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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.06.2022, RV/7103263/2017

Vergleichszahlung bei vorzeitiger Beendigung eines Dienstverhältnisses

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf2***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2015,
Steuernummer, ***BF1StNr1***,
zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Fax vom beantragte der BF über seinen steuerlichen Vertreter im Jahr 2015 zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuer zurückbezahlt zu bekommen.
Auf dem Lohnzettel L1 für 2015 der ***Z_AG*** sei unter dem Titel "sonstige Bezüge gemäß § 67 (2, 6, 10) laut Lohnsteuertarif versteuert" ein Betrag von 530.504,90 ersichtlich. Dieser setze sich aus folgenden Beträgen seiner "Einvernehmlichen Auflösungsvereinbarung" vom zusammen:
§ 3 (2) Abfertigung 85.987,58
§ 3 (3) Vergleich 422.189,88
§ 3 (5) BMSVG Abgeltung 11.340,08
§ 6 KV Abgeltung 11.007,36
Summe 530.504,90

Die Summe von 530.504,90 sei von seinem Arbeitgeber voll steuerpflichtig "laut Lohnsteuertarif" abgerechnet worden. Demgegenüber vertrete der BF die Ansicht, dass gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG von dem Betrag von 530.504,90 Euro ein Fünftel steuerfrei zu belassen sei, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG. Diese Höchstbeitragsgrundlage habe im Jahr 2015 monatlich 4.650 Euro betragen, dieser Betrag multipliziert mit 9 ergibt 41.850. Der BF beantrage daher 50% Lohnsteuer von 41.850, somit 20.925 Euro gemäß § 240 BAO zurückzuerhalten.

2. Am erging der Einkommensteuerbescheid 2015.
Den Anträgen vom , vom und vom auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist wurde jeweils stattgegeben.
Mit Bescheid vom , zugestellt am , wurde der Antrag vom auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist abgewiesen.

3. Am wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Begründend wurde ausgeführt, dass § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 nicht so eng ausgelegt werden könne, dass nur solche Vereinbarungen darunter fallen sollen, die das Ergebnis einer bereits gerichtsanhängigen Sache sind. Es werde beantragt der Veranlagung nicht den Betrag laut Kennzahl 245 des Lohnzettels von 628.996,81 zugrunde zu legen, sondern nur einen Betrag von 587.146,81 (628.996,81 abzüglich 41.850).
Mit Fax des steuerlichen Verteters vom führte der BF näher aus:
"Diese Auflösungsvereinbarung kam nach längeren Verhandlungen seit Januar 2015, die vor allem mündlich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden geführt wurden, zustande. ***Bf1*** hatte ursprünglich eine höhere Summe gefordert und eine andere Lösung für den Dienstwagen gefordert. Der Aufsichtsratsvorsitzende stand anfangs jedem Anspruch von ***Bf1*** skeptisch gegenüber. Auf beiden Seiten wurden Rechtsanwälte beigezogen. Die Auflösungsvereinbarung vom ist demnach ein Kompromiss über entgegen der bisherigen Ansicht des Finanzamtes wohl strittige Fragen, der nicht allzu lange vor der einvernehmlichen Vertragsauflösung gefunden wurde.

Die Auslegung dieser Gesetzesstelle durch das Finanzamt im og. Fristabweisungsescheid vom in einer Weise, die den Begriff "Vergleich" auf solche Vereinbarungen reduziert, welche als Gegenleistung für die Zurücknahme einer bereits gerichtsanhängigen Klage geleistet werden, ist daher eine unzutreffende Verengung des Wortsinns des Begriffes "Vergleich" wie er etwa in § 1380 ABGB verwendet wird. Diese meine Sicht wird auch in der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Wien, Senat 17, GZ. RV/2590-W/12 vom vertreten.

Wie in diesem UFS-Fall wurden auch in meiner Auflösungsvereinbarung nicht alle Ansprüche abgegolten. Zur Auslegung des Begriffes "Vergleich" siehe auch das VfGH- Erkenntnis 2008/03/05, G243/07.
Aus den og. Gründen ist mE. § 67 Abs 8 lit a EStG auf die gegenständliche Auflösungsvereinbarung wohl anzuwenden.
Der Hinweis des Finanzamtes auf RZ 1104b LStR ist in meinem Fall ebenso nicht zutreffend, da diese Randziffer i.V. mit Randziffer 1104a LStR nur Zahlungen betrifft, die unstrittigerweise auf Grund von gesetzlichen Regelungen (zB. Kündigungsentschädigung) zu zahlen sind, was in meinem Fall nicht vorliegt
."

4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen. In der gesondert zugestellten Bescheidbegründung vom wurde die Abweisung folgendermaßen begründet:
"Der Lohnzettel der ***Z_AG*** ist nicht abzuändern. Das Betriebsstätten-Finanzamt hat folgende Feststellungen getroffen:
Gemäß § 3 der einvernehmlichen Auflösungsvereinbarung vom gebührt Herrn
***Bf1*** für die vorzeitige Beendigung des Vorstandsvertrages eine Zahlung von brutto 422.189,88€ (Vergütung für die Restlaufzeit bis unter Berücksichtigung und Abgeltung der Steuerprogression, jährliche Valorisierung von 0,89 Prozent), fällig zum Beendigungsdatum. Die Einrechnung gem. § 29 Abs 1 AngG bzw § 1162b ABGB wird ausdrücklich ausgeschlossen.
Diese vertraglich zugesicherte Zahlung ist in voller Höhe erfolgt, ohne dass der Empfänger den Klagsweg beschreiten oder eine gerichtsanhängige Klage zurücknehmen hätte müssen. Es liegt also eine klassische, vertraglich zugesicherte Abgangsentschädigung und keine Vergleichszahlung vor.
Seit Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes (BGBl I 2014/40) mit sind Abgangsentschädigungen gem. § 67 Abs 10 EStG nach dem Tarif zu versteuern.

In diesem Sinne ist auch die Versteuerung vom Arbeitgeber vorgenommen worden. Aufgrund der Tatsache, dass die Auflösungsvereinbarung und auch der Zufluss in das Kalenderjahr 2015 fallen, steht außer Streit, dass die zitierte Gesetzeslage bereits zu Anwendung gelangt.
Da Herr
***Bf1*** darüber hinaus seit Anbeginn in der Mitarbeitervorsorge eingegliedert war, kann § 67 Abs 6 EStG ebenfalls nicht greifen.
Als Zahlung gem. § 67 Abs 8 lit a EStG können nur Zahlungen behandelt werden, die als Gegenleistung für die Zurücknahme einer bereits gerichtsanhängigen Kündigungsanfechtungsklage geleistet werden, nicht jedoch Zahlungen iZm weiteren beendigungskausalen Ansprüchen (die insbesondere nicht strittig waren).
(Siehe in diesem Zusammenhang auch RZ 1104b der LStRl und Punkt 67/67 und 67/67a Ausgabe 2015 der Lohnsteuer in Frage und Antwort (Seite 826)).
Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass es sich bei der Auflösungsvereinbarung vom tatsächlich um einen Vergleich gehandelt habe und dem Verweis auf die Entscheidung des
RV/2590-W/12 ist zu entgegnen, dass diese Behauptung aus der dem Finanzamt vorliegenden Vereinbarung nicht hervorgeht. Es gibt keinerlei Hinweise auf Verhandlungen im Vorfeld bzw. einer ursprünglich höheren Forderung des Beschwerdeführers. Das Finanzamt geht daher weiterhin von einer einvernehmlichen Vereinbarung und nicht von einem Vergleich aus."

5. Mit Schreiben vom beantragte der BF die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Abänderung des angefochtenen Bescheides insofern, dass der maximal zustehende Betrag gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG 1988 oder in eventu einer anderen Bestimmung des § 67 EStG, aus der im Jahr 2015 einbehaltenen Lohnsteuer rückerstattet werde.
Gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG sei höchstens ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage steuerfrei zu belassen. Diese Höchstbeitragsgrundlage habe im Jahr 2015 4.650 Euro betragen, somit seien 8.370 Euro (4.650 mal 9 durch 5) steuerfrei zu belassen.
Der BF beantrage daher 50% der Lohnsteuer von 8.370 Euro, somit 4.185 Euro rückerstattet zu erhalten, in eventu (letzte beiden Sätze von § 67 Abs 8 lit a EStG) 50% der Lohnsteuer von 7.500 Euro, somit 3.750 Euro.

Begründend führte der BF im Wesentlichen Folgendes aus:
"Die Auflösungsvereinbarung kam nach längeren Verhandlungen, seit November/Dezember 2014, die vor allem mündlich mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden geführt wurden zustande. Ich hatte ursprünglich eine deutlich höhere Summe und eine andere Lösung für den Dienstwagen gefordert. Der Aufsichtsratsvorsitzende stand anfangs jedem meiner Ansprüche skeptisch gegenüber. Auf beiden Seiten wurden Rechtsanwälte beigezogen. Danach legte der Eigentümer bzw. Aufsichtsratsvorsitzende einen für mich wesentlich nachteiligeren Entwurf vor. Die Auflösungsvereinbarung vom ist demnach ein Kompromiss über entgegen der Ansicht des Finanzamtes sehr wohl strittige Fragen, der nicht allzu lange vor der einvernehmlichen Vertragsauflösung gefunden wurde (siehe unten "Chronologie des Vergleichs").

Deshalb ist § 67 Abs 8 lit a EStG auf die gegenständliche Auflösungsvereinbarung anzuwenden. …
Für mich wurde bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses in eine Vorsorgekasse einbezahlt. Ab dem wurde nicht mehr einbezahlt. Je nachdem, wie dies zu beurteilen ist, sind auf die Vergleichssumme der Auflösungsvereinbarung entweder die ersten beiden Sätze des § 67 Abs 8 lit a EStG oder die beiden letzen Sätze leg. cit. anzuwenden."

Der BF stellte in der "Chronologie des Vergleichs" unter Beilage von 10 Dokumenten den Verhandlungsverlauf dar, der zur "einvernehmlichen Auflösungsvereinbarung" vom führte:
Ende 2014 habe er bereits ohne Reaktion das Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden gesucht. Mit E-Mail vom an den Aufsichtsrat stellte der BF seine Forderungen betraglich dar. Insgesamt seien drei Rechtsanwälte mit der Auflösungsvereinbarung beschäftigt gewesen.
Am 20. März habe der BF an die Dienstgeberin eine Aufstellung der für die Vertragsauflösung zu erwartenden Beträge iHv. 630.000 Euro geschickt.
Nach mehreren Urgenzen habe der BF einen Gegenentwurf zur Auflösungsvereinbarung (Anlage 7) erhalten, in der die wesentlichen Beträge gestrichen waren.
Am selben Tag habe der BF an den Aufsichtsrat geschrieben, dass die Angelegenheit wohl vor Gericht geregelt werden sollte. Er habe in den nächsten Tagen eine neue Forderung von etwa 757.000 Euro übermittelt.
Unter Einbeziehung der Rechtsanwälte sei die Diskussion bis Mai weitergegangen.
Am sei die endgültige Auflösungsvereinbarung unterzeichnet worden, die weit von den anfangs geforderten Beträgen entfernt sei.
Dieser Verhandlungsverlauf verdeutliche, dass es sich bei der Auflösungsvereinbarung vom um einen klassischen Vergleich im Wortsinn handle, das Produkt eines gegenseitigen Interessenausgleiches und beiderseitigen teilweisen Nachgebens.

6. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom nach Säumnisbeschwerde zurück.

7. Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor, beantragte die Abweisung und nahm wie folgt Stellung:
"Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung des Finanzamtes wird auf die Begründung der Beschwerdevorentscheidung verwiesen. Ergänzend wird bemerkt, dass den Beilagen zum Vorlageantrag (Bl. 66 ff.) zu entnehmen ist, dass Auflösungskonditionen vereinbart wurden, deren Ergebnis die einvernehmliche Auflösungsvereinbarung vom war. Hier hat man sich nicht über vergangenheitsbezogene strittige Ansprüche geeinigt, sondern über verschiedenste Ansprüche, die seitens des Bf. bis zum vorzeitigen Ende des Vorstandsvertrages lukriert hätten werden können. Dass jemand mit Beendigung des Dienstverhältnisses keine Essensbons mehr erhält, nicht mehr in der betrieblichen Vorsorge sein kann, der Anspruch auf Nutzung des Dienstwagens erlischt und die Krankenzusatzversicherung wegfällt, ist wohl als logische Konsequenz der Auflösung des Dienstverhältnisses zu betrachten. Wenn all diese Dinge hinsichtlich einer entsprechenden Abgeltungshöhe ins Treffen geführt werden (Bl. 63), werden nicht vergangenheitsbezogene Ansprüche verglichen. Die Argumentation an den AR- Vorsitzenden mit Schriftsatz vom zur Vereinbarung eines entsprechenden Handshakes wird unter anderem auch dahingehend geführt, dass früher die steuerliche Situation viel günstiger war und nunmehr der gesamte Auszahlungsbetrag aus der vorzeitigen Vertragsauflösung mit 50% zu besteuern ist (Bl. 66). Es wird also eine gesetzliche Regelung zur Lukrierung höherer Ansprüche ins Treffen geführt, die nunmehr durch Änderung des Lohnzettels obsolet sein sollte."

8. Mit Fax vom nahm der BF den Antrag auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat zurück.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. Der BF wurde vom Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft zum Mitglied des Vorstandes bestellt. Die Funktionsperiode begann am und sollte laut Vorstandsvertrag bis dauern.

2. Der BF und die Aktiengesellschaft vereinbarten mit Auflösungsvereinbarung vom einvernehmlich, dass das Anstellungsverhältnis zum endet.

3. Dieser Auflösungsvereinbarung gingen Verhandlungen mit einer ursprünglich wesentlich höheren Forderung des BF voraus:

Am schickte der BF an die Dienstgeberin eine Aufstellung der für die Vertragsauflösung zu erwartenden Beträge iHv. 630.000 Euro.

Nach mehreren Urgenzen erhielt der BF einen Gegenentwurf zur Auflösungsvereinbarung, in der Teile der Beträge gestrichen waren.

Am selben Tag schrieb der BF an den Aufsichtsrat, dass die Angelegenheit wohl vor Gericht geregelt werden sollte und übermittelte eine neue Forderung von etwa brutto 757.000 Euro.

Unter Einbeziehung der Rechtsanwälte ging die Diskussion bis Mai 2015 weiter.

4. Am wurde die endgültige Auflösungsvereinbarung unterzeichnet, in der man sich auf den Gesamtbetrag von 530.504,90 Euro einigte. Dieser Betrag wurde vom Arbeitgeber zum Tarif besteuert und die Lohnsteuer wurde abgeführt.
Der Gesamtbetrag setzt sich zusammen aus:
* einer Vergütung iHv. 422.189,88 Euro für die Restlaufzeit des Dienstvertrags vom bis zum ;
* einer Abfertigung iHv. 85.967,58 Euro (entspricht sechs Bruttomonatsgehältern inklusive anteiliger Sonderzahlungen);
* einer Abgeltung iHv. 11.340,08 Euro für den Verlust der monatlichen Einzahlungen in die betriebliche Vorsorgekasse;
* einer Abgeltung iHv. 11.007,36 Euro für den Verlust der Zusatz-Krankenversicherung.

Der BF verzichtete schlussendlich auf Abgeltung für die Essensbons (4.416 Euro) und für den Verlust des Dienstwagens (10.691 Euro). Weiters verzichtete der BF auf die D & O-Versicherung (Vermögenshaftpflichtversicherung für leitende Angestellte).
Die Konkurrenzklausel des Vorstandsvertrages wurde aufgehoben, dafür verzichtete der BF auf die entsprechende Entschädigungszahlung.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde mit dem Vorlagebericht vorgelegten aktenkundigen Unterlagen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtslage:

§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 105/2014 lautet:

(8) Für die nachstehend angeführten sonstigen Bezüge gilt Folgendes:

(a) auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, sind, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG; Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Fallen derartige Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind sie bis zu einem Betrag von 7 500 Euro mit dem festen Steuersatz von 6% zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

Rechtliche Beurteilung:

Strittig ist, ob die einvernehmliche Auflösungsvereinbarung einen Vergleich iSd § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 darstellt.

Vergleichssummen im Sinne des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 sind Zahlungen aus dem Dienstverhältnis, die "auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen" beruhen. Zwar stellt der Wortlaut auf einen formalen zivil(prozess)rechtlichen Titel ab, doch interpretiert die Judikatur die Bestimmung eher nach wirtschaftlichem Verständnis. Eine formale zivil(prozess)rechtliche Anknüpfung greift sowohl hinsichtlich des außergerichtlichen als auch des gerichtlichen Vergleichs zu kurz.
Zivilrechtlich setzt ein Vergleich gemäß § 1380 ABGB voraus, dass damit streitige oder zweifelhafte Rechte unter beiderseitigem Nachgeben neu festgelegt werden. Zweifelhaft ist ein Recht dann, wenn sich die Parteien nicht einig sind, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Es reicht, wenn bloß die Höhe des Anspruchs zweifelhaft ist. Ein Vergleich bedarf zu seiner Gültigkeit keiner bestimmten Form und kann daher auch schlüssig zustande kommen. Keine Rolle für die Begünstigung spielt es, ob es sich um einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich handelt (vgl mwN). Auch der VwGH fordert in ständiger Rechtsprechung für die Begünstigung einer Vergleichssumme die Bereinigung strittiger oder zweifelhafter Rechte. In aller Regel wird ein beiderseitiges Nachgeben für die Anwendung von § 67 Abs 8 lit a EStG erforderlich sein (Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, § 67 Tz 112 und 113, mit Verweis auf ; ; ).

Aus dem Vorbringen des BF zum Zustandekommen der Auflösungsvereinbarung ist erkennbar, dass ein beiderseitiges Nachgeben bezüglich der Höhe des Anspruchs stattgefunden hat.
Anstelle der vom BF geforderten Bruttovergütung iHv. ca. 757.000 Euro einigte man sich auf einen Gesamtbetrag von 530.504,90 Euro.
Die Beiziehung mehrerer Rechtsanwälte über einige Monate macht deutlich, dass es sich um die Bereinigung strittiger Rechte gehandelt hat.

Eine Beschränkung der Begünstigung auf in der Vergangenheit angehäufte Bezüge ist dem Wortlaut des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 nicht zu entnehmen.

Der Zweck der Bestimmung liegt in der pauschalen Berücksichtigung allfälliger steuerfreier Zulagen und Zuschläge oder sonstiger Bezüge sowie als Abschlag für einen Progressionseffekt durch die Zusammenballung von Bezügen (siehe die ausführliche Begründung in unter Hinweis auf und die dort zitierte Regierungsvorlage 311 BlgNR 21 GP, 170).

Ein Vergleich iSd § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 liegt somit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts vor.

Die gegenständliche Vergleichssumme wurde bei bzw. nach Beendigung des Dienstverhältnisses ausbezahlt und wurde zumindest teilweise für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse besteht.
Daher ist sie bis zu einem Betrag von 7.500 Euro mit dem festen Steuersatz von 6% zu versteuern.

Der Bescheid ist daher in diesem Sinne abzuändern.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zu einer Beschränkung der begünstigten Besteuerung von Vergleichen in § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 auf in der Vergangenheit angehäufte Bezüge besteht ab der Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die ordentliche Revision war daher zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103263.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at