Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.06.2022, RV/7104819/2018

Nachsicht bei unterlassenem/verspätetem Rechtsmittel

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7104819/2018-RS1
Das Nachsichtsverfahren dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene oder verspätet eingebrachte Einwendungen und Rechtsbehelfe nachzuholen.
RV/7104819/2018-RS2
Persönliche Unbilligkeit i.S.d. § 236 BAO liegt nicht vor, wenn die Nachsicht nicht geeignet ist, das Unternehmen bzw. die Einkunftsquelle des Nachsichtswerbers zu erhalten und damit keinen Sanierungseffekt hätte.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Bernd Schmidhammer, Südtiroler Platz 8, 6020 Innsbruck, als Masseverwalter über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Nachsicht von Schenkungssteuer, Steuernummer ***BFStNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer gem. § 236 BAO die Nachsicht der mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , St.Nr. ***BFStNr1*** festgesetzten Schenkungssteuer einschließlich Nebengebühren i.H.v. € 156.899,60. Er machte einerseits sachliche Unbilligkeit geltend, die darin bestehe, dass trotz Schenkungsmeldung vom die Schenkungszeitpunkte mit und angenommen wurden. Unter Zugrundelegung dieser Zeitpunkte wäre zudem eine Abgabenfestsetzung infolge Verstreichens der allgemeinen Verjährungsfrist nur noch bei Abgabenhinterziehung möglich gewesen, wovon die belangte Behörde aber bei Erlassung des Bescheides noch nicht ausgegangen sei. Letzteres ergebe sich daraus, dass die belangte Behörde in einem Schreiben vom festhält, dass noch kein Finanzstrafverfahren, sondern ein Abgabenverfahren anhängig ist und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einräumt, zur Klärung der Frage, ob ein Hinterziehungstatbestand vorliegt, beizutragen. Der Beschwerdeführer habe auf die bisherige Rechtsprechung und die übermittelte Schenkungsmeldung vertraut, doch sei ein Rechtsmittel nicht zugelassen worden. Weiters machte der Beschwerdeführer persönliche Unbilligkeit geltend, die damit begründet wurde, dass eine Einhebung der Abgabenschuld eine Insolvenz bzw. eine Zwangsversteigerung (gemeint offenbar: seiner Eigentumswohnungen in ***A***) zur Folge hätte, ihn aber zumindest zwingen würde, sein Unternehmen aufzugeben. Der Beschwerdeführer erhalte Pensionszahlungen, die durch die SVA der gewerblichen Wirtschaft gepfändet seien. Zudem bestehe beim Finanzamt Innsbruck ein Rückstand i.H.v. € 114.137,82 und habe dieses bereits ein Pfandrecht über € 101.845,24 im Grundbuch eintragen lassen, sodass von den Banken mangels weiterer Sicherheiten kein Darlehen zur Abstattung der Abgabenrückstände eingeräumt worden sei. Weiteres Vermögen sei nicht vorhanden und habe der Beschwerdeführer auch hinsichtlich der Rückstände beim Finanzamt Innsbruck ein Nachsichtsansuchen eingebracht. Er leide zudem unter einem schlechten Gesundheitszustand.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Nachsichtsantrag ab. Persönliche Unbilligkeit liege nicht vor, da aufgrund der hohen Schulden des Beschwerdeführers bei verschiedenen Gläubigern eine Nachsicht keine Sanierung bewirken würde, sondern ausschließlich den anderen Gläubigern zugutekäme. Sachliche Unbilligkeit verneinte die belangte Behörde, da im gegenständlichen Fall lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege, die alle Abgabepflichtigen (in vergleichbarer Situation) in gleicher Weise treffe. Zudem betreffe das Vorbringen des Beschwerdeführers lediglich die Rechtmäßigkeit der Abgabenforderung, welche nicht im Nachsichtsverfahren, sondern im Festsetzungsverfahren zu klären sei.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom . Darin hält der Beschwerdeführer die Ausführungen im Nachsichtsantrag vom aufrecht und führt ergänzend aus, dass der Schenkungssteuerbescheid vom mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet sei, die nicht mit einem Rechtsmittel bekämpft werden müsse, da erst am , also nach Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist die von der Behörde unterstellte Hinterziehung festgestellt worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Sie hielt an der im angefochtenen Bescheid vertretenen Rechtsauffassung fest.

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag im Sinne des § 264 BAO. In diesem wurde für die Rechtswidrigkeit des Schenkungssteuerbescheides ergänzend ins Treffen geführt, dass die diesbezügliche Beschwerde (damals Berufung) ohne Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorgelegt worden sei und dass es sich bei diesem Bescheid offenbar um einen "Vorratsbescheid" handle, da im Zeitpunkt seiner Erlassung die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer Schenkungssteuer i.H.v. € 143.173,80 fest. Den Schenkungsvorgang erblickte sie darin, dass ***XY*** Kreditverbindlichkeiten des Beschwerdeführers übernommen habe, nämlich am € 161.391,44 gegenüber der ***Bank1*** und am € 179.608,82 gegenüber der ***Bank2***.

Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100545/2014, als verspätet zurückgewiesen (die belangte Behörde hatte über die Beschwerde zuvor mit Beschwerdevorentscheidung vom inhaltlich entschieden und diese als unbegründet abgewiesen). Maßgeblich hierfür war, dass die steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers, denen der Bescheid am zugestellt wurde, zunächst am einen Antrag auf Mitteilung der fehlenden Begründung gemäß § 245 Abs. 2 BAO eingebracht hatten. Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit der "Mitteilung der weiteren Bescheidbegründung" vom , welche den steuerlichen Vertretern des Beschwerdeführers am zugestellt wurde, erledigt. Da diese die Bescheidbegründung nach wie vor als mangelhaft erachteten, stellten sie am einen weiteren Antrag auf Mitteilung der fehlenden Begründung gemäß § 245 Abs. 2 BAO, der mit Bescheid der belangten Behörde vom , den steuerlichen Vertretern zugestellt am , abgewiesen wurde. Am wurde schließlich Berufung (in weiterer Folge als Beschwerde zu behandeln) gegen den Schenkungssteuerbescheid vom erhoben und am selben Tag bei der belangten Behörde eingebracht. Da ein zweiter Antrag auf Mitteilung einer fehlenden Begründung i.S.d. § 245 Abs. 2 BAO nicht vorgesehen ist, hat nur der erste Antrag für den Zeitraum von seiner Einbringung am bis zur Zustellung der (ergänzenden) Begründung am die in § 245 Abs. 2 und 4 BAO vorgesehene Hemmung der Beschwerdefrist bewirkt. Ab dem ist der noch unverbrauchte Rest der Beschwerdefrist (12 Tage) weitergelaufen, sodass diese am geendet hat und die am eingebrachte Beschwerde verspätet war. Der Einwand, die Beschwerdefrist sei noch offen, da die "Mitteilung der weiteren Bescheidbegründung" vom an die Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt wurde, obwohl diese keine Zustellvollmacht hätten, blieb erfolglos, da diese sich in sämtlichen Eingaben, insb. auch im (ersten) Antrag nach § 245 Abs. 2 BAO "auf die ihnen erteilte Vollmacht" berufen hatten, was nach ständiger Rechtsprechung auch eine Zustellvollmacht umfasst. Die gegen diesen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes erhobene Revision des Beschwerdeführers wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/16/0012, zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO unter Berufung auf neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung der Schenkungssteuer. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom zurückgewiesen, da er erst nach Ablauf der (zehnjährigen) Verjährungsfrist eingebracht wurde, sodass die Wiederaufnahme nach § 304 BAO nicht zulässig ist. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100184/2016, als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer bezieht eine Pension von der SVA der gewerblichen Wirtschaft i.H.v. € 1.481,79 (ab 2019: € 1.501,14), welche zufolge Verbindlichkeiten gegenüber der SVA (Stand per : € 8.807,51) und einer Forderungspfändung durch das Finanzamt Innsbruck teilweise (Ratenabzug: € 168,00; Pfändungsabzug: € 193,30 bzw. € 213,79 ab 2019) einbehalten wurde. Daneben erzielte er Einkünfte (Ferienwohnungsvermietung in Form von Time-Sharing) aus drei Eigentumswohnungen in ***A*** (Anteile BLNr. 25, 26 und 27 an der Liegenschaft EZ ***XX***, KG ***XXXXX*** ***A***). Eine vierte Eigentumswohnung im selben Gebäude (BLNr. 1) steht grundbücherlich ebenfalls im Eigentum des Beschwerdeführers, wurde jedoch bereits im Jahr 1984 veräußert. Da die Grundverkehrsbehörde diese Veräußerung nicht genehmigt hat, konnte sie grundbücherlich nicht durchgeführt werden. Der Anteil BLNr. 1 ist mit einem Pfandrecht i.H.v. ATS 1.000.000,00 zzgl. 10 % Zinsen, 10 % Verzugszinsen und ATS 200.000,00 Nebengebührensicherung zu Gunsten ***PG1*** belastet. Dieses Pfandrecht stellt die zivilrechtliche Absicherung der Erwerberin dar und ist ein Nachlass der Forderung aus diesem Grunde ausgeschlossen. Der Anteil BLNr. 25 ist mit einem Pfandrecht i.H.v. € 50.000,00 zzgl. Zinsen i.H.v. € 10.000,00 und Nebengebührensicherung i.H.v. 10.000,00, der Anteil BLNr. 26 mit einem Pfandrecht i.H.v. € 35.000,00 zzgl. Zinsen in Höhe von € 5.000,00 und Nebengebührensicherung i.H.v. € 5.000,00, jeweils zu Gunsten ***PG2*** belastet. Der Anteil BLNr. 27 ist mit einem Höchstbetragspfandrecht über € 35.000,00 zugunsten der ***Bank3*** belastet. Alle vier Anteile sind mit vollstreckbaren Pfandrechten zugunsten der Republik Österreich, Finanzamt Innsbruck i.H.v. € 101.845,29 (zzgl. Kosten € 2.503,82) und € 37.735,41 (zzgl. Kosten € 1.569,72) belastet. Die Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers beim Finanzamt Österreich (vormals Finanzamt Innsbruck) zu St.Nr. ***BFStNr2*** betragen per € 120.295,81 (i.W. ESt und USt). Letztlich hat der Beschwerdeführer Verbindlichkeiten gegenüber der ***Bank3*** i.H.v. rd. € 20.000,00.

Mit Schriftsatz vom hatte der Beschwerdeführer (i.W. mit denselben Argumenten wie im gegenständlichen Verfahren wegen persönlicher Unbilligkeit) auch die Nachsicht der Abgabenverbindlichkeiten beim Finanzamt Innsbruck i.H.v. (damals) € 114.897,29 zu St.Nr. ***BFStNr2*** beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100619/2019, als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom xx.xx.2020, ***GZ_Ins***, wurde ein Insolvenzverfahren (Schuldenregulierungsverfahren) über das Vermögen des Beschwerdeführers eröffnet. Ein Angebot für einen Zahlungsplan wurde nicht unterbreitet. Im Dezember 2021 hat der Masseverwalter angezeigt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit). Die Anteile BLNr. 25, 26 und 27 an der Liegenschaft EZ ***XX***, KG ***XXXXX*** ***A***, wurden vom Masseverwalter verkauft. Zur Verteilung der Erlöse aus diesen Verkäufen ist beim Insolvenzgericht eine Tagsatzung für den anberaumt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen betreffend das Verfahren zur Festsetzung der Schenkungssteuer sowie zum Antrag auf Wiederaufnahme dieses Verfahrens gründen sich auf den Schenkungssteuerbescheid vom , St.Nr. ***BFStNr1***, die Beschwerdevorentscheidung vom , den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100545/2014, den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/16/0012, und das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100184/2016. Die Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation beruhen auf den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers im Nachsichtsantrag, denen auch die belangte Behörde nicht entgegentritt, sowie auf den mit diesem Antrag vorgelegten Urkunden, insbesondere dem Schreiben der SVA der gewerblichen Wirtschaft vom Jänner 2018 betreffend die Verständigung über die Leistungshöhe zum und dem Kontoauszug der SVA vom . Die Feststellungen zum Liegenschaftsvermögen des Beschwerdeführers und dessen grundbücherlichen Belastungen sowie zu den Abgabenverbindlichkeiten des Beschwerdeführers zu St.Nr. ***BFStNr2*** beruhen zusätzlich auf einer aktuellen Abfrage des Grundbuches sowie des Steuerkontos durch das Bundesfinanzgericht (der Beschwerdeführer hatte diesbezügliche Urkunden mit Stand Mai/Juni 2018 vorgelegt; aus dem Grundbuchsauszug vom ist das Zwangspfandrecht zugunsten des FA Innsbruck über € 37.735,41 noch nicht ersichtlich; der Abgabenkontoauszug vom weist noch einen Rückstand von € 114.137,82 aus). Die Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Beschwerdeführers ergeben sich zudem auch aus dem Akt RV/3100619/2019 des Bundesfinanzgerichtes, insbesondere den darin enthaltenen Vermögensverzeichnissen und dem Schreiben der SVA der gewerblichen Wirtschaft vom Jänner 2019. In diesem Verfahren hatte der Beschwerdeführer auch die Hintergründe zur Veräußerung und Belastung der Wohnung BLNr. 1 vorgebracht. Auf diesen Akt gründen sich auch die Feststellungen zum (parallelen) Nachsichtsverfahren zu St.Nr. ***BFStNr2***. Die Feststellungen zum Insolvenzverfahren ***GZ_Ins*** des Bezirksgerichtes Innsbruck beruhen auf einer Abfrage der öffentlich zugänglichen Insolvenzdatei (https://edikte.justiz.gv.at/).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit kann entweder persönlicher oder sachlicher Natur sein (§ 1 der Verordnung des BMF betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO, BGBl II 2005/435). Wegen der Antragsgebundenheit dieses Verwaltungsaktes darf eine Nachsicht nicht über den Antrag hinausgehen (). Der Antrag muss begründet sein und hat die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe, die im Sinne der den Antragsteller treffenden (erhöhten) Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels darzutun sind, zu prüfen (; , 2013/15/0173; , Ra 2018/15/0014), zu prüfen.

Im Rahmen der sachlichen Unbilligkeit macht der Beschwerdeführer vorrangig geltend, dass die belangte Behörde seine Schenkungmeldung vom nicht beachtet und stattdessen die Schenkungszeitpunkte unzutreffend mit und angenommen habe. Wenngleich er es nicht ausdrücklich ausführt, erachtet er sich dadurch offenkundig insofern beschwert, als eine Schenkung im Jahr 2011 (infolge Aufhebung des Grundtatbestandes der Besteuerung von Schenkungen unter Lebenden in § 1 Abs 1 Z 2 ErbStG 1955 mit Ablauf des durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 23/07) nicht steuerpflichtig gewesen wäre. Weiters meint er, dass die Schenkungssteuer unter Zugrundelegung dieser Zeitpunkte nicht festgesetzt hätte werden dürfen, da bei Bescheiderlassung am bereits relative Festsetzungsverjährung eingetreten sei und die absolute (10-jährige) Verjährungsfrist hier nicht zur Anwendung gelange, da eine Abgabenhinterziehung von der belangten Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht angenommen und in der Bescheidbegründung nicht ausreichend dargelegt worden sei. Vielmehr seien die Ermittlungen am noch nicht abgeschlossen gewesen, sodass der Schenkungssteuerbescheid an diesem Tag nicht ergehen hätte dürfen. Diese Rechtswidrigkeit müsse nicht mit einem Rechtsmittel bekämpft werden. Zudem sei die Beschwerde (damals Berufung) dem BFG vorgelegt worden, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

Damit macht er ausschließlich Einwendungen geltend, die sich gegen die Abgabenfestsetzung richten. Bei der Unbilligkeit i.S.d. § 236 BAO muss es sich jedoch um eine Unbilligkeit der Einhebung handeln. Einwendungen gegen die Festsetzung können ausschließlich im Festsetzungsverfahren geltend gemacht werden und dient die Nachsicht nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (insb. Bescheidbeschwerden) nachzuholen (; , 97/14/0013; , 2004/16/0151; , 2002/14/0138). Dass die Beschwerde gegen den Schenkungssteuerbescheid vom verspätet eingebracht wurde und die darin erhobenen Einwendungen daher nicht inhaltlich behandelt werden konnten, beruht auf einem Fehler der steuerlichen Vertretung des Beschwerdeführers und stellt daher - selbst wenn die Beschwerde bei fristgerechter Einbringung ganz oder teilweise erfolgreich gewesen wäre - keine Unbilligkeit dar (vgl. : keine sachliche Unbilligkeit bei Fehlern des Steuerberaters; : keine Unbilligkeit bei Fehlern des Vertreters, da der Vertretene Schadenersatzansprüche gegen diesen hat). Damit kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die vorgebrachten Einwendungen zutreffen. Weshalb der Beschwerdeführer meint, die von ihm angenommene Rechtswidrigkeit müsse nicht mit Rechtsmittel bekämpft werden, ist nicht nachvollziehbar. Der gegenständliche Schenkungssteuerbescheid weist alle essenziellen Bescheidmerkmale (Behördenbezeichnung, Spruch) auf. Es handelt sich daher keinesfalls um einen sog. "Nichtbescheid". Damit ist er aber der Rechtskraft fähig und tritt mit der Rechtskraft auch die Heilung allfälliger Rechtswidrigkeiten ein. Indem der Beschwerdeführer im Vorlageantrag vom behauptet, die belangte Behörde hätte die Beschwerde (damals Berufung) ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Bundesfinanzgericht vorgelegt, setzt er sich zudem mit seinem eigenen Vorbringen im Nachsichtsantrag vom ("Das Finanzamt hat am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung in der Sache erlassen…") in Widerspruch.

Soweit der Beschwerdeführer im Nachsichtsantrag ausführt, dass er auf die bisherige Rechtsprechung und die übermittelte Schenkungsmeldung vertraut habe, und damit offenbar sachliche Unbilligkeit durch Verletzung von Treu und Glauben (§ 3 der Verordnung BGBl II 2005/435) anspricht, ist festzuhalten, dass ein Vertrauen auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte nur insoweit zu einer Unbilligkeit der Einhebung führen kann, als in diesem Vertrauen Maßnahmen gesetzt wurden, die für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsam sind, und die Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Rechtsprechung abweicht (§ 3 Z. 1 der VO BGBl II 2005/435). Der Beschwerdeführer führt nicht näher aus, auf welche höchstgerichtliche Rechtsprechung er vertraut hat, welche abgabenrechtlich bedeutsamen Maßnahmen er gesetzt hat und inwiefern die Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Rechtsprechung abweicht. Tatsächlich ist eine solche Konstellation im vorliegenden Fall auch nicht erkennbar: Wenn die Schenkungen - wie von der belangten Behörde angenommen - in den Jahren 2003 und 2004 stattgefunden haben, muss auch für den Beschwerdeführer außer Zweifel gestanden haben, dass diese der Schenkungssteuer unterliegen und ist keinerlei Rechtsprechung ersichtlich, die das Gegenteil nahelegen würde und auf die der Beschwerdeführer vertraut haben könnte. Sollten die Schenkungen dagegen - wie offenbar vom Beschwerdeführer behauptet - im Jahr 2011 stattgefunden haben, sodass sie nicht (mehr) der Schenkungssteuer unterliegen, wäre es an ihm gelegen, dies durch entsprechende Einwände und Beweisanträge im Abgabenfestsetzungsverfahren geltend zu machen. Dass er dies nicht (bzw. nur mittels einer verspäteten Berufung/Beschwerde) getan hat, ist - wie oben ausgeführt - ausschließlich ihm anzulasten und können diese Rechtsbehelfe im Nachsichtsverfahren nicht nachgeholt werden. Zudem kann auch in diesem Fall nicht davon gesprochen werden, dass der Beschwerdeführer im Vertrauen auf eine höchstgerichtliche Rechtsprechung eine Maßnahme gesetzt und diese Maßnahme eine Abgabenpflicht ausgelöst hätte. Die Frage wann die Schenkungen vorgenommen wurden, stellt eine Sachverhaltsfrage dar, sodass ein Vertrauen auf eine Rechtsprechung insoweit nicht in Betracht kommt. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er hätte auch auf die Schenkungsmeldung vertraut, kann daraus jedenfalls keine Unbilligkeit abgeleitet werden. Nach § 3 der VO BGBl II 2005/435 ist - abgesehen vom Vertrauen in eine höchstgerichtliche Rechtsprechung - nur ein Vertrauen in Rechtsauslegungen (Rechtsauskünfte, Empfehlungen, Handlungsanweisungen) der zuständigen Abgabenbehörde gegenüber dem Abgabepflichtigen und in Veröffentlichungen des BMF im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung und in der FinDok geschützt, keinesfalls aber ein Vertrauen des Abgabepflichtigen in seine eigenen Erklärungen oder Meldungen.

Indem der Beschwerdeführer im Vorlageantrag vom ausführt, dass geltend gemachte Zustellmängel entgegen der geltenden Rechtsprechung verworfen worden seien und diesbezüglich auf die Entscheidung des , verweist, macht er offenbar geltend, dass auch in der Zurückweisung seiner Berufung/Beschwerde gegen den Schenkungssteuerbescheid eine (sachliche) Unbilligkeit zu erblicken sei. Dem ist - abgesehen davon, dass auch die Frage der wirksamen Zustellung des Gebührenbescheides nicht die Einhebung, sondern die Festsetzung der Abgabe betrifft - entgegenzuhalten, dass in dem der Entscheidung RV/6100042/2016 zugrundeliegenden Fall der (dortigen) Beschwerdeführerin ein Bescheid z.Hd. einer nicht zustellbevollmächtigten Person zugestellt wurde und - entsprechend der dort zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung - diese Zustellung als unwirksam (und auch nicht als heilbar gemäß § 7 oder § 9 Abs. 3 ZustG) erachtet wurde. Im vorliegenden Fall war aber aufgrund der Berufung der steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers auf die erteilte Bevollmächtigung von einer Zustellvollmacht auszugehen und wurde dies mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/16/0012, auch bestätigt. Insofern ist die vom Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Im Rahmen der persönlichen Unbilligkeit macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Einhebung der Abgabenschuld seine Insolvenz zur Folge hätte, zumindest aber dazu führen würde, dass er sein Unternehmen aufgeben müsste bzw. durch Zwangsversteigerung verlieren würde und dadurch keine Einnahmequelle mehr hätte.

Hierzu ist festzuhalten, dass eine Nachsicht wegen persönlicher Unbilligkeit schon nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie aufgrund der von ihm vorgelegten Urkunden nicht in Betracht kommt. Demnach hat er Verbindlichkeiten in teils beträchtlicher Höhe gegenüber verschiedenen Gläubigern und sind seine Eigentumswohnungen in ***A*** mit Pfandrechten im Ausmaß von rd. € 300.000,00 belastet. Der belangten Behörde ist daher nicht entgegenzutreten, wenn sie das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit unter Hinweis darauf verneint hat, dass die Nachsicht an der finanziellen Lage des Beschwerdeführers nichts ändern würde, insbesondere keine Sanierung bewirken würde (zB ; , 2006/15/0278; , 2013/15/0173; , 2013/16/0114). Aus diesem Grunde wurde auch der Nachsichtsantrag des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Verbindlichkeiten beim damaligen Finanzamt Innsbruck (hauptsächlich ESt und USt) mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/3100619/2019, als unbegründet abgewiesen.

Hinzu kommt, dass mittlerweile ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers eröffnet wurde, in welchem zudem gegenwärtig Masseunzulänglichkeit herrscht. Nach der Rechtsprechung kommt eine Abgabennachsicht während eines Insolvenzverfahrens in der Regel nur dann in Frage, wenn begründete Aussicht auf Herbeiführung eines Zwangsausgleiches (bzw. nunmehr: eines Sanierungs- oder Zahlungsplanes) besteht, sodass mit Hilfe der Nachsicht das Unternehmen als Existenzgrundlage des Abgabepflichtigen erhalten werden kann (; , 88/14/0070). Jene drei Eigentumswohnungen, über die der Beschwerdeführer wirtschaftlich noch verfügen konnte (BLNr. 26-27, EZ ***XX***, KG ***XXXXX*** ***A***) wurden jedoch mittlerweile vom Masseverwalter verkauft, sodass das Unternehmen des Beschwerdeführers keinesfalls erhalten werden kann. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer bislang kein entsprechendes Anbot erstattet und besteht daher keine begründete Aussicht auf Herbeiführung eines Sanierungs- oder Zahlungsplanes

Soweit der Beschwerdeführer auf seinen schlechten Gesundheitszustand verweist, ist festzuhalten, dass dieser nur insoweit mit der Einbringung von Abgaben in Zusammenhang gebracht werden kann, als dem Abgabepflichtigen dadurch die Entrichtung von Steuerschulden erschwert wird (; , 89/14/0285). Da einem Schreiben des Beschwerdeführers an das Finanzamt Innsbruck zu St.Nr. ***BFStNr2*** lediglich ein Hinweis auf ein Asthmaleiden zu entnehmen ist, er aber trotz der ihn treffenden erhöhten Mitwirkungspflicht (s.o.) kein näheres Vorbringen dazu erstattet hat, inwiefern dieses ihn bei der Entrichtung von Abgabenverbindlichkeiten behindert, kann eine allfällige Erkrankung als persönliche Unbilligkeit für die Nachsicht nicht berücksichtigt werden.

Es liegt daher weder sachliche noch persönliche Unbilligkeit vor. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Beurteilung, ob Unbilligkeit vorliegt, keine Ermessensfrage, sondern die Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes ist (; , 95/15/0053; , 94/13/0047, 0049, 0050). Ermessen würde erst dann Platz greifen, wenn alle Nachsichtsvoraussetzungen gegeben sind und zu entscheiden ist, ob von der in § 236 BAO eingeräumten Möglichkeit der Nachsichtsgewährung Gebrauch gemacht wird (; , 2006/15/0259). Bei der Anwendung des § 236 BAO besteht daher für eine Ermessensübung im vorliegenden Fall kein Raum.

Es ist daher bloß der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass auch eine Ermessensübung zur Versagung der Nachsicht führen müsste, da diese letztlich nur den anderen Gläubigern des Beschwerdeführers zugutekäme (; , 2002/14/0082; , 2008/15/0054). Sollte sich an der Masseunzulänglichkeit noch etwas ändern (etwa indem aus dem Verkauf der Eigentumswohnungen nach Bedienung der Pfandgläubiger noch ein Teil des Erlöses verbleibt und dieser die Massekosten übersteigt) kämen die Insolvenzgläubiger quotenmäßig zum Zuge und hätte eine Nachsicht der gegenständlichen Schenkungssteuer lediglich eine Erhöhung der Quote zur Folge, keinesfalls aber eine Sanierung des Beschwerdeführers und/oder einen Erhalt seines Unternehmens.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im vorliegenden Fall entscheidenden Rechtsfragen sind durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärt. Ob eine (persönliche oder sachliche) Unbilligkeit vorliegt, sowie gegebenenfalls ob diese im Rahmen der Ermessensübung zur Nachsichtsgewährung führt, hängt zudem immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

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