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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.07.2022, RV/7104739/2018

Besteuerung von Ausschüttungen an Mitglieder von körperschaftlich organisierten Agrargemeinschaften, keine beantragte Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 BAO, Verjährung (§§ 207 ff BAO), keine KESt-Rückerstattung gem. § 240 Abs. 3 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin Christoph Wittmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***7***, ***6***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , Steuernummer ***BF1StNr1***, betreffend Zurückweisung der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend ESt 2008 iSd § 303 Abs 1 BAO sowie auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen KESt 2008 gem § 240 Abs 3 BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

  2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bisheriger Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf) war im Streitjahr 2008 gemeinsam mit ihrem am verstorbenen Ehemann ***1*** je zur Hälfte Eigentümerin der Stammsitzliegenschaft in der KG ***2***, mit denen insgesamt 6 Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft ***3*** (im Folgenden AG), KG ***4***, EZ ***5***, verbunden sind.

Bei der AG handelt es sich um eine Körperschaft öffentlichen Rechts (vgl § 46 NÖ Flurverfassungs-Landesgesetz 1975 - NÖ FLG, LGBl 6650-0) in den Angelegenheiten der Bodenreform, von der agrargemeinschaftliche Grundstücke auf der Rechtsgrundlage des NÖ FLG gemeinschaftlich verwaltet und genutzt werden. Mit dem Eigentum an einer Stammsitzliegenschaft sind Anteilsrechte an einer Agrargemeinschaft als im Grundbuch angemerkte Realrechte verbunden.

Im Streitjahr 2008 veräußerte die AG für den Ausbau einer Landesstraße Teile der agrargemeinschaftlichen Grundstücke an das Land NÖ und schüttete auf Beschluss der Vollversammlung der AG den Großteil des Verkaufserlöses im Streitjahr 2008 an ihre Mitglieder aus. Aus der Veräußerung agrargemeinschaftlicher Grundstücke an das Land NÖ erhielt die Bf eine anteilige Grundablöse, für die seitens der AG im Jahre 2008 KESt einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wurde.

Am erließ die belangte Behörde einen ESt-Bescheid für das Jahr 2008, den sie mit Bescheid vom gem § 299 BAO wieder aufhob. Begründend führte sie im neuen Sachbescheid gleichen Datums aus, dass unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) im konkreten Fall das Interesse an der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem auf Rechtsbeständigkeit überwiege und die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden könnten. Die Einkünfte aus der Ausschüttung der AG würden nunmehr als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst. Weiters verwies das Finanzamt auf das Erkenntnis des in welchem dieser judizierte, dass der Anspruch auf Rückzahlung der KESt, die die AG einbehalten und an das Finanzamt abgeführt habe, gem § 240 Abs 3 BAO nicht für die AG, sondern nur für das jeweilige Mitglied der AG bestehe und nur dann, wenn die Ausschüttungsbeträge, für welche KESt im Abzugswege einbehalten worden seien, nicht zu veranlagen seien. Für die Ausschüttungen an AG-Mitglieder, die ihre Anteile im Privatvermögen halten, komme eine Steuerpflicht gem § 27 Abs 1 Z 4 bzw § 29 Z 1 EStG in Betracht.

  1. Zurückweisung der beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 Abs 1 BAO betreffend ESt 2008

Infolge des VwGH-Erkenntnisses vom , 2013/15/0297, iZm der Abweisung eines Antrages auf Rückerstattung gem § 240 BAO ersuchte die Bf mit Antrag vom um Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend ESt 2008 gem § 303 Abs 1 BAO (im Folgenden kurz "Wiederaufnahme") und gründete diesen Antrag auf nachstehende Begründung im VwGH-Erkenntnis vom : "Der Agrargemeinschaft wird seitens der Anteilsberechtigten nicht Kapital zur Verfügung gestellt, welches zu Kapitalforderungen und sodann zu Erträgnissen aus Kapitalforderungen der Anteilsberechtigten führt." Nach diesen Ausführungen des VwGH sei somit eindeutig klargestellt, dass die Grundstücke niemals Eigentum der AG geworden seien. Dadurch sei auch die Wertsteigerung bei den Eigentümern und somit bei den Anteilsberechtigten eingetreten. Folglich seien Grundstücke der Anteilsberechtigten und nicht Grundstücke der AG verkauft worden. Es habe daher auch keinen Eigentumstransfer der AG zu den Anteilsinhabern gegeben. Der Verkauf der Grundstücke an das Land NÖ für den Straßenausbau im Streitjahr sei daher nicht steuerpflichtig. Im ESt-Bescheid 2008 vom sei das Finanzamt davon ausgegangen, dass die im Jahre 2008 erfolgte Ausschüttung aus dem AG-Anteilsrecht gem § 27 Abs 1 Z 4 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sei. Der Obmann der AG habe 2008 darauf vertraut, dass die Auskunft der belangten Behörde, die Auszahlung an die AG-Mitglieder als Ausschüttung zu behandeln und daher KESt abzuführen, rechtlich korrekt gewesen sei.

Mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Zurückweisungsbescheid vom wurde der Wiederaufnahmsantrag der Bf vom wegen Eintritt der Verjährung mit folgender Begründung zurückgewiesen: Gem § 304 BAO sei eine Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht worden sei. Die Bemessungsverjährung gem § 207 BAO sei auf Bescheide über die Wiederaufnahme von Verfahren anzuwenden. Im vorliegenden Fall sei iSd § 208 Abs 1 lit a BAO der Abgabenanspruch für die ESt 2008 mit Ablauf des Jahres 2008 entstanden, für das die Veranlagung vorgenommen worden sei. Die Verjährungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen begonnen. Das Erlassen des Bescheides betreffend ESt 2008 vom habe eine nach außen hin erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs 1 BAO dargestellt, die innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt und die Verjährungsfrist für die Festsetzung bzw Bemessung der ESt 2008 um ein Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2014 verlängert habe. Da im Jahre 2014 keine Verlängerungshandlung gesetzt worden sei, habe somit die Verjährungsfrist nicht um ein weiteres Jahr verlängert werden können. Zum Zeitpunkt des Einbringens des Wiederaufnahmsantrages vom sei die Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Die Verjährung könne sowohl dem Schutz der Abgabepflichtigen dienen als auch im öffentlichen Interesse sein. Der Wiederaufnahmsantrag sei daher wegen Verspätung als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Wäre der Wiederaufnahmsantrag der Bf vom rechtzeitig, so wäre dieser jedoch aus den nachstehend bezeichneten Gründen abzuweisen: Nach § 303 Abs 2 BAO habe der Wiederaufnahmsantrag ua die Umstände zu bezeichnen, auf die der Antrag gestützt werde. Im beschwerdegegenständlichen Wiederaufnahmsantrag vom sei als Wiederaufnahmsgrund das VwGH-Erkenntnis vom genannt worden. Dieses könne jedoch weder unter den Tatbestand des § 303 Abs 1 lit a BAO noch unter § 303 Abs 1 lit b BAO subsumiert werden. Insb könne bei vollständiger Kenntnis aller Sachverhaltselemente durch die Abgabenbehörde eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht damit begründet werden, dass dem abgeschlossenen Verfahren eine unzutreffende rechtliche Beurteilung zu Grunde gelegen sei (vgl ). IdZ sei laut der belangten Behörde eindeutig festgestellt worden, dass Erkenntnisse, die sich auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen bezögen, keine Tatsachen oder Beweismittel darstellten (vgl ). In casu stelle das von der Bf angeführte VwGH-Judikat weder eine Tatsache noch ein Beweismittel iSd § 303 Abs 1 lit b BAO dar. In casu liege ebenso wenig der Vorfragentatbestand (§ 303 Abs 1 lit c BAO) vor. Für die Beurteilung der Rechtsfrage betreffend die Erfassung der Ausschüttung aus dem Anteilsrecht an der AG als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem § 27 Abs 1 Z 4 EStG sei die belangte Behörde zuständig gewesen. Dies habe eine Hauptfrage und keine Vorfrage im Verfahren über die ESt 2008, die mit Berufungsvorentscheidung vom rechtskräftig abgeschlossen worden sei, dargestellt. Sowohl der VfGH (, G 5/09) als auch der VwGH (, 2008/16/0148) hätten festgestellt, dass höchstgerichtliche Entscheidungen nicht zur Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossener Verfahren nach dem Vorfragentatbestand berechtigten. Im vorliegenden Verfahren betreffend ESt 2008 sei vom Finanzamt keine Vorfrage gem § 116 BAO beurteilt worden, die vom VwGH mit Erkenntnis vom , 2013/15/0297, als Hauptfrage zu lösen gewesen sei. Da die dieses aufhebende Erkenntnis betreffende Sache keine Bindungswirkung entfalte, bestehe auch für das ESt-Verfahren keine Bindung an das einen anderen Abgabepflichtigen betreffende VwGH-Erkenntnis. Weder Tatbestandsgleichheit noch Parteienidentität seien bei den genannten Verfahren gegeben. Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nach § 303 Abs 1 lit c BAO seien nicht vorgelegen.

Aus den genannten Gründen sei der Wiederaufnahmsantrag - so er nicht ohnehin als verspätet zurückzuweisen sei - iSd § 303 Abs 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

  1. Zurückweisung des Antrages auf Rückzahlung der einbehaltenen KESt 2008 gem § 240 Abs 3 BAO

Im selben Schriftsatz vom beantragte die Bf gem § 240 Abs 3 BAO die Rückzahlung sowohl der im Streitjahr 2008 "rechtswidrig" einbehaltenen KESt als auch der "rechtswidrig" eingehobenen ESt samt Zinsen seit der Einzahlung.

Im Zurückweisungsbescheid vom hielt die belangte Behörde der Bf entgegen, dass nach § 240 Abs 3 BAO ein Rückzahlungsantrag bis zum Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folge, gestellt werden könne. In casu sei die KESt 2008 im Jahr 2008 einbehalten worden. Der Rückzahlungsantrag sei aufgrund der gesetzlichen 5-Jahres-Frist, die gem § 110 Abs 1 BAO nicht erstreckt werden könne, bis zum Ablauf des Jahres 2013 zu stellen gewesen und somit als verspätet zurückzuweisen. Selbst bei Rechtzeitigkeit wäre dieser Antrag gem § 240 Abs 3 BAO als unzulässig zurückzuweisen gewesen, da dieser einen zum Veranlagungsverfahren subsidiären Behelf darstelle und jedenfalls dann unzulässig sei, wenn das Veranlagungsverfahren über den vom Antrag betroffenen Zeitraum bereits rechtskräftig abgeschlossen sei (). Im Beschwerdefall sei dieses betreffend ESt 2008 bereits mit der rechtskräftigen Berufungsvorentscheidung vom abgeschlossen worden.

  1. Beschwerde vom

Dem Tatbestand der eingetretenen Verjährung hielt die Bf entgegen, dass nach § 207 BAO bei hinterzogenen Abgaben die Verjährungsfrist 10 Jahre betrage. Im Umkehrschluss müsste demnach bei einer rechtswidrigen Besteuerung ebenso eine Verjährungsfrist von 10 Jahren gelten. Nach § 209 Abs 3 BAO verjähre das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens 15 Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches. Ein Verschulden der Bf liege nicht vor, da sie auf die Auskünfte des Finanzamtes vertraut habe. Erst im Dezember 2016 sei der Bf durch das VwGH-Erkenntnis vom bewusst geworden, dass sie durch das Finanzamt sowie durch den UFS "absolut gesetzwidrig besteuert" worden sei. Der Rechtssatz aus dem angeführten VwGH-Judikat ("Der Agrargemeinschaft wird seitens der Anteilsberechtigten nicht Kapital zur Verfügung gestellt, welches zu Kapitalforderungen und sodann zu Erträgnissen aus Kapitalforderungen der Anteilsberechtigten führt.") stelle eindeutig einen Neuerungstatbestand dar, weil er für den Inhalt der Satzungen (Gesellschaftsvertrag) klarstelle: Die Mitglieder der AG seien nach wie vor die uneingeschränkten Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Liegenschaftsvermögens. Im BMF-010103/0053-VI/2006, werde zu Neuerungstatbeständen festgehalten, dass Wiederaufnahmegründe nur entscheidungswesentliche Sachverhaltselemente seien, die dazu geeignet seien, zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid führen.

Die Bf beantragte daher die Wiederaufnahme der ESt-Veranlagung 2008. Dies insb, als die Abfuhr der KESt 2008 durch den AG-Obmann durch eine falsche Rechtsauskunft und durch "massiven Druck" der belangten Behörde zustande gekommen sowie die ESt-Veranlagung 2008 "vom Finanzamt vorsätzlich durch rechtswidrige Anweisungen" erfolgt sei. Für eine Wiederaufnahme von Amts wegen lasse der Gesetzgeber in solchen Fällen keinen Ermessenspielraum zu. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei fristgerecht eingebracht worden. Zudem beantragte die Bf neuerlich die Rückzahlung sowohl der "rechtswidrig" eingehobenen KESt als auch der "rechtswidrig" eingehobenen ESt samt Zinsen seit der Einzahlung.

  1. Beschwerdevorentscheidung vom

Die belangte Behörde wies in der Folge die Beschwerde vom betreffend den Wiederaufnahmsantrag sowie den Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen KESt 2008 nach § 240 Abs 3 BAO ab. Begründend führte diese - zusammengefasst auf neues Vorbringen - aus, dass als erster Rechtsbehelf zur Bekämpfung von Bescheiden das Rechtsmittel der Beschwerde (vormals: Berufung) zur Verfügung stehe. Werde ein Bescheid nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist bekämpft, erwachse dieser in Rechtskraft. Auch rechtswidrige Bescheide würden in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen und normative Wirkung entfalten (vgl ). Um dem Grundsatz der Rechtsrichtigkeit Rechnung zu tragen, seien vom Gesetzgeber bestimmte Möglichkeiten eröffnet worden, in formelle Rechtskraft erwachsene Bescheide außerhalb des Rechtsmittelverfahrens abzuändern bzw aufzuheben (vgl ). Diese Möglichkeiten seien aber - um den Grundsätzen der Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit Rechnung zu tragen - begrenzt. Eine dieser Möglichkeiten sei die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen bzw auf Antrag der Partei. Diese sei nurinnerhalb der Verjährungsfrist möglich bzw auf Antrag der Partei, wenn der Antrag innerhalb der Verjährungsfrist gestellt worden sei (§ 304 iVm § 303 Abs 1 BAO). Werde der Antrag auf Wiederaufnahme nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt, sei eine Wiederaufnahme nicht zulässig (vgl ).

Im vorliegenden Fall sei der Antrag auf Wiederaufnahme nach Ablauf der 5-jährigenBemessungsverjährungsfrist gem § 207 Abs 1 BAO gestellt worden und sei somit verspätet. Da sich die 10-jährige Verjährungsfrist ausdrücklich auf hinterzogene Abgaben beziehe, sei im Umkehrschluss die normale Bemessungsverjährungsfrist auf die nicht hinterzogenen Abgaben anzuwenden. Es liege keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die durch Analogie zu schließen wäre. Die absolute Verjährungsfrist gem § 209 Abs 3 BAO betrage 10 Jahre und sei weder verlängerbar noch hemmbar. Diese diene der Begrenzung der Bemessungsverjährungsfrist und könne nicht zur Abgabenfestsetzung nach dem Ablauf der Bemessungsverjährungsfrist berechtigen. Zum Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs 1 lit a BAO sei festzuhalten, dass sich nur der Abgabepflichtige einen Bescheid erschleichen könne und nicht das Finanzamt (, 0117).

Die Zurückweisung des Antrages auf Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen KESt sei zu Recht erfolgt, da zur Antragstellung nur der Abgabepflichtige berechtigt sei (§ 240 Abs 3 BAO).

Im VwGH-Erkenntnis vom , 2013/15/0297, seien keine Feststellungen bzgl Eigentum über die agrargemeinschaftlichen Grundstücke getroffen worden.

  1. Vorlageantrag vom

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das BFG. Ergänzend führte diese - zusammengefasst auf neues Vorbringen betreffend die Streitsache - aus, das VwGH-Erkenntnis vom müssefür alle Mitglieder der AG gelten. Es sei undenkbar, dass nur ein Mitglied rechtsrichtig und alle anderen rechtswidrig behandelt würden. Das widerspreche dem Gleichheitssatz.

Die AG habe sich bei der Bezahlung der "Steuern" genau an die Finanzamts-Anweisungen gehalten. Die vom Finanzamt zitierten VwGH-Entscheidungen hätten für die AG keine Relevanz:

  1. - Bedenken gegen die Art der Fenster

  2. - Probleme mit der GKK

  3. - Oberst in Ruhe, Abgeltung Nebentätigkeit

  4. - Dachstuhl Nachbar

  5. - Beamtin im Ruhestand erwerbsunfähig

  6. - Rückzahlung Kinderbetreuungsgeld

  7. - Fleischuntersuchungsgebühr Stmk

Im konkreten Fall gehe es darum, dass das Finanzamt sehr wohl gewusst habe, dass die Mitglieder die Substanzeigentümer der Grundstücke lt Grundbuch seien und habe dennoch keine Zurechnung der Grundstücke zu den AG-Mitgliedern - wie in § 24 BAO zwingend vorgeschrieben - vorgenommen. Das Amt habe 2011 im Rahmen einer Stellungnahme an den UFS geschrieben, dass die Auszahlung des Verkaufserlöses ein Nutzungsentgelt darstelle und deshalb steuerpflichtig sei. Die Kapitalgesellschaft könne ein solches Nutzungsentgelt jedoch nur den Eigentümern der genutzten Grundstücke bezahlen. Aus dem VwGH-Jud vom ergebe sich, dass die AG eine "Kapitalgesellschaft ohne Kapitaleinlage" sei. Die AG als "Kapitalgesellschaft" sei nur Verwalterin der Grundstücke der AG-Mitglieder, wie bei einer "Hausgemeinschaft mit Eigentumswohnungen".

Wenn bereits das Erschleichen eines Bescheides eine Wiederaufnahme rechtfertige, so müsse doch erst recht das Erpressen eines Bescheides (durch das Finanzamt) eine Aufhebung rechtfertigen. Zumindest handle es sich um einen Missbrauch der Amtsgewalt gem § 302 StGB, der lt BMF-010103/0053-VI/2006, auch unter den Erschleichungstatbestand falle.

In der mündlichen Verhandlung vom wiederholten die Streitparteien ihr jeweiliges Vorbringen wie in den Schriftsätzen im bisherigen Verfahren, ohne Neuerungen vorzubringen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist wie im Verfahrensgang beschrieben aktenkundig, wurde von keiner Partei bestritten und kann daher als erwiesen angenommen werden.

Die Steuerpflichtige war im Streitjahr 2008 Mitglied der Agrargemeinschaft ***3*** (= AG). Die AG hat im Jahr 2008Grundstücke an das Land Niederösterreich verkauft. Ein Großteil der Erlöse aus der Grundablöse wurde an die Mitglieder der AG im Jahr 2008 ausgeschüttet, wovon jeweils 25% KESt einbehalten und an das FA abgeführt wurden. Im Jahr 2010 wurde im Rahmen einer Außenprüfung bei der AG festgestellt, dass die Ausschüttungen keine nach § 27 EStG endbesteuerten Kapitaleinkünfte mit besonderem Steuersatz sind, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Veranlagung bei den AG-Mitgliedern (darunter auch die Bf) zu erfassen sind. Daher wurde der ursprüngliche Erstbescheid der Bf vom gem § 299 BAO aufgehoben und die Ausschüttung im neuen Erstbescheid vom als nicht endbesteuerungsfähige Einkünfte aus Kapitalvermögen festgesetzt. Die durch die AG einbehaltene KESt wurde angerechnet.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf am das damalige Rechtsmittel der Berufung, wobei diese vom UFS als unbegründet abgewiesen wurde (UFS , RV/0586-W/11). Dagegen erhob die Bf kein Rechtsmittel.

Am stellte die Bf einen Antrag auf Wiederaufnahme gem § 303 BAO, da nach Auffassung der Bf die Einkünfte aus Anteilen an einer AG rechtswidrig besteuert worden seien - was sich aus dem mittlerweile am ergangenen VwGH-Erkenntnis, 2013/15/0297, ergebe - und gleichzeitig auch einen Antrag auf Rückzahlung gem § 240 Abs 3 BAO der im Jahr 2008 angeblich rechtswidrig einbehaltenen KESt bzw ESt. Daraufhin erfolgte am eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes vom sowohl hinsichtlich des Wiederaufnahms- als auch bzgl des Rückzahlungsantrages, die wiederum mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen wurde. Am stellte die Bf den Antrag, die Beschwerde dem BFG vorzulegen.

Den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites bildet die Frage, ob hinsichtlich des ESt-Bescheides 2008 vom eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 Abs 1 BAO sowie eine Rückerstattung der angeblich rechtswidrig erhobenen KESt/ESt 2008 gem § 240 Abs 3 BAO zu verfügen ist.

2. Rechtslage

Das Bundesgesetz über allgemeine Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und Gemeinden verwalteten Abgaben (Bundesabgabenordnung - BAO), idF BGBl I 2019/103 (§ 4), BGBl I 2014/13 (§ 207), BGBl I 2012/112 (§ 208), BGBl I 2015/163 (§ 209), BGBl I 2019/104 (§ 240), BGBl I 2013/14 (§ 303), BGBl I 2018/62 (§ 304), lautet auszugsweise:

Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den folgenden im Beschwerdefall anzuwendenden Normen der BAO um verfahrensrechtliche Bestimmungen handelt. Bei Änderungen prozessualer Rechtsvorschriften ist das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge - wie im Beschwerdefall -, die sich vor dem Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechts ereignet haben (vgl etwa , mwN).

"Entstehung des Abgabenanspruches

§ 4

(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

(2) Der Abgabenanspruch entsteht insbesondere

a) bei der Einkommensteuer und bei der Körperschaftsteuer

1. für die Vorauszahlungen mit Beginn des Kalendervierteljahres, für das die Vorauszahlungen zu entrichten sind, oder, wenn die Abgabepflicht erst im Lauf des Kalendervierteljahres begründet wird, mit der Begründung der Abgabepflicht;

2. für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht;

3. für Steuerabzugsbeträge im Zeitpunkt des Zufließens der steuerabzugspflichtigen Einkünfte;

[…]

Verjährung

§ 207

(1) Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

(2) Die Verjährungsfrist beträgt (…) bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe.

[…]

(4) Das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben verjährt in fünf Jahren. Abs. 2 zweiter Satz gilt sinngemäß.

[…]

§ 208

(1) Die Verjährung beginnt

a)in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird;

[…]

§ 209

(1) Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

[…]

§ 240

(1) Bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, ist der Abfuhrpflichtige berechtigt, während eines Kalenderjahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf dieses Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen.

[…]

(3) Auf Antrag des Abgabepflichtigen (Abs. 1) hat die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht

a)eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs. 1 erfolgt ist,

b)ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist,

c)ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.

Der Antrag kann bis zum Ablauf des fünften Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden.[…]

Wiederaufnahme des Verfahrens.

§ 303

(1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a)der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b)Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c)der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

[…]

§ 304

Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn sie

a)vor Eintritt der Verjährungsfrist beantragt wird, oder

b)innerhalb von drei Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides beantragt oder durchgeführt wird."

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

a.Wesen und Grundlagen der Agrargemeinschaften

Historisch betrachtet, gehen die Agrargemeinschaften bereits auf die mittelalterliche (genossenschaftliche) "Allmende"-Nutzung, somit auf gemeinschaftliche Wälder, Weiden und Alpen zurück. Die in weiterer Folge entstandenen vielfältigen Erscheinungsformen der agrarischen Gemeinschaften sind das Ergebnis einer jahrhundertelangen Auseinandersetzung zwischen den alteingesessenen Bauern und der übrigen, später zugezogenen Bevölkerung um die Nutzungsrechte an der Allmende. IdZ ist auch die historische Entwicklung des Gemeinderechts und die Anlegung der neuen Grundbücher in den 1870er Jahren bedeutend. Dabei wurden teilweise alte Gemeinschaften in das Individualeigentum der Bauern aufgeteilt, teilweise wurden die Gemeinschaften ins Eigentumsblatt des Grundbuchs eingetragen (zB als Nachbarschaft, Interessentenschaft oder Genossenschaft bezeichnet). In "Regulierungsverfahren" wurden dann diese gemeinschaftlichen Nutzungs- und Verwaltungsrechte an Weide und Wald von der politischen Ortsgemeinde mit ihren kommunalen Aufgaben abgetrennt (ReichsrahmenGe über die agrarischen Operationen aus 1883; vgl Aigner/Kofler/Kofler/Tumpel, Die Besteuerung der Agrargemeinschaften, SPRW 2013 Steu A, 5).

Nach der heutigen Rechtslage bilden die Agrargemeinschaften eine Personen- und Sachgemeinschaft, die auf Grundlage des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG idF vor - dieser Kompetenztatbestand "Bodenreform" wurde 2020 durch BGBl I 2019/14 in die Kompetenz zur Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gemäß Art 15 Abs 1 B-VG überstellt - im (am außer Kraft getretenen) Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 und den dazu ergangenen Ausführungsgesetzen der Länder (für den Beschwerdefall das NÖ Flurverfassungs-Landesgesetz 1975, FLG) geregelt sind (insb die Organe der Agrargemeinschaft, Mitgliedschaftsrechte und -pflichten, Aufsicht der Agrarbehörde, Regulierungs- und Teilungsverfahren).

Eine AG besteht gem § 46 NÖ FLG ex lege aus der Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer der Stammsitzliegenschaften, an deren Eigentum ein Anteilsrecht an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden ist, sowie aus jenen Personen, denen persönliche ("walzende") Anteilsrechte zustehen. Die im agrargemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücke werden von der AG verwaltet und im Interesse ihrer Mitglieder genutzt: Bestimmungsgemäß für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, bei besserer und höherwertigerer Eignung mit Zustimmung der Agrarbehörde, aber auch für andere Nutzungen (zB Golfplatz, Campingplatz, Schiabfahrt, Gaststätten, Schotterabbau usw; vgl auch Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, 2021, § 21, Rz 211 ff).

Unter dem Begriff "Stammsitzliegenschaft" ist jene wirtschaftliche Einheit zu verstehen, an welcher bestimmte Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften gebunden sind. Gegenstand des gebundenen Anteilsrechtes sind ein oder mehrere Grundstücke, die nicht zwingend nur zu einer einzigen bücherlichen Einlagezahl zusammengefasst sein müssen. Der Begriff der Stammsitzliegenschaft iSd Flurverfassungsrechts ist demnach nicht mit jenem des Grundbuchskörpers deckungsgleich. Eine Stammsitzliegenschaft kann somit auch aus mehreren Grundbuchskörpern bestehen, die in ihrer Gesamtheit die Stammsitzliegenschaft bilden (vgl ).

Die Mitgliedschaft an einer AG wird durch das Eigentum an einer der in der Satzung angeführten Stammsitzliegenschaften begründet. Das Beteiligungsausmaß ergibt sich aus der Anzahl der Anteilsrechte, welche ebenfalls in der Satzung den jeweiligen Stammsitzliegenschaften zugeordnet sind. Im Beschwerdefall sind Zweck, Grundbesitz, Mitglieder, Rechte und Pflichten der Mitglieder, Erwerbung und Beendigung der Mitgliedschaft an der AG, Organe, etc der AG in den Verwaltungssatzungen aus dem Jahr 1986, die von der NÖ Agrarbezirksbehörde als Agrarbehörde genehmigt wurde, geregelt. Neben den Mitwirkungs- und Kontrollrechten im Verhältnis der Anteilsrechte haben die Mitglieder das Recht auf Nutzung des gemeinschaftlichen Besitzes einschließlich des Anspruches an den anteiligen Einkünften der AG und am Auseinandersetzungsvermögen. Die Mitgliedschaft umfasst auch die Verpflichtung für laufende Ausgaben der AG nach Maßgabe der Anteilsrechte aufzukommen (anteilige Nachschussverpflichtung bei Organbeschluss).

b.Rechtsform der Agrargemeinschaften

Gem § 46 NÖ FLG idF ab der 4. Novelle bildet die Gesamtheit der jeweiligen Eigentümer jener Liegenschaften, an deren Eigentum Anteilsrecht an agrargemeinschaftlichen Grundstücken gebunden sind (Stammsitzliegenschaften), als auch jener Personen, denen persönliche ("walzende") Anteilsrechte zustehen, eine Agrargemeinschaft. Diese ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, sobald die Behörde für sie Verwaltungssatzungen erlassen hat. Agrargemeinschaften sind nach den jeweiligen Landesausführungsgesetzen idR als Körperschaften öffentlichen oder privaten Rechts eingerichtet.

Ob eine Ausschüttung der AG auf landwirtschaftliche oder nichtlandwirtschaftliche Einkünfte der Körperschaft zurückzuführen ist, ob diese Einkünfte bei der Körperschaft KÖSt-pflichtig oder -befreit sind, ist für die Beurteilung der ESt-Pflicht dieser Zuwendungen auf Mitgliederebene nicht von Bedeutung. Für die Besteuerung von Bezügen aus dem Anteilsrecht der Mitglieder gegenüber der AG gelten die allgemeinen, für das jeweilige Mitglied anzuwendenden Vorschriften des EStG.

Die AG besteht aus mehr als 5 Mitgliedern und es wurden erstmals 1928 Verwaltungssatzungen für die Rechtsgemeinschaft von der zuständigen Agrarbehörde erlassen. Diese Satzungen wurden mit Bescheid vom erneuert und gelten seither in dieser Fassung. Die AG ist somit kraft gesetzlicher Anordnung eine Körperschaft öffentlichen Rechts.

Die Mitgliedschaft an der AG wird durch das Eigentum an einer der in der Satzung angeführten Stammsitzliegenschaften begründet. Das Beteiligungsausmaß ergibt sich aus der Anzahl der Anteilsrechte, welche ebenfalls in der Satzung den jeweiligen Stammsitzliegenschaften zugeordnet sind. Neben den Mitwirkungs- und Kontrollrechten im Verhältnis der Anteilsrechte haben die Mitglieder das Recht auf Nutzung des gemeinschaftlichen Besitzes einschließlich des Anspruches an den anteiligen Einkünften der AG und am Auseinandersetzungsvermögen. Die Mitgliedschaft umfasst auch die Verpflichtung, für laufende Ausgaben der AG nach Maßgabe der Anteilsrechte aufzukommen.

In seinen körperschaftsrechtlichen Elementen weist die Agrargemeinschaft Ähnlichkeiten mit einem wirtschaftlichen Verein und auch Übereinstimmungen mit den Kapitalgesellschaften auf. Die Mitglieder geben der AG durch die Satzungen eine körperschaftliche Organisation (ähnlich wie durch Gesellschaftsvertrag).

Wirtschaftlicher Zweck ist die erfolgreiche Bewirtschaftung agrargemeinschaftlicher Grundstücke zur Förderung des Erwerbs seiner Mitglieder. Dementsprechend kommt es zu (planmäßigen) Vermögenstransfers von der AG zu den Mitgliedern, wie sie für Körperschaften öffentlichen Rechts untypisch sind. Zwischen der AG als Körperschaft öffentlichen Rechts und ihren Mitgliedern besteht das gesellschafts- und steuerrechtliche Trennungsprinzip. Die AG bildet ein eigenes Steuersubjekt und es haben zwei von einander getrennte Ertragsbesteuerungen - auf Ebene der AG wie auf Ebene der Mitglieder - zu erfolgen. Einkünfte und Vermögen der AG gelangen durch Ausschüttung oder Einlagenrückzahlung in die Sphäre der Mitglieder und sind bei diesen der persönlichen Einkommensbesteuerung zu unterziehen.

c.Zum Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2008

In der BAO sind zwei Arten von Verjährungen vorgesehen. Die in den §§ 207 bis 209a BAO geregelte (hier ausschließlich interessierende) Bemessungsverjährung (Festsetzungsverjährung) befristet das Recht, eine Abgabe festzusetzen. Der in § 238 leg cit geregelten Einhebungsverjährung unterliegt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen (; vgl auch Ritz/Koran, BAO, 2021, § 207, Rz 1). Die Verjährung besteht im österreichischen öffentlichen Recht nur dort, wo das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Sehen die Gesetze keine Verjährungsregeln vor, gibt es nach st Rsp keine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung von Ansprüchen (). Die Änderung durch das StRefG 2005, BGBl I 2004/57, ordnet seither nach eingetretener Unterbrechung nunmehr keinen Neulauf der Bemessungsverjährung mehr an, sondern lediglich eine Verlängerung der Verjährungsfrist um ein Jahr (s auch unten zu § 209 BAO). Gem § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist im Falle der hier interessierenden ESt 5Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre. Die Zielsetzungen der Verjährung - Förderung der Rechtssicherheit, Vorbeugung großer Beweisschwierigkeiten und Fehler in der Sachverhaltsermittlung, Vermeidung von Nachlässigkeit in der Rechtsausübung, Rechtsfriede, etc (vgl ) - treffen unabhängig dazu zu, ob eine Abgabenfestsetzung im Interesse des Abgabengläubigers oder des Abgabepflichtigen erfolgt. Umstände, die lange Zeit bestehen, haben ein gewisses Indiz der Richtigkeit für sich (; vgl auch Ritz/Koran, BAO, 2021, § 207, Rz 5 mwN). Der Anspruchsverlust soll erst dann erfolgen, wenn der Abgabengläubiger nichts unternommen hat, um den Anspruch geltend zu machen, obwohl dieser hiezu in der Lage gewesen wäre.

§ 208 Abs 1 lit a BAO normiert, dass die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs 2 leg cit mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Abgabenanspruch (die Abgabenschuld) entstanden ist. Sofern die Entstehung des Abgabenanspruches für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich ist, ergibt sich dies aus § 4 BAO. Nach § 4 Abs 2 lit a Z 2 leg cit entsteht der Abgabenanspruch bei der ESt und bei der KÖSt für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach Z 1 schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht.

Werden nach § 209 Abs 1 BAO innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.

Gem § 304 BAO ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu verhindern, wenn die Abgabenfestsetzung insb wegen Eintrittes der Verjährung nicht mehr erfolgen darf (vgl G 3/92; Ritz/Koran, BAO, 2021, § 304, Rz 3 mwN). Durch das JStG 2018, BGBl I 2018/62, erfolgte als Reaktion auf die Aufhebung des § 304 BAO idF BGBl I 2013/14 im "neuen" § 304 eine Verlängerung der Befugnis zur amtswegigen Wiederaufnahme, somit de facto eine Verschlechterung der Rechtslage für die Abgabepflichtigen (Ritz/Koran, BAO, 2021, § 303, Rz 3a). Welche Verjährungsfrist maßgeblich ist, hängt von der Art des betroffenen Bescheides ab, weil die auch für amtswegige Änderungen geltende zeitliche Begrenzung nach dem erkennbaren Zweck der Regelung an die Verjährung des jeweils verfolgten Rechts anknüpft (vgl ).

Somit ist gem § 207 Abs 2 BAO nur bei hinterzogenen Abgaben die Verjährungsfrist von 10 Jahren maßgeblich. Ob eine Abgabe hinterzogen ist, ist eine Vorfrage, über die im Verfahren über die Wiederaufnahme des Verfahrens abzusprechen ist. Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus (vgl ; , Ra 2020/16/0023). Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände wären von der Bf nachzuweisen gewesen (vgl mwN), was in casu jedoch nicht geschehen ist. Fehlen diesbezügliche Feststellungen, ist die Wiederaufnahme bzw der Wiederaufnahmsantrag nur innerhalb der allgemeinen Verjährungsfrist nach § 207 Abs 2 Satz 1 BAO zulässig (vgl Brennsteiner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren, 2021, § 304 BAO, Rz 1). Darüber hinaus ist die 10-jährige Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben iSd § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO weder verlängerbar, noch hemmbar.

Im vorliegenden Fall entstand der Abgabenspruch für die ESt 2008 mit Ablauf des Jahres 2008, für das die Veranlagung vorgenommen wurde. Die Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2008 zu laufen. Da die KESt nur eine Erhebungsform der ESt darstellt, verlängert jede Amtshandlung zur Geltendmachung der ESt auch die Verjährungsfrist für deren Erhebung um ein (weiteres) Jahr. Die Erlassung des (neuen) Erstbescheides betreffend ESt 2008 am stellte eine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches iSd § 209 Abs 1 BAO dar, die innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt wurde und diese somit um ein weiteres Jahr bis zum Ablauf des Jahres 2014 verlängerte (vgl ). Selbst ein gesetzwidriger Verwaltungsakt - wie ihn in casu die Bf behauptet - bewirkt eine Verjährungsverlängerung, wenn er nach außen in Erscheinung getreten ist (vgl schon ), sogar auch dann, wenn er nachträglich beseitigt wird ( mwN). Nach VwGH-Jud verlangt § 209 Abs 1 BAO auch nicht, dass der geforderten (fristverlängernden) Amtshandlung eine zutreffende Rechtsansicht zugrunde liegen müsse ( mwN). Im Jahr 2014 setzte das Finanzamt keine weiteren Verlängerungshandlungen (mehr).

Das Vorliegen des "Erschleichungstatbestandes" nach § 303 Abs 1 lit a BAO hätte zur Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige (und nicht - wie von der Bf insinuiert - die belangte Behörde) objektiv vorsätzlich unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht hätte, die in weiterer Folge dem Erstbescheid zu Grunde gelegt wurden. Dieser Tatbestand des "Erschleichens" kommt daher für das Handeln der Behörde selbst von vornherein nicht in Betracht (vgl jüngst mwN). So seitens der Partei jedoch eine vertretbare Rechtsansicht gegeben ist, wäre die Annahme einer Erschleichungsabsicht ausgeschlossen (vgl ).

Beim "sonstwie Erschleichen" kommt ein Bescheid auf eine solche Art zustande, dass der Steuerpflichtige (und nicht - wie von der Bf insinuiert - die belangte Behörde) objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung gemacht hat und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt werden (; , 88/08/0207). Diese objektiv unrichtigen Angaben müssen in Irreführungsabsicht ( mwN), somit vorsätzlich, gemacht worden sein. Auch ein "sonstwie Erschleichen" kann nur von einer Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden, nicht jedoch von einer Behörde oder deren Vertreter (vgl jüngst mwN).

Die Wiederaufnahme aufgrund neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel (Neuerungstatbestand gem § 303 Abs 1 lit b BAO) bietet die Möglichkeit, bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen Rechnung zu tragen. Die von der Bf behaupteten Rechtsirrtümer bzw Fehlbeurteilungen oder auch die Negierung des VwGH-Judikats vom durch die belangte Behörde sind keine neuen Tatsachen. Eine Wiederaufnahme kann nach der st Rsp des VwGH demnach nicht auf neue Erkenntnisse in Bezug auf rechtliche Beurteilungen von Sachverhaltselementen gestützt werden, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rsp oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden (vgl nur mwN) oder aufgrund eines nachträglichen Bekanntwerdens von Entscheidungen des VwGH, aus denen sich ergibt, dass die von der Behörde im abgeschlossenen Verfahren vertretene Rechtsauffassung gesetzwidrig war (-0289; , 2008/13/0175).

Entscheidungen von Gerichten sind nach der st Rsp des VwGH ebenso wenigBeweismittel ().

Somit kann die Bf das Ergehen des VwGH-Erkenntnisses vom zum Vorliegen/Nichtvorliegen von Einkünften aus Kapitalvermögen bei Einkünften aus Anteilen einer AG auch nicht auf den Wiederaufnahmsgrund des § 303 Abs 1 lit b BAO stützen.

Genauso wenig kann im konkreten Fall eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Vorfragentatbestand gem § 303 Abs 1 lit c BAO subsumiert werden. Dies insb, als eine abweichende Vorfragenentscheidung nur dann einen Wiederaufnahmsgrund darstellt, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden (vgl ; , 2004/15/0153, 2005/15/0005) und die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend rechtskräftig geworden ist (vgl ). Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität sind EuGH- und VwGH-Entscheidungen keine Wiederaufnahmsgründe für Verfahren anderer (als jener des "Anlassverfahrens") Parteien (vgl Ritz/Koran, BAO, 2021, § 303, Rz 40). Das Hervorkommen einer Entscheidung eines (innerstaatlichen) Höchstgerichtes wie dem VwGH - wie die Bf behauptet - vermittelt dementsprechend keine Berechtigung zur Wiederaufnahme all jener (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren, wie dem beschwerdeggst ESt-Bescheid 2008 vom , in denen die gleiche Rechtsfrage abweichend beantwortet worden war. Eine Vorfrage kann nicht durch ein Erkenntnis des VwGH entschieden werden, das in einem anderen, wenn auch rechtlich gleich zu beurteilenden Fall ergangen ist (vgl ). Unabhängig von der fehlenden Parteienidentität kommt als Vorfrage nämlich nur eine Frage in Betracht, zu deren verbindlicher Beantwortung die entscheidende (Abgaben-)Behörde im konkreten Verfahren sachlich nicht zuständig ist.

Der Sinn dieser Beschränkungen der Wiederaufnahmemöglichkeiten besteht insb darin, dass Fehlbeurteilungen und unzutreffende rechtliche Würdigungen - gleich von welcher Seite der beteiligten Parteien - den Eintritt der Rechtskraft nicht behindern können. Das gilt für amtswegige Wiederaufnahmen wie auch für vom Steuerpflichtigen beantragteWiederaufnahmen.

Ungeachtet des bereits mit Ende 2014 erfolgten Eintrittes der Verjährung ist darauf zu verweisen, dass neue rechtliche Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, gleichgültig, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis, der (höchstgerichtlichen) Rsp oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung/Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden, keine Wiederaufnahmsgründe darstellen (vgl ; , 2008/15/0215). Ebenso wenig stellen im Nachhinein ergangene Entscheidungen des VwGH Wiederaufnahmsgründe dar, so sich die Unrichtigkeit dieser Rechtsauffassung insb aus nachträglicher Jud des VwGH ergibt (vgl mwN). Deshalb vermittelt der Bf nach der st Rsp des VwGH das Hervorkommen der erwähnten VwGH-Entscheidung vom in einem analogen Fall für das ggst Beschwerdeverfahren keine Berechtigung zur Wiederaufnahme des (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahrens betreffend ESt 2008 (vgl ). Dies ist aus Gleichheitsüberlegungen auch verfassungsrechtlich geboten. Da Judikaturänderungen bzw neue Rsp nach allgemeinem Verfahrensrecht keine Wiederaufnahme zulassen, kann auch eine VwGH-Entscheidung, die die bisherige Verwaltungspraxis oder die eigene frühere Judikatur abweichend beantwortet, keine Verfahrenswiederaufnahme ermöglichen (; , G 5, 6/09 ua).

Für den Beschwerdefall bedeutet dies betreffend den von der belangten Behörde mit ESt-Bescheid 2008 vom - gem dem Vorbringen im Wiederaufnahmsantrag und im Beschwerdeverfahren vom Finanzamt rechtswidrig - geltend gemachten Abgabenanspruch ESt für 2008 (im Betrag iHv € 1.650,-), auf den sich der Wiederaufnahmsantrag der Bf bezieht, dass die 5-jährige Verjährungsfrist gem der oben zitierten Bestimmung des § 208 Abs 1 lit a BAO mit Ablauf des Jahres 2008 begann. Da in casu im Jahr 2014 keine nach außen hin erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches gesetzt wurden, ist somit mit Ende 2014 Verjährung eingetreten. Neue rechtliche Erkenntnisse aufgrund des VwGH-Erkenntnisses vom , 2013/15/0297, können somit (im Wiederaufnahmeweg) nicht (mehr) zu Bescheidänderungen führen und somit - gleich in welcher Richtung - bescheidmäßig berücksichtigt werden.

Laut dem Beschwerdevorbringen sei der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches. Im Fall der Bf sei nachweislich (laut VwGH) kein Abgabenanspruch entstanden. Es habe daher auch niemals einen Zeitpunkt gegeben, an dem die "Verjährungszeit" beginnen hätte können. Mit diesem Vorbringen negiert die Bf, dass Bescheide, die keine Nichtbescheide sind (wie bspw Bescheide, die nicht an das intendierte Steuerrechtssubjekt gerichtet, fehlerhaft adressiert oder mangelhaft zugestellt wurden), solange Rechtswirkungen entfalten, bis sie - etwa im Zuge eines (rechtskräftig erledigten) Beschwerde- oder Wiederaufnahmeverfahrens - nicht aus dem Rechtsbestand entfernt werden.

Bzgl des Erschleichungstatbestandes bringt die Bf vor, dass sowohl die KESt als auch die ESt 2008 durch Zwang und falsche Auskunft des Finanzamtes herbeigeführt worden sei. Dem Obmann sei sowohl mündlich als auch schriftlich gedroht worden, dass er persönlich für die Abfuhr der "jetzt nachweislich rechtswidrig eingehobenen Steuer" hafte. Die belangte Behörde habe sich damit die widerrechtlich vorgeschriebene KESt sowie die ESt "offensichtlich erschlichen".

Dem ist zu entgegnen, dass diese Argumentation über die Behauptungsebene nicht hinausgeht und mit keinerlei Beweisen untermauert ist (zB rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen der handelnden öffentlich Bediensteten etc, zB nach §§ 302, 293, 304, 289, 223, 105, 107 StGB). Die Vertreter der Abgabenbehörde hätten eine der erwähnten gerichtlich strafbaren Taten darauf richten müssen, die Hinausgabe eines bestimmten Bescheides herbeizuführen (vgl ). Auch diesbzgl gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Condicio sine qua non für den Erschleichungstatbestand ist ferner, dass nicht nur die objektive, sondern auch die subjektive Tatseite der gerichtlich strafbaren Tat erfüllt sein muss (). Ein bloßer Verdacht ist kein Wiederaufnahmsgrund (; ). Weiters lässt das Vorbringen der Bf nicht erkennen, dass sie gehindert gewesen wäre, eine vom Rechtsstandpunkt der belangten Behörde abweichende Steuererklärung einzureichen und in einer Beilage zu dieser die ihr vom Finanzamt kundgetane und von ihr nicht geteilte abgabenrechtliche Sicht offenzulegen. Unter diesen Umständen kann von seitens des Finanzamtes für den Fiskus erschlichenen Abgaben keine Rede sein. Zudem kann der Tatbestand des Erschleichens nur vom Steuerpflichtigen oder einem Dritten, nicht aber von einem Behördenorgan verwirklicht werden (, 0117).

d.Zum Antrag auf Rückzahlung KESt 2008 gem § 240 Abs 3 BAO

Ein Antrag auf Rückzahlung kann gem § 240 Abs 3 BAO bis zum Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden. Nach dem Wortlaut des § 240 Abs 3 lit b und c BAO hat eine Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages nur insoweit zu erfolgen, als nicht ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist bzw zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.

Dem Rückzahlungsantrag kann aus zwei Gründen nicht gefolgt werden:

1. Grund

Nach der st Rsp des VwGH ergibt sich aus dem klaren Wortlaut des § 240 Abs 3 BAO, dass Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen einzubehalten und abzuführen sind, insoweit nicht auf Grund eines auf § 240 BAO gestützten Antrages zurückgezahlt werden dürfen, als das EStG eine Überprüfung und allfällige Korrektur (im Wege des Jahresausgleiches oder) im Verfahren der Veranlagung vorsieht.

Beim Erstattungsverfahren nach § 240 Abs 3 BAO handelt es sich lediglich um einen subsidiären Rechtschutz, weshalb dem Veranlagungsverfahren gegenüber einem Antrag des Bf auf Rückerstattung gem § 240 Abs 3 BAO gesetzlich Vorrang zukommt (vgl ).

Da betreffend das Jahr 2008 eine ESt-Veranlagung durchgeführt wurde (vgl den oa Einkommensteuerbescheid 2008 vom ), schließt dies eine auf § 240 Abs 3 lit b und c BAO gestützte Rückzahlung von KESt-/ESt-Beträgen aus. Mit anderen Worten: Aufgrund der betreffend das Jahr 2008 am durchgeführten ESt-Veranlagung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen für einen auf § 240 Abs 3 BAO gestützten Antrag auf Rückerstattung der KESt 2008 kein Raum.

Der betreffend das Jahr 2008 eingebrachte Antrag gem § 240 BAO auf Erstattung der - nach Auffassung der Bf zu Unrecht einbehaltenen - KESt ist somit nicht zulässig und wurde als unzulässig zurückgewiesen. Die gegen den Zurückweisungsbescheid eingebrachte Beschwerde wird daher als unbegründet abgewiesen.

2. Grund

Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein auf § 240 Abs 3 BAO gestützter Antrag auf Rückzahlung der KESt 2008 nur bis zum Ablauf des 5. Kalenderjahres, das auf das Jahr der Einbehaltung folgt, gestellt werden kann. Diese 5-Jahres-Frist ist eine gesetzliche und somit § 110 Abs 1 BAO zufolge nicht erstreckbare Ausschlussfrist (; vgl auch Ritz/Koran, BAO, 2021, § 240, Rz 7). Sie ist jedoch keine Verjährungsfrist, weshalb eine Verlängerung oder Hemmung wie gem § 209 Abs 1 BAO bei der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen ist. Da erst mit ein Antrag auf Rückerstattung der KESt 2008 gestellt wurde, wäre dieser Rückerstattungsantrag auch wegen verspäteter Einbringung zurückzuweisen.

e.Fazit

Dem Wiederaufnahmsantrag der Bf konnte kein Erfolg beschieden sein, da keiner der gesetzlich geforderten Wiederaufnahmstatbestände, nämlich weder der Erschleichungs- (§ 303 Abs 1 lit a BAO), der Neuerungs- (lit b leg cit) noch der Vorfragentatbestand (lit c leg cit) in casu gegeben sind.

Da sich der in Rede stehende Einkommensteuerbescheid 2008 vom 25.5.2010 angesichts der ggst abweisenden Entscheidung des BFG im Rechtsbestand befindet, kann auch dem Antrag auf Rückzahlung der mit diesem Bescheid vorgeschriebenen Abgabennachforderung ein Erfolg nicht beschieden sein.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die vorliegende Entscheidung folgt in den Fragen des Eintritts der Verjährung den gesetzlichen Bestimmungen und in der Frage der Zulässigkeit eines auf § 240 BAO gestützten Rückzahlungsantrages der im ggst Erkenntnis dargestellten Judikatur. Die Frage, ob Tatsachen neu hervorgekommen sind, ist eine Beweisfrage. Im Übrigen folgt das BFG der VwGH-Jud, wonach höchstgerichtliche Erkenntnisse keinen Wiederaufnahmsgrund bilden. Es waren in casu somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 240 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104739.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at