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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2022, RV/6100331/2019

Fahrt zwischen Wohnung und zweiter Arbeitsstätte als Dienstreise?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ECOVIS Salzburg Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Innsbrucker Bundesstraße 140, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Haftungsbescheid/Lohnsteuer 2016 und 2017 sowie Dienstgeberbeitrag 2016 und 2017, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit mehreren Bescheiden wurde die Haftung/Lohnsteuer (2016-2017) sowie Festsetzung des Dienstgeberbeitrags geltend gemacht. In der Begründung wurde ausgeführt:

"Vom Arbeitgeber […] wurden an die Arbeitnehmer Kilometergelder für die Fahrtstrecke Wohnung - Arbeitsstätte (nicht Stammschule) steuerfrei ausbezahlt. Es handelt sich dabei um geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wobei die Steuerfreiheit nach § 26 Z. 4 EStG nicht anwendbar ist, da es sich bei der Fahrt von der Wohnung zu einer (weiteren) Arbeitsstätte um keine Dienstreise handelt. Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG sind die Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag und einem allfällig zustehendem Pendlerpauschale bzw. Pendlereuro abgedeckt. Nur für Fahrten zwischen zwei oder mehreren Arbeitsstätten stehen Fahrtkosten zu.

Die vom Arbeitgeber […] an die Arbeitnehmer ausbezahlten Kilometergelder für die Fahrtstrecke Wohnung - (weitere) Arbeitsstätte stellen daher bei den Arbeitnehmern steuerpflichtige Einnahmen aus dem Dienstverhältnis dar. Dem Arbeitgeber liegen keine genauen Aufzeichnungen, hinsichtlich der Höhe der zu Unrecht steuerfrei ausbezahlten Kilometergelder für die Jahre 2016 und 2017 vor. Es erfolgt daher eine Schätzung gemäß § 184 BAO aufgrund der für das Schuljahr 2017/2018 vorgelegten Unterlagen. Steuerpflichtiges Kilometergeld geschätzt: € 2.500,- /Woche x 30 Wochen = € 75.000 jährlich für 2016 und 2017. Aufgrund des durchschnittlichen steuerpflichtigen Einkommens der betroffenen Arbeitnehmer (Vollzeit- und Teilzeit-Beschäftigte) wird der Lohnsteuer-Satz mit 20 % geschätzt. Die Lohnsteuernachforderung für die Jahre 2016 und 2017 beträgt daher jeweils € 15.000,-.

Die Nachforderung für den Dienstgeberbeitrag berechnet sich wie folgt:

Erhöhung Bemessungsgrundlage 2016: € 75.000 x 4,5 % = € 3.375,-

Erhöhung Bemessungsgrundlage 2017 € 75.000 x 4,1 % = € 3.375,-!"

In der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde ua vorgebracht:

"Beim [..] ist jeder Lehrer einer Stammschule zugeordnet. Neben der Stammschule unterrichten zahlreiche Lehrer auch an einer weiteren Schule oder an anderen Orten. Viele Lehrer sind an einigen Tagen nicht in der Stammschule, sondern ausschließlich in einer weiteren Schule oder an einem anderen Ort tätig und fahren zu dieser weiteren Arbeitsstätte direkt von der Wohnung aus, ohne vorher in die Stammschule zu fahren und danach in die Stammschule zurückzukehren. Entsprechend der RZ 294 der LStR (Fassung vor dem 2. LStR-Wartungserlass 2014) wurde für Fahrten von der Wohnung zu der weiteren Arbeitsstätte und zurück zur Wohnung Fahrtkosten insoweit abgabenfrei abgerechnet, als diese Strecke länger ist als die Strecke Wohnung-Hauptarbeitsstätte-Wohnung. Diese Passage wurde durch den 2. LStR-Wartungserlass 2014 ersatzlos gestrichen. Da die betroffenen Arbeitnehmer nicht direkt von einer Arbeitsstätte zu nächsten Arbeitsstätte fahren, besteht entsprechend der Ansicht des Finanzamtes kein Anspruch auf steuerfreies Kilometergeld. Die steuerfreie Auszahlung eines Teiles des Kilometergeldes (jene Kilometer, die die Entfernung Wohnung-Stammschule-Wohnung überschreiten) wäre daher nicht zulässig. Es wird somit unterschieden, ob bevor die unter Umständen deutlich weiter entfernte weitere Schule angefahren wird, die Stammschule angefahren wird und an dieser auch tatsächlich gearbeitet wurde, oder ob die weitere Schule direkt vom Wohnsitz aus angefahren wird. Es macht also einen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer direkt von einer Arbeitsstätte zur nächsten fährt oder ob die Fahrt zu einer Arbeitsstätte von der Wohnung aus angetreten wird"… (…)

Die Bf. betont, dass diese Auslegung unsachlich sei: "Hierzu ein Beispiel: Ein Lehrer fährt von seinem Wohnsitz in ***A*** zu seiner Stammschule nach ***B*** (5 km) und unterrichtet am Nachmittag in ***C*** (Entfernung ***B*** - ***C*** 9km). Anschließend fährt er direkt von ***C*** zurück nach ***A*** (11 km). Die zurückgelegte Gesamtstrecke beträgt 25 km. Entsprechend der Ansicht des Finanzamtes können in diesem Fall für 15 km beitragsfreie Kilometergelder berücksichtigt werden. Wenn der Lehrer vorher nicht in die Stammschule fährt, sondern direkt von ***A*** nach ***C*** zur weiteren Arbeitsstätte, beträgt die zurückgelegte Gesamtstrecke 22 km (nur um 3 km weniger). Entsprechend der RZ 294 der LStR vor dem 2. LStR-Wartungserlass 2014 konnte für 12 km beitragsfreies Kilometergeld berücksichtigt werden (22 km abzüglich 10 km für die Strecke Wohnung -Stammschule - Wohnung). Nach Ansicht des Finanzamtes können nun für diesen Fall keine steuerfreien Kilometergelder mehr abgerechnet werden. Dies führt zu einer deutlichen Schlechterstellung für die Fälle, in denen an einem Tag nur die weitere Schule angefahren wird gegenüber jenen Fällen, bei denen die Stammschule und die weitere Schule angefahren wird, obwohl die zurückgelegte Strecke nur um 3 km kürzer ist, also auch hier eine deutliche Mehrbelastung für den jeweiligen Lehrer gegeben ist. Bedingt wird die Einteilung der Dienstorte durch Marktsituationen und Schülerströme, sie obliegt nicht einer freien Disposition durch die Lehrkraft.

Werbungskosten sind gem. § 16 Abs 1 EStG Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gehören gem. § 16 Abs 1 Z 6 EStG ebenfalls zu den Werbungskosten, sind jedoch durch den Verkehrsabsetzbetrag oder ein eventuelles Pendlerpauschale bzw. dem Pendlereuro abgegolten. Für Fahrten zwischen zwei oder mehreren Mittelpunkten der Tätigkeit stehen Fahrkosten zu. Für Fahrten von der Wohnung zu einer weiteren Arbeitsstätte stehen entsprechend dieser Interpretation bei nahezu gleicher Belastung für den Lehrer (Differenz im Beispiel nur 3 km) keine steuerfreien Fahrtkosten zu. Diese Differenzierung ist aus unserer Sicht unsachlich. Je größer die Entfernung zwischen der Stammschule und der weiteren Schule ist, desto schwerwiegender wird hier auch die unsachliche Ungleichbehandlung.

Das Argument, dass bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen die zusätzliche Wegstrecke für das Ausmaß des Pendlerpauschales Berücksichtigung findet, geht in vielen Fällen ebenfalls ins Leere. In vielen Fällen (so zB. auch im oben angeführten Beispiel) steht dem Lehrer keine Pendlerpauschale zu oder die Pendlerpauschale wird beim Dienstgeber für die Fahrt zwischen Wohnung und Hautarbeitsstätte (Stammschule) berücksichtigt und steht kein weiteres Mal zu. Die unsachliche Differenzierung zwischen den Fällen in denen an einem Tag sowohl die Stammschule als auch die weitere Schule oder nur die weitere Schule angefahren wird bleibt bestehen. Hier wird jedenfalls die gleiche Belastung durch eine unsachliche Differenzierung ungleich behandelt. Bei gleichem Mehraufwand stehen in einem Fall Werbungskosten zu und im anderen Fall nicht. Das Argument eines Ausgleiches über den Verkehrsabsetzbetrag trifft ebenso nicht zu, weil dieser automatisch bei allen Dienstnehmern berücksichtigt wird, unabhängig davon, ob ein oder mehrere Dienstorte bestehen und wie diese angefahren werden".

In der Beschwerdevorentscheidung wird dazu ausgeführt:

"Da es sich bei Fahrten von der Wohnung zu einer (weitere) Arbeitsstätte bzw. umgekehrt um keine Dienstreise handelt, ist die Steuerfreiheit des § 26 Z. 4 EStG nicht anwendbar und die vom Arbeitgeber bezahlten Kilometergelder sind steuerbar und steuerpflichtig. Bei Fahrten zwischen zwei Arbeitsstätten liegt eine Dienstreise iSd § 26 Z. 4 EStG vor und diese Fahrtkostenvergütungen können vom Arbeitgeber steuerfrei ausbezahlt werden.

Auch der in der Beschwerde erhobene Einwand, dass diese Unterscheidung unsachlich ist, ändert nichts an der rechtlichen Beurteilung: Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 6 EStG sind Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag und einem eventuell zustehenden Pendlerpauschale/Pendlereuro abgegolten. Fahrten des Arbeitnehmers zwischen mehreren Arbeitsstätten stellen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit - somit Werbungskosten dar (vgl. 92/13/0281). Werden vom Arbeitgeber für diese Fahrten Reisekostenersätze bezahlt, so fallen diese unter die Regelung des § 26 Z 4 EStG und können steuerfrei an den Arbeitnehmer ausbezahlt werden.

Aufgrund der unterschiedlichen Sachverhalte - im ersten Fall fährt der Arbeitnehmer von seinem Wohnort zu einer (weiteren) Arbeitsstätte, im zweiten Fall fährt der Arbeitnehmer von einer Arbeitsstätte zu einer weiteren Arbeitsstätte - liegt keine unsachliche Unterscheidung vor."

Im weiteren Verfahren wurden von der Bf eine Excel-Liste über die Fahrten des Lehrpersonals vorgelegt, wobei sich ergeben hat, dass die Anzahl der gewerteten Kilometer dem Schätzungsergebnis weitgehend entsprachen. Angefochten wurde im Verfahren der Umstand, dass eine Steuerfreiheit der km-Gelder verneint wurde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung):

Der Dienstreisebegriff ist in § 26 Z 4 EStG legaldefiniert und in zwei Tatbestände unterteilt. Demnach liegt eine Dienstreise vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann. Für Fahrten zwischen zwei oder mehreren Mittelpunkten der Tätigkeit stehen Fahrtkosten zu (zB in Höhe des Kilometergeldes; vgl. ). Die Fahrten von der Wohnung zu jener Arbeitsstätte, an der der Arbeitnehmer langfristig (in der Regel im Kalenderjahr) im Durchschnitt am häufigsten tätig wird (Hauptarbeitsstätte) und die Fahrten von der Hauptarbeitsstätte zurück zur Wohnung sind mit dem Verkehrsabsetzbetrag und einem allfälligen Pendlerpauschale (sowie dem Pendlereuro) abgegolten. Nach den LStR (RZ 294) stehen für Fahrten von der Hauptarbeitsstätte zu einer weiteren Arbeitsstätte und zurück zur Hauptarbeitsstätte grundsätzlich Fahrtkosten zu. Werden an einem Tag zwei oder mehrere Arbeitsstätten angefahren, so stehen Fahrtkosten nur für jene Strecke zu, die die Strecke Wohnung-Hauptarbeitsstätte-Wohnung übersteigt. Werden aber auf der Fahrt zwischen den beiden Arbeitsstätten die Wohnung aufgesucht, stehen nach Ansicht Rz 294 keine tatsächlichen Fahrtkosten zu.

Strittig ist aber genau diese Frage, nämlich wie eine Fahrt steuerlich zu behandeln ist, wenn der Arbeitnehmer seine zweite Arbeitsstätte nicht, wie hier von seiner Stammschule aus erreicht, sondern von seinem Wohnort. Arbeitsstätte (Dienstort) ist jener Ort, an dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber regelmäßig tätig wird (zB Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager), aber auch Räume eines Kunden etc, wo der Arbeitnehmer dauernd tätig wird. Nur Fahrtkostenvergütungen, die für Fahrten Dienstort - Dienstort gewährt werden, können gemäß § 26 Z 4 EStG nach dem Wortlaut der Norm abgabenfrei abgerechnet werden.

Dazu hat das BFG aber schon erkennen lassen, dass in einem solchen Fall die Steuerfreiheit zu verweigern ist; vgl zB ; , RV/1100953/2015. Auch steht eine weitere steuerliche Begünstigung nicht zu, weil der Gesetzgeber an das Verlassen eines Dienstortes anknüpft; . Wird nämlich die Fahrt von zu Hause angetreten, sind die Fahrtkosten grundsätzlich insgesamt mit dem Pendlerpauschale abgegolten; s Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG, § 16 Rn 127; s auch ; , 90/14/0136. Es ist dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass er Fahrten zu einer (jeglichen) Arbeitsstätte nicht befreien möchte und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine zweite Arbeitsstätte handelt oder nicht. Er möchte nicht Steuerpflichtige privilegieren, die von der Wohnung aus zur zweiten Arbeitsstätte fahren. Dieser Wille des Gesetzgebers erschließt sich auch aus den Vorgängerbestimmungen des § 26 Z 4 EStG 1988 (§ 26 Z. 7 EStG 1972, § 19 Abs 2 Z. 2 EStG 1967 und § 19 Abs. 2 Z. 2 EStG 1953); weil eine Fahrt zwischen Wohnung und jeglicher Arbeitsstätte keine Dienstreise ist, da der "maßgebliche Ausgangs- und Endpunkt der Fahrt" immer die Wohnung bleibt; s. schon Zahl: 911/68 zu einem ähnlichen Sachverhalt. Ein Fall, dass der jeweilige Mitarbeiter als Außendienstmitarbeiter (der ständig im Außendienst tätig ist) seine berufsbedingten Fahrten regelmäßig von seiner Wohnung aus antritt, die den "Mittelpunkt der Tätigkeit" darstellt, liegt nicht vor; s dazu Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG (21a) § 16 (Stand , rdb.at). Sohin ist der Beschwerde der Erfolg zu versagen.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Verlassen eines Dienstortes als Beginn und Voraussetzung einer Dienstreise ist schon dem Gesetz zu entnehmen (§ 26 Z 4 EStG) und entspricht auch der Judikatur des VwGH (siehe VwGH-Judikate in der Begründung); eine Revision war folglich nicht zuzulassen.

Salzburg, am

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