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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2022, RV/5100218/2019

Sicherstellung bei belastetem Grundvermögen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***1***, Wirtschaftstreuhänder, ***2***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Sicherstellungsauftrag, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt gemäß § 232 Abs. 1 iVm Abs. 3 BAO die Sicherstellung in das Vermögen des Beschwerdeführers (Bf) zur Sicherung nachstehender Abgabenansprüche in voraussichtlicher Gesamthöhe von 366.299,00 € an:


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Verkürzung von
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2012
12.409,00
Umsatzsteuer
2013
15.300,00
Umsatzsteuer
2014
18.409,00
Umsatzsteuer
2015
14.679,00
Umsatzsteuer
2016
17.929,00
Umsatzsteuer
01-12/2017
16.804,00
Umsatzsteuer
01-03/2018
74,00
Einkommensteuer
2012
36.644,00
Einkommensteuer
2013
49.075,00
Einkommensteuer
2014
66.797,00
Einkommensteuer
2015
54.741,00
Einkommensteuer
2016
63.438,00
Summe
366.299,00

Die Sicherstellung dieser Abgabenansprüche könne sofort vollzogen werden. Eine Hinterlegung des Betrages in Höhe von 366.299,00 € bei der Abgabenbehörde bewirke, dass Maßnahmen zur Vollziehung dieses Sicherstellungsauftrages unterbleiben und diesbezüglich bereits vollzogene Sicherstellungsmaßnahmen aufgehoben würden.

In der Begründung des Sicherstellungsauftrages wurde nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung des § 232 Abs. 1 iVm Abs. 3 BAO zur finanzstrafrechtlichen Verdachtslage dargelegt, dass aufgrund der im Rahmen der derzeit stattfindenden Prüfung bekannt gewordenen Verdachtsmomente seitens des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde der begründete Verdacht bestehe, dass der Bf ab dem Jahr 2012 unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten und unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen an Einkommensteuer für die Jahre 2012 bis 2016 und an Umsatzsteuer für die Zeiträume 2012 bis März 2018 bewirkt habe, indem er im buchhalterischen Rechenwerk und in weiterer Folge auch in seinen Steuererklärungen einerseits nicht abzugsfähige Ausgaben gewinnmindernd in Abzug gebracht und andererseits Umsatzerlöse in beträchtlicher Höhe nicht erklärt (auf das Vorbesprechungsprogramm der Betriebsprüfung zu Tz 2, 3, 5 und 6 werde verwiesen) und dadurch die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß §§ 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe, wobei die Höhe der hinterzogenen bzw. verkürzten Abgaben durch die Betriebsprüfung bereits in ungefährer Höhe bestimmt worden sei.

Zur Betriebsprüfung wurde ausgeführt, dass beim Bf seit eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO stattfinde. Damit sei die Verfolgungshandlung auch nach außen erkennbar und könne Grundlage für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages gemäß § 232 Abs. 1 iVm Abs. 3 BAO sein.

Die sicherzustellenden Abgabenansprüche seien aufgrund des folgenden Sachverhaltes entstanden:

Die Prüfungsfeststellungen hätten zu Umsatz- und Gewinnzurechnungen geführt, welche die im Sicherstellungsauftrag genannten Abgabennachforderungen ergeben hätten. Diesbezüglich sei auf das Bp-Vorbesprechungsprogramm zu verweisen, in dem die Prüfungsfeststellungen, die Entwicklung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen laut Betriebsprüfung sowie die Verstöße gegen die steuerlichen Aufzeichnungspflichten (z.B. § 131 BAO) und folglich auch die Gründe für die Schätzungsberechtigung bzw. -verpflichtung gemäß § 184 BAO detailliert dargestellt seien.

Folgende schwerwiegende formelle und materielle Buchführungs- und Aufzeichnungsmängel seien festgestellt worden:

Ab 2012 sei nicht jeder Einzelerlös ordnungsgemäß erfasst worden. Weiters seien unregelmäßig pauschal geschätzte Tageslosungen nachboniert worden.

Lieferscheine und Rechnungen über die eingekauften Waren seien weggeworfen bzw. Wareneinkäufe seien mit dem Rechnungsempfänger ***3*** GmbH eingebucht worden.

Laufende Kassafehlbeträge (negative Kassasalden) seien durch die nicht ordnungsgemäße Führung des Kassabuches entstanden.

Die Zuschätzung sei durch die Rohaufschlagskalkulation erfolgt, da die erklärten Rohaufschläge teilweise enorm vom berechneten Rohaufschlagskoeffizienten abweichen würden.

Bei Privateinlagen habe die Herkunft nicht geklärt werden können.

Trotz überwiegender Privatnutzung sei das Kfz voll als Aufwand eingebucht worden.

Zur Berechnung der sicherzustellenden Abgabenansprüche wurde in der Bescheidbegründung ausgeführt, dass sich Abgabenansprüche in voraussichtlicher Höhe von 366.299,00 € ergeben hätten, wobei auf das Bp-Vorbesprechungsprogramm zu verweisen sei.

Die Abgabenansprüche an Umsatzsteuer seien aufgrund der Bestimmung des § 4 Abs. 1 BAO, unter Verweis auf die Regelungen in § 19 Abs. 2 Z 1 UStG 1994, mit Ablauf des Kalendermonats entstanden, in dem die Lieferungen und Leistungen ausgeführt worden seien bzw. in den Fällen der Istbesteuerung mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Entgelte vereinnahmt worden seien.

Für die zu veranlagende Einkommensteuer sei der Abgabenanspruch gemäß § 4 Abs. 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für welches die jeweilige Veranlagung vorzunehmen sei, entstanden.

Zur Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung verwies die Abgabenbehörde darauf, dass eine solche generell bei dringendem Verdacht der Abgabenhinterziehung sowie bei festgestellten schwerwiegenden Buchführungs- und Aufzeichnungsmängeln bestehe.

Die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringlichkeit sei gegenständlich auch darin zu erblicken, dass der zu erwartenden Abgabennachforderung von 366.299,00 € kein ausreichendes laufendes Einkommen oder Vermögen zur Abdeckung der Steuerschulden gegenüberstehe.

Der laufende Gewinn aus dem Gewerbebetrieb und der Überschuss aus der Vermietung in Höhe von 52.305,00 € im Jahr 2016 erscheine nicht ausreichend, um die im Spruch angeführten Abgabenverbindlichkeiten abdecken zu können. Aus den bisherigen Ergebnissen der Jahre 2012 bis 2016 von kumuliert 196.043,57 € aus Gewerbebetrieb und Vermietung sei auch rechnerisch eine vollständige Abdeckung der gegenständlich zu erwartenden Abgabenverbindlichkeiten nicht zu erwarten. Es bestehe somit eine wirtschaftlich prekäre Situation. Grundvermögen sei zwar vorhanden, dieses weise jedoch sehr hohe Belastungen bzw. Eintragungen auf. Sonstiges nennenswertes und verwertbares Vermögen sei nicht bekannt.

Die Erlassung des Sicherstellungsauftrages liege im Ermessen der Abgabenbehörde. Bei der Ermessensübung ergebe sich schon aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der zu erwartenden Abgaben, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden könne. Die Interessen des Abgabepflichtigen würden dabei in den Hintergrund treten.

In einem ebenfalls am angelegten Aktenvermerk hielt die Abgabenbehörde fest, dem Bf im Beisein seiner steuerlichen Vertretung nicht nur den Sicherstellungsauftrag, sondern auch einen Prüfungsauftrag nach § 99 Abs. 2 FinStrG und eine Rechtsbelehrung für Verdächtige und Beschuldigte eines Finanzstrafverfahrens sowie das Vorbesprechungsprogramm samt Beilagen übergeben zu haben.

Der steuerliche Vertreter habe daraufhin die Einsicht in die Konten des Bf verweigert.

Mit Eingabe vom erhob der Bf durch seine steuerliche Vertretung Beschwerde gegen diesen Bescheid und stellte einen Antrag gemäß § 18 Z 1 AbgEO.

Das Finanzamt gehe von gigantischen Umsatz- und Gewinnverkürzungen aus, die aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachvollziehbar seien. Der Bescheid sei unter wesentlicher Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen, weil ihm keine nachvollziehbare Begründung zu entnehmen sei.

Erste und wichtigste Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages sei die Verwirklichung jenes Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft sei. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes müsse im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltenden Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages dargetan werden ().

Den Ausführungen zur Gefährdung oder Erschwerung im Sinne des § 232 Abs. 1 BAO im angefochtenen Bescheid sei zu erwidern, dass diese - wiederum nach ständiger Rechtsprechung () - vorliege, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden könne, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheine.

Für eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung sprächen etwa ein drohendes Insolvenzverfahren, Exekutionsführung von dritter Seite, Auswanderungsabsicht, Vermögensverschiebungen ins Ausland oder an Verwandte. Das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Sicherstellungsauftrag habe sich auf die Überprüfung zu beschränken, ob im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem die Sicherstellung angeordnet worden sei, die erforderlichen Voraussetzungen gegeben gewesen seien (nochmals 2012/15/0036).

Dem Bf habe bei Erlassung des beschwerdegegenständlichen Bescheides weder ein Insolvenzverfahren noch eine Exekutionsführung von dritter Seite gedroht; er habe auch nicht vorgehabt, auszuwandern oder sein Vermögen ins Ausland oder an Verwandte zu verschieben. Gegenteilige Behauptungen des Finanzamtes entbehrten jeder Grundlage.

Aus diesen Gründen erachte sich der Bf in seinem Recht verletzt, dass bei ihm keine Abgabenschulden mit Bescheid sichergestellt werden dürften.

Er stelle daher die Anträge, den Sicherstellungsauftrag ersatzlos aufzuheben, den gesamten Senat mit der Entscheidung zu befassen, eine mündliche Senatsverhandlung durchzuführen, wobei der Berichterstatter auf die in § 269 Abs. 3 BAO vorgesehene Erörterungsmöglichkeit hingewiesen werde, und gemäß § 78 AbgEO iVm § 18 Abs. 1 AbgEO die Sicherstellung aufzuschieben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Gegenstand der Beschwerde sei die Frage, ob die Voraussetzungen bzw. gewichtige Anhaltspunkte für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages vorlägen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthalte der angefochtene Sicherstellungsauftrag bereits alle in der Beschwerdeschrift geforderten Merkmale bzw. Begründungen.

Im Bescheid seien alle gewichtigen Anhaltspunkte und Gründe für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages angeführt. Die ausführliche Beschreibung der Prüfungsfeststellungen und die daraus abzuleitenden Steuerbemessungsgrundlagen seien dort mit dem Verweis auf das Bp-Vorbesprechungsprogramm nachvollziehbar dargestellt. Die schwerwiegendsten Buchführungs- bzw. Aufzeichnungsmängel, die auch die Schätzungsberechtigung und -verpflichtung gemäß § 184 BAO begründeten, seien schwerpunktmäßig auch im o.a. Bescheid angeführt (u.a. fehlende Einzelerlöse, Nachbonierung geschätzter Tageslosungen, fehlende Lieferscheine und Einkaufsrechnungen, Kassenfehlbeträge, ungeklärte Privateinlagen, Kalkulationsdifferenzen anhand einer Rohaufschlagskalkulation, etc.).

Die Verwirklichung des Tatbestandes, an den die Abgabepflicht geknüpft sei (Entstehung des Abgabenanspruchs) sei im Absatz "Berechnung der sicherzustellenden Abgabenansprüche" dargestellt.

Der Bf führe in der Beschwerdeschrift selbst ausgewählte Tatbestände einer Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabenschulden an, die auf ihn nicht zutreffen würden. Die Abgabenbehörde habe diese beispielhaft aufgezählten Tatbestände in der Bescheidbegründung jedoch nicht argumentiert, da gegenständlich andere, vom Bf nicht angeführte schwerwiegende Gründe bzw. Anhaltspunkte vorlägen, die für eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung der Abgabeneinbringung sprechen bzw. zutreffen würden. Solche schwerwiegenden Gründe bestünden generell beim dringenden Verdacht der Abgabenhinterziehung (siehe anhängiges Finanzstrafverfahren zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung), aber auch bei schwerwiegenden Buchführungs- und Aufzeichnungsmängeln. Beides treffe im gegenständlichen Fall zu. Ein weiterer wesentlicher Hauptgrund sei darin zu sehen, dass für die zu erwartende Nachforderung kein ausreichendes laufendes Einkommen oder Vermögen zur Abdeckung der Steuerschuld vorhanden sei und somit eine wirtschaftlich prekäre Situation gegeben sei (siehe die betragliche Darstellung im Bescheid).

Aufgrund dieser Aufzählung sei aus Sicht der Abgabenbehörde sehr wohl von einer Gefährdung bzw. wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung auszugehen.

Mit Eingabe vom stellte der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter einen Vorlageantrag.

Der Begründung der Beschwerdevorentscheidung sei insbesondere entgegenzuhalten, dass dem Bf von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens weder vor noch nach Erlassung des angefochtenen Bescheides etwas bekannt geworden sei. Auch könnten schwerwiegende Buchführungs- und Aufzeichnungsmängel - für sich allein betrachtet - die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages nicht rechtfertigen.

Richtig sei, dass der Bf über kein ausreichendes Einkommen und/oder Vermögen verfüge, um Abgabenschulden entrichten zu können, wie sie dem Prüfer ursprünglich noch vorgeschwebt seien. Das "Vorbesprechungsprogramm" sei dem Bf erst am , also gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid, ausgehändigt worden, ohne dass ihm Gelegenheit zur Gegenäußerung geboten worden wäre. Der angefochtene Bescheid spreche noch von insgesamt 366.299,00 €; dagegen habe die Abgabenbehörde mit den Bescheiden vom "nur noch" 241.769,08 € festgesetzt (siehe dazu das angeschlossene Übersichtsblatt).

So gesehen hätte die belangte Behörde der Beschwerde vom zumindest teilweise Folge geben und den Sicherstellungsauftrag auf einen Gesamtbetrag von höchstens 241.769,08 € einschränken müssen.

Die Abgabenbescheide vom seien im Übrigen nicht rechtskräftig, wobei der Bf - möglichst noch vor der Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen - in dieser Beschwerdesache beim Finanzamt vorsprechen möchte.

Der Bf bleibe bei seinem Vorbringen, dass ihm bei Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Insolvenz- oder Exekutionsverfahren gedroht habe. Solche Verfahren drohten ihm übrigens bis heute nicht. Er habe nicht vorgehabt und habe auch derzeit nicht vor, auszuwandern oder sein Vermögen ins Ausland oder an Verwandte zu verschieben. Der angefochtene Bescheid verletze deshalb den Bf in seinem Recht auf Nichtsicherstellung von Abgabenschulden in völlig überzogener Höhe.

Der Bf habe im Beschwerdeschriftsatz vom auch und insbesondere die Aufschiebung der Sicherstellung beantragt und sich dabei auf § 78 AbgEO iVm § 18 Abs. 1 AbgEO berufen. Die belangte Behörde habe diesen Antrag ignoriert. Vielmehr habe sie am mit Schriftsatz vom beim BG ***4*** hinsichtlich zweier Liegenschaften gemäß § 38 lit. c GBG 1955 simultane Pfandrechtsvormerkungen für "Abgabenansprüche in Höhe von 330.000,00 €" beantragt. Das Bezirksgericht sei diesem Antrag noch am gleichen Tag nachgekommen. Sollte der Aufschiebungsantrag nicht bis erledigt sein, werde der Bf gemäß § 284 Abs. 1 BAO eine Säumnisbeschwerde erheben müssen.

Der Bf wiederholte seine Anträge auf ersatzlose Aufhebung des Sicherstellungsauftrages, Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat.

In einer Beilage stellte er die Abgaben laut Spruch des Sicherstellungsauftrages dar und verglich diese mit der bescheidmäßigen Festsetzung, wodurch sich nach den Berechnungen des Bf eine Differenz von 124.529,92 € ergab.

Mit Schreiben vom wurde der Bf aufgefordert, zu nachstehenden Punkten Stellung zu nehmen:

"Ob eine Gefährdung vorliegt, ist aufgrund einer Gegenüberstellung der Abgabenforderungen und des zur Begleichung der Forderungen zur Verfügung stehenden Einkommens und Vermögens zu beurteilen. Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages. Dieser wurde am erlassen, weshalb auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Jahres 2018 abzustellen ist.

Die beiden in Ihrem Alleineigentum stehenden Liegenschaften sind laut Grundbuch mit Höchstbetragshypotheken von 600.000,00 €, 140.000,00 € und 100.000,00 € (EZ ***5***) sowie 227.500,00 €, 200,000,00 €, 300.000,00 € und 100.000,00 € (EZ ***6***) belastet. Laut diesem Grundbuchstand ist von einer erheblichen Verschuldung auszugehen.

1) Welchen Wert repräsentieren die beiden Liegenschaften?

2) Mit welchen Beträgen hafteten die auf Ihren Liegenschaften eingetragenen Höchstbetragshypotheken zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages tatsächlich aus?

3) Bestehen bzw. bestanden Exekutionsführungen von dritter Seite?

4) Haben bzw. hatten Sie frei verfügbares Vermögen (Barmittel, Guthaben auf Girokonten, Sparbücher, Wertpapiere, usw.)? Wenn ja, in welcher Höhe?

5) Wie hoch waren im Jahr 2018 Ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Gewerbebetrieb?

6) Begründen Sie anhand konkreter Zahlen und unter Vorlage entsprechender Beweismittel, weshalb Ihrer Ansicht nach Ihre wirtschaftliche Lage im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages dafür sprach, dass die Einbringlichkeit der (nicht rechtskräftig festgesetzten) Abgaben (laut Beschwerdevorentscheidungen rund 228.000,00 €) nicht gefährdet war.

7) Stellen Sie Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages umfassend dar."

Der Bf beantwortete dieses Schreiben nicht.

Mit Schreiben vom wurde das Finanzamt ersucht, nachstehende Fragen zu beantworten:

"1) Der angefochtene Sicherstellungsauftrag enthält zwar Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen, zu den Vermögensverhältnissen wurde aber nur festgehalten, dass Grundvermögen zwar vorhanden, aber bereits sehr hoch belastet sei.

Liegen dem Finanzamt Unterlagen vor, aus denen sich der Verkehrswert der beiden Liegenschaften (je KG ***7***, EZ ***6*** und ***5***) ableiten lässt?

2) Die beiden im Alleineigentum des Beschwerdeführers stehenden Liegenschaften sind laut Grundbuch mit Höchstbetragshypotheken von 600.000,00 €, 140.000,00 € und 100.000,00 € (EZ ***5***) sowie 227.500,00 €, 200,000,00 €, 300.000,00 € und 100.000,00 € (EZ ***6***) belastet, die laut vorliegenden Grundbuchsauszügen zwischen 2008 und 2016 mit den genannten Höchstbeträgen im Grundbuch eingetragen wurden.

Wurde erhoben, mit welchen Beträgen diese Höchstbetragshypotheken zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages tatsächlich aushafteten?

3) Falls dem Finanzamt Bilanzen bzw. Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen für die Jahre 2017 und/oder 2018 vorliegen, mögen diese zur Einsicht übermittelt werden."

In seiner Antwort vom verwies das Finanzamt darauf, dass es die Verkehrswerte im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung anhand der Angaben des Bf zu den Baukosten (***8***) und nach einer generellen Auskunft des Baureferates ***4*** geschätzt habe.

Zum privaten Wohnhaus des Bf (***8***) ermittelte das Finanzamt den Bodenwert nach der Vergleichswertmethode und den Gebäudewert nach dem Sachwertverfahren und errechnete einen Verkehrswert von rund 1,101.000,00 €.

Für die teils für gewerbliche Zwecke genutzte, teils vermietete Liegenschaft ***9*** errechnete das Finanzamt einen Verkehrswert von rund 1,236.000,00 €, wobei es den Bodenwert wiederum nach der Vergleichswertmethode und den Gebäudewert nach dem Ertragswertverfahren ermittelte.

Eine Prüfung der Kreditkonten sei ergebnislos verlaufen, weil der Bf die vereinbarte Übergabe von Unterlagen verweigert habe. Die Höhe der offenen Kredite habe daher nicht erhoben werden können.

Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen lägen dem Finanzamt nicht vor.

Mit Telefax vom nahm der Bf die Anträge auf Entscheidung durch den Senat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen des Parteienvertreters, dem Grundbuch und den Finanzamtsdatenbanken.

Rechtslage:

Nach § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld (lit. a), die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt (lit. b), den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann (lit. c) sowie die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden (lit. d), zu enthalten.

Nach Abs. 3 gelten die Absätze 1 und 2 sinngemäß ab der Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens Verdächtigen hinsichtlich jenes Betrages, um den die Abgaben voraussichtlich verkürzt wurden.

Ein Strafverfahren ist bei gerichtlicher Zuständigkeit bereits dann anhängig, wenn gerichtliche Ermittlungen oder Vorerhebungen geführt werden, bei verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit mit der ersten Verfolgungshandlung im Sinne des § 14 Abs. 3 FinStrG. Kommt es zu keiner rechtskräftigen Verurteilung (Bestrafung) des Verdächtigen, sind die Sicherstellungsmaßnahmen von Amts wegen aufzuheben (Ritz/Koran, BAO7 (2021), § 232 Rz 6b und 6c).

Eine Verfolgungshandlung ist jede nach außen erkennbare Amtshandlung eines Gerichts, einer (Finanz)Strafbehörde oder eines Organs der Abgabenbehörde; sie muss sich gegen eine bestimmte Person als gegen den eines Finanzvergehens Verdächtigen, Beschuldigten oder Angeklagten richten.

Typische Verfolgungshandlungen sind der Hausdurchsuchungsbefehl, die Einleitung des Finanzstrafverfahrens oder Prüfungsmaßnahmen nach § 99 Abs. 2 FinStrG (vgl. ; Rathgeber in ).

Um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Abgabeneinbringung zu begegnen, kann die Abgabenbehörde nach Entstehung des Abgabenanspruchs (§ 4 BAO) bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226 BAO) bzw. ab Anhängigkeit eines Strafverfahrens auch gegen einen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens Verdächtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen.

Eine Sicherstellung ist kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende "Sofortmaßnahme", die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, somit nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern dass es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach (gemäß § 4 BAO) mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind ().

Zwar muss nicht das genaue Ausmaß der Abgabenschuld ermittelt und dem Sicherstellungsauftrag zugrunde gelegt werden, doch müssen entsprechende Tatsachen (Sachverhalte) ermittelt und angeführt werden, aus denen fundiert auf die Höhe der Abgabe, die sicherzustellen beabsichtigt ist, geschlossen werden kann. Eine begründet angenommene Schätzungsgröße reicht aus ().

Das Ziel des Sicherungsverfahrens besteht darin, dem Abgabengläubiger bereits zu einem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch zwar dem Grunde nach feststeht, er aber noch nicht realisierbar ist, wegen Drohung der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung ein Pfandrecht zu verschaffen, dessen Rang auch für die nachfolgende Exekution zur Einbringung maßgebend ist (Ritz/Koran, aaO, § 232 Rz 1).

Im Beschwerdeverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH allein zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie die Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung der Einbringung gegeben sind (). Zu prüfen ist somit nicht, ob die diesbezüglichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Beschwerdeerledigung noch vorliegen. Auch im Beschwerdeverfahren ist jedoch auf der Behörde bzw. dem Gericht zur Kenntnis gelangte neue Tatsachen und Beweise Bedacht zu nehmen, soweit sie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Sicherstellungsauftrages objektiv gegeben waren (). Verfahrensergebnisse im Abgabenfestsetzungsverfahren können ein Indiz für eine dem Sicherstellungsauftrag zugrunde gelegte unrichtige Sachverhaltsfeststellung darstellen. Derlei aufzuzeigen, obliegt der von einem Sicherstellungsauftrag betroffenen Partei (; ).

Das Bundesfinanzgericht hat daher bei Beurteilung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung auf die Umstände, insbesondere auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, abzustellen, wie sie bei Erlassung des Sicherstellungsauftrages gegeben waren.

Entstehung der Abgabenschuld

Gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG 1994 entsteht der Abgabenanspruch bei der Umsatzsteuer im Fall der Sollbesteuerung mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Nach lit. b entsteht der Abgabenanspruch im Fall der Istbesteuerung mit Ablauf des Kalendermonats, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist.

Da § 232 BAO primär an den Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung (im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG 1994) anknüpft, ist bei der Umsatzsteuer die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages bereits ab dem Zeitpunkt der erbrachten Lieferung bzw. Leistung und nicht erst ab dem Entstehen der Umsatzsteuerschuld möglich (Ritz/Koran, aaO, § 232 Rz 3).

Ergeben sich im Zuge von Außenprüfungen Nachforderungen von Selbstberechnungsabgaben (z.B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer), besteht die Möglichkeit, trotz in der Vergangenheit liegender Fälligkeit vor Bescheiderlassung mit Sicherstellungsauftrag vorzugehen, weil die Vollstreckbarkeit (§ 226) noch nicht eingetreten ist.

Bei der zu veranlagenden Einkommensteuer entsteht der Abgabenanspruch gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.

Gefährdung/wesentliche Erschwerung der Einbringung

Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung einer Abgabenschuld vor, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint.

Eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der Abgabe kann nach der Judikatur z.B. bei drohendem Insolvenzverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschleppung oder bei Vermögensverschiebung ins Ausland vorliegen.

Der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung und schwerwiegende Mängel der Buchführung, welche die Annahme begründen, dass sich die Partei auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen ebenso wie eine erhebliche Verschuldung, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf das Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO.

Abgabenhinterziehung und Mängel der Buchführung sind aber nicht so geartete Umstände, dass sie allein und ohne weitere Bedachtnahme auf die sonstigen Verhältnisse des Einzelfalles die Voraussetzungen für einen Sicherstellungsauftrag erfüllen. Die Frage einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe ist - unabhängig vom Verdacht einer Abgabenhinterziehung oder von Buchführungsmängeln - von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Partei nicht zu trennen ().

In jedem Fall bedarf es einer Auseinandersetzung mit der wirtschaftlichen Lage der Partei ().

Ob daher eine Gefährdung der Einbringlichkeit vorliegt, wird regelmäßig nur aufgrund einer Gegenüberstellung der Abgabenforderung und des der Partei zur Begleichung dieser Forderung zur Verfügung stehenden Einkommens und Vermögens beurteilt werden können. Die Höhe der Abgabenforderung ist von wesentlicher Bedeutung. Für die Annahme einer Gefährdung reicht es aus, wenn das Aufkommen in Gefahr gerät. Bei einer Gefährdung handelt es sich um das Vorstadium eines Abgabenausfalls, in dem eine Tendenz erkennbar ist, dass die Abgabe nicht bezahlt werden wird. Für die Gefährdung muss es Anhaltspunkte tatsächlicher Art geben; sie darf nicht nur vermutet werden. Ob die wirtschaftlichen, finanziellen und steuerlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen die Annahme einer Abgabengefährdung rechtfertigen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in deren zusammenfassender Würdigung zu beurteilen ().

In Bezug auf die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung muss der Begründung der Entscheidung entnommen werden können, aus welchen besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass die Einbringung nur bei raschem Zugriff der Behörde gesichert erscheint ().

Diesem Erkenntnis sind zum Begriff der "wesentlichen Erschwerung der Einbringung" weitere Ausführungen zu entnehmen:

"Im Urteil vom (ergänze: ) war dargelegt worden, § 232 Abs. 1 erster Satz BAO setze einen konkreten Gefährdungstatbestand voraus und die Rechtsauffassung, ein Sicherstellungsauftrag könne ungeachtet des Vorhandenseins eines zur Deckung der voraussichtlichen Abgabenforderung ausreichenden Vermögens des Schuldners stets schon dann erlassen werden, wenn nur in abstracto mit einer Verminderung desselben gerechnet werden müsse, sei "nicht haltbar und auch nicht vertretbar, weil dann Sicherungsmaßnahmen jederzeit erlassen werden könnten, ohne dass ein konkreter Gefährdungstatbestand vorliegen müsste".

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom (ergänze: ) enthielt auch Ausführungen zum Begriff der wesentlichen Erschwerung der Einbringung im Sinne des § 232 Abs. 1 erster Satz BAO. Eine solche liegt danach nicht schon dann vor, wenn zur Einbringung "Exekutionsmaßnahmen nicht nur fallweise, sondern in einem wesentlich vermehrten Umfang notwendig" sind und "zuletzt" etwa eine "Vielzahl" von Exekutionsführungen notwendig war, denn ein gesetzlich vorgesehener Weg für die Eintreibung von Geldforderungen kann nicht als Erschwerung der Einbringung im hier maßgebenden Sinne angesehen werden. Die Annahme einer wesentlichen Erschwerung setzt vielmehr voraus, dass der normale Verlauf eines zur Einbringung erforderlichen Exekutionsverfahrens durch in der Sphäre des Schuldners liegende Umstände in irgendeiner Weise (etwa durch einen häufigen Wohnungswechsel oder durch eine drohende Übersiedlung ins Ausland) behindert wird, sodass ein objektives sachliches Bedürfnis nach rechtzeitiger Deckung des Anspruchs besteht."

(…) "In den Äußerungen des Teamleiters kam in der mündlichen Verhandlung als weiterer - auch im Vorlagebericht noch nicht offen gelegter - Grund hinzu, dass "Pfändungen an die Mieter umständlich" wären, "weshalb man eine Pfandrechtsbegründung angestrebt hat". Dieses nach dem Erkenntnis vom , 96/08/0104, rechtswidrige Motiv für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages hat Eingang in die rechtlichen Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes gefunden, wobei nur nicht klar erkennbar ist, ob auch das Bundesfinanzgericht im Sinne der von ihm dazu referierten Ausführungen den Sicherstellungsauftrag als ein dem Gesetz entsprechendes Mittel zur Vermeidung "umständlicher" Pfändungen ansieht. Das Bundesfinanzgericht spricht seinerseits davon, dass die Revisionswerberin hohe Mieteinnahmen "zugestanden" habe, und findet es "interessant", dass trotzdem Verluste erklärt worden seien, was die Möglichkeit, auf die Einnahmen zuzugreifen, aber grundsätzlich nicht in Frage stellt. Das Unterbleiben ihrer Einbeziehung in die Prüfung der vom Bundesfinanzgericht bejahten Frage einer Gefährdung der Einbringung ist daher nicht nachvollziehbar.

Das Bundesfinanzgericht geht im Übrigen davon aus, "nur" zwei Liegenschaften seien unbelastet gewesen, und lässt es für die Gefährdung der Einbringung - ohne Auseinandersetzung auch mit dem mehrfach vorgetragenen Argument, die Abgaben seien letztlich immer entrichtet worden - genügen, dass die Revisionswerberin weitere Belastungs- und Veräußerungsverbote eintragen lassen "könnte". Dass dies in der Situation, in der der Sicherstellungsauftrag erlassen wurde, konkret zu befürchten stand, geht aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht hervor."

Ermessen

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages liegt im Ermessen der Behörde.

Das der Abgabenbehörde eingeräumte Ermessen erfordert gemäß § 20 BAO die Beachtung der Grundsätze der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Bei der Ermessensübung sind demnach berechtigte Interessen der Partei gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände abzuwägen. Aus der zwingenden Tatbestandsvoraussetzung der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringlichkeit der Abgaben ergibt sich, dass nur durch die Sofortmaßnahme dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben Rechnung getragen werden kann. Die berechtigten Interessen der Partei werden daher grundsätzlich in den Hintergrund treten. Nur in Ausnahmefällen - etwa bei Geringfügigkeit des zu sichernden Betrages oder der zu erlangenden Sicherheit - wird von der Erlassung eines Sicherstellungsauftrages abzusehen sein (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 232 E 71, Stand , rdb.at).

Parteiengehör

Die Verletzung des Parteiengehörs ist kein absoluter Verfahrensmangel (). Zu einer Aufhebung durch ein Höchstgericht führt ein solcher Verfahrensmangel nur dann, wenn er "wesentlich" ist, wenn somit bei seiner Vermeidung ein anderslautender Bescheid hätte erlassen werden können oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können (z.B. ). Verletzt die Abgabenbehörde das Recht auf Parteiengehör, so ist dies im Beschwerdeverfahren sanierbar (z.B. ).

Darüber hinaus kommt einer Beschwerdevorentscheidung Vorhaltecharakter zu (). Aufgrund der Natur des Sicherstellungsauftrages als Sofortmaßnahme ist es nicht notwendig, vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages sämtliche Beweise zu erheben und diese der Partei vorzuhalten.

Erwägungen:

Vorweg war festzustellen, dass Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Beschwerde gegen den Sicherstellungsauftrag (und nicht der mit dieser Beschwerde verbundene Antrag auf Aufschiebung der Vollstreckung gemäß § 18 Z 1 AbgEO) war.

Der bekämpfte Sicherstellungsauftrag enthielt die in § 232 Abs. 2 BAO geforderten Bestandteile: Im Spruch die nach Zeiträumen und Beträgen aufgegliederten, voraussichtlichen Abgabenschulden, zu deren Berechnung auf das Bp-Vorbesprechungsprogramm verwiesen wurde, die nach Ansicht der Abgabenbehörde für eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung sprechenden Gründe, den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann, die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Bf erwirken hätte können, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben würden, eine Begründung des Ermessens und Ausführungen zur Steuertatbestandsverwirklichung.

Im vorliegenden Fall stützte das Finanzamt den Prüfungsauftrag vom auf § 147 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG, weil der Verdacht bestehe, der Bf habe die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a FinStrG begangen. Da eine Prüfung nach § 99 Abs. 2 FinStrG als Verfolgungshandlung im Sinne des § 14 Abs. 3 FinStrG anzusehen und ein Strafverfahren bei verwaltungsbehördlicher Zuständigkeit mit der ersten Verfolgungshandlung anhängig ist, waren die Voraussetzungen des § 232 Abs. 3 BAO erfüllt.

Dem Bf war zuzustimmen, dass auch für Sicherstellungsaufträge die Begründungspflicht des § 93 Abs. 3 lit. a BAO zu gelten hat. Zu prüfen und entsprechend zu begründen war u.a., ob gewichtige Anhaltspunkte für die Entstehung des Abgabenanspruchs und dessen Höhe gegeben waren. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, war dagegen nicht im Sicherstellungsverfahren zu entscheiden; die Beantwortung dieser Frage bleibt dem Beschwerdeverfahren gegen die bereits erlassenen Abgabenbescheide vorbehalten.

In der Beschwerdevorentscheidung, der nach der Judikatur die Wirkung eines Vorhaltes zukommt, verwies das Finanzamt zur nach Meinung des Bf nicht nachvollziehbaren Begründung auf die im Bp-Vorbesprechungsprogramm ausführlich beschriebenen Prüfungsfeststellungen (z.B. gewinnmindernder Ansatz nichtabzugsfähiger Ausgaben, Nichterklärung von Umsatzerlösen in beträchtlicher Höhe, schwerwiegende Buchführungs- und Aufzeichnungsmängel), aus denen die Steuerbemessungsgrundlagen abgeleitet worden seien und sich ergeben habe, dass die sicherzustellenden Abgabenansprüche entstanden seien.

Der Bf trat diesen Feststellungen im Vorlageantrag nicht mehr entgegen. Inwieweit im Hinblick auf die Ausführungen des Finanzamtes die Begründungspflicht verletzt worden wäre, legte er im Detail nicht dar.

Obwohl der Abgabenanspruch grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit entsteht und keine Bescheiderlassung voraussetzt, war auch die mit den Bescheiden vom - wenngleich in geringerer Höhe - erfolgte Festsetzung der dem Sicherstellungsauftrag zugrundeliegenden Abgaben ein Indiz für die Entstehung des Abgabenanspruchs. Auf die Rechtskraft der Abgabenbescheide kam es nicht an, weil, wie o.a., über die tatsächliche Entstehung des Abgabenanspruchs im Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden war.

Auch aus dem Vorbringen, ihm sei keine Gelegenheit zur Gegenäußerung geboten worden, war für den Bf nichts zu gewinnen, weil ein Sicherstellungsauftrag kein abschließender Sachbescheid ist, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme. Aus deren Natur ergibt sich, dass die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabenschuld für die Erlassung des Sicherstellungsauftrages nicht erforderlich ist. Mit seinen Ausführungen zur unrichtigen, weil überhöhten Geltendmachung der sichergestellten Abgaben war der Bf daher auf das Beschwerdeverfahren gegen die Abgabenbescheide zu verweisen.

Zum Einwand, die Abgabenbehörde habe zu Unrecht eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung angenommen, war festzuhalten, dass einer der von der Judikatur angenommenen, demonstrativ aufgezählten Gründe, welche die Behörde zur Annahme einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung berechtigen, wie z.B. ein drohendes Insolvenzverfahren, Exekutionsführung von dritter Seite, Auswanderungsabsicht, Vermögensverschleppung oder Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte, im vorliegenden Fall unstrittig nicht vorlag.

Im angefochtenen Bescheid begründete die Abgabenbehörde eine Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung sowohl mit dem dringenden Verdacht einer Abgabenhinterziehung und schwerwiegenden Buchführungs- und Aufzeichnungsmängeln als auch mit dem Fehlen eines ausreichenden laufenden Einkommens oder Vermögens zur Abdeckung der Abgabenschulden. Während sie die Annahme, der Bf verfüge über kein ausreichendes Einkommen, um die Abgabenschulden zu begleichen, durch Darstellung der Einkommensverhältnisse der Jahre 2012 bis 2016 untermauerte, traf sie im angefochtenen Bescheid zum nicht ausreichenden Vermögen keine weiteren Feststellungen.

Auf Anfrage des Bundesfinanzgerichts wies das Finanzamt mit Schreiben vom darauf hin, sehr wohl auch Ermittlungen zur Feststellung des Vermögens getätigt zu haben. Wie oben dargestellt, wurden die Verkehrswerte der beiden im Alleineigentum des Bf befindlichen Liegenschaften im Schätzungsweg ermittelt und diese mit rund 2,337.000,00 € berechnet.

Dem Finanzamt war es jedoch nicht möglich, die tatsächlich noch aushaftenden Beträge der auf diesen Liegenschaften eingetragenen Höchstbetragshypotheken zu eruieren, weil der Bf eine Einsicht in die Kontodaten verweigerte und das Finanzamt keine Kontoöffnung veranlasste.

Selbst in der unrealistischen Annahme, dass noch keine Schuldentilgungen erfolgt wären, würde die Gesamtbelastung 1,667.500,00 € betragen und sich im Vergleich zu den Verkehrswerten ein Vermögensüberhang von 669,500,00 € ergeben, in welchem die Abgaben laut Sicherstellungsauftrag (366.299,00 €) und erst recht die mit Bescheiden vom (nicht rechtskräftig) festgesetzten Abgaben (241.769,08 €) Deckung fänden. Den zu erwartenden Steuernachforderungen wäre daher ein ausreichendes Vermögen gegenübergestanden.

Der Vollständigkeit halber war darauf zu verweisen, dass der Abgabenbehörde bei Erlassung des Sicherstellungsauftrages am keine zeitnahen Jahresergebnisse zur Verfügung standen, sondern nur solche bis einschließlich 2016.

Mittlerweile liegen allerdings die Jahresergebnisse 2017 und 2018 vor, die aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zum Sicherstellungsauftrag zusätzlich zur Beurteilung der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringlichkeit herangezogen werden konnten, obwohl sie der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages noch nicht bekannt waren.

Der Bf erklärte für das Jahr 2017 Gesamteinkünfte von rund 88.900,00 € und für 2018 solche von rund 105.800,00 €, sodass die im angefochtenen Bescheid für die Jahre 2012 bis 2016 errechneten Einkünfte von 196.043,57 € nicht in fünf, sondern tatsächlich in nur zwei Jahren erwirtschaftet werden konnten.

Für das Jahr 2017 erklärte der Bf in der nach der abgabenbehördlichen Prüfung eingereichten Einkommensteuererklärung Einnahmen aus Gewerbebetrieb von rund 238.000,00 € und Mieteinnahmen von rund 116.000,00 €.

Für das Jahr 2018 erklärte er Einnahmen aus Gewerbebetrieb von rund 284.000,00 € und Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung von rund 114.000,00 €.

Auch wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages der dringende Verdacht einer Abgabenhinterziehung bestand und gravierende Aufzeichnungsmängel festgestellt wurden, berechtigten diese Umstände alleine nicht zur Erlassung eines Sicherstellungsauftrages, standen neben einem zur Abdeckung der ermittelten Abgabenansprüche ausreichenden Vermögen darüber hinaus auch Einnahmen zur Verfügung, die eine - allenfalls zwangsweise - Einbringung der Abgabenverbindlichkeiten in angemessener Zeit ermöglicht hätten.

Aus dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung ergaben sich auch keine Hinweise darauf, dass in der Vergangenheit Abgaben zwangsweise hätten eingebracht werden müssen.

Im vorliegenden Fall waren keine in der Sphäre des Bf liegende Umstände erkennbar, die den normalen Verlauf eines zur Einbringung allenfalls erforderlichen Exekutionsverfahrens behindert hätten (vgl. abermals das o.a. Erkenntnis des ).

Da das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben nicht erfüllt war, war der Sicherstellungsauftrag spruchgemäß aufzuheben.

Informativ wird mitgeteilt, dass auf beiden im Alleineigentum des Bf stehenden Liegenschaften ein Pfandrecht für die Republik Österreich gemäß § 38 lit. c GBG in Höhe von 215.238,00 € (ursprünglich 330.000,00 €) zur Sicherstellung vorgemerkt ist.

Diese besondere Pfandrechtsvormerkung benötigt keinen Exekutionstitel. Auch einer Bescheinigung durch Beibringung von Urkunden bedarf es im Sicherstellungsverfahren nach § 38 lit c GBG nicht, es genügen entsprechende Behauptungen der einschreitenden Behörde. Die Rechtsprechung verlangt für die Vormerkung keine Aufschlüsselung der Forderung, vielmehr reicht die Angabe des Betrags und des Schuldners. Erst im Rechtfertigungsverfahren muss gemäß § 41 b GBG der Nachweis erbracht werden (Rassi, Grundbuchsrecht3, 3. Kapitel, 3.33, Stand , rdb.at).

Da es für die Vormerkung gemäß § 38 lit. c GBG keines Sicherstellungsauftrages bedarf (vgl. auch Bauer in RdW 2004/344, S 383), ändert die Aufhebung des Sicherstellungsauftrages nichts an der Vormerkung.

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 232 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100218.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at