Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.05.2022, RV/7104862/2018

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch GEVEST Steuer- und BetriebsberatungsgmbH, Schottenfeldgasse 40 Tür 8, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist Ärztin. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 beantragte sie u.a. die Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung iHv 5.068,39 € und Familienheimfahrten iHv 1.836 € als Werbungskosten.

Nach Durchführung eines umfangreichen Vorhalteverfahrens, im Zuge dessen die Bf. in der Beantwortung vom die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung mit 5.847,71 € bekanntgab und entsprechende Nachweise vorlegte, erließ das Finanzamt am den Einkommensteuerbescheid für 2016 und anerkannte die geltend gemachten Kosten nicht. Begründend wurde ausgeführt, dass die Unzumutbarkeit der Mitübersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger nur dann einen Grund für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung darstelle, wenn diese am Familienwohnsitz gemeinsam mit dem Pflichtigen wohnten und daher die Übersiedlung an den Arbeitsort nicht möglich sei. Dies gehe jedoch aus der Vorhaltsbeantwortung vom nicht hervor. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes sei auch nicht in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten begründet, da dieser im Jahr 2016 Einkünfte nur in untergeordnetem Ausmaß erzielt und die Tätigkeit als Unternehmensberater nur geringfügig ausgeübt habe. Auch die Einkünfte als Wahlärztin stellten keinen steuerlich relevanten Grund dar.

In der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 wird vorgebracht, dass die Bf. mit dem Eingehen des neuen Dienstverhältnisses eine Dienstwohnung in ***Ort 2*** bezogen habe. Diese Dienstwohnung sei wesentlich kleiner als das Haus des Familienwohnsitzes und als Familienwohnsitz nicht geeignet. Zudem sei ihr die Wohnung stark verbilligt überlassen worden und mit verschiedenen Auflagen verbunden, wie zB der Notwendigkeit der Einholung eines schriftlichen Einverständnisses des Arbeitgebers für jedes Mal, an dem der Gatte in dieser Wohnung übernachten sollte. Hinsichtlich dieser Auflage habe ihr der Arbeitgeber geraten, den Gatten dort mit Zweitwohnsitz zu melden, selbst dann, wenn er sich kaum dort aufhalte. Der Dienstvertrag sehe bei Nichteinhaltung dieser Bestimmung die sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses vor, weshalb der Bf. geraten worden sei, diesen Regelungen entsprechend zu folgen.

Weiters sei darauf hinzuweisen, dass mit Beendigung des Dienstverhältnisses auch die Wohnung in ***Ort 2*** nicht mehr zur Verfügung stehe. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes, dh Verkauf des Hauses und Übersiedlung nach ***Ort 2*** sei - abgesehen von der mangelnden Eignung der zu kleinen Wohnung - wirtschaftlich nicht tunlich, da die Bf. im Jahr 2021 ihren Pensionsantritt habe und damit auch diese Wohnung in ***Ort 2*** verlieren würde (vgl. ). Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in ***Ort1*** erfolge damit aus rein wirtschaftlichen Gründen und nicht aus privaten Motiven.

Des Weiteren sei neben der privaten Ordinationstätigkeit am Familienwohnsitz auch ihr Ehegatte dort selbständig erwerbstätig. Dieser betreibe eine Unternehmensberatung und sei bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vollversichert. Die Steuererklärung bilde nicht das Ausmaß seiner beruflichen Aktivität ab, da er zwar umfangreiche berufliche Termine wahrnehme und Angebote schreibe, der wirtschaftliche Erfolg sich jedoch nicht wunschgemäß einstelle. Der Verweis auf die Einkünfte in untergeordnetem Ausmaß sei damit für sich alleine nicht zutreffend. Ein Vergleich mit Dienstnehmern, bei denen aufgrund der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen davon ausgegangen werden könne, dass geringes Einkommen mit geringem Umfang der beruflichen Tätigkeit korreliere, sei bei selbständig Erwerbstätigen jedoch nicht zutreffend.

Die Pflegebedürftigkeit der genannten Angehörigen sei kein privates Interesse der Beibehaltung des Familienwohnsitzes, da der Zukauf von Pflegekräften, ebenso wie die Mitübersiedlung der Angehörigen nach ***Ort 2*** wirtschaftlich wesentlich teurer kämen als die derzeitige Situation. Insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Bf. aufgrund ihres Pensionsantrittes in wenigen Jahren diese Tätigkeit ohnehin beenden und damit die Dienstwohnung verlieren werde. Angesichts des wesentlich teureren Immobilienmarktes in ***Ort 2*** und der am Gebrauchtmarkt ohne intensive Investitionen nicht wirtschaftlich sinnvoll verwertbaren Immobilien am Familienwohnsitz wäre eine Verlegung des Familienwohnsitzes aus wirtschaftlicher Sicht völlig absurd.

Im Ergebnis sei die Beibehaltung des bisherigen Familienwohnsitzes aus wirtschaftlicher Sicht der einzig sinnvolle Weg der Handhabung der gegebenen Situation. Private Motive seien hier nachrangig, stelle doch diese vorübergehende doppelte Haushaltsführung in ***Ort 2*** gerade den vom Gesetz vorgesehenen Fall der steuerlich abzugsfähigen Belastung dar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und - nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen und Hinweis auf die Judikatur des VwGH (, 95/14/0059; , 96/14/0018) - unter Bezugnahme auf die im vorliegendem Fall angeführten Gründe für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung (Versorgung naher Angehöriger, eigene Wahlarztordination 1-2x pro Monat, Vorträge im Raum Baden für TCM, selbständige Unternehmensberatung des Ehegatten, absehbarer Pensionsantritt) ausgeführt:

Die Unzumutbarkeit der Mitübersiedlung pflegebedürftiger Angehöriger stelle nur dann einen Grund für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung dar, wenn diese am Familienwohnsitz gemeinsam mit dem Antragsteller wohnhaft seien und für diesen somit ein "Hindernis" darstellten, an den Arbeitsort zu übersiedeln. Aus den Beschwerdeausführungen gehe nicht hervor, dass die pflegebedürftigen Verwandten im selben Haushalt leben würden.

Auch die Erwerbstätigkeit des Ehegatten sei aufgrund ihres geringen Ausmaßes nicht geeignet, eine Wohnsitzverlegung unzumutbar erscheinen zu lassen (Einkünfte unter 6.000 Euro, bei sehr gutem Einkommen des Partners). Die Einkünfte des Ehepartners seien in Bezug auf das Familieneinkommen nicht von wirtschaftlicher Bedeutung.

Da die Bf. im Jahr 2016 aus ihrer Wahlarztpraxis in ***Ort1*** lediglich Einkünfte in der Höhe von 430 € erzielt habe, könne auch darin kein relevanter Grund für die Unzumutbarkeit erkannt werden.

Auch aus dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/14/0081 lasse sich nichts gewinnen. Der Gerichtshof stelle nämlich auf die Erreichung des Regelpensionsalters für die Alterspension von 65 Jahren innerhalb von fünf Jahren nach Dienstantritt ab. Nur dann, wenn ein Arbeitnehmer bei Dienstantritt das 60. Lebensjahr bereits erreicht habe, könne "mit Gewissheit" (weil "dies der allgemeinen Übung entspricht") davon ausgegangen werden, dass er innerhalb der nächsten fünf Jahre (spätestens mit Erreichen des Regelpensionsalters von 65 Jahren) die Berufstätigkeit infolge Pensionierung einstellen werde. Für einen Dienstantritt vor Erreichung des 60. Lebensjahres könne dies allerdings nicht mit der erforderlichen Gewissheit gesagt werden.

Im Zeitpunkt des Dienstantrittes im Jahr 2016 sei die Bf. erst 55 Jahre alt gewesen. Bei einem Dienstantrittsalter von 55 Jahren könne nicht mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass die Berufstätigkeit infolge Pensionierung innerhalb der nächsten fünf Jahre eingestellt werde.

Bei diesem - länger als "vier bis fünf Jahre" währenden - Zeitraum könne nicht von einer nur vorübergehenden Berufsausübung gesprochen werden, bei der eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort unzumutbar gewesen wäre.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das BFG (Vorlageantrag).

Mit wurde der Abgabenbehörde aufgetragen, zu den laut Aufstellung der Bf. in der Vorhaltsbeantwortung vom geltend gemachten Aufwendungen für Doppelte Haushaltsführung iHv 5.847,71 € Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben des Finanzamtes Österreich, beim BFG eingelangt am , teilte die Abgabenbehörde mit, dass die Rechnungen Nr. 50, 51, 54 und 55 auf Herrn ***Ehemann*** lauten und diese Kosten daher nicht abzugsfähig seien.

Die übrigen Aufwendungen stellten durchaus Einrichtungsgegenstände einer üblichen Wohnungsausstattung dar und seien grundsätzlich steuerlich absetzbar. Zu beachten wäre aber noch, dass die Anschaffungskosten von jenen Gegenständen, die den Wert von geringwertigen Wirtschaftsgütern iSd § 13 EStG 1988 übersteigen, im Wege der Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen wären. Dies gelte für die Rechnungen Nr. 58 und Nr. 53 (hier seien die Belege offenbar nicht vollständig, der Betrag von € 817,47 könne nicht nachvollzogen werden).

Mit wurde die Stellungnahme der Abgabenbehörde der Bf. zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass die Rechnungen Nr. 14 und 56 (auch) auf Herrn ***Ehemann*** lauten und daher diese Aufwendungen iHv 26,36 € bzw. 74,00 € ebenfalls nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.

Bezüglich des Sofas (Rechnung Nr. 58 iHv 459,98 €) werde in der Praxis von einer Nutzungsdauer von zehn Jahren ausgegangen, sodass für das Beschwerdejahr eine Halbjahres-Afa iHv 23,00 € anzusetzen wäre.

Hinsichtlich der Rechnung Nr. 53 wurde die Bf. um Vorlage der fehlenden Belege ersucht.

Mit Schreiben vom teilte die steuerliche Vertretung der Bf. mit, dass betreffend die Rechnungen Nr. 14 iHv 26,36 € und Nr. 56 iHv74 € von einer Geltendmachung aus ökonomischen Gründen abgesehen werde, da die Argumentation wohl teurer wäre als der Nutzen daraus, auch wenn es letztlich auf die Nutzung der Güter ankomme und die Formvorschriften des § 11 UStG nicht zur Anwendung gelangten.

Hinsichtlich des Sofas (Rechnung Nr 58) sei eine Aktivierung auf drei Jahre vorgenommen und nur die Abschreibung iHv 76,66 € (HalbjahresAfa) geltend gemacht worden. Die Auflistung der Rechnungen beinhalte demgegenüber die volle Anschaffungshöhe. Von den in der beiliegenden Liste ausgewiesenen Anschaffungen über 5.847,71 € (Anmerkung BFG: Aufstellung laut Vorhaltsbeantwortung vom ) seien die zu aktivierenden Anschaffungen (594 € und 459,98 €, dh in Summe 1.053,98 €) abgezogen worden (= 4.793,73 €). Plus Afa des Kto 610 274,66 € ergebe den in KZ 723 angesetzten Betrag iHv 5.068,39 €.

Die Abweichung hinsichtlich der Nutzungsdauer von den angesetzten drei Jahren zu jener von 10 Jahren werde akzeptiert.

Vorgelegt wurde außerdem die Rechnung Nr. 53 von Ikea Salzburg.

Das Schreiben der Bf. samt Beilagen wurde dem Finanzamt zur Kenntnisnahme übermittelt.

Mit Eingabe der steuerlichen Vertretung vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. ist Ärztin. Sie übte vom bis zum eine nichtselbständige Tätigkeit bei der Pensionsversicherungsanstalt in ***Ort 2*** aus. Seit bezieht sie eine gesetzliche Alterspension. Von ihrem ehemaligen Dienstgeber wurde ihr eine Dienstwohnung im Ausmaß von 85,62 m² zur Verfügung gestellt. Während ihrer Tätigkeit bei der Pensionsversicherungsanstalt in ***Ort 2*** befand sich der Familienwohnsitz in ***Ort1***. Dort betrieb die Bf. eine Wahlarztordination, wo sie 1-2 x pro Monat ordinierte. Weiters hielt sie Vorträge an der Wiener Schule für TCM in Baden ab. Ihr Ehegatte führte am Hauptwohnsitz eine selbständige Unternehmensberatung. Aus dieser Tätigkeit erklärte er im Streitjahr negative Einkünfte. Der Nebenwohnsitz in ***Ort 2*** wurde am abgemeldet.

Zu prüfen war, ob der Bf. im Jahr 2016 die Verlegung des Familienwohnsitzes an ihren Beschäftigungsort zumutbar war oder nicht.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf dem vorliegenden Akteninhalt und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 16 Abs 1 EStG sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs 1 EStG dürfen bei den einzelnen Einkünften u.a. nicht abgezogen werden:

1. Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge;

2.a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

[...]

e) Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen.

Wird eine Erwerbstätigkeit in unüblicher Entfernung vom Familienwohnsitz ausgeübt, so betrachtet die Rechtsprechung die Beibehaltung des Familienwohnsitzes als kausal für die Kosten einer zweiten Haushaltsführung am Beschäftigungsort und ordnet diese damit prinzipiell der privaten Lebensführung zu. Eine steuerliche Berücksichtigung kommt aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen weder die tägliche Heimfahrt noch die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zumutbar ist. Liegt eine solche steuerliche anzuerkennende doppelte Haushaltsführung im Betrachtungszeitraum vor, steht dem Steuerpflichtigen der Abzug der damit verbundenen unvermeidbaren Mehraufwendungen offen.

Die Aufwendungen für Familienheimfahrten des Steuerpflichtigen vom Wohnsitz am Arbeitsplatz zum Familienwohnsitz sind dann Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen.

Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann ().

Folgende Gründe werden von der Bf. in der Beschwerde für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes angeführt:

1. Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger am Familienwohnsitz

2. Wahlarztordination am Familienwohnsitz

3. selbständige Erwerbstätigkeit des Ehegatten am Familienwohnsitz

4. Absehbarer Pensionsantritt

Ad 1. Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger

In der Judikatur wird zwar eine besonders gelagerte Pflegenotwendigkeit naher Angehöriger, deren Mitübersiedlung unzumutbar ist, als für die Beibehaltung der doppelten Haushaltsführung sprechender Grund angeführt, wie etwa im Fall einer zu 100 % behinderten depressiven Pflegegeldbezieherin () oder der Pflege der krebskranken Mutter (). Eine solche Pflegebedürftigkeit ist anhand entsprechender Beweismittel - zB durch ein ärztliches Attest - zu belegen ().

Solche Beweismittel hat die Bf. nicht vorgelegt; die bloße Behauptung der Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger genügt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes allerdings nicht, die (längerfristige) Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes anzunehmen.

Ad 2. Wahlarztordination

Die Bf. bringt vor, dass ihre in ***Ort1*** ausgeübte selbständige Tätigkeit einen weiteren Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes darstelle. Demgegenüber vertritt das Finanzamt die Auffassung, dass auch darin kein relevanter Grund für die Unzumutbarkeit erkannt werde, weil die Bf. im Jahr 2016 aus ihrer Wahlarztpraxis lediglich Einkünfte in der Höhe von 430 € erzielt habe.

In seiner Entscheidung vom , RV/2100962/2015, sprach das BFG aus, dass die vom dortigen Beschwerdeführer am Familienwohnsitz erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die lediglich rd. 7% der am Nebenwohnsitz in Wiener Neustadt erzielten Einkünfte betrugen, eine zu vernachlässigende Größe und keinesfalls einen steuerlich beachtlichen Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung nach Wiener Neustadt darstellen (vgl. auch ).

Gegenständlich betragen die Einkünfte der Bf. aus nichtselbständiger Arbeit (nach Abzug der Werbungskosten) laut angefochtenem Bescheid 64.752,00 €. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit iHv 438,75 € belaufen sich sohin gerade einmal auf rd. 0,68% der nichtselbständigen Einkünfte der Bf. Bei dieser Relation stellen die aus der Wahlarztordination und der Abhaltung von Vorträgen resultierenden Einkünfte zweifelsohne keinen gewichtigen Grund dar, der die Beibehaltung des Hauptwohnsitzes rechtfertigen würde.

Ad 3. Erwerbstätigkeit des Ehegatten

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Berufstätigkeit des Ehepartners am Ort des Familienwohnsitzes als Grund für die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung unter der Bedingung anzuerkennen, dass der Ehepartner des Steuerpflichtigen aus seiner Berufstätigkeit nachhaltig Einkünfte nicht bloß untergeordneten Ausmaßes erzielt. Entscheidend ist somit das Gewicht des Beitrags der vom Ehepartner am Ort des Familienwohnsitzes erzielten Einkünfte zum Familieneinkommen der Eheleute. Ist dieser Beitrag im Verhältnis zum Einkommen des Steuerpflichtigen allerdings vernachlässigbar, dann stellt die Berufstätigkeit des Ehepartners am Ort des Familienwohnsitzes - aus der Sicht des Steuerpflichtigen - keinen Grund für eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung dar (vgl. ).

Bei der hier vorliegenden Relation der Einkommen der Bf. und ihres Ehegatten, nach der der Ehegatte im Streitjahr (und auch in den Jahren davor sowie in den Jahren 2017 und 2018) aus seiner selbständigen Tätigkeit ausschließlich negative Einkünfte erklärt hat, ist die Gefahr des Verlustes solcher Einkünfte durch einen Wechsel des Familienwohnsitzes nicht als Grund zu erkennen, der - aus der Sicht der Bf. - eine Unzumutbarkeit des Wechsels des Familienwohnsitzes bewirken könnte. Daran vermag auch der Einwand, dass die Steuererklärung nicht das Ausmaß der beruflichen Aktivität des Ehegatten abbilde, nichts zu ändern.

Ad 4. Absehbarer Pensionsantritt

Der Einwand der Bf., die absehbare Pensionierung stelle einen Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes dar, war zutreffend.

Dem Erkenntnis vom , 88/14/0081, auf welches die Bf. in der Beschwerde verweist, lag der Gedanke zugrunde, dass die Verlegung des Wohnsitzes dann nicht zumutbar ist, wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit auf vier bis fünf Jahre befristet ist.

Dementsprechend haben der UFS und das BFG in einer Vielzahl von Entscheidungen ausgesprochen, dass ein aus der Sicht des Streitjahres in absehbarer Zeit nachweislich oder zumindest glaubhaft gemachter bevorstehender Pensionsantritt - unabhängig vom Zeitpunkt des Dienstantrittes und unabhängig davon, ob der Pensionsantritt mit Erreichen des Regelpensionsalters erfolgt oder ob eine Vorruhestandsregelung in Anspruch genommen wird - einen gewichtigen Grund für eine Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes darstellt (vgl. ; ; ; ; ; ; ).

Die Bf. hat ihre Tätigkeit bei der PVA am beendet und laut Aktenlage nachweislich am die Alterspension angetreten.

Wegen des im Beschwerdejahr bereits absehbaren Pensionsantritts war der Bf. eine Wohnsitzverlegung innerhalb von fünf Jahren vor der angestrebten Ruhestandsversetzung nicht mehr zumutbar. Die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung lagen demnach vor.

Von den geltend gemachten Aufwendungen für Doppelte Haushaltsführung iHv insgesamt 5.847,71 € sind allerdings jene auszuscheiden, denen Rechnungen zu Grunde liegen, die auf den Ehegatten der Bf. lauten; dies betrifft die Rechnungen Nr.14 (26,36 €), Nr. 50 (138 €), Nr. 51 (78,35 €), Nr. 54 (594 €), Nr. 55 (277,08 €) und Nr. 56 (74 €), insgesamt somit 1.187,79 €.

Die Anschaffungskosten des Sofas laut Rechnung Nr. 58 iHv 459,98 € sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 iVm § 7 EStG 1988 über die Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen, wobei hier in der Praxis von einer Nutzungsdauer von zehn Jahren ausgegangen wird, sodass für das Beschwerdejahr eine Halbjahres-Afa iHv 23,00 € anzusetzen wäre.


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Aufwendungen lt. Bf:
5.847,71 €
ReNr. 14, 50,51,54,55,56
-1.187,79 €
Anzuerkennende Aufwendungen lt. BFG
4.659,92 €
ReNr. 58 (Sofa)
-459,98 €
ZwSu
4.199,94 €
Halbjahres-Afa Sofa
23,00 €
Werbungskosten lt. BFG
4.222,94 €

Insgesamt sind daher 6.058,94 € (Doppelte Haushaltsführung 4.222,94 € + Familienheimfahrten 1.836 €) als Werbungskosten anzuerkennen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur betreffend die doppelte Haushaltsführung, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Wien, am

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