Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2022, RV/2100811/2020

Ausnahme vom besonderen Steuersatz gemäß Katalog des § 27a Abs. 2 EStG 1988

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch PKF Corti & Partner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Neubaugasse 55, 8020 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird - im Sinne der Beschwerdevorentscheidung - abgeändert und die Einkommensteuer 2015 mit € 155.494,- festgesetzt.

Hinsichtlich der Ermittlung der maßgeblichen Bemessungsgrundlage sowie der Abgabenschuld wird auf die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom verwiesen; diese bildet insoweit einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Vertrag vom veräußerte der Beschwerdeführer (Bf.) ein Optionsrecht (Kaufoption) um den Betrag von € 200.000,-.

Nach einer beim Bf. durchgeführten Außenprüfung brachte das Finanzamt den oa. Betrag im angefochtenen Bescheid als "Einkünfte aus Leistungen" (§ 29 Z 3 EStG) in Ansatz und besteuerte diesen zum allgemeinen Einkommensteuertarif nach § 33 EStG.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde machte der Bf. geltend, der gegenständliche Veräußerungsvorgang sei richtigerweise unter § 27 Abs. 4 Z 3 EStG zu subsumieren. Der genannte Betrag unterliege folglich dem besonderen Steuersatz nach § 27a Abs. 1 Z 2 EStG.

In der Beschwerdevorentscheidung folgte das Finanzamt dem Rechtsstandpunkt des Bf., es würden Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG vorliegen. Es seien aber zwei Ausnahmen im Katalog des § 27a Abs. 2 EStG zu beachten, welchen zufolge der zur Beurteilung stehende Betrag vom besonderen Steuersatz ausgeschlossen sei.

Das Finanzamt führte dazu in seiner Begründung (auszugsweise wörtlich wieder gegeben) Folgendes aus:

"(…) Erstens gilt gemäß § 27a Abs 2 Z 7 EStG 1988 der besondere Steuersatz grundsätzlich nicht für Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten ("Verbriefungs-Kriterium"). Dies gilt nicht, wenn eine der in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 genannten Einrichtungen eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer freiwillig einbehält und abführt; diesfalls sind § 95 Abs. 1 und § 97 EStG 1988 sinngemäß anzuwenden.

Zweitens gilt gemäß § 27a Abs 2 Z 2 TS 1 EStG 1988 der besondere Steuersatz nicht für Einkünfte aus Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen, wenn diese bei ihrer Begebung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht keinem unbestimmten Personenkreis angeboten werden ("Public-Placement-Kriterium").

Wie angeführt sieht § 27a Abs 2 Z 7 EStG grundsätzlich einen Ausschluss von Einkünften aus nicht verbrieften Derivaten vom besonderen Steuersatz vor. (…)

Eine Verbriefung des Optionsrechtes liegt gegenständlich nicht vor, es handelt sich somit um ein unverbrieftes Derivat. Ein Steuerabzug durch eine der in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 genannten Einrichtungen erfolgte bei der Veräußerung nicht. Die Veräußerung des nicht verbrieften Derivats unterliegt somit nicht dem besonderen Steuersatz des § 27a Abs 1 EStG 1988, sondern der Tarifbesteuerung des § 33 Abs 1 EStG 1988.

Doch selbst wenn gegenständlich ein verbrieftes Derivat vorliegen würde, was nicht der Fall ist, wäre dies vom besonderen Steuersatz ausgeschlossen, da ein solches bei der Begebung nicht in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten wurde.

Im Ergebnis hat somit die Besteuerung der Einkünfte aus der Veräußerung des Derivats zum allgemeinen Einkommensteuertarif zu erfolgen. (…)"

Mit seinem Vorlageantrag wendet sich der Bf. (allein) "gegen die Aberkennung des besonderen Steuersatzes iHv. 27,5% für Einkünfte aus Kapitalvermögen (…) gemäß § 27a Abs. 1 EStG". Im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Besteuerung verbriefter und nicht verbriefter Derivate bestünden verfassungsrechtliche Bedenken auf Grund des Sachlichkeitsgebotes.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 27a Abs. 1 EStG (in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung BGBl. I 118/2015) lautet:

"Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen

1. im Fall von Geldeinlagen und nicht verbrieften sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten, ausgenommen Ausgleichzahlungen und Leihgebühren gemäß § 27 Abs. 5 Z 4, einem besonderen Steuersatz von 25%,
2. in allen anderen Fällen einem besonderen Steuersatz von 27,5%

und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 5) anzuwenden ist. (…)"

Nach § 27a Abs. 2 EStG (in der hier maßgeblichen Fassung) gilt Abs. 1 ua. nicht für:

  • Einkünfte aus Wertpapieren, die ein Forderungsrecht verbriefen, Anteilscheinen und Anteilen an einem § 40 oder § 42 des Immobilien-Investmentfondsgesetzes unterliegenden Gebilde einschließlich der als ausgeschüttet geltenden Erträge, wenn diese bei ihrer Begebung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht keinem unbestimmten Personenkreis angeboten werden (Z 2); sowie für

  • Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 4. Dies gilt nicht, wenn eine der in § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b genannten Einrichtungen eine der Kapitalertragsteuer entsprechende Steuer freiwillig einbehält und abführt; diesfalls sind § 95 Abs. 1 und § 97 sinngemäß anzuwenden (Z 7).

Vor dem BFG bekämpft der Bf. nur noch die Anwendung des allgemeinen Steuertarifes auf den oa. Betrag von € 200.000,-. Es bestreitet nicht, dass die von ihm erzielten Einkünfte als solche aus nicht verbrieften Derivaten anzusehen sind und somit unter die Ausnahmebestimmung des § 27a Abs. 2 Z 7 EStG fallen (im Übrigen wird auch das Vorliegen des zweiten vom Finanzamt herangezogenen Ausnahmetatbestandes des § 27a Abs. 2 Z 2 leg. cit. nicht in Streit gezogen). Der Bf. macht allein - nicht näher ausgeführte - verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf das Sachlichkeitsgebot geltend.

Der Bf. stellte im Vorlageantrag vom in Aussicht, eine detaillierte Begründung nachzureichen. Auf Grund der Komplexität der Rechtsfrage (bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Besteuerung verbriefter und nicht verbriefter Derivate) sei für Zwecke der vollständigen Beurteilung ein Rechtsanwalt beigezogen worden.

Eine "vollständig ausformulierte Begründung" wurde bislang nicht vorgelegt. Ein weiteres Zuwarten des BFG auf eine allfällige ergänzende und detailliertere Begründung des Vorlageantrages konnte jedoch in Anbetracht des dargestellten Verfahrensganges bzw. insbesondere des Vorbringens im Vorlageantrag auf sich beruhen:

Abgesehen davon, dass ein Vorlageantrag nicht begründet werden muss (zB ), ist das BFG gemäß § 1 BFGG nicht dazu befugt, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu befinden. Vielmehr ist es gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen zu erkennen. Die Entscheidung darüber, ob Gesetze der Verfassung entsprechen, obliegt (allein) dem VfGH.

Das BFG kann allerdings bei entsprechend begründeten Bedenken einen Antrag auf Normenkontrolle an den VfGH stellen. Bedenken zur Verfassungskonformität einer anzuwendenden Norm liegen dann vor, wenn Zweifel an der Verfassungskonformität der Gesetzesbestimmung bestehen. Dies ist nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen, wobei auf die Art der Norm, ihre Position im Normenzusammenhang und die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen ist (Heinrich, BFGjournal, 2020, 9; ).

Das Finanzamt hat bereits in seinem Vorlagebericht an das BFG auf den (einschlägigen) , verwiesen.

Darin sprach der VfGH ua. aus: "Dem Gesetzgeber kann im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nicht entgegengetreten werden, wenn er an Einkünfte aus nicht verbrieften Derivaten sowie Einkünfte aus verbrieften Derivaten im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unterschiedliche steuerrechtliche Folgen knüpft (vgl. VfSlg. 19.933/2014).

Außerdem ist der Verweis in § 27a Abs. 2 Z 7 zweiter Satz EStG 1988 auf § 95 Abs. 2 Z 2 lit. b EStG 1988 jedenfalls einer Auslegung zugänglich und entspricht daher den Anforderungen des Art. 18 B-VG (vgl. VfSlg. 20.128/2016)."

In Anbetracht dieses Beschlusses bestand für das BFG kein Anlass, Zweifel an der Verfassungskonformität jener Gesetzesbestimmungen zu hegen, die für verbriefte und nicht verbriefte Derivate unterschiedliche steuerrechtliche Folgen vorsehen. Der Bf. zieht jedoch allein diese unterschiedlich geregelte Besteuerung zur Begründung seines Vorlageantrages heran.

Ungeachtet der Tatsache, dass das BFG nicht dazu berufen ist, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden, war auf Grund des zitierten VfGH-Beschlusses letztlich aber auch ein Antrag auf Normenkontrolle nicht in Betracht zu ziehen.

Der strittige Betrag war daher - wie in der Beschwerdevorentscheidung - mit dem "normalen" Tarif der Einkommensteuer zu unterwerfen.

Zur Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall konnte sich das BFG auf den Wortlaut der für den Streitfall maßgeblichen Bestimmung des § 27a Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl. I 118/2015 stützen, deren Anwendbarkeit im Übrigen auch vom Bf. nicht in Zweifel gezogen wurde.

Hinsichtlich der geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken konnte auf den verwiesen werden.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im oa. Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG lag sohin nicht vor, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100811.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at