Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.02.2022, RV/3100399/2019

Bescheidadressierung - Wiederaufnahme des Verfahrens

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/3100399/2019-RS1
wie RV/3100398/2019-RS1
Wird der Wiederaufnahmebescheid mangels Vorliegens des ersten Tatbestandsmerkmals des § 303 BAO ("ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren") aufgehoben, unterbricht dies die in § 307 Abs. 1 BAO normierte Verbindung zwischen Wiederaufnahme- und Sachbescheid. Der Sachbescheid kann bei dieser Konstellation im Rechtsbestand bleiben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache des S1, vertreten durch StB, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2015 und Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2015 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  1. Die Beschwerden gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2013 werden abgewiesen.

  2. Den Beschwerden gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015 wird stattgegeben. Diese Bescheide werden aufgehoben.

  3. Die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2015 werden abgewiesen.

  4. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

V erzielte bis zu seinem Tod am Datum_1.2015 unter anderem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch die Vermietung von vier Liegenschaften an den Adressen Adresse_1, Adresse_2, Adresse_3 und Adresse_4.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2011 für V unter Übernahme der Angaben in der Einkommensteuererklärung.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2012 für V unter Übernahme der Angaben in der Einkommensteuererklärung.

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2013 für V unter Übernahme der Angaben in der Einkommensteuererklärung.

Das Finanzamt richtete am eine mit "Einkommensteuerbescheid 2014" überschriebene Erledigung an die "Verlassenschaft nach V".

Das Finanzamt richtete am eine mit "Einkommensteuerbescheid 2015" überschriebene Erledigung an die "Verlassenschaft nach V".

Das Finanzamt erließ am Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2015 und adressierte diese an "die Erben nach dem am Datum_1.2015 verstorbenen V; S1, S2; z. Hd. [den Beschwerdeführer]". Die Begründung lautet: "Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (1) BAO aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung. Die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen im Spruch bezeichneten Bescheid zu ersehen. Die Wiederaufnahme wurde unter Abwägung von Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründen (§ 20 BAO) verfügt. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse an der Rechtsrichtigkeit das Interesse auf Rechtsbeständigkeit. Die steuerlichen Auswirkungen können auch nicht als bloß geringfügig angesehen werden."

Ebenfalls am erließ das Finanzamt Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2015 und adressierte diese an "die Erben nach dem am Datum_1.2015 verstorbenen V; S1, S2; z. Hd. [des Beschwerdeführers]". In den Begründungen der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2015 wird jeweils auf die in Prüfungsbericht bzw. Niederschrift festgehaltenen Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen. Diesen Feststellungen folgend setzte das Finanzamt die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 2011 mit EUR 129.850,77 (anstelle von EUR 116.346,02 laut Erklärung bzw. im Erstbescheid); für das Jahr 2012 mit EUR 169.378,24 (anstelle von EUR 156.002,67 laut Erklärung bzw. im Erstbescheid); für das Jahr 2013 mit EUR 154.047,19 (anstelle von EUR 140.800,79 laut Erklärung bzw. im Erstbescheid); für das Jahr 2014 mit EUR 168.243,93 (anstelle von EUR 154.997,53 laut Erklärung) und für das Jahr 2015 mit EUR 48.721,27 (anstelle von EUR 45.409,69 laut Erklärung) fest. Die Zustellung dieser Bescheide an den Beschwerdeführer erfolgte am .

Im Bericht des Finanzamtes über das Ergebnis einer Außenprüfung vom zu ABNr_1 über die Zeiträume 2011 bis 2015 finden sich zur einzigen Feststellung folgende Ausführungen: "Im Zuge der Prüfung wurde festgestellt, dass die Vermietungsobjekte mit Übergabs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom an die Söhne S1 und S2 übergeben wurden. … Herr KR V ist aufgrund des Vertrages kein zivil- bzw. wirtschaftlicher Eigentümer der übergebenen Liegenschaften. Eine Absetzung für Abnutzung steht ihm … nicht mehr zu...".

In seinen Beschwerden vom brachte der Beschwerdeführer zur Wiederaufnahme des Verfahrens und zur Einkommensteuer jeweils vor: "Die Beschwerde richtet sich gegen die Erlassung des Bescheides, da ein Nichtbescheid vorliegt. Wir ersuchen die Behörde, den Wiederaufnahmebescheid ersatzlos aufzuheben. … Am wurde ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer … für die "Verl. n. V" erlassen. Mit selbem Datum ist ein geänderter Einkommensteuerbescheid … an die "Verl. V" mit einer Nachzahlung … ergangen. Am haben wir einen Antrag gem. § 299 BAO auf Aufhebung des Wiederaufnahmebescheides gemacht… Am wurde ein Abweisungsbescheid erlassen… Am wurde ein neuer Wiederaufnahmebescheid bzw. Einkommensteuerbescheid erlassen, gegen die mit diesem Schreiben Beschwerde erhoben wird… Der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens und der Einkommensteuerbescheid weisen zwei Ausstellungsdatum aus, oben das ursprüngliche, den und unten händisch den . Weiters wurde die Anschrift geändert, statt Verlassenschaft nach V jetzt "Die Erben nach dem am Datum_1.2015 verstorbenen V, S1, S2", zugestellt an [den Beschwerdeführer]. Dieselben Bescheide wurden auch an S1 gesandt, damit wurde 2x ein Einkommensteuerbescheid und Wiederaufnahmebescheid ausgestellt. Es ist nicht erkennbar, mit welchem Datum der Bescheid ausgestellt ist. In der Rechtsmittelbelehrung steht der . … Die Behörde geht durch die Erlassung neuer Bescheide wohl davon aus, dass die ursprünglichen Bescheide wegen der falschen Benennung des Abgabenpflichtigen bzw. falschen Zustellung, Nichtbescheide sind und diese Nichtbescheid durch die neuen Bescheide ersetzt werden soll. … Im Notariatsakt vom hat Herr KR V seinem Sohn S1 verschiedene Liegenschaften unter Vorbehalt des Fruchtgenusses übergeben. Der Notariatsakt war der Behörde bekannt. Im Notariatsakt war keine Abgeltung der Substanzminderung vereinbart und deshalb wurde im Rahmen der Betriebsprüfung die Abschreibung gestrichen. … Der einzige Wiederaufnahmegrund für den Einkommensteuerbescheid … war die Streichung der Abschreibung aufgrund des Vertrages. Der Vertrag war im Jahr 2000 unterzeichnet und der Behörde übermittelt, der Steuerpflichtige hatte bereits eine Betriebsprüfung, der Inhalt war der Behörde vollständig bekannt. Die Behörde korrigierte in der Betriebsprüfung ihre rechtliche Beurteilung eines vollständig bekannten Sachverhaltes. Das Finanzamt für Gebühren in Ort_2 hat am mit der Erfassungsnummer … Grunderwerbsteuer… und Schenkungssteuer … vorgeschrieben. Im Falle der Vorschreibung von Schenkungssteuer geht der Akt, der Vertrag, auch automatisch an das Einkommensteuerreferat. Vielleicht gibt es jetzt keinen Vertrag mehr im Akt, aber es hat diesen auf jeden Fall im Jahr 2000 gegeben."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerden allesamt ab und führte aus, dass das Datum kein Bescheidbestandteil sei, dessen Fehlen zum Verlust der Bescheidqualität führen würde. Die Vorlage des Notariatsaktes vom beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel in Ort_2 bringe keine Kenntnis des aktenführenden Finanzamtes im Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer mit sich. Der Notariatsakt habe sich zum Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide nicht bei den Verwaltungsakten befunden und sei dem Finanzamt erst im Zuge der durchgeführten Betriebsprüfung bekannt geworden.

Der Beschwerdeführer beantragte am die Vorlage seiner Beschwerde und brachte ergänzend vor: "Das fehlende Datum ist kein wesentlicher Bestandteil eines Bescheides, aber zwei verschiedene Daten aus zwei Jahren in einem Bescheid? Es liegen 3 Bescheide und 3 Wiederaufnahmebescheide über denselben Abgabenanspruch vor. Die Behörde geht auf diese Tatsache in der Begründung nicht ein. Zudem sind alle Bescheide an unterschiedliche Adressaten versandt bzw. Empfänger benannt."

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und führte weiter aus, dass entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht drei Bescheide über denselben Abgabenanspruch vorlägen. Da seitens der Erben kein Zustellungsbevollmächtigter genannt worden sei, habe das Finanzamt die Wiederaufnahme- und Festsetzungsbescheide an beide Erben erlassen. Die am ausgefertigten Erledigungen seien Nichtbescheide gewesen. Zum Wiederaufnahmegrund brachte das Finanzamt vor: "Beim Verstorbenen … fand im Jahr 2008 bereits eine Außenprüfung … für die Jahre 2004 bis 2006 … statt. Es ist weder aus dem Prüfungsbericht ableitbar, dass der damalige Prüfer Kenntnis über den gegenständlichen Vertrag hatte, noch existiert ein Aktenvermerk bzgl. der Übergabe des Vertrages im Rahmen dieser Prüfung. … Dieser wurde dem Finanzamt erstmals im Zuge der durchgeführten Betriebsprüfung bekannt. …".

Dieses Beschwerdeverfahren wurde der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung aufgrund des Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom abgenommen und mit Wirkung zum jener der einschreitenden Richterin zugeteilt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Komm.-Rat V, geboren am , ist am Datum_1.2015 verstorben. Die Verlassenschaft nach V wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Ort_1 vom zu AZ den Erben S1 und dem Beschwerdeführer und je zur Hälfte eingeantwortet.

Das Finanzamt richtete eine Reihe von mit datierten, als Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2015 und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2015 bezeichneten Schriftstücken an die Verlassenschaft nach V.

Mit Notariatsakt vom übertrug V das Eigentum an ihm gehörenden Liegenschaften an den Adressen Adresse_1, Adresse_2, Adresse_3 und Adresse_4 an seinen Sohn S1, dies unter Zurückbehaltung des Fruchtgenussrechtes. Vereinbarungen über eine vom Fruchtnießer an den Fruchtgenussbesteller zu leistende Abgeltung für Substanzminderung wurden nicht getroffen.

Dies ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist unstrittig.

Es ist nicht erwiesen, dass das ***FA*** am , am oder am bezogen auf die für die Veranlagung zur Einkommensteuer maßgeblichen Zeiträume der Kalenderjahre 2011, 2012 und 2013 Kenntnis davon hatte, dass V im Jahr 2000 das Eigentum an den Liegenschaften Adresse_1, Adresse_2, Adresse_3 und Adresse_4 unter Zurückbehaltung des Fruchtgenussrechtes übertragen hatte, ohne dass eine Abgeltung für Substanzminderung vereinbart wurde.

Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, das Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel Ort_2 habe am Grunderwerbsteuer und Schenkungssteuer für die Übertragung dieser Liegenschaften vorgeschrieben. Der Vertrag sei damals "auch automatisch an das Einkommensteuerreferat" übermittelt worden. Selbst wenn diese Übermittlung im Jahr 2000 tatsächlich erfolgt wäre, ist dadurch nicht erwiesen, dass der Notariatsakt sich auch noch zu den Zeitpunkten der Erlassung der Einkommensteuerbescheide für 2011, 2012 und 2013 noch bei den Akten des Finanzamtes befunden hätte. Das Finanzamt bringt dem gegenüber vor, dass es erst im Rahmen der Außenprüfung Kenntnis vom Inhalt des Notariatsaktes erlangt hat. Letzteres Vorbringen ist glaubwürdig, zumal der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, dass der Inhalt des Notariatsaktes für die Veranlagungsjahre 2011, 2012 und 2013 offengelegt worden wäre. Vielmehr wurden Abgabenerklärungen für die Jahre 2011, 2012 und 2013 beim Finanzamt eingereicht, in denen dem Inhalt des Notariatsaktes gerade keine Rechnung getragen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zur Bescheidqualität sämtlicher angefochtener Bescheide wendet der Beschwerdeführer ein, dass diese "zwei Ausstellungsdaten" aufwiesen. Tatsächlich nennen sämtliche angefochtenen Bescheide einerseits das Datum im Bescheidkopf und in der Rechtsmittelbelehrung, andererseits ist den Unterschriften jeweils das Datum händisch beigefügt.

Das Datum ist kein wesentlicher (bei seinem Fehlen zum Verlust der Bescheidqualität führender) Bestandteil eines Bescheides; die im Datum zum Ausdruck kommende Zeitangabe ist für den Eintritt der Rechtswirkungen ohne Bedeutung (Ritz/Koran, BAO, 7.A., Rz 26 zu § 93 mit Judikaturzitaten; aao, Rz 3 zu § 96). Die Rechtswirkungen sämtlicher bekämpften Bescheide wurden durch deren Bekanntgabe (Zustellung) an den Beschwerdeführer am begründet (§ 97 BAO).

Sämtliche angefochtenen Bescheide sind daher dem Beschwerdeführer als Erben nach V gegenüber wirksam ergangen. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass das Finanzamt mit datierte Erledigungen an die zu diesem Zeitpunkt längst eingeantwortete Verlassenschaft nach V gerichtet hat. Diese Erledigungen haben mangels eines tauglichen Bescheidadressaten keine Bescheidqualität und sind daher nicht geeignet, irgendwelche Rechtswirkungen auszulösen.

Zu Spruchpunkt I. (Wiederaufnahme des Verfahrens 2011 bis 2031 - Abweisung)

Gemäß § 303 Abs. 1 lit b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind, und wenn die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Das Neuhervorkommen von Tatsachen ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung aus Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen. Maßgebend ist der Wissensstand bezogen auf das jeweilige Veranlagungsjahr (Ritz/Koran, BAO, 7.A., Rz 30f zu § 303 mit Judikaturzitaten). Dem Vorbringen des Finanzamtes folgend ist die Tatsache, dass V im Jahr 2000 das Eigentum an vier Vermietungsobjekten unter Zurückbehaltung des Fruchtgenussrechtes, aber ohne Vereinbarung über eine Abgeltung der Substanzminderung, übertragen hatte, im Rahmen der Außenprüfung über die Zeiträume 2011 bis 2015 neu hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat kein Vorbringen dahin erstattet, dass diese Umstände dem Finanzamt bezogen auf die Veranlagungsjahre 2011, 2012 und 2013 schon zum Zeitpunkt der erstmaligen Abgabenfestsetzungen bekannt gewesen wären.

Daher waren die Beschwerden gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011, 2012 und 2013 abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Wiederaufnahme des Verfahrens 2014 und 2015 - Stattgabe)

Gemäß § 303 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren unter näher beschriebenen Voraussetzungen wiederaufgenommen werden.

Die als Einkommensteuerbescheid 2014 und Einkommensteuerbescheid 2015 bezeichneten Erledigungen des Finanzamtes vom und waren jeweils an die Verlassenschaft nach V gerichtet. Da die Verlassenschaft nach V zu diesen Zeitpunkten bereits eingeantwortet war und die beiden Erben demnach die Gesamtrechtsnachfolge nach V angetreten hatten, gingen diese beiden Erledigungen ins Leere und wurden nicht wirksam (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7.A., Rz 2 zu § 97 mit Judikaturzitaten).

Daher existierten keine durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren zur Festsetzung der Einkommensteuer 2014 und 2015. Eine Wiederaufnahme der Verfahren ist denkunmöglich. Der Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015 war daher Folge zu geben. Diese Bescheide waren aufzuheben.

  1. Zu Spruchpunkt III. (Einkommensteuer 2011 bis 2015)

Mit den die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2013 verfügenden Bescheiden waren gemäß § 307 Abs. 1 BAO neue Sachentscheidungen (Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2013) zu verbinden.

Da einerseits die Bescheide über die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2014 und 2015 ins Leere gingen, andererseits aber eine Festsetzung der Einkommensteuer für 2014 und 2015 noch nicht erfolgt war, besteht dem Sinn der BAO entsprechend bei dieser Sachlage keine Verbindung im Sinn des § 307 Abs. 1 BAO zwischen Wiederaufnahme- und Sachbescheid. Dies gilt umso mehr, als Wiederaufnahmebescheid und Sachbescheid getrennt voneinander rechtskraftfähig sind und getrennt angefochten werden können (Ritz/Koran, BAO, 7.A., Rz 7 zu § 307). Die Aufhebung der Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2014 und 2015 hat daher keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der (hier ebenfalls) bekämpften Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014 und 2015. Hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für 2014 und 2015 lagen zudem mit den am (für 2014) und am (für 2015) eingereichten Abgabenerklärungen unerledigte Anbringen (§ 85 Abs. 1 BAO) vor. Mit den Einkommensteuerbescheiden für 2014 und 2015 hat das Finanzamt eine erstmalige Festsetzung der Einkommensteuer vorgenommen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Absetzung für Abnutzung für Wirtschaftsgüter, die mit einem Fruchtgenuss belastet sind, nicht dem Fruchtgenussberechtigten, sondern dem zivilrechtlichen Eigentümer zusteht, es sei denn, dass dem Fruchtnießer die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers zukommt. Die Absetzung für Abnutzung soll nämlich dem Wertverzehr Rechnung tragen, welchen das Wirtschaftsgut bei seiner Verwendung zur Erzielung von Einkünften erfährt.

Dieser Wertverzehr trifft aber den Eigentümer des Wirtschaftsgutes und nicht denjenigen, der wie der Fruchtnießer ein fremdes Wirtschaftsgut zur Einkunftserzielung verwendet, weshalb im Regelfall, wenn nicht besondere vertragliche Gestaltungen dem Fruchtnießer eine eigentümerähnliche Rechtsstellung verschaffen, dem Fruchtnießer die AfA nicht zusteht (vgl. ).

Weder Beschwerde noch Vorlageantrag enthalten Vorbringen, welches Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung entstehen ließe. Der Beschwerdeführer gesteht ausdrücklich zu, dass im Notariatsakt über die Übergabe der Vermietungsobjekte unter Vorbehalt des Fruchtgenusses "keine Abgeltung der Substanzminderung vereinbart" worden war. Er behauptet nicht einmal, dass V in Bezug auf die vier Vermietungsobjekte eine eigentümerähnliche Stellung gehabt hätte. Daher hat das Finanzamt zu Recht die geltend gemachte Absetzung für Abnutzung für die vier Vermietungsobjekte nicht als Werbungskosten anerkannt, die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 bis 2015 waren daher abzuweisen.

  1. Zu Spruchpunkt IV. (Revisionszulässigkeit)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war im vorliegenden Fall nicht zu lösen. Die Würdigung des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100399.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at