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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2022, RV/5101207/2020

Verjährung der Grunderwerbsteuer bei Geltendmachung gegenüber mehreren Schuldnern

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5101207/2020-RS1
Da Verwaltungsgerichte keine Abgabenbehörden sind, stellen deren Ermittlungshandlungen im Abgabenverfahren keine Verlängerungshandlungen dar (Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB § 209, 580; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 209 BAO, Rz. 8; Ritz/Koran, BAO7, § 209 Rz. 8).
RV/5101207/2020-RS2
Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus stehen einer Rechtsmittelerledigung (Beschwerdevorentscheidung oder einem Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts) nicht im Wege, jedoch einer erstmaligen Abgabenfestsetzung. § 209a Abs. 2 BAO gestattet eine verjährungsungebundene Abgabenfestsetzung außerhalb eines Rechtsmittelverfahrens nur dann, wenn die Abgabenfestsetzung von der Erledigung einer anderen mit Beschwerde bekämpften Verwaltungsangelegenheit abhängig ist.
RV/5101207/2020-RS3
Die Behörde kann einzelne Schuldner in Anspruch nehmen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 6 Anm 5). Dazu ist ein Leistungsgebot (Bescheid) an den einzelnen Schuldner zu richten. Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der Einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Hat sich die Behörde zunächst dafür entschieden, die Grunderwerbsteuerschuld gegen einen der möglichen Abgabenschuldner geltend zu machen, hat das Rechtsmittelverfahren in diesem Abgabenfestsetzungsverfahren keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist. Nur nach Maßgabe der in § 209a BAO normierten Ausnahmen ist trotz Eintritt der Verjährung eine Abgabenfestsetzung zulässig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Raiffeisenstraße 3, 4600 Thalheim b.Wels, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Grunderwerbsteuer zu EN ***24*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bisheriger Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Projekt ***1***

Für die lt. der Vermessungsurkunde des ***2*** vom neu gebildeten Grundstücke 1 bis 8 der ***Bf1*** (=beschwerdeführende Partei) hat die ***3*** den Bau von fünf Einfamilienhäusern (Top 5,6 und 9-11) und drei Doppelwohnhäusern (Top 1-4 und 7,8) samt Garagen und Carportanbauten im Zuge einer Gesamtanlage geplant.
Die Einreichpläne vom (siehe Beilage) für dieses Bauvorhaben weisen die beschwerdeführende Partei als Bauwerberin und die ***3*** als Bauführerin aus. Bei der Bauverhandlung am waren sowohl die ***3*** - als Planverfasser und Bauführer - als auch die beschwerdeführende Partei - als Antragsteller und Bauwerber - durch ***4*** vertreten. In der Verhandlungsschrift, GZ GZ, findet sich der Befund des bautechnischen Amtssachverständigen wie folgt: Auf den Grundstücken 1 bis 8, welche jeweils eigene Bauplätze bilden, ist der Neubau von fünf Einfamilienwohnhäusern und drei Doppelwohnhäusern geplant. Hierüber liegen Projekte seitens der ***3*** bestehend aus den Einreichplänen mit Datum , Baubeschreibungen mit Datum und Energieausweise mit Datum vor. Die Baugrundstücke werden vom rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Wohngebiet ausgewiesen und lt. Auskunft der Baubehörde von keinem Bebauungsplan erfasst. Die erforderlichen Bauplatzbewilligungen liegen vor. ...
Die zuständige Baubehörde hat der beschwerdeführenden Partei aufgrund ihres Antrages betreffend der Errichtung von 5 Einfamilienhäusern und drei Doppelwohnhäusern die Baubewilligung am unter der Bedingung, dass das Bauvorhaben projektgemäß auszuführen ist, erteilt (siehe beiliegende Baubewilligung samt Verhandlungsniederschrift).

Kaufvertrag vom

Mit dem gegenständlichen Kaufvertrag vom haben die Ehegatten ***5*** und ***6*** von der beschwerdeführenden Partei das in der Liegenschaft EZ ***7***, GB ***8***, vorgetragene Grundstück ***9***, im Ausmaß von 526 m² jeweils zur Hälfte um den Kaufpreis von 51.862 € gekauft. Es handelt sich dabei um das Grundstück, auf welchem gemäß obigem Projekt Top 11 geplant war.
Im Kaufvertrag wurde festgehalten:
I. ... dass die Käufer beabsichtigen, mit einem noch zu bestimmenden Bauunternehmen ihr Einfamilienhaus auf diesem Grundstück zu errichten.
V. Die Verkäuferin haftet dafür, dass für das Grundstück zur Errichtung eines Eigenheimes eine Bauplatzeigenschaft vorliegt.
VII. Die Käufer erklären dem Schriftenverfasser über ausdrückliche Belehrung, bis dato noch keinen Werkvertrag mit einem bauausführenden Unternehmen geschlossen zu haben. Die Käufer werden nach Abschluss gegenständlichen Kaufvertrages sich über ein entsprechendes Bauunternehmen hinsichtlich der Errichtung eines Eigenheimes Anbote einholen und sodann entsprechende Werkverträge abschließen.
Der Schriftenverfasser ***10*** hat die Grunderwerbsteuer (=GrESt) für diesen Erwerbsvorgang vom Kaufpreis in Höhe von 907,59 € für jeden Ehegatten selbst berechnet.

Mit Werkvertrag vom (siehe Beilage) haben die Käufer der ***3*** den Auftrag erteilt, auf dem Grundstück ***9*** ein Einfamilienhaus Toskana 120, Top 11, um einen Fixpreis von 81.040 € (ohne Keller) zu errichten. Festgehalten wird, dass die ***3*** als Generalunternehmer auftritt. Die Einreichplanung ist im Fixpreis enthalten. Baubeginn Frühjahr 2010.

Die ***3*** hat der Gemeinde die Fertigstellung des Rohbaues einschließlich der Dachdeckung am gemeldet.

Nachträglich haben die Käufer einen Austauschplan vom (siehe Beilage aus dem Akt RV/5101347/2014) zur baubehördlichen Bewilligung "Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück ***9***" eingereicht, bei dem als Bauwerber und Grundeigentümer die Käufer, als Bauführer und Planverfasser die ***3*** aufscheinen. Der Austauschplan unterscheidet sich vom bewilligten Bauvorhaben durch Entfall des Kellers, Hinzufügen einer Garage sowie geringfügige Abänderungen der Raumaufteilung.
Bei der Bauverhandlung am (siehe Beilage aus dem Akt RV/5101347/2014) stellte der Amtssachverständige fest, dass es im Zuge der Bauausführung des mit Bescheid vom bewilligten Bauvorhabens zu Projektänderungen gekommen sei, für welche nachträglich um Bewilligung angesucht wurde.
Am hat die Gemeinde die diesbezügliche Baubewilligung erteilt (siehe Beilage aus dem Akt RV/5101347/2014).

Weiteres Verfahren

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung, AB ***12***, beim Schriftenverfasser hat das Finanzamt für Gebühren Verkehrsteuern und Glücksspiel festgestellt, die ***3*** habe für die EZ ***7***, GB ***8***, ein Bauprojekt für die Errichtung von 5 Einfamilienhäusern und 3 Doppelwohnhäusern geplant. Die Baubewilligung hierfür sei aufgrund der Einreichpläne der ***3*** vom am an die beschwerdeführende Partei ergangen. Alle 11 Tops seien von der ***3*** gebaut worden. Bei allen Erwerben sei zumindest der Edelrohbau mit Werkvertrag von der ***3*** erworben worden. Somit sei der Erwerb lt. Werkvertrag in finaler Verknüpfung mit dem Grundstückserwerb zu sehen.

Daraufhin hat das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag vom mit Bescheiden gemäß § 201 BAO je vom neu vom Kaufpreis einschließlich Fixpreis für das Haus und Vermessungskosten in Höhe von jeweils 2.325,79 € pro Ehegatten festgesetzt.

Dagegen hat ***5*** am Beschwerde erhoben, weil sie an kein vorgegebenes Baukonzept gebunden gewesen wäre und auch kein herzustellendes Gebäude erworben habe. Indessen habe die Bf. das Wohnhaus, nach Erwerb des Grundstückes, in allen Einzelheiten selbst geplant und die entsprechenden Pläne als Bauherr gezeichnet. Die Frau ***5*** beantragt die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, weil eindeutig ein Projekt bestanden habe, sodass Frau ***5*** in ein fertiges Konzept eingebunden gewesen sei und die Errichtungskosten für das Haus in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen gewesen seien.

Am hat Frau ***5*** einen Vorlageantrag gestellt, den das Finanzamt am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

Nach Durchführung ergänzender Ermittlungen hat das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/5101347/2014 die Beschwerde der Frau ***5*** vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , ErfNr. ***13***, StNr. ***14*** als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde behauptet Einbringungsmaßnahmen gegenüber Frau ***5*** hat aber diese gegenüber dem Bundesfinanzgericht in keiner Weise dokumentiert. Aus einer vom Gericht durchgeführten Rückstandsabfrage zu Steuernummer ***15*** (Abgabenkonto der Frau ***5***) ergibt sich derzeit ein Rückstand an Grunderwerbsteuer in Höhe von 749,20 Euro (Stand: ). Ein Teil der Frau ***5*** vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer wurde durch eine Überrechnung am durch Überrechnung von 669,00 Euro getilgt.

Beschwerdevorbringen

In der gegenständlichen Beschwerde brachte die beschwerdeführende Partei vor, bekämpft werde ausdrücklich die Feststellung, wonach zwischen Abschluss des Kaufvertrages sowie des allfällig abgeschlossenen Werkvertrages ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang bestanden hätte.

Ausdrücklich bestritten werde von Seiten der Beschwerdeführerin, dass die Käuferin als Grundstückswerberin an ein bestimmtes, durch die Planung der Verkäuferseite oder eines mit diesem zusammenarbeitenden Organisator vorgegebenes Gebäude gebunden gewesen wäre.

Dieses Vorbringen sei schlichtweg unrichtig und diese Feststellung stütze sich lediglich auf Mutmaßungen der Finanzbehörde.

Tatsache sei, dass von Seiten der Beschwerdeführerin sowie ohne Vorgabe Dritter das Grundstück verkauft wurde. Ob die Käuferin bereits ursprünglich oder in weiterer Folge erst später mit einer Baufirma Werkverträge abgeschlossen hat oder nicht, entziehe sich dem Wissen und der Kenntnis der Verkäuferseite.

Wie die Beschwerdeführerin zwischenzeitig in Erfahrung gebracht hätte, dürfte die Käuferin bereits seit Jahren nicht mehr in Österreich aufhältig sein, sodass es der Beschwerdeführerin nicht mehr möglich sein würde, allfällige Regressansprüche aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag bei der Vertragspartnerin geltend machen zu können.

Bei richtiger Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse hätte die bescheiderlassende Behörde Feststellungen treffen müssen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages keinerlei Kenntnis davon gehabt hat, dass die Käuferin bei der Firma ***22*** ein Haus errichten lassen wolle.

Hätte die Verkäuferin von diesem Umstand Kenntnis erlangt bzw. früher Kenntnis davon erlangt, dass eine Grunderwerbsteuemachzahlung drohe, wäre es der Beschwerdeführerin als Verkäuferseite möglich gewesen, diesbezüglich die noch in Österreich aufhältige Käuferin, aufgrund der vertraglichen Regelungen, in die Haftung zu nehmen.

Tatsächlich liege jedoch für die Verkäuferseite kein Bauherrenmodell vor, als ein solches für diese nicht ersichtlich war.

Ob die Käuferin sodann und wenn ja, wann, mit der Firma ***22*** einen Vertrag abgeschlossen hat, hätte sich indessen der Kenntnis der Verkäuferseite, sohin der Beschwerdeführerin entzogen. Eine entsprechende Ersatzfeststellung in diesem Sinne hätte sohin getroffen werden müssen.

Tatsache sei, dass gegenständlicher, dem nunmehrigen Bescheid zugrundeliegende Kaufvertrag bereits im Oktober 2009 abgeschlossen wurde. Hiebei handle es sich um einen Kaufvertragsabschluss, der nunmehr fast 10 Jahre zurückliegt.

Aufgrund verjährungsrechtlicher Vorschriften sei die Abgabenbehörde nicht mehr berechtigt, eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorzunehmen. Tatsache sei, dass im angefochtenen Bescheid auf die Ergebnisse einer durchgeführten abgabenrechtlichen Prüfung hingewiesen wird.

Der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt, wann ein diesbezügliches Verfahren abgeführt worden sein soll.

Wäre die Beschwerdeführerin von den zitierten Ergebnissen der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung in Kenntnis gesetzt worden, dies zu einem Zeitpunkt, wo sich Frau ***23*** noch in Österreich befunden hat, wäre es der Beschwerdeführerin auch möglich gewesen, allfällige Steuemachzahlungen von dieser regressieren zu können.

Indem die Beschwerdeführerin nunmehr nach Zustellung gegenständlichen Bescheides erfahren hätte, dass die Käuferseite nicht mehr in Österreich aufhältig ist, sei daher eine entsprechende Regressmöglichkeit durch das Versäumnis der Abgabenbehörde auf Verständigung verhindert worden.

Aufgrund Ablauf von Verjährungsfristen sei die Nachverrechnung von Abgabeforderungen für einen im Jahre 2009 abgeschlossenen Kaufvertrag nicht mehr möglich, ebenso lägen die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens, infolge Zeitablaufes nicht vor.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden beantragt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5101347/2014 zitiert und ergänzend ausgeführt:

"Der Kaufvertrag wurde am abgeschlossen. Die Selbstbemessung der Grunderwerbsteuer erfolgte am . Infolge Überprüfung der Selbstberechnung erging der Bescheid gemäß § 201 Abs 2 Z 3 BAO vom .

Das Rechtsmittelverfahren wurde mit abweisender BFG Entscheidung vom beendet.

Die Verjährungsfrist für die Grunderwerbsteuer beträgt grundsätzlich fünf Jahre (vgl. §§ 207 ff BAO). Werden innerhalb der Verjährungsfrist nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (vgl. § 209 BAO). Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Beschwerde oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Beschwerde oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wird. Die Verjährung steht der Abgabenfestsetzung auch dann nicht entgegen, wenn eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 vor Ablauf der Frist des § 304 lit. b beantragt oder durchgeführt wird (vgl. § 209a BAO).

Verjährungsunterbrechend wirken nach ständiger Rechtsprechung nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlungen im Sinne im Außenbereich wahrnehmbarer behördlicher Maßnahmen, die auf die Geltendmachung eines Abgabenanspruches oder die Feststellung von Abgabepflichtigen zumindest im Ergebnis ausgerichtet sind. Gegen den Abgabenschuldner selbst muss die Amtshandlung nicht gerichtet sein (). Die behördlichen Schritte müssen der schließlich als Abgabenschuldner in Anspruch genommenen Person auch nicht zur Kenntnis gelangt sein (vgl. etwa ), damit ihnen Verlängerungswirkung zukommt.

Die Außenprüfung im Jahr 2014 sowie der Grunderwerbsteuerbescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom sind jedenfalls als nach außen erkennbare Amtshandlungen zu werten.

Überdies war zum Kaufvertrag vom ein Verfahren beim BFG anhängig. Die Vorlage erfolgte am und die diesbezügliche Entscheidung erging am .

Die Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides vom erfolgte nach erfolglosen Einbringungsmaßnahmen daher zu Recht und Verjährung ist nicht eingetreten."

Im Vorlageantrag vom wiederholte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen ihr Vorbringen.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung am dokumentierte die belangte Behörde die gegen Frau ***5*** durchgeführten erfolglosen Einbringungsmaßnahmen wie folgt:

Zum Akt genommen wurde die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Abgabenpflichtigen ***20*** vom . Darin ist ausgeführt, dass die Abgabenschuldnerin Notstandshilfe, Wohnbeihilfe und Familienbeihilfe beziehe. Weiters sei sie unterhaltspflichtig für zwei Kinder 8 und 10 Jahre. Sie sei bezugsberechtigt bei AMS Oberösterreich. Der Nettobezug betrage 940,00 €. Feststellungen zu den Vermögensverhältnissen sind angeführt.

Zu den von der Abgabenbehörde durchgeführten Verlängerungshandlungen nach § 209 Abs. 1 erster Satz BAO verweist die Vertreterin der belangten Behörde auf den Vorlagebericht. Im Zeitraum von 2014 bis 2018 seien aus dem Akt der belangten Behörde keine Unterbrechungshandlungen seitens der belangten Behörde dokumentiert.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Mit Kaufvertrag vom erwarben Frau ***20*** und Herr ***21*** von der ***Bf1***, FN ***16***, das Grundstück ***9*** der EZ ***7***, KG ***8***, im Ausmaß von 526 m². Für das Grundstück wird € 97,-- pro m² als Kaufpreis vereinbart und beträgt sohin gesamt € 51.022,00. Als Kaufpreis werden auch die Vermessungskosten in Höhe von € 840,00 vereinbart.

Im Punkt VII. des Kaufvertrages erklärten die Käufer, bis dato noch keinen Werkvertrag mit einem bauausführenden Unternehmen geschlossen zu haben. Die Käufer würden sich laut Angabe im Kaufvertrag nach Abschluss des Kaufvertrages über ein entsprechendes Bauunternehmen hinsichtlich der Errichtung eines Eigenheimes Anbote einholen und sodann entsprechende Werkverträge abschließen.

Der Schriftenverfasser des Kaufvertrages, Rechtsanwalt ***10*** hat die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstückes am vom vereinbarten Kaufpreis (€ 51.022,00 für das Grundstück samt € 840,-- für die Vermessungskosten) selbstberechnet und abgeführt.

Mit Werkvertrag vom haben Frau ***20*** und Herr ***21*** der Fa. ***3*** den Auftrag erteilt, auf dem Grundstück ***9***, KG ***8***, ein Einfamilienhaus (Haustyp "Toscana") um einen Fixpreis von 81.040,-- € zu errichten. Von diesem Gesamtbetrag entfallen laut Angaben im Werkvertrag € 2.480,-- für die Einreichplanung und für die Bauvorbereitungsarbeiten.

Im Werkvertrag wird überdies festgehalten, dass die Fa. ***3*** folgende Leistungen für die Käufer erbringt:

  1. Einreichplanung für alle Grundrisse und Ansichten des Gebäudes

  2. Einmalige Planänderung des Einreichplanes

  3. Sämtliche Amtsgespräche mit der Gemeinde, Bauamt, Energieversorger, Landesregierung

  4. Beaufsichtigung der ausführenden Firmen für die Einhaltung des vertraglich vereinbarten Baufortschrittes

  5. Vereinbarter Fixpreis laut Leistungsbeschreibung

Die Fa. ***3*** hat für die Grundstücke ***9*** (gegenständliches), ***17*** - ***18***, KG ***19*** ein Bauprojekt für die Errichtung von 5 Einfamilienhäusern und 3 Doppelwohnhäusern geplant und die Bauführung durchgeführt. Bauwerber war ***Bf1*** (vgl. Baubewilligungsbescheid des Stadtamtes ***19*** an die ***Bf1*** vom sowie die Verhandlungsschrift vom betreffend Baubewilligungsansuchen).

Das Ansuchen um Baubewilligung für das gegenständliche Grundstück wurde am von der ***Bf1*** gestellt, als Planverfasserin und Bauführerin trat die Fa. ***3*** auf. Der Kaufvertrag über das Grundstück wurde zwischen den Erwerbern (Frau ***20*** und Herr ***21***) und der ***Bf1*** am abgeschlossen, mit Werkvertrag vom haben die Erwerber der Fa. ***3*** den Auftrag erteilt, auf dem gegenständlichen Grundstück, ein Einfamilienhaus (Haustyp "Toscana") um einen Fixpreis von 81.040,-- € zu errichten.

Aufgrund der genannten Umstände sowie der im bisherigen Verfahren vorgebrachten Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Grundstückerwerber bereits im Zeitpunkt des Grundstückskaufes keinen nackten Grund und Boden erwerben wollten, sondern ein bebautes Grundstück. Wie das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/5101347/2014, festgehalten hat, sprechen in ihrer Gesamtheit die Vorplanung und die koordinierte Ausführung der Bauprojekte letztendlich für die Hinnahme des von der Anbieterseite vorbereiteten einheitlichen Angebotes. Damit ist von einer finalen Verknüpfung zwischen Grundkauf und Errichtung des Eigenheimes auszugehen.

Die Grunderwerbsteuer wurde daher mit Bescheid vom gemäß § 201 Abs. 2 Z 3 BAO unter Einbeziehung der Baukosten (laut Werkvertrag vom : € 81.040,--) mit € 2.325,79 festgesetzt. Da mit die Selbstberechnung betreffend Kaufvertrag vom erfolgte, wurde die dafür abgeführte Steuer berücksichtigt, und es ergab sich eine Nachforderung in Höhe von € 1.418,20.

Diese Abgabenfestsetzung wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5101347/2014 bestätigt.

Die in weiteren Folge durchgeführten Einbringungsversuche gegenüber Frau ***20*** blieben vorerst erfolglos. Aus der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse vom ergibt sich eine Erschwernis der Einbringung der Grunderwerbsteuer bei Frau ***20***.

In weiterer Folge wurde gegenüber der beschwerdeführenden Partei die Grunderwebsteuer mit Bescheid vom festgesetzt, der aus den oben angeführten Gründen vollinhaltlich angefochten wurde.

Im Zeitraum nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht im Jahr 2014 bis 2018 sind keine Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde dokumentiert. Es wurden auch keine solche Amtshandlungen seitens der belangten Behörde behauptet.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung des angefochtenen Bescheides)

Gemäß § 207 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BAO) beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

Während Verjährung im Allgemeinen bedeutet, dass nach Ablauf einer bestimmten Frist ein Anspruch nicht mehr realisiert werden darf, versteht man unter Festsetzungsverjährung, dass der Abgabenanspruch nicht mehr geltend gemacht, also die Abgabe nicht mehr festgesetzt werden darf (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 207 BAO, Rz. 1).

Nach § 208 Abs. 1 lit a BAO beginnt die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.

Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207 BAO) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77 BAO) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich gemäß § 209 Abs. 1 BAO die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG, § 32 Abs. 2 VStG) gelten als solche Amtshandlungen.

Die Amtshandlung muss, um Verlängerungswirkung zu haben, nach außen wirksam und einwandfrei nach außen erkennbar sein. Nur solche Handlungen unterbrechen die Verjährung, die aus den Akten nachweisbar sind (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 209 BAO, Rz. 3). Es sind nur solche Amtshandlungen geeignet, die Verjährung zu verlängern, die von der sachlich zuständigen Abgabenbehörde zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruchs vorgenommen worden sind (vgl ). Da Verwaltungsgerichte keine Abgabenbehörden sind, stellen deren Ermittlungshandlungen im Abgabenverfahren keine Verlängerungshandlungen dar (Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO-HB § 209, 580; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 209 BAO, Rz. 8; Ritz/Koran, BAO7, § 209 Rz. 8).

Im gegenständlichen Fall ist der Abgabenanspruch im Jahr 2009 entstanden. Die Bemessungsverjährungsfrist begann daher gemäß § 208 Abs. lit a BAO mit dem Ablauf des und endete grundsätzlich mit . Die Prüfungshandlungen der belangten Behörde, sowie die Festsetzung der Grunderwerbsteuer mit Bescheid gemäß § 201 BAO vom gegenüber Frau ***5***, die Beschwerdevorentscheidung vom und die Beschwerdevorlage im Jahr 2014 an das Bundesfinanzgericht stellen Verlängerungshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO dar, sodass die Verjährungsfrist bis zum verlängert wurde. In weiterer Folge hat jedoch die belangte Behörde keine weiteren Verlängerungshandlungen mehr gesetzt.

Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis des vom , RV/5101347/2014 die Abgabenfestsetzung gegenüber Frau ***20*** bestätigt. Diese Erledigung ist jedoch keine Verlängerungshandlung gemäß § 209 Abs. 1 BAO, da Verwaltungsgerichte keine Abgabenbehörden sind. Zudem erging das Erkenntnis nach Ablauf der Verjährungsfrist und konnte schon aus diesem Grund keine wirksame Verlängerungshandlung im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO darstellen.

Die Anwendung des § 209a Abs. 1 BAO kommt im gegenständlichen Fall nicht zur Anwendung, da Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus nur einer Rechtsmittelerledigung (Beschwerdevorentscheidung oder einem Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts) nicht im Wege stehen, jedoch einer erstmaligen Abgabenfestsetzung gegenüber einem anderen Abgabepflichtigen.

§ 209a Abs. 2 BAO gestattet eine verjährungsungebundene (erstmalige) Abgabenfestsetzung auch außerhalb eines Rechtsmittelverfahrens nur dann, wenn die Abgabenfestsetzung von der Erledigung einer anderen mit Beschwerde bekämpften Verwaltungsangelegenheit abhängig ist. Eine Abhängigkeit in diesem Sinne ist dann gegeben, wenn die Abgabenfestsetzung von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist (vgl. ; Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3 § 209a BAO, Rz.4). Liegen einem Bescheid Feststellungen zu Grunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann gemäß § 252 Abs 1 BAO der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Vor diesem Hintergrund erfasst § 209a Abs 2 BAO jene Fälle, in denen eine Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid anhängig ist, und stellt diese Sachverhaltskonstellationen im Hinblick auf die Verjährungsfolgen jenen Fällen gleich, in denen die Abgabenfestsetzung selbst Gegenstand eines anhängigen Beschwerdeverfahrens ist (vgl ). Ein derartiger Fall liegt jedoch gegenständlich nicht vor, zumal eine Abgabenfestsetzung gegenüber der beschwerdeführenden Partei trotz dem anhängigen Rechtsmittelverfahren gegenüber der anderen Abgabenschuldnerin zulässig gewesen wäre. Die Behörde kann einzelne Schuldner in Anspruch nehmen (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 6 Anm 5). Dazu ist ein Leistungsgebot (Bescheid) an den einzelnen Schuldner zu richten. Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der Einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Hat sich die Behörde zunächst dafür entschieden, die Grunderwerbsteuerschuld gegen einen der möglichen Abgabenschuldner geltend zu machen, hat das Rechtsmittelverfahren in diesem Abgabenfestsetzungsverfahren keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist. Nur nach Maßgabe der in § 209a BAO normierten Ausnahmen wäre trotz Eintritt der Verjährung eine erstmalige Abgabenfestsetzung zulässig. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da weder eine mittelbare noch eine unmittelbare Abhängigkeit des Abgabenverfahres gegenüber der Zweitschuldnerin (=beschwerdeführende Partei) vom Rechtsmittelverfahren gegenüber der Erstschuldnerin (= ***20***) bestand.

Die nunmehr angefochtene Grunderwerbsteuerfestsetzung gegenüber der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom nach Eintritt der Verjährung mit Ablauf des war somit rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die zu klärenden Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101207.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at