Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2022, RV/7102558/2021

Geschäftsführerhaftung, Mitgeschäftsführer und faktischer Geschäftsführer nicht (mehr) in Österreich aufhältig, Zuflussprinzip bei Lohnabgaben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, vertreten durch "A-KERN" Steuerberatung GmbH, Dresdner Straße 47/3. OG, 1200 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , Steuernummer N-1, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf nachstehende Abgabenschulden im Gesamtbetrag von € 1.687,19 eingeschränkt:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Körperschaftsteuer
2014
34,39
Anspruchszinsen
2014
95,72
Stundungszinsen
2016
314,10
Stundungszinsen
2017
256,40
Stundungszinsen
2018
615,57
Pfändungsgebühr
2018
194,17
Barauslagenersatz
2018
4,10
Lohnsteuer
06/2018
66,94
Dienstgeberbeitrag
06/2018
95,96
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/2018
9,84


Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

In Beantwortung des Haftungsvorhaltes vom teilte die Beschwerdeführerin (Bf.) mit Schreiben vom mit, dass sie bereits am einen Brief ans Finanzamt (an die BP-Prüferin) geschickt habe, in dem sie das Finanzamt über ihre persönliche Position in der Firma G-1 informiert habe.

Daher möchte sie noch einmal hier betonen, dass sie nur formell Geschäftsführerin bei der Firma gewesen sei. So sei sie bei der WGKK als Angestellte angemeldet gewesen und habe keine Zeichnungsberechtigung in der Bank gehabt. Sie habe keine Verträge abschließen können bzw. nur formale Verträge (Handy, Miete etc.) und dies nur auf ausdrückliche Anweisung von Herrn P-1. Ihre damaligen zahlreichen Korrespondenzen mit ihm bewiesen diese Tatsache.

Herr P-1 sei bei allen wichtigen Terminen (Kunden, Lieferanten, Anwälte, Steuerberater etc.) derjenige gewesen, der die Entscheidungen getroffen habe. Diese Geschäftspartner könnten als Zeugen befragt werden. Nach tatsächlichen Verhältnissen sei Herr P-1 der Geschäftsführer und der einzige gewesen, der eine Zeichnungsberechtigung in der Bank gehabt habe. Außerdem sei Herr P-1 der wirtschaftliche Eigentümer des Unternehmens sowie der Geschäftsführer/Gesellschafter der G-2 in Dubai gewesen (diese Firma sei Gesellschafterin der GmbH gewesen).

Persönlich habe die Bf. keine Entscheidungsfreiheit gehabt, sondern nur ein Einsichtsrecht in das Bankkonto, und nur die Überweisungen vorbereiten dürfen. Herr P-2 habe offiziell auch eine Zeichnungsberechtigung gehabt, aber die Zugangsdaten für das Firmenbankkonto nie erhalten. Somit sei Herr P-1 der einzige gewesen, der die Überweisungen unterschreiben habe dürfen. Die Zeichnungsberechtigung von der Bank werde in Kopie beigelegt.

Im laufenden Betrieb habe er bzw. seine Mitarbeiter die ursprünglichen Vereinbarungen mit Kunden und Lieferanten außerhalb Österreich verhandelt und fertiggestellt. Aufgabe der Bf. sei nur gewesen, die Verträge umzusetzen und den Ablauf der Geschäfte zu organisieren. Sie habe dementsprechend auch keinen Einfluss auf die Vertragsbedingungen gehabt. Alle Gelder für die Verträge habe Herr P-1 selbst überwiesen.

Im Firmenbuch sei sie als Geschäftsführerin eingetragen gewesen, habe aber tatsächlich nur als Sales Managerin ohne weitere Berechtigungen agieren dürfen.

Als über die Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Abläufe in der Firma diskutiert worden sei, habe Herr P-1 der Bf. versichert, dass alles richtig und ordnungsgemäß in der Firma ablaufe. Laut Herrn P-1 habe es schon 2011 eine Prüfung gegeben und es sei alles in Ordnung gewesen. Die Abläufe bzw. das Geschäft mit der Firma in Dubai habe es auch in Zeiten gegeben, bevor sie in die Firma gekommen sei.

Am Ende (nach BP-Prüfung 2018) seien noch viele offene Schulden geblieben. Wenn sie sich richtig erinnere, seien bei einigen Lieferanten die Rechnungen nicht mehr beglichen worden. Ihre Gehälter für die letzten 3 Monate (Mai, Juni, Juli) habe sie auch nicht mehr erhalten. Weiters sei ein Rückstand bei der Gemeinde (für Kommunalsteuer), bei der WGKK und dem Finanzamt offengeblieben, weil Herr P-1 sein internationales Geschäft nicht über diese GmbH abgewickelt habe und in der GmbH kein Geld mehr da gewesen sei.

Die fehlenden Abgaben, die in der Haftungsvorerhebung vom aufgelistet worden seien, könne die Bf. leider nicht nachvollziehen. Insbesondere die Abgaben, die vor ihrer Zeit im Unternehmen (2014 und Vorjahre) entstanden seien, könnten ihr logischerweise nicht vorgeschrieben werden, weil sie nicht mal im Unternehmen gewesen sei.

Außerdem bezögen sich die Abgaben wie die Anspruchszinsen, Körperschaftsteuer, Stundungszinsen usw. für den Zeitraum 2012-2014, also vor ihren Zeiten. Die Lohnabgaben für 03/2017 seien am iHv EUR 118,75 ans FA überwiesen worden. Während ihrer Arbeit (seit Ende 2014) im Unternehmen seien alle Lohnsteuern und Abgaben monatlich bezahlt worden. Zusätzlich hätten sie 2015 oder 2016 eine GPLA-Prüfung gehabt, wonach die Firma eine kleine Schuld (ca. 1.000 Euro) nachgezahlt habe. Danach habe der Steuerberater immer darauf hingewiesen und aufgepasst, dass alles rechtzeitig eingezahlt werde. Aus diesem Grund könne die Bf. nicht erklären, woher die Lohnsteuer-Schulden entstanden seien, bis auf die Monate 2018, in denen sie auch kein Gehalt bekommen habe. Diese Abgaben gehörten im Finanzamt eigentlich storniert, weil die Firma ihre Gehälter Mai bis Juli 2018 nicht ausbezahlt habe. Darauf habe sie leider auch keinen Einfluss gehabt.

Zurzeit wohne die Bf. in einer Mietwohnung. Sie sei 1,5 Jahre arbeitslos gewesen und habe zwischen 700 und 800 Euro Notstandshilfe bekommen. Erst ab dem habe sie wieder angefangen, als Angestellte zu arbeiten.

Sie hoffe, dass sie hiermit näher erläutern habe können, dass ihre Rolle als Geschäftsführerin nur administrativer Natur gewesen sei und sie in der Tat die Firma nie geführt und nie die richtige Berechtigung dazu gehabt habe.

Sie hoffe auch, für die entstandenen Schulden nicht zur Haftung herangezogen zu werden, da sie dafür absolut nichts gekonnt habe. Außerdem, wie aus ihrem Vermögensverzeichnis herausgelesen werden könnte, würde die Zahlung der Firmenschulden einen sehr tiefen Einschnitt in ihrem kleinen Vermögen bedeuten. Leider könne sie sich auch keinen rechtlichen Beistand leisten und riskiere, Privatkonkurs anmelden zu müssen, was für sie einfach katastrophal wäre.

---//---

Mit Bescheid vom wurde die Bf. gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als ehemalige Geschäftsführerin der G-3 (Anmerkung: gemeint wohl nicht zuletzt aufgrund der angeführten Firmenbuchnummer G-1) für nachstehende Abgaben in der Höhe von € 4.842,71 zur Haftung herangezogen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Fälligkeit
Dienstgeberbeitrag
2012
135,03
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2012
12,00
Lohnsteuer
2014
1.330,53
Dienstgeberbeitrag
2014
673,74
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2014
61,30
Körperschaftsteuer
2014
34,39
Anspruchszinsen
2014
95,72
Stundungszinsen
2016
314,10
Lohnsteuer
03/2017
50,35
Dienstgeberbeitrag
03/2017
62,32
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
03/2017
6,08
Stundungszinsen
2017
256,40
Stundungszinsen
2018
615,57
Pfändungsgebühr
2018
194,17
Barauslagenersatz
2018
4,10
Lohnsteuer
06/2018
66,94
Dienstgeberbeitrag
06/2018
95,96
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
06/2018
9,84
Körperschaftsteuer
07-09/2018
437,00
Lohnsteuer
07/2018
212,87
Dienstgeberbeitrag
07/2018
113,70
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/2018
11,66
Pfändungsgebühr
2018
47,94
Barauslagenersatz
2018
1,00


Gemäß § 80 Abs. 1 BAO hätten die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen oblägen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, entrichtet würden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in § 80 Abs. 1 BAO erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht hätten eingebracht werden können.

Die gegenständliche GmbH sei am D-1 im Firmenbuch gelöscht worden. Die offenen Abgabenschuldigkeiten seien somit uneinbringlich geworden.

Die Bf. sei mit Gesellschafterbeschluss vom D-2 zur gemeinsamen Geschäftsführerin mit einem weiteren Geschäftsführer bestellt worden. Am D-3 sei die Funktion als Geschäftsführerin zurückgelegt worden.

Zur Beantwortung des Haftungsvorhalts werde wie folgt Stellung genommen:

Der Verwaltungsgerichtshof habe wiederholt ausgeführt, dass ein Geschäftsführer, der sich durch Gesellschafter oder dritte Personen behindert sehe, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden habe.

Ein für die Haftung relevantes Verschulden liege auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nehme, welche die zukünftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung unmöglich mache. Der Umstand allein, dass ein Geschäftsführer seine Funktion nie ausgeübt habe, bedeute nicht, dass er wie ein zurückgetretener Geschäftsführer zu beurteilen wäre.

Eine im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung könne einen Geschäftsführer somit nicht von seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen entbinden, bei Übertragung seiner Pflichten habe er zumindest eine Auswahl- und Kontrollpflicht wahrzunehmen, deren Verletzung eben die Konsequenz einer Haftungsinanspruchnahme nach § 9 BAO nach sich ziehe.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO sei innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff Billigkeit sei dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Beschwerdeführers beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststehe und deren Nichtentrichtung durch ihn versursacht worden sei. Dem Gesetzesbegriff Zweckmäßigkeit komme die Bedeutung öffentliches Interesse an der Einhebung der Abgabe zu. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liege daran, dass nur durch diese Maßnahme eine Einbringlichkeit der angeführten Abgaben gegeben sei und nur so dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden könne. Da der Abgabenausfall auf ein Verschulden des Geschäftsführers zurückzuführen sei, sei den Zweckmäßigkeitsgründen der Vorrang einzuräumen.

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In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wandte die Bf. ein, dass sich gemäß § 9 BAO die sachliche Haftung (Anmerkung: gemeint wohl persönliche Haftung) für die Bf. nur im Fall einer schuldhaften Verletzung ihrer Pflicht als Geschäftsführerin ergebe. In ihrem Fall liege aus folgenden Gründen keine schuldhafte Verletzung vor:

  1. Sie sei seit ihrem Eintritt immer nur als gemeinsam vertretungsbefugte Geschäftsführerin tätig und als Angestellte nach dem ASVG pflichtversichert gewesen. Eine abweichende Vereinbarung im Innenverhältnis habe es nicht gegeben.

  2. Da sie niemals einzeln zeichnungsberechtigt in der Bank gewesen sei, sei ihr die Einzahlung der offenen Abgaben ohne Zeichnung des anderen (einzeln vertretungsbefugten) Geschäftsführers auch im Fall des Vorhandenseins der liquiden Mittel nicht möglich gewesen. Somit fehle jede Kausalität zwischen einer möglichen Pflichtverletzung der Bf. mit der Uneinbringlichkeit.

  3. Die GmbH habe nicht nur die Finanz als Gläubiger gehabt, sondern auch andere Gläubiger, wie Behörden, Gebietskrankenkasse und Gemeinde, diverse Lieferanten wie Warenlieferanten, Rechtsberater, Vermieter, Internet- und Telefonbetreiber, Übersetzungsbüro, Inkassobüro sowie die offenen Gehälter der Bf. als einzige Angestellte der Firma aus 2018. Schlussendlich sei aufgrund aller dieser Tatsachen ein Konkursverfahren eröffnet worden.

Außerdem stimme der Haftungsbescheid der Höhe nach nicht. So seien der Bf. Abgaben aus den Jahren vor ihrem Eintritt zur Haftung angelastet worden. Laut § 9 BAO hafte der Geschäftsführer für schuldhafte Verletzung eigener Pflichten. Weiters seien die Lohnabgaben für 03/2017 bereits am an die Finanz überwiesen worden. Die Lohnabgaben für 2018 gehörten (vom Masseverwalter oder von Amts wegen) aufgerollt, weil diese nicht an Mitarbeiter ausbezahlt worden seien, weshalb der Abgabenanspruch der Finanz gegenüber der GmbH und somit auch gegenüber der Bf. entfalle.

Sie ersuche um ihre vollständige Entlastung der ihr zu Unrecht angelasteten Abgaben gemäß dem angefochtenen Haftungsbescheid, weil sie ihren Pflichten vollständig nachgekommen und eine bessere Ausübung ihrer Funktion als Geschäftsführerin in ihrem Fall unmöglich gewesen sei.

---//---

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde insofern stattgegeben, als die Lohnabgaben 03/2017 aus der Haftung ausgeschieden wurden, sodass sich der Haftungsbetrag um € 118,75 auf € 4.723,96 verringerte.

Begründend wurde vorgebracht, dass grundsätzlich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen werde.

Ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden liege dann vor, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nehme, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich mache. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stelle eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar.

Als bestellter Geschäftsführer hätte sie die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder ihre Funktion unverzüglich niederzulegen gehabt. Habe sie das nicht getan, dann müsse sie die Konsequenzen tragen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe sich ein Geschäftsführer bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei, weil die Pflicht der GmbH zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung ende. Die GmbH bleibe verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten sei, zu erfüllen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung sei der Geschäftsführer der GmbH verhalten.

Es habe nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Der Vertreter hafte nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und hafte der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt habe, dann erstrecke sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten habe. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliege allerdings dem Vertreter. Weise er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann hafte er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Trete der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann könne ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden.

In der Begründung der vorliegenden Beschwerde sei richtigerweise angeführt worden, dass die Lohnabgaben 03/2017 entrichtet worden seien. Dass diese im Rückstand aufschienen, sei auf eine Doppelbelastung durch Meldung und Zahlung zurückzuführen. Dies sei im Spruch dieser Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt worden.

Im Übrigen sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

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Fristgerecht beantragte die Bf. mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und brachte ergänzend vor, dass ihr im Haftungsbescheid die Lohnabgaben 2014 angelastet worden seien, obwohl aus dem beigelegten Kontoauszug die Einzahlung vom ersichtlich sei. Auch die Körperschaftsteuer 07-09/2018 sei fristgerecht am Fälligkeitstag, dem überwiesen worden.

Hinsichtlich der angelasteten Lohnabgaben 06/2018 und 07/2018 führte die Bf. aus:

Im Jahr 2018 sei sie die einzige Mitarbeiterin der Gesellschaft gewesen. Diese Lohnabgaben für 06-07/2018 seien nie entstanden, weil die offenen Gehälter (samt aliquoten Sonderzahlungen) für 06+07/2018 nie an die Bf. überwiesen worden seien. Dabei verweise sie auf § 78 Abs. 1 EStG, wonach der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten habe. Diese (selbst zu bemessenden) Abgaben hätten von der damaligen steuerlichen Vertretung (oder spätestens vom Amts wegen im Rahmen der Löschung der GmbH) storniert werden müssen. Als Beweis dafür übermittle sie folgende Unterlagen:

  1. Dienstnehmerlohnkonto 2018 der Bf. (übereinstimmend mit dem Jahreslohnzettel), aus dem ersichtlich sei, dass die gebuchten Lohnabgaben von ihrem Gehalt stammten bzw. was sie hätte bekommen sollen.

  2. Gehaltsüberweisungen für den Zeitraum 12/2017 bis 05/2018, wonach die Überweisungssumme mit der Nettosumme laut Dienstgeberlohnkonto übereinstimme bzw. man sehe, dass die zwei offenen Gehälter nicht ausbezahlt worden seien.

Alle angeführten Beweise seien unstrittig und es verbleibe ein Resthaftungsbetrag von EUR 1.710,42. Gegen die Meinung der Finanz vertrete die Bf. die Meinung, dass sie keine Haftung gemäß § 9 BAO für die Abgaben der GmbH treffen könne. Sie sei eine nicht einzelvertretungsbefugte, im Firmenbuch eingetragene Geschäftsführerin gewesen. Außerdem sei sie niemals zeichnungsberechtigt für das Firmenkonto bei Bank gewesen. Sie sei als echte Angestellte abgerechnet und den Weisungen des echten Geschäftsführers unterlegen gewesen. Der wahre Gehalt der steuerlichen Würdigung beziehe sich Iaut ständiger Rechtsprechung auf tatsächliche wirtschaftliche Verhältnisse und hafte nicht an Formalitäten.

Daher stelle die Bf. den Antrag auf vollständige Entlastung der ihr zu Unrecht angelasteten Abgaben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Haftung gemäß § 9 Abs. 1 BAO sind:

- Stellung des Geschäftsführers als Vertreter
- Abgabenforderungen gegen die vertretene Gesellschaft
- Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
- abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Vertreters
- dessen Verschulden an der Pflichtverletzung
- Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit der Abgaben (Kausalität)

Aushaftende Abgabenforderungen

Die haftungsgegenständlichen Abgaben wurden bescheidmäßig festgesetzt oder (teilweise) von der Bf. zwar gemeldet, aber nicht entrichtet. Allerdings waren folgende Abgaben aus der Haftung zu nehmen:


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Abgabe
Zeitraum
Betrag
Begründung
Lohnsteuer
Dienstgeberbeitrag
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2014
2014
2014
1.330,53
673,74
61,30
Nicht mehr aushaftend
Körperschaftsteuer
07-09/2018
437,00
Nicht mehr aushaftend + Bf. war nicht mehr Geschäftsführerin
Lohnsteuer
Dienstgeberbeitrag
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
07/2018
07/2018
07/2018
212,87
113,70
11,66
Nicht geschuldet, da kein Gehalt an die Bf. ausgezahlt wurde und die Bf. nicht mehr Geschäftsführerin war
Pfändungsgebühr
Barauslagenersatz
2018
2018
47,94
1,00
Bf. war nicht mehr Geschäftsführerin


Entgegen der Rechtsansicht der Bf. wurde ihr laut den vorgelegten Bankunterlagen im Monat Juni 2018 sehr wohl ein Gehalt ausbezahlt. Dass es sich dabei um das Gehalt für Mai 2018 gehandelt hat, ändert nichts an der Entstehung der Steuerschuld erst im Juni 2018, da gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 3 BAO für Steuerabzugsbeträge (Lohnabgaben) der Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte (Löhne und Gehälter) gilt. Eine Verminderung der Haftung um die Lohnabgaben 06/2018 kommt daher nicht in Betracht.

Dem Vorbringen, dass die Lohnabgaben 03/2017 am in Höhe von € 118,75 entrichtet worden seien, war insofern zu folgen, als diese Abgaben zwar nicht am (Verrechnungsweisung für die Lohnabgaben 02/2017), jedoch am mit Verrechnungsweisung entrichtet wurden, weshalb sie ebenfalls aus der Haftung auszuscheiden waren.

Gleiches gilt auch für die Lohnabgaben 2012 (insgesamt € 147,03), die durch die am gebuchte Gutschrift aus der Umsatzsteuer 2015 in Höhe von € 498,45 getilgt wurden.

Uneinbringlichkeit

Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().

Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die G-1 im Firmenbuch am D-1 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde.

Stellung der Geschäftsführerin als Vertreterin

Aus den vorgelegten Akten war festzustellen, dass die Bf. im Zeitraum vom D-2 (laut Firmenbucheintragung und Gesellschafterbeschluss gleichen Datums) bis D-4 (laut Notariatsakt vom D-3) gemeinsam mit P-2 Geschäftsführerin der G-1 war.

Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes endete die Geschäftsführung der Bf. nicht erst am D-3, da sowohl dem notariell beglaubigten Antrag auf Löschung ihrer Geschäftsführungsbefugnis vom D-3 als auch der daraufhin im Firmenbuch am D-5 vorgenommenen Eintragung der Löschung lediglich deklarative Wirkung zukommt. Konstitutiv endete die Geschäftsführertätigkeit der Bf. allerdings bereits mit dem am D-4 zur Post gegebenen Rücktrittsschreiben vom D-6.

Dem Vorbringen der Bf., dass als Angestellte ASVG-pflichtversichert gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass dies auf alle Geschäftsführer einer GmbH zutrifft, die nicht überwiegend (zu mehr als 25%) auch Gesellschafter des Unternehmens sind.

Bestritten wurde, dass der Bf. (sowie ihrem Mitgeschäftsführer P-2) die Rechte und Pflichten von Vertretern der Gesellschaft zugekommen wären, da der Machthaber der Alleingesellschafterin der GmbH, der in Dubai ansässigen G-2, P-1, in Wahrheit auch die GmbH beherrscht habe.

Jedoch lässt sich aus dem Umstand des eingewendeten faktischen Machthabers nichts gewinnen, weil ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden auch dann vorliegt, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar ().

Nach der Verantwortung der Bf. war diese tatsächlich niemals mit Geschäftsführungsaufgaben jedweder Art betraut. Wirksam bestellte Geschäftsführer ohne Tätigkeitsbereich sind aber weder denkbar noch nach den gesetzlichen Bestimmungen des GmbHG zulässig, da auch eine Geschäftsverteilung von den dem Geschäftsführer obliegenden, gesetzlich zwingenden Pflichten niemals befreien kann.

Darüber hinaus muss ihr die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegengehalten werden, nach welcher den Geschäftsführer, der sich eine solche Hinderung an der Erfüllung seiner Obliegenheiten gefallen lässt, die Folgen seiner Willfährigkeit treffen (). Aus welchen Gründen die Bf. ihrer Verpflichtung zur Abgabenentrichtung nicht nachkam, ist im gegenständlichen Haftungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Dass sie ohne ihre Zustimmung zur Geschäftsführerin bestellt worden oder zurechnungsunfähig gewesen wäre, hat die Bf. nie behauptet. Als bestellte Geschäftsführerin hätte sie die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder ihre Funktion unverzüglich niederzulegen gehabt. Hat sie das nicht getan, dann muss sie die Konsequenzen tragen (vgl. ).

Eine Vertreterin handelt schon deshalb schuldhaft, weil ihr bewusst sein muss, dass sie der gesetzlichen Sorgfaltspflicht des § 25 Abs. 1 GmbHG nicht entsprechen kann, wenn sie dessen ungeachtet die Funktion eines Geschäftsführers übernimmt.

Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss gemäß § 9a Abs. 1 BAO dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

Die in Abs. 1 bezeichneten Personen haften gemäß § 9a Abs. 2 BAO für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können.

Zur mittlerweile möglichen Haftungsinanspruchnahme des faktischen Geschäftsführers gemäß § 9a BAO wird darauf hingewiesen, dass die abgabenrechtliche Pflicht im Sinne des § 9a BAO erst mit in Kraft trat und daher auch erst ab diesem Zeitpunkt eine entsprechende Pflichtverletzung durch Erlassung eines Haftungsbescheides nach § 9a BAO geahndet werden kann. Eine Rückwirkung auf Pflichtverletzungen faktischer Machthaber (Einfluss nehmender Personen) vor dem ist vom § 9a BAO nicht erfasst, daher auch nicht für die im gegenständlichen Fall betroffenen Lohnabgaben 2012. Da die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflicht, auf die Erfüllung der Pflichten des Abgabepflichtigen und der Vertreter Einfluss zu nehmen, erst ab Inkrafttreten dieser Bestimmung besteht, kann sie auch erst ab diesem Zeitpunkt verletzt werden (Ritz, BAO6, § 9a Tz 5), weshalb für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten ausschließlich der bestellte Geschäftsführer, nämlich die Bf. sowie der gemeinsame Geschäftsführer P-2, verantwortlich war.

Dass die Bestellung eines "Geschäftsführers auf dem Papier" an seiner Stellung als Organwalter und am Bestand der ihn nach § 80 BAO treffenden Pflichten nichts ändert, hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung wiederholt zum Ausdruck gebracht. Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie auf allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an ().

Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung - sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen - faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist, sich aber gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung oder zumindest seiner Aufsichts- und Kontrollaufgaben in Bezug auf die Entrichtung der Abgaben nicht durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr setzt oder von seiner Geschäftsführerfunktion zurücktritt ().

Damit kam es aber im Beschwerdefall - anders als bei einer Agendenverteilung zwischen bestellten Geschäftsführern - nicht darauf an, ob der handelsrechtliche Geschäftsführer Grund hatte zu zweifeln, ob der faktische Geschäftsführer ordnungsgemäß vorgeht ().

Gemäß § 18 GmbHG vertreten die Geschäftsführer die GmbH. Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern iSd § 80 BAO und entheben den bestellten Geschäftsführer nicht von seinen Pflichten ().

Schuldhafte Pflichtverletzung

Daraus folgt, dass der Bf. als Geschäftsführerin der Gesellschaft die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Aus dem Einwand der Bf., dass ihr die Abgaben, die vor ihrer Zeit im Unternehmen (2014 und Vorjahre) entstanden seien, nicht vorgeschrieben werden könnten, lässt sich nichts gewinnen, da die mit Bescheiden vom vorgeschriebenen Lohnabgaben 2012 zwar bereits vor ihrer Geschäftsführungstätigkeit fällig waren, jedoch jeweils Zahlungsfristen eingeräumt wurden (), die in ihre Zeit fielen, zumal sie bei der Schlussbesprechung zur GPLA persönlich (und seitens der Gesellschaft alleine) anwesend war. Die mit Bescheiden vom festgesetzten Körperschaftsteuern und Anspruchszinsen 2014 waren ohnehin erst im Zeitraum ihrer Geschäftsführerbestellung fällig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. ).

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichen; es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten ().

Seitens der Bf. wurde nicht vorgebracht, dass die Primärschuldnerin im haftungsgegenständlichen Zeitraum über keine finanzielle Mittel mehr verfügt hätte bzw. wurde auch nicht behauptet, es seien sämtliche Gläubiger gleichbehandelt worden. Für eine völlige Vermögenslosigkeit der Primärschuldnerin ergeben sich auch nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, zumal jedenfalls noch Löhne ausbezahlt und an die Abgabenbehörde Überweisungen getätigt wurden. Was eine allfällige Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft, so wäre dies von der Bf. zu behaupten und zu beweisen gewesen.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung der Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Kausalität

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Ermessen

Die von der Bf. geltend gemachte wirtschaftliche Notlage steht in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung. Soweit sie damit zum Ausdruck bringen will, dass die belangte Behörde nach der Aktenlage von der Uneinbringlichkeit der geltend gemachten Verbindlichkeiten bei ihr ausgehen hätte müssen, weshalb die Heranziehung zur Haftung in Ausübung des Ermessens nicht zweckmäßig sei, ist sie darauf hinzuweisen, dass die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht ausschließt, dass künftig neu hervor gekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können (; ).

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Da sowohl der faktische Geschäftsführer P-1 als auch der Mitgeschäftsführer P-2 nicht zur Haftung herangezogen werden können, da diese in Österreich nicht (mehr) gemeldet sind, zumal sie laut Firmenbuch in Usbekistan bzw. Israel wohnhaft sind, besteht die einzige Hereinbringungsmöglichkeit der aushaftenden Abgaben in der Haftungsinanspruchnahme der Bf.

Darüber hinaus kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Abgabenbehörde ohnehin den gesamten Rückstand aus Nachforderungen an Körperschaftsteuer und Anspruchszinsen 2011-2016 sowie Umsatzsteuer 2016 (Betriebsprüfung vom , Zahlungsfrist jeweils ) sowie diverser Säumniszuschläge und Pfändungsgebühren, etc. in Höhe von insgesamt € 2.827.897,39 am bzw. gemäß § 235 BAO gelöscht hat, obwohl die Bf. auch dafür zur Haftung hätte herangezogen werden können.

Von der Bf. wurden keine Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können.

Ergebnis

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme der Bf. als Haftungspflichtige für die im Spruch genannten Abgabenschuldigkeiten der G-1 im Ausmaß von nunmehr € 1.687,19 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102558.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at