Fondsgesetz (dazu zählen ua Maßnahmen zur Liquiditätsstabilisierung von Unternehmen) zur Bewältigung der COVID-19 Krisensituation ausreichend für die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung ist. Das Wort "notwendig" im Gesetzestext schränkt diese Interpretation allerdings wieder ein und deutet dies darauf hin, dass das konkrete Rechtsgeschäft zur Bewältigung der Krise geeignet sein muss.

Hier ist unbestritten, dass die Bf. als Betreiberin eines Hotels von der COVID-19-Krisensituation besonders betroffen ist und ihre Liquidität durch die gesetzlichen Maßnahmen wie das Betretungsverbot gefährdet wurde. Der Bestandvertrag sah einen Mindestbestandzins vor und war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtrages sicherlich noch nicht geklärt, ob das gesetzliche Betretungsverbot und die damit einhergehende Unmöglichkeit das Hotel zu betreiben eine Mietzinsfreistellung/Mietzinsreduktion zur Folge hat. Es ist daher für das BFG nachvollziehbar, dass die sog "Vereinbarung", die von der Bf. mit der Bestandgeberin über eine Mietzinsreduktion sowie Stundungen getroffen wurden (ebenso wie die im Initiativantrag genannten Bürgschaften) der Sicherstellung der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation dienen. Die Vereinbarung über die Mietzinsreduktionen und Stundungen ist hier jedoch nicht gegenständlich und wird der Vollständigkeit halber bemerkt, dass ein Nachtrag, in dem keine zusätzlichen Leistungen vereinbart werden, sondern die Leistungen eines Vertragsteils bloß herabgesetzt werden, keine Gebührenpflicht iSd § 21 GebG auslöst.

Der Kausalzusammenhang der Laufzeitverlängerung mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation wurde hingegen von der Bf. nicht entsprechend unter Beweis gestellt. Dies insbesondere deshalb, weil die gegenständliche Laufzeitverlängerung den Zeitraum bis betrifft. An Hand des maßgeblichen Urkundeninhaltes (die Urkunde über den Nachtrag enthält bloß einen Verweis auf den ursprünglichen Bestandvertrag, nicht aber auf die sog "Vereinbarung") ist nicht erkennbar, inwiefern die Laufzeitverlängerung zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation "notwendig" ist.

Wenn aus einer Urkunde weder hervorgeht, dass alle für die in Rede stehende Befreiung von der Gebührenpflicht maßgebenden Tatsachen vorliegen, noch Umstände beurkundet sind, die die Befreiung ausschließen würden, ist eine "Undeutlichkeit des Urkundeninhaltes" iSd § 17 Abs 2 GebG gegeben (vgl. ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der eine Begünstigung (Befreiung) in Anspruch nehmende Abgabepflichtige selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (, ). Da die Erfüllung eines Befreiungstatbestandes unzweifelhalt ein Umstand ist, der für die Gebührenfestsetzung bedeutsam ist, muss eine Urkunde, die darüber keinen eindeutigen Aufschluss gibt, gemäß § 17 Abs. 2 GebG behandelt werden. Es wird also in einem solchen Fall die Gebührenpflicht vermutet, der Gegenbeweis ist aber zulässig (vgl. ).

Alleine die Zitierung des Gesetzestextes der Befreiungsbestimmung in der Urkunde reicht nicht dafür aus, um zu beurteilen, ob alle für das Vorliegen der Begünstigung maßgebenden Tatsachen gegeben sind.

Trotz Aufforderung mit Beschluss vom wurde bislang von der Bf. die laut Beschwerde gleichzeitig mit dem angezeigten Nachtrag abgeschlossene weitere Vereinbarung über teilweisen Mietverzicht, Mietreduktionen und Stundungen für den Zeitraum vom April 2020 bis Dezember 2020 dem BFG nicht einmal vorgelegt. Alleine der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Nachtrages und der sog "Vereinbarung" genügen nicht, um auch den Nachtrag über die Laufzeitverlängerung als ein zur Durchführung der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krisensituation notwendiges Rechtsgeschäft zu qualifizieren. Die Bf. hat weder ein konkretes Vorbringen erstattet, inwiefern die Laufzeitverlängerung zur Krisenbewältigung beiträgt noch wurden irgendwelche Beweismittel angeboten.

Da von der Bf. kein entsprechender Gegenbeweis dafür erbracht wurde, dass hinsichtlich des Nachtrages vom die Voraussetzungen der Gebührenbefreiung nach § 35 Abs. 8 GebG vorliegen, ist entsprechend der Aktenlage unter Anwendung der Bestimmung des § 17 Abs. 2 GebG von einer Gebührenpflicht des Nachtrages auszugehen.

Die Beschwerde gegen den Bescheid vom , ErfNr ***1*** ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei einer klaren gesetzlichen Bestimmung begründet alleine das Fehlen einer Rechtsprechung, noch keine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung (siehe dazu ). Auch für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. ).

Einer Rechtsfrage kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet (vgl ). Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinne zu (vgl. ua. , , Ra 2016/16/0084, , Ra 2017/16/0088 und , Ra 2017/16/0111). Auch Einzelfragen der Auslegung von Verträgen stellen keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. ). Die vertretbare Auslegung einer Urkunde geht in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und wirft in der Regel keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. ; sowie ).

Durch die oben zitierte Rechtsprechung ist geklärt, dass es bei einem undeutlichen Urkundeninhalt gemäß § 17 Abs. 2 GebG Sache der Abgabepflichtigen ist, das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen der Befreiungsbestimmungen zu beweisen. Im Ergebnis war hier entscheidungswesentlich, dass der Inhalt der konkreten Urkunde undeutlich ist und dass von der Bf. kein ausreichender Gegenbeweis für den Zusammenhang des konkreten Rechtsgeschäftes (Laufzeitverlängerung) mit der Bewältigung der Covid-19-Krisensituation erbracht wurde.

Die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102676.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at