Erhöhte Familienbeihilfe - Voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. LJ bescheinigt
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***RI*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Josef Koller, Herrenstraße 9, 4320 Perg, und VertretungsNetz - Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, Adamgasse 2a, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Familienbeihilfe ab 07/2012 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob dem im Jänner 1986 geborenen Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt), der durch einen Erwachsenenvertreter vertreten wird, die erhöhte Familienbeihilfe ab 07/2012 zusteht.
Der Bf. brachte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe sowie auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ein, wobei die rückwirkende Bewilligung im Höchstausmaß von 5 Jahren ab Feststellung der erheblichen Behinderung beantragt wurde. Die Anträge wurden vom Erwachsenenvertreter des Bf. unterfertigt.
Im über Ersuchen der belangten Behörde und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (kurz: "Sozialministeriumservice") erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde unter Hinweis auf Anamnese, angeführter vorgelegter Befunde und Untersuchungsbefund eine "paranoide Schizophrenie nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010), GdB 50% seit 03/2015, sowie eine leichte Intelligenzminderung nach der Richtsatzposition der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010), GdB 30 % seit 11/2006 festgestellt; der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 v. H. da die leichte Intelligenzminderung die maßgebliche Beeinträchtigung zusätzlich um eine Stufe steigert."
Ergebnis der durchgeführten Untersuchung:
Laut Gutachten habe es eine gewisse psychische Problematik bereits vor dem vollendetem 18. Lebensjahr gegeben. Vom Bundessozialamt sei 11/2006 eine mindestens 30 % ige Behinderung ohne Begutachtung bestätigt worden; ob die Behinderung vor dem vollendetem 21. Lebensjahr 50% betragen habe kann rückwirkend aufgrund der beigebrachten Befunde allgemein-medizinisch nicht beurteilt werden. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit sei laut Angaben des Klienten nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten, weil er von 2006 bis 2014 am allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt gewesen sei.
Mit Bescheid vom lehnte die belangte Behörde die Anträge mit der Begründung ab, dass gemäß der Bescheinigung des Sozialministeriumsservice vom der Grad der Behinderung ab mit 30 % und ab mit 60 % festgestellt worden sei, eine voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr allerding nicht bescheinigt worden sei.
Dagegen richtet sich die mit datierte Beschwerde mit der Begründung, dass eine 50%ige Behinderung sowie eine dauernde Erwerbsunfähigkeit schon vor dem 21. Lebensjahr vorgelegen habe. Der Bf. habe objektiv unrichtige Angaben bezüglich seiner durchgehenden Beschäftigung am regulären Arbeitsmarkt in den Jahren 2006 bis 2014 gemacht.
Zwischen August 2001 und März 2003 seien offenbar 2 Lehrverhältnisse begonnen, beide jedoch nach kurzer Zeit (20 Tage bzw. zweieinhalb Monate) wieder beendet worden und sei eine Anstellung im Rahmen eines Projektes in dem Jugendwohnheim, in dem er betreut wurde, erfolgt.
Anschließend seien dreieinhalb Jahre ohne Versicherungszeiten gegeben, was darauf schließen lasse, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Eingliederung in den Arbeitsmarkt erfolgt sei.
Auch die folgenden Beschäftigungsversuche seien letztlich gescheitert, auch wenn sie sich über mehrere Monate gezogen hätten.
Danach gäbe es neben Arbeitslosengeldbezug und Notstandshilfe nur mehr Zeiten als geringfügig beschäftigter Arbeiter, wobei diese Arbeitsverhältnisse überwiegend nur tageweise erfolgt seien und auch überwiegend nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzuordnen seien (Arbeitsgemeinschaft für Obdachlose, Verein zur Förderung von Arbeit und Beschäftigung).
Dieses Gesamtbild ergäbe, dass der Bf. schon seit seiner Kindheit dauernd erwerbsunfähig sei, zumal über einen längeren Zeitraum der Versuch einer Eingliederung des Bf. in das Erwerbsleben unternommen worden sei, dieser Versuch aber gescheitert sei. Ganz im Sinne des Punktes 02.01.5. der Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 sei daher die Voraussetzung, dass das Kind infolge körperlicher oder geistiger Behinderung voraussichtlich außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu schaffen, als gegeben anzunehmen.
Der Bf. beziehe eine Waisenpension. Voraussetzung für diesen Bezug der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus sei gemäß § 260 iVm § 252 Abs 2 Ziffer 3 ASVG, dass eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 18. Lebensjahr gegeben gewesen sei. Ein Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom zeige, dass die Erwerbsunfähigkeit beim Bf. bereits vor dem 18. Lebensjahr vorgelegen habe, sohin jedenfalls auch vor dem 21. Lebensjahr.
Im Gutachten vom der Dr. ***1***, FA für Psychiatrie und Neurologie, sei explizit ausgeführt worden, dass die paranoide Schizophrenie und leichte Intelligenzminderung ins Erwerbsleben eingebracht worden sei, also schon von Anfang an bestanden habe.
Schon daraus ergäbe sich, dass der Bf. generell Anspruch auf die Familienbeihilfe habe und auch Anspruch auf den Erhöhungsbetrag. Nach Ansicht dieser Beschwerde läge aber auch der Grad der Behinderung des Bf. schon vor seinem 21. Lebensjahr über 50%, da die paranoide Schizophrenie, die neben der Intelligenzminderung dafür verantwortlich sei, schon mit 11 Jahren aufgetreten und zu Aufenthalten in der Jugendpsychiatrie geführt habe.
Bereits im Jahre 2002 sei eine emotionale Störung des Kindesalters, eine Störung der Impulskontrolle, eine suizidale Krise, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine leichte IQ-Minderung festgestellt (Gutachten Seite 2) worden. Bereits im Alter von 14 Jahren habe der Drogenmissbrauch des Bf. begonnen.
Im Jahr 2003 habe durch den Bf. ein Aufenthalt in der "***Schule***" stattgefunden, eine Einrichtung, die ihren Auftrag "in ***5***" (Auszug aus Homepage www.***Schule***.de) habe.
Allein aus der Teilnahme an diesem Projekt ergäbe sich die bereits damals vorhandene schwere psychische Erkrankung des Bf. Sonst wäre er in dieses Projekt wohl nicht einbezogen worden.
Über Ersuchen der belangten Behörde und im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen wurde neuerlich ein ärztliches Sachverständigengutachten am erstellt. Die durchgeführte Begutachtung brachte folgendes Ergebnis:
GdB 30 liegt vor seit: 11/2006
GdB 50 liegt vor seit: 03/2015
Der Bf. sei dauernd außerstande sich den Unterhalt zu verschaffen, allerdings sei dieser Zustand nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten.
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom begründete die belangte Behörde wie folgt:
"Ab ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Für das Finanzamt ist daher das Sozialministeriumservice die einzige Untersuchungsinstanz. In der Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom wurden wiederum der Grad der Behinderung mit 60% und die dauernde Erwerbsunfähigkeit erst ab , im 30.Lebensjahr festgestellt. Die Beschwerde ist daher abzuweisen."
Mit Schreiben vom wurde die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht ohne weiteres inhaltliches Vorbringen beantragt und der Akt dem Gericht am zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:
Der 1986 geborene Beschwerdeführer ist laut diesbezüglicher Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zwar derzeit voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, dieser Zustand ist aber nicht vor dessen 21. Lebensjahr, sondern erst 2015 eingetreten.
Beweiswürdigung
Dieser als erwiesen angenommener Sachverhalt beruht auf den beiden seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten.
Zur Begründung warum diese beiden Gutachten als Beweismittel heranzuziehen sind:
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis , ausgeführt, dass sich aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 6 FLAG ergebe, dass der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern (bereits seit 1994) auch die (damit ja in der Regel unmittelbar zusammenhängende) Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt habe, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet werde und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spiele. Dem dürfte die Überlegung zugrunde liegen, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden könne. Damit könne auch berücksichtigt werden, dass gerade von behinderten Personen immer wieder - oft mehrmals - Versuche unternommen werden, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein würden. Der Gesetzgeber habe daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen sei. Die Beihilfenbehörden hätten bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und könnten von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung (sh. zB , und ) der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen; daraus folgt, dass auch das Bundesfinanzgericht für seine Entscheidungsfindung die ärztlichen Sachverständigengutachten heranzuziehen hat, sofern diese als schlüssig anzusehen sind. Es ist also im Rahmen dieses Beschwerdeverfahrens zu überprüfen, ob die erstellten Sachverständigengutachten diesem Kriterium entsprechen.
Die Gutachter haben bei ihrer Einschätzung sämtliche ihnen vorliegenden Unterlagen gewürdigt und hieraus die entsprechenden Schlüsse gezogen.
Die Lebensgeschichte des Bf. insb der Aufenthalt im Jugendheim, Besuch der ***Schule***, abgebrochene Lehre, häufig wechselnde kurze Beschäftigungsverhältnisse, sowie die Gutachten der Sachverständigen Dr. ***1***, Dr. ***2***, Dr. ***3*** sind in die Gutachten eingeflossen, vermochten allerdings an der Einschätzung der Gutachter im Hinblick auf die geforderte - vor vollendetem 21. Lebensjahr vorliegende - Erwerbsunfähigkeit nichts zu ändern. In beiden Gutachten wird eine Grad der Behinderung von 30 % ab 11/2006 bescheinigt (Diagnose: leichte Intelligenzminderung, posttraumatische Belastungsstörung im Kindesalter, emotionale Störung des Kindesalters; Beginn der psychischen Problematik bereits in der Kindheit und Jugend mit frühem Drogenbeginn und zunehmender Verwahrlosung bis hin zur Haftfälligkeit), aber keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr.
§ 6 Abs 2 lit d FLAG stellt darauf ab, dass der Vollwaise/Sozialwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Eine derartige geistige oder körperliche Behinderung kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit Längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 6 Abs 2 lit d FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl ).
Unter diesem Gesichtspunkt mag es zwar sein, dass bereits vor dem 21. Lebensjahr massive Beeinträchtigungen vorlagen. Es erscheint aber als schlüssig, dass die Erkrankung erst im Jahr 2015 (Jahr der Besachwalterung) einen derart erheblichen Grad erreicht hat, der zur (voraussichtlich) dauernden Erwerbsunfähigkeit geführt hat.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)
Nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungs-gesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
Das Bundesfinanzgericht hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO iVm § 2a BAO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.
Wie unter Punkt 2 ausgeführt, besteht eine Bindung der Abgabenbehörden und auch des Bundesfinanzgerichtes an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 erstellten Gutachten, sofern diese schlüssig sind. Wie oben dargestellt, ist die Schlüssigkeit der zwei im gegenständlichen Verfahren erstelltenSachverständigengutachten nicht in Zweifel zu ziehen.
Liegen keine Befunde für den Zeitraum vor 03/2015 vor, ist es einem Gutachter nicht möglich, bereits davor eine voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festzustellen, sofern kein Leidenszustand vorliegt, der eindeutig eine Erwerbsfähigkeit bereits von Vornherein ausschließt.
Beide Sachverständige konnten offensichtlich bezüglich der rückwirkenden Einstufung in den vom Bf. vorgelegten Befunden bzw. Gutachten keine Anhaltspunkte finden, dass bereits vor dem 21. Lebensjahr eine Erwerbsunfähigkeit bestanden hätte.
Immer dann, wenn eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice, wonach eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, nicht vorgelegt werden kann und daher der Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht festgestellt werden kann, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Bescheinigt das Sozialministeriumservice lege artis den Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres (vor Abschluss einer Berufsausbildung, aber vor Vollendung des 25. Lebensjahres) nicht, geht dies zu Lasten des Antragstellers (vgl ).
Zu den Einwendungen des Bf., dass er eine Waisenpension beziehe, welche eine Erwerbsunfähigkeit bestätige, die vor dem 18. Lebensjahr eingetreten sei und im Gutachten Dr. Dr. ***1*** ausgeführt werde, dass die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres bestehe, wenn und solange das Kind mit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder mit dem Ablauf des unter Punkt 11a genannten Zeitraumes (99 Monate) infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig sei, ist folgendes anzumerken:
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe können ex lege (§ 8 Abs. 6 FLAG 1967) ausschließlich nur durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesens aufgrund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachgewiesen werden.
Es vermag somit der vorgelegte Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PV) über den Waisenpensionsanspruch des Bf. der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, da als einziges Beweismittel über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und erhöhten Familienbeihilfe ein Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen ist.
Ein Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt kann des Weiteren nicht für die Zuerkennung der Familienbeihilfe herangezogen werden, da dieser im Zusammenhang mit der Erwerbsunfähigkeit lediglich auf Krankheit bzw. Gebrechen abstellt.
Somit steht dem Bf. weder der Grund - noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu, weshalb der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein konnte.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor. Sowohl VfGH als auch VwGH bejahen eine Bindung an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten. Die vom Bundesfinanzgericht durchzuführende Schlüssigkeitsprüfung betrifft keine Rechtsfrage, sondern ist Ausfluss der dem BFG obliegenden freien Beweiswürdigung.
Linz, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101331.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at