Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 22.06.2022, RV/7101608/2022

E-Mail Eingaben stellen keine Anbringen iSd BAO dar und führen damit nicht zu einer ablaufhemmenden Wirkung eines Fristerstreckungsantrages

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101608/2022-RS1
Indem sich der Beschwerdeführer seine infolge rechtlich unwirksamen E-Mails ursprünglich bereits abgelaufene Mängelbehebungsfrist mehrmals quasi selbst verlängerte, konnte es nicht zu einer wirksamen Fristerstreckung und somit auch nicht zu der mit einem wirksamen Fristerstreckungsersuchen verbundenen Hemmungswirkung kommen.

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Mag. Daniel Philip Pfau in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch LBG Niederösterreich Steuerberatung GmbH, Schloßparkgasse 6, 3950 Gmünd, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** den Beschluss:

  1. Die Beschwerde gilt gemäß § 278 Abs. 1 lit. b iVm § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

  2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG nicht zulässig.

Begründung

Bisheriger Verfahrensgang

Mit Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom beantragte der Beschwerdeführer Verluste iHv 35.000 Euro aus einer näher genannten Kommanditbeteiligung zu berücksichtigen.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom forderte die belangte Behörde unter Androhung der Säumnisfolgen des § 85 Abs. 2 BAO den Beschwerdeführer auf, binnen einer Frist bis den Mangel des Fehlens eines Inhaltserfordernisses ("Begründung (lediglich der Hinweis bescheidmäßig nicht berücksichtigt[,] ist als Begründung nicht ausreichend)") zu beheben.

Am brachte die steuerliche Vertretung per E-Mail ein Ersuchen um Fristverlängerung (Fristerstreckung bis zum ) zur Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages ein. Am suchte die steuerliche Vertretung mittels Finanz online um eine neuerliche Fristerstreckung (bis ) an. Mit Finanz online Eingabe vom übermittelte die steuerliche Vertretung neuerlich ein Ansuchen um Fristverlängerung (bis ).

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Fristerstreckungsantrag ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass nach mehrmaligen Fristverlängerungen keine weiteren berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Verlängerung der Mängelbehebungsfrist vorlägen.

Mit Schriftsatz vom reichte der Beschwerdeführer eine Beschwerdebegründung nach.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom erklärte die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das per E-Mail übermittelte Fristverlängerungsansuchen vom stelle mangels Schriftlichkeit kein Anbringen im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO dar. Weil die Mängelbehebungsfrist unstrittig am endete und eine ablaufhemmende Verlängerung mangels rechtswirksamen schriftlichen Anbringens nicht erlangt habe werden können, sei die mit beim Finanzamt eingebrachte Mängelbehebung bezüglich der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 verspätet, weshalb die Beschwerde vom gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelte.

Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Bescheidbeschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht und führte im Wesentlichen aus, dass der Mängelbehebungsauftrag erst gar nicht ergehen hätte dürfen, weil die Berufung (gemeint wohl: Beschwerde) gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 ausreichend begründet gewesen sei. In der Beschwerde sei ausgeführt worden, dass der Verlust aus einer näher genannten Kommanditbeteiligung nicht berücksichtigt worden sei. Die Berücksichtigung dieses Verlustes sei begehrt worden.

Mit Vorlagebericht vom übermittelte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt und beantragte "die Beschwerde ebenfalls als zurückgenommen zu erklären".

Mit hg Beschluss vom forderte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde auf, jene Bescheide, mit denen über die Fristerstreckungsanträge vom 31. März und abgesprochen wurde, vorzulegen. In ihrer Stellungnahme vom führte die belangte Behörde aus, dass über die Fristerstreckungsanträge vom 31. März und nicht mit Bescheiden abgesprochen worden sei und somit keine diesbezüglichen Bescheide vorgelegt werden können.

1. Sachverhalt

Mit Einkommensteuerbescheid vom versagte die belangte Behörde die steuerliche Berücksichtigung der Verluste iHv 35.000 Euro aus einer näher genannten Kommanditbeteiligung. Begründend führte die belangte Behörde aus: "Beim [Beteiligungsobjekt] handelt es sich um einen ausländischen alternativen Investmentfonds (AIF) in Immobilien iSd AIFMG. Gemäß § 42 ImmoInvFG werden die Erträge aus einem ausländischen AIF in Immobilien nach § 40 ImmoInvFG besteuert. Dies hat zur Folge das die erzielte[n] Erträge, eines AIF in Immobilien, Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen. Werden daher Verluste aus dieser Beteiligung erzielt, bleiben diese in Österreich ohne Auswirkung. Die Verluste ve[r]bleiben, unabhängig ihrer Einkunftsart, im AIF."

Mit via Finanz online eingebrachter Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 vom beantragte der Beschwerdeführer, Verluste iHv 35.000 Euro aus dieser näher genannten Kommanditbeteiligung zu berücksichtigen. In der Rubrik "Begründung" führte der Beschwerdeführer wörtlich aus: "Im Namen und Auftrag von [Beschwerdeführer] erheben wir gegen den Bescheid vom , innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO und begehren die Berücksichtigung des Verlustes der [Kommanditgesellschaft] in Höhe von € 35.000,- Begründung: Sachverhalt am wurde der Einkommensteuerbescheid 2017 von [Beschwerdeführer] veranlagt. In dem veranlagten Bescheid wurde jedoch der am beantragte Verlust aus der Kommanditbeteiligung der [Kommanditgesellschaft] nicht berücksichtigt. Daher begehren wir nun die Berücksichtigung dieses Verlustes."

Mit Mängelbehebungsauftrag vom forderte die belangte Behörde unter Androhung der Säumnisfolgen des § 85 Abs. 2 BAO den Beschwerdeführer auf, binnen einer Frist bis den Mangel des Fehlens eines Inhaltserfordernisses ("Begründung (lediglich der Hinweis bescheidmäßig nicht berücksichtigt[,] ist als Begründung nicht ausreichend)") zu beheben.

Am brachte die steuerliche Vertretung per E-Mail ein Ersuchen um Fristverlängerung (Fristerstreckung bis zum ) zur Beantwortung des Mängelbehebungsauftrages ein. Am suchte die steuerliche Vertretung mittels Finanz online um eine neuerliche Fristerstreckung (bis ) an. Am übermittelte die steuerliche Vertretung via Finanz online neuerlich ein Ansuchen um Fristverlängerung (bis ).

Eine bescheidmäßige Absprache (weder Bewilligung noch Abweisung) über die gestellten Fristerstreckunsanträge vom 31. März und erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Fristerstreckungsantrag vom ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass nach mehrmaligen Fristverlängerungen keine weiteren berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Verlängerung der Mängelbehebungsfrist vorlägen.

Mit Schriftsatz vom (mittels Finanz online eingebracht am ; 00:03 Uhr) reichte der Beschwerdeführer eine Beschwerdebegründung nach.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom erklärte die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

Strittig ist nunmehr, ob er Mängelbehebungsauftrag zu Recht erging und falls dies bejaht wird, ob die Mängelbehebung rechtzeitig erfolgte.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem hg geführten Ermittlungsverfahren. Für das Bundesfinanzgericht haben sich - in Wahrnehmung seiner amtswegigen Ermittlungspflicht - keine Anhaltspunkte ergeben, an der Richtigkeit des festgestellten Sachverhaltes zu zweifeln. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 85 Abs. 2 BAO berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Die Abgabenbehörde hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Nach § 250 Abs. 1 BAO hat die Bescheidbeschwerde zu enthalten: a) die Bezeichnung des Bescheides gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; d) eine Begründung.

Die Beschwerdebegründung iSd § 250 Abs. 1 lit. d BAO soll der Behörde aufzeigen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer sein Beschwerdebegehren für gerechtfertigt bzw. erfolgversprechend hält. Die Begründung soll aufzeigen, was der Beschwerdeführer anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt (vgl. mwN).

Die in der Beschwerde unter der Rubrik "Begründung" getätigten Ausführungen "In dem veranlagten Bescheid wurde jedoch der am beantragte Verlust aus der Kommanditbeteiligung der [Kommanditgesellschaft] nicht berücksichtigt" stellen nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes lediglich eine Sachverhaltsfeststellung dar, der kein gesonderter Begründungsinhalt zu entnehmen ist. Allenfalls ist dieser Ausführung noch zu entnehmen, was der Beschwerdeführer anstrebt (offenbar die Berücksichtigung der beantragten Verluste iHv 35.000 Euro), keinesfalls ist der Ausführung jedoch zu entnehmen, worin der Beschwerdeführer seiner Ansicht nach die Unrechtmäßigkeit der Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Verluste sieht. Vor dem Hintergrund der begründenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid wäre es dem Beschwerdeführer durchaus möglich gewesen eine Begründung für seine Rechtsposition, warum die geltend gemachten Verluste entgegen den Ausführungen der belangten Behörde zu berücksichtigen seien, zu liefern. Die via Finanz online am übermittelte Mängelbehebung stellt dann auch unter Beweis, dass eine entsprechende Begründung möglich gewesen wäre ("Da [die Kommanditgesellschaft] in weniger als 10 Vermögensgegenstände investiert hat, stellt er keinen AIF bzw Investmentfonds im Sinne des ImmoInvFG dar und § 40 ImmoInvFG ist daher nicht anwendbar"). Dahingehende Ausführungen hat der Beschwerdeführer jedoch in seiner ursprünglichen Beschwerde gänzlich unterlassen und sich darauf beschränkt, festzuhalten, dass die beantragten Verluste nicht anerkannt worden seien.

Im Lichte der bereits zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 2010/15/0213, mwN) erachtet das Bundesfinanzgericht die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde vom nicht als ausreichende Begründung.

Liegen die Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 BAO vor, ist die Behörde verpflichtet, einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen (vgl abermals VwGH 2010/15/0213 mwN)

Das Bundesfinanzgericht kann somit nicht erkennen, dass die belangte Behörde zu Unrecht einen Mängelbehebungsauftrag erteilt hat.

Wie die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung mit Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurecht ausführte, kommt einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen (vgl mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich das vom Beschwerdeführervertreter per E-Mail am übermittelte Fristverlängerungsansuchen als nicht geeignet ein Anbringen iSd § 85 BAO darzustellen und kommt diesem somit keine ablaufhemmende Wirkung zu.

Anders als beispielsweise im dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/14/0026, zugrundeliegenden Sachverhalt, hat die belangte Behörde im Beschwerdefall die beantragte Fristverlängerung zu keinem Zeitpunkt bescheidmäßig zuerkannt, wodurch es auch nicht zu einer "neu eröffneten" Beschwerdefrist gekommen ist und auch nicht zu einer Hemmung. Indem sich der Beschwerdeführer seine infolge rechtlich unwirksamen E-Mails ursprünglich bereits abgelaufene Mängelbehebungsfrist mehrmals quasi selbst verlängerte, konnte es nicht zu einer wirksamen Fristerstreckung und somit auch nicht zu der mit einem wirksamen Fristerstreckungsersuchen verbundenen Hemmungswirkung kommen.

In Ermangelung eines wirksamen Fristverlängerungsantrages endete die Mängelbehebungsfrist mit . Die mit beim Finanzamt eingebrachte Mängelbehebung erfolgte somit - wie die belangte Behörde zu Recht feststellte - verspätet, weshalb die belangte Behörde die Beschwerde gemäß § 85 Abs. 2 BAO zu Recht als zurückgenommen bezeichnet hat.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass selbst der am via Finanz online übermittelte Fristerstreckungsantrag außerhalb der vom Beschwerdeführer bis beantragten Fristerstreckung eingebracht wurde und somit verspätet gewesen wäre.

Die Beschwerde gilt somit infolge verspäteter Mängelbehebung gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG eine Revision nicht zulässig, da sie bezüglich der Rechtsfrage, wann ein Mängelbehebungsauftrag in Folge fehlender Beschwerdebegründung zu erteilen ist, nicht von der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die Rechtsfolge der Zurücknahmefiktion bei fruchtlosem Ablauf der Mängelbehebungsfrist ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl § 85 Abs. 2 iVm § 278 BAO). Auch hinsichtlich der Frage, ob ein E-Mail ein Anbringen iSd BAO darstellt, weicht die vorliegende Entscheidung nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH Ra 2019/15/0081) ab. Im Übrigen handelte es sich um Fragen, die im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung zu beurteilen waren und damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalles abhängen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist nicht revisibel (vgl bspw VwGH Ro 2017/13/0014, mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ImmoInvFG, Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I Nr. 80/2003
§ 40 ImmoInvFG, Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I Nr. 80/2003
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101608.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at