Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.05.2022, RV/5100067/2022

"Familienbonus Plus" für in Deutschland lebende Kinder

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/5100067/2022-RS1
Familienbonus Plus steht auch für in Deutschland lebende Kinder ohne Stellung eines Antrages auf Familienbeihilfe zu, wenn der Anspruch auf eine Differenzzahlung dem Grunde nach gegeben ist und aufgrund der höheren ausländischen Familienleistung die Differenzzahlung betragsmäßig Null wäre, wenn der Anspruch auf Differenzzahlung dem Grunde nach im Einkommensteuerverfahren nachgewiesen wird.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ulrich Petrag in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bemessungsgrundlage
Abgabe
Jahr
Art
Höhe
Art
Höhe
2020
Einkommen
47.103,01 €
EinkommensteuerAnrechenbare LohnsteuerRundung gemäß
§ 39 Abs. 3 EStG 1988
6.595,76 €- 12.809,90 €0,14 €
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
  1. 6.214,00 €

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) hat am beim Finanzamt Österreich (im Folgenden: Finanzamt) die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 elektronisch via FinanzOnline eingereicht. In dieser Erklärung wurde die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales in Höhe von € 696,00 und eines Pendlereuros von € 54,00 begehrt. Daneben wurde für seine drei in Deutschland bei der Kindesmutter lebenden Kinder der Unterhaltsabsetzbetrag sowie der Familienbonus Plus beantragt.

Mit Bescheid vom veranlagte das Finanzamt den Bf. zur Einkommensteuer 2020 und berücksichtigte das vom Bf. begehrte Pendlerpauschale und den Pendlereuro in der beantragten Höhe. Daneben wurde auch ein Unterhaltsabsetzbetrag von € 1.535,76 angesetzt. Dieser Unterhaltsabsetzbetrag hat sich wie folgt zusammengesetzt:

Gemäß § 3 Abs. 4 der Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung, BGBl. II Nr. 257/2018 idF BGBl. II Nr. 141/2019, beträgt der Unterhaltsabsetzbetrag für in Deutschland aufhältige Kinder für den Veranlagungszeitraum 2020 für das erste Kind € 28,44, für das zweite Kind € 42,66 und für das jedes weitere Kind € 56,88 pro Monat.

Der beantragte Familienbonus Plus wurde hingegen mit folgender Begründung nicht berücksichtigt:

Der Familienbonus Plus würde gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zustehen, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird. Bisher wäre für das Kind, das im EU-EWR-Raum oder der Schweiz lebt, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- oder Differenzzahlung) abgesprochen worden wäre, könne der Familienbonus Plus für ein Kind im EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden.

Am erhob der Bf. gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und wurde beantragt den Familienbonus Plus für alle drei Kinder zu berücksichtigen. Diese Beschwerde wurde wie folgt begründet:

Das Finanzamt hätte die Nichtgewährung des Familienbonus Plus damit begründet, dass weder österreichische Familienbeihilfe noch eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung bezogen worden sei.

Es würde aber nicht auf den Bezug, sondern bloß auf den Anspruch auf eine derartige Leistung ankommen. Daher wären die Familienbonusse Plus für seine Kinder, für welche der Bf. das gesamte Jahr hindurch den gesetzlichen Unterhalt geleistet habe, beim Bf. zu berücksichtigen. Andernfalls würde eine Unionsrechtswidrigkeit vorliegen, dürfen doch im EU-Ausland lebende Kinder nicht anderes behandelt werden als in Österreich lebende.

Im österreichischen Verwaltungsrecht würde die Offizialmaxime gelten. Aus diesem Grund wäre es nicht zulässig, formal auf das Vorliegen eines Antrages auf eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung abzustellen, sondern hätte das Finanzamt im Zuge der Prüfung seines Anspruches auf den Familienbonus Plus von Amts wegen als Vorfrage, den theoretischen Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. Ausgleichs- oder Differenzzahlung für seine Kinder zu prüfen.

Mangels Gesprächsbasis zu seiner in Deutschland wohnhaften Ex-Frau und Kindsmutter wäre es dem Bf. auch nicht möglich, sie dazu zu bewegen, dass sie als primär Anspruchsberechtigte für die Familienbeihilfe/Ausgleichs- bzw. Differenzzahlung einen Antrag darauf beim österreichischen Finanzamt stellt. Noch dazu, wo dieser keine Auswirkung für sie haben würde, zumal das deutsche Kindergeld höher ist als die österreichische Familienbeihilfe und daher mit keiner Ausgleichs- bzw. Differenzzahlung zu rechnen wäre.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Antrag ein Familienbonus Plus zustehen würde.

Aus der Wortfolge "für das Familienbeihilfe...gewährt wird" ließe sich nur der Schluss ableiten, dass tatsächlich Familienbeihilfe bezogen werden müsse. Ein bloßer Anspruch würde nicht ausreichen. Somit wäre festzuhalten, dass der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur einem Kind, für das Familienbeihilfe (bzw. eine Ausgleichs-/Differenzzahlung) nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (somit österreichische Familienbeihilfe) gewährt wird, zustehen würde.

Für die mit seiner Mutter im gemeinsamen deutschen Haushalt lebenden Kinder würde derzeit aber unstrittig keine österreichische Familienbeihilfe bezogen werden, und die Leistung derselben oder einer Ausgleichs-/Differenzzahlung stünde jenem Elternteil zu, mit dem das Kind im ausländischen gemeinsamen Haushalt lebt.

Da aber die (in Deutschland lebende) Kindesmutter bis zum heutigen Tag keinen Antrag auf Ausgleichszahlung in Österreich gestellt hätte, würde derzeit kein Anspruch (auch nicht dem Grunde nach) auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) zustehen, weshalb dem Bf. in keinem Monat der Familienbonus Plus zustehen würde und das diesbezügliche Begehren abzuweisen wäre.

Am brachte der Bf. fristgerecht einen Vorlageantrag ein und führte darin ergänzend aus, dass die Ausführungen des Finanzamtes, dass sich aus der Wortfolge des § 33 Abs 3a EStG "für das Familienbeihilfe ... gewährt wird" nur ableiten lasse, dass tatsächlich Familienbeihilfe bezogen werden müsse und dass daher ein bloßer Anspruch nicht ausreichen würde, übersehen würden, dass nationalstaatliche Regelungen im Sinne des Unionsrechts auszulegen seien (s. Kruis, Anwendungsvorrang, 190 ff) und das Verwaltungsbehörden offenkundig unionsrechtswidrigen Rechtsbestand nicht anwenden dürften (s. Marhold/Ludwig, ASoK 2018, 202). Das Finanzamt hätte daher von Amts wegen das Vorliegen des Anspruchs auf Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung zu prüfen. Eines Antrags der im Ausland lebenden Kindsmutter beim Finanzamt Österreich würde es daher nicht bedürfen.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte in der Stellungnahme zur Beschwerde aus, dass § 33 Abs. 3a EStG 1988 auszugsweise wie folgt lautet: "...Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält...".

Für die Kinder des Bf. würde keine Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 gewähr werden.
Es wird daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Beschluss vom wurde der Bf. zum einen ersucht innerhalb von vier Wochen die für das Jahr 2020 gültigen Regelungen (zB Verpflichtung gegenüber dem zuständigen Landratsamt) betreffend der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern ***1***, ***2*** und ***3*** sowie entsprechende Nachweise über die Erfüllung dieser Unterhaltsverpflichtungen im Jahr 2020 (Zahlungsbelege) vorzulegen. Des Weiteren wurde der Bf. um Mitteilung ersucht, aus welchen Gründen er selber keinen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe gestellt hat bzw. ob eine solche Antragstellung noch erfolgen wird.

Schließlich wurden beiden Parteien unter Hinweis auf das zu Ra 2021/15/0067 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Revisionsverfahren, bei dem sich dieselbe Rechtsfrage stellt wie im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, innerhalb von vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses um Bekanntgabe ersucht, ob Bedenken gegen die Aussetzung dieses Beschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung des VwGH im Revisionsverfahren Ra 2021/15/0067 bestehen. Bejahendenfalls mögen die Gründe angeführt werden.

Dieser Beschluss wurde wie folgt begründet:

Aus dem im Rahmen der Veranlagung für 2019 vorgelegten Zahlungsnachweisen ergibt sich, dass der Bf. für den Jänner 2020 einen Betrag von € 879,00 an Unterhalt für die angeführten Kinder an das Landratsamt ***4*** bezahlt hat. Im Jahr 2019 hat der Betrag für die Kinder ***1***, ***2*** und ***3*** pro Monat insgesamt lediglich € 712,00 betragen. Daher ist es offenbar zu einer Änderung der Höhe der Unterhaltsverpflichtung ab Jänner 2020 gekommen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der derjenige Elternteil, der im Inland eine Beschäftigung ausübt, zu dessen Haushalt die Kinder nicht gehören, im Anwendungsbereich der VO 883/2004 einen Anspruch auf Differenzzahlung, wenn er die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt (vgl. mwN).

Die Rechtsfrage, ob der Familienbonus Plus auch ohne Antrag auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) im Sinne des FLAG 1967 gewährt werden kann, ist Gegenstand der zu Ra 2021/15/0067, anhängigen Amtsrevision beim VwGH.

§ 271 Abs. 1 BAO, sieht vor, dass dann, wenn wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Beschwerde anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Beschwerde ist, die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hierfür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden kann, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. Dies hat vor Vorlage der Beschwerde durch Bescheid der Abgabenbehörde, nach Vorlage der Beschwerde durch Beschluss des Verwaltungsgerichtes zu erfolgen.

Das Bundesfinanzgericht beabsichtigt das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des VwGH über die zu Ra 2021/15/0067 anhängigen Revision auszusetzen und war daher vor Erlassung dieses Aussetzungsbeschlusses den Parteien Parteiengehör einzuräumen.

Bereits am teilte das Finanzamt mit, dass der Aussetzung gemäß § 271 BAO zugestimmt wird.

Mit Schreiben vom gab der Bf. folgende Stellungnahme ab:

In dem Betrag von € 879,00 wäre eine Nachzahlung enthalten. An der Höhe des zu zahlenden Unterhaltes für die Kinder ***1***, ***2*** und ***3*** hätte sich seit Ausstellung der Urkunden vom nichts geändert. Durch den Bf. würde weiterhin eine monatliche Unterhaltszahlung von € 712,00 geleistet werden. Es würde auch für das Jahr 2020 kein Rückstand in der Unterhaltszahlung bestehen. Diesbezüglich wurden die Urkunden vom betreffend die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung des Landratsamtes ***5*** - sowie Auszüge des Kontos mit der ***6*** für dem Zeitraum 3.2. bis vorgelegt.

Weiters führte der Bf. aus, dass er keinen Antrag auf Familienbeihilfe gestellt hätte, da ihm seitens eines Mitarbeiters des Finanzamtes ***7*** mitgeteilt worden wäre, dass er keinen Antrag stellen könne, da er nicht berechtigt wäre, sondern seine geschiedene Frau. Da er keinen Kontakt zu seiner geschiedenen Frau hätte, könne er sie nicht dazu bewegen, die nötigen Formulare auszufüllen. Des Weiteren möchte der Bf. erwähnen, dass das Kindergeld in Deutschland höher ausfallen würde als die Familienbeihilfe in Österreich. Damit würde der Antrag abgelehnt werden und somit keine Differenzzahlung erfolgen. Wenn die Möglichkeit der Antragstellung auf Gewährung der Familienbeihilfe für das Jahr 2020 und folgende bestehen würde, würde er den Antrag noch stellen. Es wurde ersucht ihm mitzuteilen, ob diese Möglichkeit noch bestünde. Wenn noch weitere Unterlagen benötigt würden, würden diese umgehend zugesendet werden.

Mit Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht die Entscheidung gemäß § 271 Abs. 1 BAO bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zur GZ Ra 2021/15/0067 anhängigen Verfahrens (Amtsrevision zu BFG RV/5100069/2021 vom ) ausgesetzt, da der Ausgang dieses Verfahrens hinsichtlich der Frage, ob der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 auch ohne Antrag auf Familienbeihilfe (Differenzzahlung) im Sinne des FLAG 1967 gewährt werden kann, von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung in der vorliegenden Beschwerdesache ist.

Des Weiteren wurde mit diesem Beschluss dem Finanzamt wird das Schreiben des Bf. vom samt Nachweis der im Jahr 2020 getätigten Unterhaltszahlungen gemäß § 183 Abs. 4 BAO zur Kenntnis und allfälligen Äußerung gebracht.

In der Folge wurde vom Finanzamt keine Äußerung erstattet.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0067-3, hat der VwGH die gegen die BFG-Entscheidung vom , RV/5100069/2021, erhobene Amtsrevision als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluss vom wurde dem Bf. und dem Finanzamt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/15/0067, in anonymisierter Fassung zur Kenntnis gebracht.

Weiters hat das Bundesfinanzgericht darauf hingewiesen, dass der Aussetzungsbeschluss vom infolge Erlassung der unter Punkt 1. angeführten VwGH-Entscheidung, die Grund für die Aussetzung war, seine Wirksamkeit verloren hat und daher das Beschwerdeverfahren gemäß § 271 Abs. 2 BAO von Amts wegen fortgesetzt wird.

Dem Bf. als auch dem Finanzamt Österreich wird die Gelegenheit eingeräumt innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses eine Stellungnahme im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Am wurde vom Finanzamt folgende Stellungnahme eingebracht:

Nach Rücksprache mit dem zuständigen Veranlagungsteam würde sich ergeben, dass für den Bf., welcher Unterhaltsverpflichteter für das in Deutschland im Haushalt der Kindesmutter lebende Kind wäre, dem Grunde nach ein Anspruch auf eine Differenzzahlung bestehen würde, auch wenn davon auszugehen sei, dass auf Grund des höheren Kindergeldes in Deutschland im Falle einer Antragstellung, welche lediglich durch die Kindesmutter erfolgen könne, es zu keiner betragsmäßigen Auszahlung einer Differenzzahlung kommen würde.

Nach der bisherigen Verwaltungspraxis hätte die Gewährung des Familienbonus Plus die Stellung eines Antrages auf Differenzzahlung vorausgesetzt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. hat im Jahr 2020 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen, wobei diese Arbeit im Inland ausgeübt wurde und er mit diesen Einkünften in Österreich steuerpflichtig ist. Er war im Jahr 2020 in Österreich aufgrund seines inländischen Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig.

Der Bf. war bis zur Scheidung im Frühjahr 2018 mit ***8*** verheiratet und hat mit seiner Ex-Gattin drei Kinder und zwar:

***3***, geboren am ***9***2004
***2***, geboren am ***10***2006
***1***, geboren am ***11***2007

Aufgrund von vor dem Landratsamt ***12*** - getroffener Unterhaltsverpflichtungen ist der Bf. verpflichtet ab ***13***2018 folgenden Unterhalt an seine Kinder zu leisten:

an ***3*** € 253,00 im Monat
an ***2*** € 253,00 im Monat
an ***1*** € 206,00 im Monat
(gesamt sohin € 712,00 im Monat)

Für das Jahr 2020 ist der Bf. in allen Monaten (Jänner bis Dezember) seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber allen seinen drei Kindern im vollem Umfang nachgekommen.

Die drei Kinder leben bei ihrer Mutter in Deutschland.

Weder die Kindesmutter noch der Bf. haben beim Finanzamt bis dato einen Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe (in Form einer Differenzzahlung) hinsichtlich der angeführten drei Kinder gestellt. Die Kindesmutter hat bis dato auch keinen Antrag auf Gewährung des Familienbonus Plus gestellt.

Die Kindesmutter bezieht für ihre drei Kinder in Deutschland Kindergeld. Das deutsche Kindergeld hat im Jahr 2020 für das erste und zweite Kind je € 204,00 und für das dritte Kind
€ 210,00 betragen.

Beweiswürdigung

Die Feststellung, dass der Bf. für das Jahr 2020 in allen Monaten (Jänner bis Dezember) seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber allen seinen drei Kindern im vollem Umfang nachgekommen ist, gründet sich auf die mit Schreiben vom vorgelegten Auszüge des Kontos ***6*** für die Monate Februar bis Dezember 2020, aus denen monatliche Unterhaltszahlungen von je € 712,00 ersichtlich sind. Die Zahlung für Jänner 2020 hat der Bf. dem Finanzamt bereits im Rahmen der Veranlagung 2019 nachgewiesen.

Die Höhe des deutschen Kindergeldes im Jahr 2020 ergibt sich aus einer Abfrage der im Internet veröffentlichten MISSOC-Tabellen für Familienleistungen zum Stichtag (vgl. https://www.missoc.org/missoc-information/missoc-vergleichende-tabellen-datenbank/missoc-vergleichstabellen-datenbank-ergebnisse-anzeigen/?lang=de).

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen bzw. sind zwischen den Parteien nicht strittig.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 33 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 96/2020 sind von dem sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag der Einkommensteuer Absetzbeträge in folgender Reihenfolge abzuziehen:
1 Der Familienbonus Plus gemäß Abs. 3a; der Familienbonus Plus ist insoweit nicht abzuziehen, als er jene Steuer übersteigt, die auf das gemäß Abs. 1 zu versteuernde Einkommen entfällt.

§ 33 Abs. 3a EStG 1988 lautet:
Für ein Kind, für das Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz1967 gewährt wird und das sich ständig in einem Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, steht auf Antrag ein Familienbonus Plus nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu:
1. Der Familienbonus Plus beträgt
a) bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden
Kalendermonat 125 Euro;
b) nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden
Kalendermonat 41,68 Euro.
2. Abweichend von Z 1 ist für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, die Höhe des Familienbonus Plus sowie der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe des Familienbonus Plus und der Absetzbeträge gemäß Abs. 4 ist ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Der Bundesminister für Finanzen hat die Berechnungsgrundlagen und die Beträge mit Verordnung bis spätestens 30. September nach dem Stichtag gemäß lit. a kundzumachen.
3. Der Familienbonus Plus ist in der Veranlagung entsprechend der Antragstellung durch den Steuerpflichtigen wie folgt zu berücksichtigen:
a) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat kein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder dessen (Ehe-)Partner der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dessen (Ehe-)Partner jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.
b) Für ein Kind, für das im jeweiligen Monat ein Unterhaltsabsetzbetrag nach Abs. 4 Z 3 zusteht:
- Beim Familienbeihilfenberechtigten oder vom Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, der nach Z 1 oder Z 2 zustehende Betrag oder
- beim Familienbeihilfenberechtigten und dem Steuerpflichtigen, dem für das Kind der Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, jeweils die Hälfte des nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrages.

Für einen Monat, für den kein Unterhaltsabsetzbetrag zusteht, steht dem Unterhaltsverpflichteten kein Familienbonus Plus zu.
c) Die Aufteilung des Familienbonus Plus gemäß lit. a und b ist bei gleichbleibenden Verhältnissen für das gesamte Kalenderjahr einheitlich zu beantragen. Wird von den Anspruchsberechtigten die Berücksichtigung in einer Höhe beantragt, die insgesamt über das nach Z 1 oder Z 2 zustehende Ausmaß hinausgeht, ist jeweils die Hälfte desmonatlich zustehenden Betrages zu berücksichtigen.
d) Der Antrag kann zurückgezogen werden. Ein Zurückziehen ist bis fünf Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides möglich und gilt nach Eintritt der Rechtskraft als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung sowohl für den Zurückziehenden als auch für den anderen Antragsberechtigten gemäß lit. a oder b. Wird der Antrag zurückgezogen, kann der gemäß lit. a oder b andere Antragsberechtigte den ganzen nach Z 1 oder Z 2 zustehenden Betrag beantragen.


6. In der Steuererklärung ist die Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder die persönliche Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) jedes Kindes, für das ein Familienbonus Plus beantragt wird, anzugeben.
7. Der Bundesminister für Finanzen hat die technischen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Familienbonus Plus im Rahmen der Veranlagung zur Verfügung zu stellen.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Familienbonus Plus-Absetzbeträge-EU-Anpassungsverordnung, BGBl II 2018/257 idF BGBl II 2019/141 beträgt der Familienbonus Plus für in Deutschland aufhältige Kinder € 121,75 pro Monat für Kinder bis 18 Jahre (ab dem Monat, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat, beträgt der Familienbonus Plus pro Monat € 40,60).

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass dem Bf. für seine drei Kinder der Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 zusteht. Betreffend den am bezahlten Unterhalt für Jänner 2020 ist festzuhalten, dass Vorauszahlungen auf den Zeitraum für den sie geleistet werden entsprechend zu verteilen sind und daher einen Anspruch auch für Zeiträume in darauffolgenden Kalenderjahren vermitteln können (vgl. ; ).

Strittig zwischen den Parteien ist der Umstand, ob die Gewährung des Familienbonus Plus voraussetzt, dass ein Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe (in Form einer Differenzzahlung gemäß § 4 Abs. 2 FLAG 1967) für die Kinder gestellt werden muss, für die der Familienbonus gewährt werden soll.

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom , Ra 2021/15/0067-3, folgende Aussage getroffen:

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG "betragsmäßig Null" ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw. Ausgleichsanspruch erfüllt sind. Gemäß § 13 zweiter Satz FLAG ist im Familienbeihilfenverfahren ein Bescheid dann zu erlassen, wenn dem Beihilfenantrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist (Rz 25).

Nach Art. 67 erster Satz der Verordnung Nr. 883/2004 besteht auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, ein Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. EU Nr. L 284 vom (im Folgenden: Durchführungsverordnung Nr. 987/2009), normiert, dass bei Anwendung von Art. 67 und 68 der Verordnung Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fielen und dort wohnten.

Im gegenständlichen Beschwerdefall besteht aufgrund der Beschäftigung des Beschwerdeführers im Inland dem Grunde nach ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a der VO 883/2004).

Da das deutsche Kindergeld - wie sich aus dem festgestellten Sachverhall ergibt (ausländisches Recht ist nach der Rechtsprechung eine Sachverhaltsfrage und sind daher diesbezügliche Feststellungen zu treffen; vgl. zB ; ; ) - höher ist als die österreichische Familienbeihilfe (§ 8 Abs. 2 Z 3 lit. c sowie Abs. 3 Z 3 lit. b FLAG 1967), ist nach , eine Antragstellung auf Gewährung einer Differenzzahlung für das Zustehen des Familienbonus Plus nicht erforderlich. Auch das Finanzamt geht im Schreiben vom von einem Bestehen eines Anspruches auf eine Differenzzahlung dem Grunde nach aus.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und steht dem Bf. für seine drei Kinder insgesamt ein Familienbonus Plus im Jahr 2020 von € 4.383,00 zu (€ 121,75 mal 12 mal 3), weil alle drei Kinder im Jahr 2020 das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil das Bundesfinanzgericht der Rechtsansicht des VwGH in seiner Entscheidung vom , Ra 2021/15/0067, betreffend das Zustehen eines Familienbonus Plus bei Bestehen des Anspruches auf eine Differenzzahlung dem Grunde nach, gefolgt ist und eine Antragstellung auf Gewährung von Familienbeihilfe nicht erforderlich ist, wenn die Differenzzahlung (aufgrund der höheren ausländischen Familienleistung) "betragsmäßig Null" wäre.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100067.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at