Neuerlicher Bescheid in derselben Sache
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RV/7103864/2016-RS1 | Eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher eine Beschwerde gem. § 261 Abs 2 BAO für gegenstandslos erklärt wird, obwohl der angefochtene Bescheid nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist, sondern die Beschwerde vielmehr bereits durch eine andere Beschwerdevorentscheidung rechtskräftig erledigt wurde, ist ein zu Unrecht ergangener verfahrensrechtlicher Bescheid und verstößt zudem gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit behördlicher Entscheidungen ("ne bis in idem"). Sie ist daher mit Erkenntnis ersatzlos aufzuheben. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch "ÖBUG" DR. NIKOLAUS Wirtschaftstreuhand GmbH - Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, St.-Veit-Gasse 8, 1130 Wien,
I. über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2011 bis 2013 sowie betreffend Einkommensteuer 2011 bis 2013 Steuernummer ***BFStNr1*** (nunmehr: ***BFStNr2*** )
1. beschlossen:
Die Beschwerde vom wird, soweit sie sich gegen die Bescheide vom , mit welchen das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2011-2013 wiederaufgenommen wurde, richtet, gemäß § 256 Abs. 3 BAO für gegenstandslos erklärt.
2. zu Recht erkannt:
Die Beschwerdevorentscheidung vom , mit welcher die Beschwerde vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2011-2013 vom für gegenstandslos erklärt wird, wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufgehoben.
II. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2014 Steuernummer ***BFStNr2*** beschlossen:
Die Beschwerde vom wird, soweit sie sich gegen den Bescheid vom , mit welchem die Einkommensteuer 2014 mit € 5.649,00 festgesetzt wurde, richtet, gemäß § 261 Abs. 2 BAO für gegenstandslos erklärt.
III. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang und Sachverhalt
Die gegenständliche Entscheidung ist ausschließlich verfahrensrechtlicher Natur. Der Verfahrensgang ist gleichzeitig der entscheidungswesentliche Sachverhalt, sodass auf eine getrennte Darstellung verzichtet wird.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt 12/13/14 Purkersdorf (FA08) zunächst die Einkommensteuer 2011 mit € 6.658,00 fest, mit Bescheid vom die Einkommensteuer 2012 mit € 9.918,00 und mit Bescheid vom die Einkommensteuer 2013 mit € 12.158,00.
Mit drei Bescheiden vom nahm das FA08 gemäß § 303 Abs. 1 BAO das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2011-2013 wieder auf und setzte mit vier weiteren Bescheiden vom selben Tage die Einkommensteuer 2011 mit € 0,00, die Einkommensteuer 2012 mit € 3.826,00, die Einkommensteuer 2013 mit € 4.840,00 und die Einkommensteuer 2014 mit € 5.649,00 fest.
Gegen diese drei Wiederaufnahme-Bescheide und die vier ESt-Bescheide (sowie - hier nicht gegenständlich - gegen mehrere USt-Bescheide) vom richtet sich die Beschwerde vom .
Aufgrund dieser Beschwerde änderte das FA08 mit vier Beschwerdevorentscheidungen vom die angefochtenen ESt-Bescheide vom und setzte die Einkommensteuer für die Jahre 2011-2014 jeweils mit € 0,00 fest. Diese Beschwerdevorentscheidungen sind in Rechtskraft erwachsen.
Mit Schriftsatz vom nahm der Beschwerdeführer die Beschwerde vom gegen die Wiederaufnahme-Bescheide vom (betreffend ESt 2011-2013) zurück.
1. Wiederaufnahme Einkommensteuer 2011-2013 (Beschwerde vom , Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlageantrag vom )
Ungeachtet dieser Rechtsmittelzurücknahme (laut Vorlagebericht wurde der Schriftsatz vom vom Info-Center des Finanzzentrums Wien Mitte dem mittlerweile zuständigen Finanzamt Neunkirchen Wiener Neustadt [FA33] übermittelt, ohne dass das FA08 von dessen Einlangen verständigt wurde) erließ das FA08 am eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher es die drei Wiederaufnahme-Bescheide vom (betreffend ESt 2011-2013) aufhob.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom , in welchem er die Gegenstandsloserklärung der Beschwerde infolge Zurücknahme beantragt.
2. Einkommensteuer 2011-2013 (Beschwerde vom , Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlageantrag vom )
Am erließ das FA08 eine weitere Beschwerdevorentscheidung, mit welcher es gemäß § 261 Abs. 2 BAO die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die ESt-Bescheide vom betreffend ESt 2011-2013 richtet, als gegenstandslos erklärt, da die Wiederaufnahmebescheide vom (betreffend ESt 2011-2013) mit Beschwerdevorentscheidung vom aufgehoben worden seien und dadurch auch die ersatzweise ergangenen ESt-Bescheide vom und die Beschwerdevorentscheidungen vom (betreffend ESt 2011-2013) aus dem Rechtsbestand ausgeschieden seien.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag des Beschwerdeführers vom , in welchem er beantragt, die Beschwerdevorentscheidung vom ersatzlos aufzuheben. Begründend führt er aus, dass die Beschwerdevorentscheidung vom , mit welcher die Wiederaufnahmebescheide vom (betreffend ESt 2011-2013) aufgehoben wurden, infolge Einbringung des Vorlageantrages vom nicht in Rechtskraft erwachsen ist und folglich auch die Beschwerdevorentscheidungen vom (betreffend ESt 2011-2013) nicht aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sind. Zudem verstoße die Beschwerdevorentscheidung vom auch gegen den Grundsatz "ne bis in idem", da über die Beschwerde vom , soweit sie sich gegen die ESt-Bescheide vom betreffend ESt 2011-2013 richtet, bereits mit den (in Rechtskraft erwachsenen) Beschwerdevorentscheidungen vom abgesprochen wurde.
3. Einkommensteuer 2014 (Beschwerde vom 25.4.201, Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlageantrag vom )
Mit Bescheid vom hob das Finanzamt Neunkirchen Wiener Neustadt (FA33) den ESt-Bescheid 2014 vom gemäß § 299 BAO auf und setzte mit zwei weiteren Bescheiden vom selben Tag die ESt 2014 mit nunmehr € 5.648,00 und die Vorauszahlungen an ESt für 2016 und die Folgejahre mit € 6.157,00 fest.
Gegen diese drei Bescheide richtet sich die Beschwerde vom .
Mit Beschwerdevorentscheidung vom änderte das FA33 den Vorauszahlungsbescheid 2016 vom dahingehend ab, dass die Vorauszahlungen an ESt für 2016 und die Folgejahre nunmehr mit € 0,00 festgesetzt wurden. Mit weiterer Beschwerdevorentscheidung vom hob es den gemäß § 299 BAO ergangenen Aufhebungsbescheid vom , mit welchem der Einkommensteuerbescheid 2014 vom aufgehoben wurde, auf. Diese beiden Beschwerdevorentscheidungen sind in Rechtskraft erwachsen.
Mit einer dritten Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA33 die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 vom gemäß § 260 BAO zurück, da aufgrund der Aufhebung des gemäß § 299 BAO ergangenen Aufhebungsbescheides vom der ersatzweise ergangene Einkommensteuerbescheid vom aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag vom , in welchem die Gegenstandsloserklärung der Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 beantragt wird, da die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nicht vorliegen, sondern die Beschwerde infolge Aufhebung des gemäß § 299 BAO ergangenen Aufhebungsbescheides vom vielmehr gegenstandslos geworden sei.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I. und II. (Gegenstandsloserklärungen und Aufhebung)
Wiederaufnahme Einkommensteuer 2011-2013 (Beschwerde vom , Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlageantrag vom )
Gemäß § 256 Abs. 1 BAO können Beschwerden bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Wurde eine Beschwerde zurückgenommen, so ist sie gemäß § 256 Abs. 3 BAO mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären. Infolge Rücknahme der Beschwerde vom gegen die Wiederaufnahme-Bescheide vom (betreffend ESt 2011-2013) war die Beschwerde daher - soweit sie sich gegen diese Wiederaufnahme-Bescheide richtet - mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären.
Einkommensteuer 2011-2013 (Beschwerde vom , Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlageantrag vom )
Nach der Rechtsprechung ist ein Bescheid durch meritorische Beschwerdeerledigung (durch das Verwaltungsgericht sohin mit Erkenntnis) ersatzlos aufzuheben, wenn er nicht ergehen hätte dürfen und in der Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (Ritz, BAO6, Rz 5 zu § 279; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, Rz 50 zu § 279; jeweils m.w.N.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der angefochtene Bescheid in derselben Sache wie ein älterer Bescheid ergangen ist (; , 2007/13/0120) oder wenn ein verfahrensrechtlicher Bescheid zu Unrecht erlassen wurde (Ritz, BAO6, Rz 6 zu § 279, m.w.N.). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Beschwerdevorentscheidung vom um einen verfahrensrechtlichen Bescheid, der zu Unrecht erlassen wurde, da die Beschwerdevorentscheidung vom , mit welcher die Wiederaufnahmebescheide vom betreffend ESt 2011-2013 aufgehoben wurden, tatsächlich nicht in Rechtskraft erwachsen ist, sodass die ersatzweise ergangenen ESt-Bescheide 2011-2013 vom nicht außer Kraft getreten sind und eine Gegenstandsloserklärung gemäß § 261 Abs. 2 BAO nicht in Betracht kommt. Soweit sich die Beschwerde vom gegen diese Bescheide richtet, ist sie vielmehr durch die Beschwerdevorentscheidungen vom , mit welchen die ESt 2011-2012 mit jeweils € 0,00 festgesetzt wurde, rechtskräftig erledigt. Das FA08 hat daher insoweit auch einen zweiten Bescheid in derselben Sache erlassen und damit gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit behördlicher Entscheidungen ("ne bis in idem") verstoßen. Die Beschwerdevorentscheidung vom hätte daher nicht ergehen dürfen und kommt an ihrer Stelle auch keine andere oder weitere Entscheidung infrage. Sie war daher gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos zu beheben.
Einkommensteuer 2014 (Beschwerde vom 25.4.201, Beschwerdevorentscheidung vom und Vorlageantrag vom )
Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufhebenden Bescheid entsprochen, so ist eine gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid gerichtete Bescheidbeschwerde als gegenstandslos zu erklären (§ 261 Abs. 2 BAO). Im vorliegenden Fall wurde zunächst der ESt-Bescheid 2014 vom mit Bescheid vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben und gemäß § 299 Abs. 2 BAO gleichzeitig ein neuer ESt-Bescheid erlassen. Der Beschwerdeführer hat beide Bescheide mit Beschwerde bekämpft und wurde dieser Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom insofern entsprochen, als der gemäß § 299 BAO ergangene Aufhebungsbescheid vom aufgehoben wurde. Damit ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (also der ESt-Bescheid 2014 vom ) aus dem Rechtsbestand ausgeschieden und die gegen ihn gerichtete Beschwerde gegenstandslos geworden. Die Beschwerde vom war daher, soweit sie gegen den ESt-Bescheid 2014 vom gerichtet ist, gemäß § 261 Abs. 2 BAO als gegenstandslos zu erklären. Dass ein Rechtsmittel in einem derartigen Fall zurückzuweisen wäre, wurde zur Rechtslage vor Einführung des § 261 BAO durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012, BGBl I Nr. 14/2013, vertreten (so etwa Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 299 Anm 25 idF vor der 15. Ergänzungslieferung). Seit Inkrafttreten des § 261 Abs 2 BAO ist jedoch klargestellt, dass in solchen Fällen die Beschwerde gegen den den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid als gegenstandslos zu erklären ist (idS auch ErläutRV [24 BlgNR 25. GP] iZm der Erweiterung des § 261 Abs. 2 um die Fälle des § 300 durch das AbgÄG 2014, BGBl I Nr. 13/2014).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Einkommensteuer der Jahre 2011-2014 durch die Beschwerdevorentscheidungen vom rechtskräftig erledigt ist.
Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die nEntscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass eine Beschwerde als gegenstandslos zu erklären ist, wenn sie zurückgenommen wurde, ergibt sich unmissverständlich aus § 256 Abs. 3 BAO. Die abweichende Entscheidung des FA08 (Aufhebung der Wiederaufnahmebescheide) beruht lediglich darauf, dass dieses von der Rücknahme der Beschwerde zunächst keine Kenntnis hatte. Dass ein Bescheid (hier: die Beschwerdevorentscheidung vom , mit welcher die Beschwerde vom gegen die Bescheide vom betreffend ESt 2011-2013 für gegenstandslos erklärt wurde) ersatzlos aufzuheben ist, wenn er nicht ergehen hätte dürfen und in der Sache ein weiterer Bescheid nicht in Betracht kommt, ist ständige Rechtsprechung des VwGH. Auch dass eine Beschwerde als gegenstandslos zu erklären ist, wenn sie sich nach Aufhebung eines Bescheides gemäß § 299 Abs. 1 BAO gegen einen den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid richtet und in der Folge der Aufhebungsbescheid aufgehoben wird, ergibt sich unzweifelhaft aus § 261 Abs. 2 BAO. Dass das FA33 hier mit Zurückweisung vorgegangen ist, beruht offenbar auf einer (seit Schaffung des § 261 BAO) überholten Rechtsauffassung. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren daher nicht zu lösen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 256 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 297 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 261 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103864.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at