Zurückweisung der Beschwerde gegen einen unzulässigerweise elektronisch zugestellten Bescheid
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RV/7400103/2021-RS1 | Die Abgabenbehörde (Magistrat der Stadt Wien) hat bei der elektronischen Zustellung von Bescheiden betreffend Landes- und Gemeindeabgaben die Voraussetzungen des § 97a BAO zu beachten; ansonsten ist der zugestellte Bescheid unwirksam (nichtig). |
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Beschwerdesache ***Bf1***, (Beschwerdeführerin), vertreten durch Rechtsanwältin, über die mit datierte und am eingelangte Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den mit datierten Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben betreffend Vorschreibung von Vergnügungssteuer für November 2016 in der Höhe von 2.800,00 € und Festsetzung eines Verspätungszuschlages in der Höhe von 280,00 € und Festsetzung eines Säumniszuschlages in Höhe von 56,00 € zu Geschäftszahl MA 6/ARL - Zahl1 E, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betrieb bis September 2017 ein Gastgewerbe in ehemGewerbestandort (siehe Magistratsakt Bl. 32: Zurücklegung der Gewerbeberechtigung). In diesem Lokal (Lokalbezeichnung) fand am eine Nachschau betreffend Spielapparate statt.
Der Magistrat der Stadt Wien (belangte Behörde), MA 6, Dezernat Abgaben und Recht, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, versendete an die Beschwerdeführerin einen mit datierten (bislang unwirksamen) "Bescheid" über
die Vorschreibung von Vergnügungssteuer für November 2016 in der Höhe von 2.800,00 €,
und über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages in der Höhe von 280,00 €
und über die Festsetzung eines Säumniszuschlages in Höhe von 56,00 €
mit der Zustelladresse c/o Lokalname+Adresse. Der diesbezügliche Rückschein langte zurück mit einer "Unterschrift" oder eher einer Wiedergabe des Namens der Beschwerdeführerin, wobei angekreuzt war: "Angestellter des berufsmäßigen Parteienvertreters" (Magistratsakt Bl. 19). Diese "Unterschrift" stimmt nicht mit der Unterschrift der Beschwerdeführerin auf der Niederschrift vom (Magistratsakt Bl. 2) und auf der Eingabe vom (Magistratsakt Bl. 13) überein. Weiters ist der diesbezügliche Rückschein vom erst nach der Beendigung des Gewerbebetriebes der Beschwerdeführerin an der diesbezüglichen Adresse ausgefertigt worden.
Somit ist der mit datierte "Bescheid" im Februar 2018 nicht wirksam zugestellt worden, wie auch die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom einräumt, indem sie die Beschwerde vom als fristgerecht eingebracht bezeichnet.
Der gegenständliche vermeintliche "Bescheid" wäre ein sogenannter Sammelbescheid oder kombinierter Bescheid gewesen, d.h. in einer einzigen Bescheidausfertigung sollten mehrere (hier: drei) rechtlich trennbare Bescheide zusammengefasst (kombiniert) werden:
Bescheid über die Vorschreibung von Vergnügungssteuer für November 2016 in der Höhe von 2.800,00 €;
Bescheid über die Festsetzung eines diesbezüglichen Verspätungszuschlages in Höhe von 280,00 €;
Bescheid über die Festsetzung eines diesbezüglichen Säumniszuschlages in Höhe von 56,00 €.
Mit Schreiben vom , beim Magistrat der Stadt Wien als E-Mail-Anhang eingebracht, teilte Frau Rechtsanwältin ihre Eigenschaft als rechtsfreundliche Vertreterin der Frau ***Bf1*** mit und berief sich auf die erteilte Vollmacht (Magistratsakt Bl. 20-23). In diesem Schreiben ging es insbesondere um Vollstreckungsmaßnahmen, wobei die Beschwerdeführerin keine Kenntnis vom zugrundeliegenden Vollstreckungstitel habe. In diesem Schreiben wurde zwar um die Zustellung an die rechtsfreundliche Vertreterin ersucht, aber nichts bezüglich Zustellung im Weg automationsunterstützter Datenübertragung oder anderer technisch möglicher Weise ausgeführt.
Der Magistrat der Stadt Wien übermittelte als Anhänge zu einer E-Mail vom an die rechtsfreundliche Vertreterin der Beschwerdeführerin den o.a. "Bescheid" vom und den o.a. diesbezüglichen Rückschein, mit der Anmerkung, dass der "Bescheid" am rechtskräftig geworden wäre (Magistratsakt Bl. 24). Diese Übermittlung des vermeintlichen "Bescheides" vom wurde in weiterer Folge (zumindest zeitweilig) als Zustellung dieses vermeintlichen Bescheides betrachtet, indem seitens der Beschwerdeführerin die gegenständliche Beschwerde vom eingebracht wurde und die belangte Behörde (Magistrat der Stadt Wien) in ihrer abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde vom als fristgereicht eingebracht bezeichnete.
Mit Schreiben vom (Magistratsakt Bl. 27 ff) brachte ***Bf1*** - vertreten durch Rechtsanwältin - Beschwerde gegen den Bescheid vom ein. Diese sei rechtzeitig, weil die Zustellungsversuche im Februar 2018 mangelhaft und gescheitert seien, wogegen die Zustellmängel durch die Übermittelung des Bescheides an die ausgewiesene Rechtsvertretung per E-Mail vom gemäß § 7 ZustG geheilt wären. Der Beschwerde lag u.a. der übermittelte Bescheid bei, welcher eine Amtssignatur trägt.
Der Magistrat der Stadt Wien versuchte zunächst, eine abweisende und mit datierte Beschwerdevorentscheidung betreffend Vergnügungssteuer für November 2016 in Höhe von 2.800,00 € zuzüglich Nebengebühren zu erlassen, welche an ***Bf1*** z.Hd. RAin gerichtet war. Die Postsendung mit der diesbezüglichen Bescheidausfertigung kam mit dem Vermerk "Verzogen" an den Magistrat der Stadt Wien zurück. (Magistratsakt Bl. 33 f.)
Daraufhin ermittelte der Magistrat im Internet die frühereRAadresse als Adresse von Rechtsanwältin (Mag.-Akt Bl. 35).
Der Magistrat der Stadt Wien erließ eine abweisende und mit datierte Beschwerdevorentscheidung betreffend Vergnügungssteuer für November 2016 in Höhe von 2.800,00 € zuzüglich Nebengebühren, welche an ***Bf1*** z.Hd. alteAdresseRA gerichtet war und am übernommen wurde (Magistratsakt Bl. 36 f.).
Mit Schreiben vom beantragte ***Bf1*** - vertreten durch Rechtsanwältin - die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom , mit welchem der Beschwerdeführerin eine Vergnügungssteuer in Höhe von 2.800,00 € zuzüglich Nebengebühren vorgeschrieben wurde, dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Der bekämpfte Bescheid sei der Beschwerdeführerin nie zugestellt worden, so dass die Beschwerde richtigerweise zurückzuweisen gewesen wäre. (Vorlageantrag, Magistratsakt Bl. 38 f.)
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Im Anwendungsbereich des AVG ist laut E5 zu § 28 ZustG in Bumberger/Schmid eine E-Mail-Adresse eine elektronische Zustelladresse im Sinne des § 2 Z 5 ZustG und darf an diese gemäß § 37 ZustG zugestellt werden, nachdem der Beschwerdeführer diese E-Mail-Adresse in seiner Kommunikation mit der Behörde selbst verwendet hat ().
Der vorliegende Fall in einer Angelegenheit der Landes- und Gemeindeabgaben ist jedoch nach der Bundesabgabenordnung (BAO) zu beurteilen. § 98 Abs. 1 BAO bestimmt, dass der dritte Abschnitt des Zustellgesetzes über elektronische Zustellungen (zunächst) nicht anzuwenden ist. Jedoch bestimmt § 98a BAO: "Für Landes- und Gemeindeabgaben ist abweichend von § 98 Abs. 1 für Zustellungen auch der 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (elektronische Zustellung) anzuwenden." Demnach wäre im hier anhängigen Fall gemäß § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Z 5 Zustellgesetz die von der rechtsfreundlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin verwendete E-Mail-Adresse eine geeignete elektronische Zustelladresse gewesen. Aber im 3. Abschnitt des Zustellgesetzes (§ 28 ff.) verweist § 28 Abs. 1 Zustellgesetzes wiederum auf die BAO zurück, indem bestimmt wird: "(1) Soweit die für das Verfahren geltenden Vorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine elektronische Zustellung nach den Bestimmungen dieses Abschnitts vorzunehmen." Für das hier anhängige Verfahren bestimmt § 97a BAO für Landes- und Gemeindeabgaben: "1. Schriftliche Erledigungen können im Weg automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise dann übermittelt werden, wenn die Partei (§ 78) dieser Übermittlungsart ausdrücklich zugestimmt hat. Mit der Zustimmung übernimmt der Empfänger auch die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß.
2. Eine Übermittlung im Weg automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technischen Form ist weiters zulässig, wenn die Partei ein Anbringen in derselben Art eingebracht und dieser Übermittlungsart nicht gegenüber der Behörde ausdrücklich widersprochen hat, sofern die Übermittlung spätestens zwei Werktage nach Einlangen des Anbringens erfolgt. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß."
In der gegenständlichen Angelegenheit ist per E-Mail von der Adresse EmailRA am an den Magistrat der Stadt Wien eine Eingabe übermittelt worden, in welcher u.a. mitgeteilt wurde, dass Frau ***Bf1*** die Frau Rechtsanwältin mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt habe und sich diese auf die erteilte Vollmacht (inkl. Zustellvollmacht) berufe. Jedoch ist nicht "ausdrücklich" im Sinne des § 97a Z 1 BAO der Übermittlung von schriftlichen Erledigungen an diese E-Mail-Adresse zugestimmt worden.
Am übermittelte der Magistrat der Stadt Wien als Anhang zu einer E-Mail den angefochtenen Bescheid vom an die elektronische Zustelladresse EmailRA, wie es zwar § 37 Abs. 1 Satz 1 erster Fall ZustG vorsehen würde. Jedoch ist diese Übermittlung weder gemäß § 97a Z 1 BAO (mangels ausdrücklicher Zustimmung) noch gemäß § 97a Z 2 BAO (mangels Übermittlung innerhalb von zwei Werktagen ab ) zulässig gewesen. Daher ist auch mittels der Übermittlung am der mit datierte Bescheid nicht wirksam zugestellt worden.
Nur gegen einen wirksamen Bescheid (hier: kombinierter Bescheid, Sammelbescheid) ist eine Beschwerde gemäß § 243 BAO zulässig. Eine Beschwerde gegen einen unwirksamen (nichtigen) Bescheid ist hingegen nicht zulässig und ist gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückzuweisen.
Anzumerken ist, dass zwar der Bescheidbeschwerde vom - soweit gegen den "Bescheid" über die Festsetzung eines Verspätungszuschlages und gegen den "Bescheid" über die Festsetzung eines Säumniszuschlages gerichtet - eine Begründung im Sinne des § 250 Abs. 1 lit. d BAO fehlen dürfte. Jedoch ist ein diesbezüglicher Mängelbehebungsauftrag nicht zu erteilen, weil hier ohnehin die Zurückweisung der Beschwerde erfolgen muss.
Zur beantragten mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 5 BAO kann trotz eines Antrages auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Da im vorliegenden Fall die Zurückweisung der Beschwerde aus der Aktenlage geboten ist und im Übrigen auch dem Vorbringen im Vorlageantrag entspricht, wird im Sinne der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit keine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Zur Un(Zulässigkeit) einer (ordentlichen) Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Angesichts der eindeutigen Rechtslage war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen, weshalb die Revision nicht zulässig ist (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 97a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400103.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at