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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2022, RV/7500907/2016

Unwirksamkeit einer Strafverfügung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500907/2016-RS1
Wird eine Strafverfügung entsprechend der Zustellverfügung an die Beschwerdeführerin (Bf.) zu Handen des nicht zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigten Steuerberaters zugestellt, so ist auch die Bf. selbst als Empfängerin der Sendung anzusehen, weshalb eine Heilung des Zustellmangels im Sinne des § 7 Zustellgesetz eintritt, wenn der Bf. das Schriftstück tatsächlich zugekommen ist.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger über die Beschwerde der ***1***, vom gegen den Bescheid der belangten Behörde, ***MA*** - Parkraumüberwachung, ***2***, vom betreffend die Zurückweisung der Strafverfügung vom , ***2***, wegen Verspätung, zu Recht erkannt:

I.Die Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruches mit der Maßgabe abgeändert, dass an Stelle der Wortfolge "wird gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991-VStG wegen Verspätung zurückgewiesen" die Wortfolge "wird gemäß § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen" zu treten hat.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1.Verfahrensgang

Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl ***2***, wurde gegenüber der Beschwerdeführerin (kurz Bf.) aufgrund der Verletzung von § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, (jeweils in der hier geltenden Fassung) wegen fahrlässiger Verkürzung der Parkometerabgabe eine Geldstrafe in Höhe von 60,00 €, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt.

Nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis war die Strafverfügung zuletzt an die Bf. zu Handen des Rechtsanwaltes ***3*** gerichtet und ist von einem Arbeitnehmer der Kanzlei "***4***" am übernommen worden.

In dem chronologisch geordnet und mit fortlaufenden Nummern versehenen Verwaltungsstrafakt findet sich diesbezüglich vor dem unter der Nummer 14 erfassten Originalrückschein der mit der Zahl 13 nummerierte Ausdruck einer E-Mail-Eingabe mit folgendem Inhalt:

"Von: ***5***
Gesendet: Dienstag, 17:26
An:
***6***
Anlagen:
***7***

Mit freundlichen Grüßen
***8***

***9***
RA
***10***
RA
***3***
***11***
***12***
Tel
***13***."

Mit dem per Telefax bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben vom erhob die Rechtsanwaltsgesellschaft ***4*** namens der Bf. Einspruch gegen die obgenannte Strafverfügung und in weiterer Folge mit Schriftsatz vom Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom , mit dem der Einspruch gegen die Strafverfügung wegen Verspätung gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 zurückgewiesen worden ist, da dieser erst nach Ablauf der im Gesetz festgesetzten zweiwöchigen Einspruchsfrist eingebracht worden sei.

Inhaltlich wurde in der Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom ins Treffen geführt, die in Rede stehende Strafverfügung sei "nicht an den Vertreter am " zugestellt worden, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtsgrundlagen, jeweils in der hier maßgebenden Fassung

Gemäß § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG), BGBl. I Nr. 14/2013, i.V.m. § 38 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hat.

Zufolge § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt das AVG auch im Verwaltungsstrafverfahren, soweit sich aus diesem Gesetz nicht anderes ergibt.

Gemäß § 66 Abs. 4 erster Satz Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die "Berufung" nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

§ 5 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, lautet:

"Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten."

Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie zufolge § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt vollzogen, in dem das Schriftstück der Person, für die es bestimmt ist (Empfänger), tatsächlich zugekommen ist.

Festgestellter Sachverhalt und dessen rechtliche Beurteilung

Aufgrund des vorgelegten Verwaltungssrafaktes ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die verfahrensgegenständliche Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien vom , Zahl ***2***, nannte als Bescheidadressatin die Bf. und wurde der ***4*** am zugestellt. Die Zustellverfügung lautete "Bf. zu Handen RA ***3***".

Dagegen erhob die ***4*** Einspruch, in welchem sie sich erstmals in diesem Verfahren erkennbar auf die ihr erteilte Vollmacht berief.

Hingegen ist aus dem gegenständlichen Verfahrensakt nicht ersichtlich, dass der in Rede stehenden Rechtsanwaltsgesellschaft bereits zum Zeitpunkt der Zustellung der Strafverfügung eine Vertretungsbefugnis samt Zustellbevollmächtigung erteilt worden wäre.

Der einzige im Akt befindliche Hinweis auf ein aufrechtes Vertretungsverhältnis zwischen der Bf. und der ***4*** ist schließlich die Mitteilung vom , die jedoch nicht dem beschwerdegegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zugeordnet werden kann. Die im Akt abgelegte Eingabe betrifft nämlich nicht das gegenständliche, sondern ein weiteres, unter der darin genannten Aktenzahl erfasstes und gegen die Bf. gerichtetes Verfahren. Die Bekanntgabe der Bevollmächtigung samt Zustellvollmacht für ein anderes Verfahren der Bf. ist aber für den hier zu beurteilenden Beschwerdefall nicht relevant, weil eine Bevollmächtigung im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden muss (vgl. Ritz, BAO5, § 9 Zustellgesetz, Rz 19).

Entsprechend der Aktenlage ist daher zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung keine das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren betreffende Vertretungsbefugnis nachgewiesen. Die Behörde hätte somit hinsichtlich der Strafverfügung nicht die Zustellung zu Handen des Rechtsanwaltes verfügen dürfen.

Die erfolgte Zustellung an die Bf. zu Handen ***14*** trotz dessen fehlender Zustellbevollmächtigung hat nun zur Folge, dass die Strafverfügung nicht rechtswirksam ergangen ist. Wird nämlich eine Erledigung entsprechend der Zustellverfügung einer Person zugestellt, die zu Unrechts als Zustellbevollmächtigter der Partei angesehen wird, so vermag diese Erledigung gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten (siehe ).

Weil die Strafverfügung laut Zustellverfügung jedoch an die Bf. zu Handen des Rechtsanwaltes gerichtet und somit auch für die Bf. bestimmt war, ist diese als Empfängerin im Sinne des § 7 Zustellgesetz anzusehen, sodass eine Heilung des Zustellmangels eintreten kann, wenn sich herausstellt, dass ihr der Bescheid tatsächlich zugekommen ist (siehe ).

Ein tatsächliches Zukommen im Sinne des § 7 ZustG setzt dabei voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Schriftstückes z.B. durch Übermittlung einer Ablichtung oder Akteneinsicht.

Dies ist jedoch nach den Beschwerdeausführungen nicht der Fall und auch aus dem Verwaltungsstrafakt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erledigung der Bf. im Original zugekommen wäre. Das Finanzamt hat zum Zustellvorgang selbst keine Stellungnahme erstattet.

Es kann daher im Beschwerdefall nicht von einer Sanierung des Zustellmangels durch tatsächliches Zukommen des Schriftstückes an die Bf. ausgegangen werden. Mangels rechtswirksamer Zustellung war die gegenständliche Strafverfügung als nicht wirksam erlassen anzusehen und somit rechtlich nicht existent. Richtigerweise wäre daher der Einspruch gegen die Strafverfügung durch die belangte Behörde nicht wegen verspäteter Einbringung, sondern als unzulässig (§ 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG) zurückzuweisen gewesen.

Das Beschwerdebegehren der "ersatzlosen Aufhebung" der angefochtenen Bescheide war daher abzuweisen und war der Bescheid in seinem Spruch dahingehend abzuändern, dass anstelle einer Zurückweisung des Einspruches wegen Verspätung eine Zurückweisung desselben wegen Unzulässigkeit zu treten hat.

Mündliche Verhandlung

Gemäß § 44 Abs. 3 Z 4 VwGVG konnte das Bundesfinanzgericht von einer Verhandlung absehen, da sich die Beschwerde gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtete und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Nichtzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor, weil die Rechtsfrage, ob die Zustellung einer Erledigung an einen nicht als bevollmächtigt ausgewiesenen Vertreter dem Rechtsbestand angehört oder nicht, durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) hinreichend geklärt ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 24 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500907.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at