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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2022, RV/7100264/2022

1. Wurde Beschwerdevorentscheidung ordnungsgemäß signiert? 2. Haftungsvoraussetzungen, Ermessen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr Georg Kahlig Rechtsanwalt GmbH, Siebensterngasse 42-44 Tür 3, 1070 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehemaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, Steuernummer ***xxx***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung auf folgende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 6.423,09 anstatt bisher € 19.560,18 eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Umsatzsteuer
03/13
456,97
Umsatzsteuer
04/13
1.964,05
Umsatzsteuer
05/13
2.954,25
Körperschaftsteuer
07-09/13
125,5
Lohnsteuer
07/13
308,51
Dienstgeberbeitrag
07/13
108,20
Zuschlag zum DB
07/13
9,62
Verspätungszuschlag
03/13
128,29
Verspätungszuschlag
04/13
157,13
Lohnsteuer
08/13
122,03
Dienstgeberbeitrag
08/13
81,31
Zuschlag zum DB
08/13
7,23
Summe
6.423,09

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Haftungsbescheid:

Mit Bescheid des ehemaligen Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma ***XY*** GmbH in Liquidation im Ausmaß von 19.560,18 Euro als Haftungspflichtiger in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Diese Abgabenschuldigkeiten gliedern sich wie folgt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Umsatzsteuer
03/13
913,94
Umsatzsteuer
04/13
3.928,10
Umsatzsteuer
05/13
5.908,50
Körperschaftsteuer
07-09/13
251,00
Lohnsteuer
07/13
617,02
Dienstgeberbeitrag
07/13
216,40
Zuschlag zum DB
07/13
19,24
Verspätungszuschlag
03/13
256,57
Verspätungszuschlag
04/13
314,25
Lohnsteuer
08/13
244,06
Dienstgeberbeitrag
08/13
162,62
Zuschlag zum DB
08/13
14,45
Lohnsteuer
09/13
5.045,26
Lohnsteuer
09/13
999,12
Zuschlag zum DB
09/13
88,81
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
64,14
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
78,56
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
118,17
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
100,91
Säumniszuschlag2 (SZB)
2013
59,08
Säumniszuschlag2 (SZB)
2013
50,45
Säumniszuschlag3 (SZC)
2013
59,08
Säumniszuschlag3 (SZC)
2013
50,45
Summe:
19.560,18

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"1., Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

2., Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

3., Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

4., Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

5., Sie waren im Zeitraum von ***Datum1*** bis ***Datum2*** unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer und seit Datum3 Liquidator der ***XY*** GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

6., Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UstG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg. cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Für folgende Zeiträume - siehe Haftungsbescheid - wurde die Umsatzsteuer gemeldet, festgesetzt bzw. rechtskräftig veranlagt, jedoch nicht entrichtet.

7., In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers ist, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf (, 0038). Demnach haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

8., Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer ist festzuhalten, dass gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten hat. Es wäre Ihre Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Sie hingegen haben die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es wird in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg. cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, verpflichtet ist, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden, niedrigeren Betrag, zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung ist jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0085).

9., Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral sind, ist es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet wurden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht. Außerdem trifft den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO), die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg. cit.) wie den Abgabenpflichtigen, so dass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen hat. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer hat daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen. Außerdem hat er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt hat (vgl. Erk. des ZI. 84/13/0198; vom , ZI. 85/17/0035 und vom , ZI. 87/14/0148). Da Sie Ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.

10., Letztlich wird auf die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 BAO verwiesen, wonach sich persönliche Haftungen auch auf Nebenansprüche erstrecken.

11., Die Schuldhaftigkeit ist damit zu begründen, dass durch Ihr pflichtwidriges Verhalten als Vertreter der Gesellschaft, die Uneinbringlichkeit eingetreten ist. Weiters sind Sie Ihrer Verpflichtung, Behauptungen und Beweisanbote zu Ihrer Entlastung darzutun, nicht nachgekommen, daher war wie im Spruch zu entscheiden.

12., Die Vermögenslosigkeit der o.a. Firma ist daraus ersichtlich, dass ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses vom Handelsgericht Wien mit Beschluss vom ***Datum4*** mangels Vermögens abgewiesen wurde."

*****

Bescheidbeschwerde:

Mit der dagegen mit Schriftsatz vom fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde der Haftungsbescheid seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

Der Bf. hafte für allfällige Abgabenrückstände der GmbH nicht, ihn treffe an der Nichtentrichtung der Abgaben kein Verschulden.

Die GmbH sei spätestens im April 2013 völlig mittellos gewesen.

Dies ergebe sich schon daraus, dass die Republik Österreich aufgrund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises vom einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt habe, welcher am ***Datum4*** mangels Kostendeckung abgewiesen worden sei. Die GmbH habe nicht einmal über Mittel von € 4.000,00 zur Deckung der Kosten eines allfälligen Konkursverfahrens verfügt.

Seit spätestens April 2013 sei daher das Finanzamt mit allen anderen Gläubigern gleich behandelt worden, nämlich durch gänzliche Nichtzahlung.

Zudem dürfe ausgeführt werden, dass die Steuerrückstände, wie sie im Haftungsbescheid angeführt seien, nicht nachvollziehbar seien.

Mit Erklärung vom ***Datum5*** sei der Bf. sodann als Geschäftsführer bzw. Liquidator zurückgetreten.

Der diesbezügliche Firmenbuchantrag auf Löschung sei am ***Datum6*** beim Handelsgericht Wien eingelangt.

Es werde daher der Antrag gestellt, dieser Beschwerde stattzugeben und den Haftungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben.

Wie der belangten Behörde bekannt sein dürfte, habe sich der Bf. auch in Privatkonkurs befunden. Er sei daher völlig mittellos. Er sei daher auch nicht in der Lage, einen Steuerberater oder Rechtsanwalt in einer solchen Art und Weise zu beschäftigen, um im weiteren Verfahren allen Anforderungen des Gesetzes zum Nachweis der Erfüllung aller Sorgfaltspflichten zu erfüllen.

Der Bf. biete daher nachfolgenden Vergleich an:

Der Bf. bezahle EUR 500,00 in monatlichen Raten à EUR 100,00, beginnend mit , die Folgeraten an den 1. der nachfolgenden Monate.

Mit Bezahlung dieses Betrages seien sämtliche Forderungen des Finanzamtes gegenüber dem Bf., resultierend aus seiner Geschäftstätigkeit als Geschäftsführer für die ***XY*** GmbH, bereinigt und verglichen.

Der Bf. habe zudem Informationen darüber, dass bei einer österreichischen Bank noch EUR 3.500,00 auf einem Konto der ***XY*** GmbH lägen. Offensichtlich wolle die Bank dieses Geld 30 Jahre aufbewahren um es nach 30 Jahren stillschweigend einverleiben zu können.

Dieser Betrag könne vom Finanzamt im Wege einer Forderungsexekution gepfändet werden und die Bank zur Auszahlung gezwungen werden.

*****

Beschwerdevorentscheidung:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt Österreich als Rechtsnachfolger des Finanzamtes Wien 4/5/10 die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid als unbegründet ab und führte aus:

"Mangels Kostendeckung wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der ***XY*** GmbH mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum4*** abgewiesen.

Dies bedeutet, dass die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich geworden sind.

Damit ist der Tatbestand der Ausfallshaftung gem. § 9 BAO gegeben.

Handelsrechtlicher Geschäftsführer, sowie Liquidator, war Herr ***Bf1***, geb. ***Datum7***.

Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung (z.B. , 91/13/0038).

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehört des Weiteren - abgesehen von der zeitgerechten Entrichtung - die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen und die pünktliche Einreichung von Abgabenerklärungen ().

Bei Uneinbringlichkeit von Abgabenschulden einer Gesellschaft muss der Geschäftsführer beweisen, dass er für eine rechtzeitige und gleichmäßige Abgabenentrichtung durch die Gesellschaft gesorgt hat (; ÖStZB 1999, 301). Andernfalls wird schuldhafte Pflichtverletzung vermutet. Hatten die Gesellschaftsmittel zur Befriedigung der Abgabenschulden nicht ausgereicht, so muss der GF im Haftungsverfahren nachweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat.

Die in der Beschwerde angeführten Beweise reichen für eine stattgebende Erledigung nicht aus. Weiterführende Beweise (z.B. dementsprechende Kontoauszüge) wurden nicht beigebracht.

Für eine Haftungsbefreiung reicht es jedoch noch nicht aus, wenn der Geschäftsführer gleiche Zahlungsquoten zu den Fälligkeitstagen nachweist, er muss auch nachweisen, welche Mittel ihm zu den Fälligkeitstagen zur Verfügung gestanden sind (, ÖStZB 2004/441, 465).

Demnach haftet der Geschäftsführer auch dann für den gesamten Abgabenausfall, wenn zwar weniger Mittel zur Befriedigung der Gläubiger vorhanden waren, aber der Geschäftsführer diese Mittel nicht zur anteiligen Befriedigung der Abgabenschulden verwendet hat.

Der Geschäftsführer hat darzutun, aus welchen Gründen ihm eine Erfüllung der Abgabenpflichten nicht möglich war. Tut er das nicht, so darf die Behörde annehmen, dass er schuldhaft seine Pflichten verletzt hat (, ÖStZB 2002/65; , 2000/14/0149, ÖStZB 2002/293). Da für eine Haftung bereits leichte Fahrlässigkeit genügt, hat der Geschäftsführer zu beweisen, dass ihn nicht einmal leichte Fahrlässigkeit trifft (, ÖStZB 2001/318). In diesem Sinne trägt der Geschäftsführer auch die Beweislast dafür, dass die Gesellschaft keine ausreichenden Mittel mehr hatte, um die Steuerschulden zu zahlen (, ÖStZB 2002/160).

Bei schuldhafter Pflichtverletzung darf die Behörde auch vermuten, dass diese Pflichtverletzung auch kausal war für den Abgabenausfall (, ÖStZB 2002/820).

Dem Geschäftsführer fällt auch als Verschulden zu Last, wenn er an Dienstnehmer Löhne auszahlt, ohne die darauf entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt zu entrichten (, ÖStZB 2002/248; ).

Verletzt der Geschäftsführer seine Pflichten, so erlischt die daraus schon entstandene Haftung für Steuerschulden nicht damit, dass der Geschäftsführer aus seiner Funktion ausscheidet (; ÖStZB 2000/287)."

*****

Vorlageantrag

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Bf. durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht, ohne sein bisheriges Vorringen zu ergänzen.

*****

Vorlagebericht:

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte aus:

"Sachverhalt:

Der Bf. war von ***Datum1*** bis ***Datum8*** als handelsrechtlicher Geschäftsführer der ***XY*** GmbH in Liquidation im Firmenbuch eingetragen. Mit Beschluss vom ***Datum4*** wurde der Insolvenzantrag der GmbH mangels Kostendeckung abgewiesen. Die ***XY*** GmbH in Liquidation wurde am ***Datum9*** gemäß § 40 FBG aus dem Firmenbuch gelöscht. Mit Haftungsbescheid vom wurde der Bf für Abgabenschuldigkeiten der og Primärschuldnerin iHv EUR 19.560,18 gemäß § 9 iVm §§ 80 ff BAO zur Haftung herangezogen. Am erhob der Bf. Beschwerde gegen den Haftungsbescheid. Mit einer als Beschwerdevorentscheidung intendierten Enunziation vom sollte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden. Mangels Unterfertigung oder Anbringung einer Amtssignatur konnte diese Enunziation jedoch nicht wirksam werden, weshalb die Beschwerde vorerst unerledigt blieb. (Anmerkung: Die Beschwerde wurde mittlerweile mit Beschwerdevorentscheidung vom erledigt.) Der Bf. brachte am einen Vorlageantrag ein.

Beweismittel: Als Beweismittel dienen die vorgelegten Aktenbestandteile, insbesondere die als BVE intendierte Enunziation.

Stellungnahme: Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten. § 260 Abs. 1 BAO normiert, dass eine Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung oder Beschluss zurückzuweisen ist, wenn diese nicht zulässig ist, oder nicht fristgerecht eingebracht wurde. Eine Bescheidbeschwerde darf gemäß § 260 Abs. 2 BAO nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde. Gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist § 260 Abs. 1 BAO sinngemäß auch auf Vorlageanträge anzuwenden. Eine sinngemäße Anwendung des § 260 Abs. 2 BAO ist hingegen nicht normiert. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich die zwingende Zurückweisung von verfrüht eingebrachten Vorlageanträgen durch das Bundesfinanzgericht. Der verfahrensgegenständliche Vorlageantrag vom wurde bereits vor Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung eingebracht. Das Finanzamt Österreich beantragt daher die Zurückweisung des Vorlageantrags."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Erging die Beschwerdevorentscheidung rechtskonform?

Im Vorlagebericht vertritt die belangte Behörde die Ansicht, dass die Beschwerdevorentscheidung vom mangels Unterfertigung oder Anbringung einer Amtssignatur unwirksam sei.

Aufgrund der vorliegenden Ausfertigung der Beschwerdevorentscheidung konnte das BFG feststellen, dass diese eine elektronische Signatur des für die Erledigung der Beschwerde approbationsbefugten Bediensteten (Organwalters) des Finanzamtes enthält.

Rechtslage:

Gemäß § 96 Abs. 1 BAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist.

Gemäß § 96 Abs. 2 BAO bedürfen Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, wozu jedenfalls auch Ausfertigungen in Form von mit einer Amtssignatur gemäß § 19 E-Government-Gesetz versehenen elektronischen Dokumenten zählen, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt. Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen erfüllen.

Artikel 25 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eidas-VO) lautet:

"Rechtswirkung elektronischer Signaturen

(1) Einer elektronischen Signatur darf die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegt oder weil sie die Anforderungen an qualifizierte elektronische Signaturen nicht erfüllt.

(2) Eine qualifizierte elektronische Signatur hat die gleiche Rechtswirkung wie eine handschriftliche Unterschrift.

(3) Eine qualifizierte elektronische Signatur, die auf einem in einem Mitgliedstaat ausgestellten qualifizierten Zertifikat beruht, wird in allen anderen Mitgliedstaaten als qualifizierte elektronische Signatur anerkannt."

Die Amtssignatur bezieht sich § 96 Abs. 2 BAO zufolge nur auf nur auf Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und versendet wurden.

Alle anderen Schriftstücke (Bescheid, Beschwerdevorentscheidung) müssen gemäß § 96 Abs. 1 BAO eine Unterschrift des Verantwortlichen (Genehmigers) enthalten, wobei eine elektronische Signatur gemäß Art. 25 Abs. 2 eidas-VO die gleiche Rechtswirkung hat wie eine handschriftliche Unterschrift.

Die hier vorliegende Beschwerdevorentscheidung vom wurde nicht mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt und versendet, sondern vom zeichnungsberechtigten Bediensteten per Dienstausweis und PIN mittels pdf-over signiert, somit elektronisch unterfertigt und mittels Rsb durch das Finanzamt versendet. Die Erledigung vom enthält die Bezeichnung der Behörde, das Datum und die Unterschrift eines dazu berechtigten Finanzbediensteten und stellt damit eine rechtswirksame Beschwerdevorentscheidung dar. Der Bf. war somit berechtigt, einen Vorlageantrag einzubringen.

Selbst wenn die BVE vom mangels Unterschrift keine rechtliche Wirkung entfalten würde, wäre der Vorlageantrag dennoch nicht unzulässig, da das Finanzamt, wie aus dem Vorlagebericht ersichtlich, am eine neuerliche (inhaltsgleiche) mit Amtssignatur versehene Beschwerdevorentscheidung an den Bf. abgefertigt hat.

Dazu wird auf das Erkenntnis des verwiesen, in dem ausgeführt wird:

"Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom , 89/14/0122, ausgesprochen hat, entfaltet die Einbringung eines Vorlageantrages vor Bekanntgabe der Berufungsvorentscheidung keine rechtliche Wirkung, zumal § 276 BAO keine dem § 273 Abs. 2 BAO entsprechende Bestimmung enthält. Der Verwaltungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest. Mit einer derartigen gesetzlichen Regelung, nach der einem vorzeitigen Vorlageantrag keine Wirkung beigemessen wird, soll offenkundig bewirkt werden, dass die Befugnis des Finanzamtes zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung nicht beeinträchtigt wird. Der teleologische Hintergrund der Regelung ist weiters darin zu erblicken, dass sich die Partei, bevor sie einen Vorlageantrag stellt, mit der Berufungsvorentscheidung auseinander setzen soll. Aus diesem Zweck der Regelung ergibt sich aber für den Beschwerdefall Folgendes:

Im Beschwerdefall enthalten die Bescheide vom (Berufungsvorentscheidungen) die Ankündigung, dass eine gesonderte Bescheidbegründung ergehe. Diese gesonderte Bescheidbegründung vom ist der Beschwerdeführerin (lange) vor den Berufungsentscheidungen bekannt gegeben worden. Nach dieser Bekanntgabe der Begründung - in dieser wird im Übrigen einleitend ausgeführt, die Berufungsentscheidungen seien bereits an die Beschwerdeführerin abgefertigt worden -, aber vor der tatsächlichen Bekanntgabe der Berufungsvorentscheidungen hat die Beschwerdeführerin den Vorlageantrag gestellt.

Mit der Zustellung der Bescheidbegründung ist der Bescheid zwar noch nicht erlassen, aus der Bescheidbegründung ersieht die Partei aber bereits, dass das Finanzamt von seiner im Ermessen liegenden Befugnis auf Erlassung einer Berufungsvorentscheidung Gebrauch macht und in welcher Weise es die Entscheidung trifft. Ein nach Zustellung der Begründung zur Berufungsvorentscheidung gestellter Vorlageantrag beeinträchtigt nicht die Entscheidungsbefugnis des Finanzamtes und verhindert auch nicht, dass sich der Berufungswerber mit dem - in der Begründung erläuterten - Inhalt der Entscheidung auseinander setzt.

Im Hinblick auf den Zweck der Regelung gelangt der Verwaltungsgerichtshof daher zu der Auffassung, dass ein nach Bekanntgabe der gesonderten Begründung zur Berufungsvorentscheidung eingebrachter Vorlageantrag nicht unwirksam ist."

Selbst wenn die BVE vom rechtsunwirksam gewesen wäre, hätte sie den Bf. in die Lage versetzt, einen Vorlageantrag einzubringen.

Da eine rechtswirksame Beschwerdevorentscheidung ergangen ist und der Bf. damit zur Einbringung eines Vorlageantrages berechtigt war, ist in der Sache zu entscheiden.

Haftung:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

I.) Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen:

Die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen und Lohnabgaben beruhen auf Meldungen der GmbH, die übrigen Abgabschuldigkeiten auf bescheidmäßigen Festsetzungen. Die Bescheide wurden dem Haftungsbescheid beigelegt (Siehe Haftungsbescheid: "Bescheide als Beilage anbei!").

Gemäß der vorliegenden Kontoabfrage haften die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten am Abgabenkonto der Firma unberichtigt aus.

Dem Vorbringen, dass die Steuerrückstände, wie sie im Haftungsbescheid angeführt seien, nicht nachvollziehbar seien, kann nicht gefolgt werden, da die Höhe der selbstgemeldeten Abgabenschuldigkeiten, sowie deren Bemessungsgrundlagen in den Büchern der Gesellschaft ersichtlich sein müssen.

Im Übrigen sind Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Haftenden und der Abgabenbehörde darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, nicht im Haftungsverfahren, sondern in einem durch einen Antrag auf Erlassung eines Abrechnungsbescheides gemäß § 216 BAO ausgelösten Verfahren zu entscheiden (z.B. ).

II.) Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin

Gemäß dem vorliegenden Firmenbuchauszug wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***Datum4*** über die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens die ***XY*** GmbH aufgelöst und der Bf., der als Geschäftsführer fungierte, zum Liquidator bestellt.

Am ***Datum6*** erging durch das Gericht ein neuerlicher Beschluss über die Nichteröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens, am ***Datum9*** wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben sind daher bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

III. Stellung als Vertreter

Gemäß dem vorliegenden Firmenbuchauszug vertrat der Bf. die Gesellschaft ab ***Datum1*** als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer, ab Datum3 als deren Liquidator.

Mit Erklärung vom ***Datum5*** erklärte der Bf. gegenüber der Gesellschaft seinen Rücktritt, die Löschung der Funktion im Firmenbuch erfolgte am ***Datum10***.

Der Eintragung im Firmenbuch kommt bloß deklarativer Wirkung zu. Daher fungierte der Bf. bis zum ***Datum5*** als Geschäftsführer/Liquidator und zählt somit zum Kreis der im § 80 Abs. 1 BAO genannten gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, welche - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - gemäß § 9 BAO zur Haftung herangezogen werden können.

IV. Schuldhafte Pflichtverletzung

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Im Haftungsverfahren ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtungen aus den Mittel der Gesellschaft Sorge zu tragen, so hat die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war.

Der Geschäftsführer haftet jedenfalls für Abgabenschulden, die im Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit fällig wurden. Für Abgabenschuldigkeiten, die nach der Beendigung der Funktion fällig wurden, besteht in der Regel keine Haftung, da er für die Entrichtung nicht mehr verantwortlich ist.

Wie bereits ausgeführt, endete die Funktion des Bf. als Liquidator mit ***Datum5***, daher kann er für folgende Abgabenschuldigkeiten, die in der Folge fällig wurden, nicht zur Haftung herangezogen werden:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Lohnsteuer
09/13
5.045,26
Lohnsteuer
09/13
999,12
Zuschlag zum DB
09/13
88,81
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
64,14
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
78,56
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
118,17
Säumniszuschlag1 (SZA)
2013
100,91
Säumniszuschlag2 (SZB)
2013
59,08
Säumniszuschlag2 (SZB)
2013
50,45
Säumniszuschlag3 (SZC)
2013
59,08
Säumniszuschlag3 (SZC)
2013
50,45
Summe:
6.714,03

Somit verbleiben für eine weitere Prüfung der Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme des Bf. folgende Abgabenschuldigkeiten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag [Euro]
Umsatzsteuer
03/13
913,94
Umsatzsteuer
04/13
3.928,10
Umsatzsteuer
05/13
5.908,50
Körperschaftsteuer
07-09/13
251,00
Lohnsteuer
07/13
617,02
Dienstgeberbeitrag
07/13
216,40
Zuschlag zum DB
07/13
19,24
Verspätungszuschlag
03/13
256,57
Verspätungszuschlag
04/13
314,25
Lohnsteuer
08/13
244,06
Dienstgeberbeitrag
08/13
162,62
Zuschlag zum DB
08/13
14,45
Summe
12.846,15

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. (vgl. ).

Der Geschäftsführer hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Es hat nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2008/15/0283).

Der Bf. bringt vor, dass die Gesellschaft ab April 2013 völlig mittellos gewesen sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Republik Österreich aufgrund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises vom einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt habe, welcher am ***Datum4*** mangels Kostendeckung abgewiesen worden sei. Die GmbH habe nicht einmal über Mittel von € 4.000,00 zur Deckung der Kosten eines allfälligen Konkursverfahrens verfügt.

Seit spätestens April 2013 sei daher das Finanzamt mit allen anderen Gläubigern gleich behandelt worden, nämlich durch gänzliche Nichtzahlung.

Dem ist entgegenzuhalten:

Bei Prüfung der Gleichbehandlung des Abgabengläubigers kommt es nicht auf die geleisteten Zahlungen, sondern auf die dem Bf. zur Zahlung der Abgabenschulden zu den verschiedenen Fälligkeitstagen zur Verfügung gestandenen Mittel an.

Mit dem Vorbringen, dass er ab April 2013 keinerlei Zahlungen an die Gläubiger geleistet habe, wird nicht dargetan, dass die Gesellschaft über keinerlei liquide Mittel verfügt hätte.

Dass die Gesellschaft nicht völlig mittellos war, ergibt sich schon daraus, dass von der Gesellschaft am für 3/2013 Umsätze in Höhe von € 44.993,97, für 4/2013 Umsätze in Höhe von € 38.603,56 und 5/3013 Umsätze in Höhe von € 49.609,12 gemeldet wurden. Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass kein einziger Kunde seine Schuld beglichen haben sollte.

Weiters wurden auch Lohnabgaben für die Monate 9/2013, 8/2013 und 9/2013 durch die Gesellschaft gemeldet, woraus sich ergibt, dass entgegen der Behauptung des Bf. Gläubiger, nämlich die Arbeitnehmer, bezahlt wurden. Von einer Gleichbehandlung aller Gläubiger kann daher nicht die Rede sein.

Den Geschäftsführer einer Gesellschaft, deren Abgaben nicht entrichtet wurden und uneinbringlich geworden sind, trifft im Haftungsverfahren die Obliegenheit darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang ().

Zur Frage des Vorliegens von schuldhaften Pflichtverletzungen des Bf. ist verfahrensbezogen festzustellen:

Gemäß § 21 UStG 94 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Die verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuervorauszahlungen für 03/2013, 04/2013 und 05/2013, wurden von der Firma (verspätet) gemeldet, jedoch am Fälligkeitstag - und danach -nicht entrichtet.

Ebenso wurden die Verspätungszuschläge sowie die Körperschaftsteuervorauszahlung 07-09/2013 am Fälligkeitstag nicht entrichtet.

Die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer ist zur Gänze abzuführen. Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, so hat er nach § 78 Abs. 3 EStG die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangenden Betrag zu entrichten.

Die Lohnsteuer wäre somit bei Fälligkeit grundsätzlich zur Gänze abzuführen gewesen, die Dienstgeberbeiträge, die Zuschläge zu den DB, die Umsatzsteuer und die Verspätungszuschläge wiederum im Rahmen der Gleichbehandlung aller Gläubiger bei deren Fälligkeitstagen.

Judikatur zum Gleichbehandlungsnachweis:

Den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/16/0199). Dem Vertreter obliegt es auch, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Es ist dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2010/16/0019).

Auf dem Vertreter lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/13/0137). Den Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, hat der Vertreter auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel zu diesen Zeitpunkten andererseits bezogen zu führen (vgl. etwa , ).

Ein Gleichbehandlungsnachweis wurde nicht vorgelegt.

Eine quotenmäßige Einschränkung der Haftung kommt damit nicht in Betracht.

V. Kausalzusammenhang:

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

VI. Ermessen:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeit rasch eingebracht werden kann.

Ist eine Einbringlichmachung beim Primärschuldner unzweifelhaft nicht gegeben, kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. , 2006/13/0159) ist dem Element der Zumutbarkeit der Heranziehung eines Haftungspflichtigen angesichts lange verstrichener Zeit im Rahmen der behördlichen Ermessensübung besondere Bedeutung beizumessen.

Im vorliegenden Fall stand die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten spätestens mit der am ***Datum9*** erfolgten amtswegigen Löschung der GmbH im Firmenbuch fest.

Der Haftungsbescheid erging am . Gründe für das lange Zuwarten bis zum ergehen des Haftungsbescheides sind aus dem elektronischen Einbringungsakt nicht ersichtlich.

Dem gegenüber steht das oben festgestellte Verschulden des Bf. an der Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben, sowie der Umstand, dass dieser alleiniger Geschäftsführer bzw. Liquidator war, sodass der Ermessensspielraum aus dieser Sicht eingeschränkt ist.

In Abwägung der Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe vertritt das Bundesfinanzgericht daher die Ansicht, dass eine Einschränkung des Haftungsbetrages auf 50% gerechtfertigt erscheint, weshalb die Haftung im Rahmen des Ermessens auf € 6.423,09 eingeschränkt wird.

Sofern der Bf. in der eingewendeten schlechten wirtschaftlichen Lage einen Fehler in der Ermessensübung erblickt, ist dem entgegenzuhalten, dass er laut Firmenbuchauszug im haftungsrelevanten Zeitraum einziger Geschäftsführer bzw. Liquidator der GmbH war, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinne der § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff. BAO gewesen ist, und dass diese Abgabenschulden bei der Gesellschaft nicht mehr eingebracht werden können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Behörde daher in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens nicht rechtswidrig vorgegangen, woran auch der Hinweis des Bf. auf seine schlechte wirtschaftliche Lage nichts zu ändern vermag. Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof in weiteren Erkenntnissen vertreten, indem er ausführt, dass der bloße Hinweis auf die Einkommenssituation des Haftenden keinen Ermessensfehler aufzuzeigen vermag (), es nicht zutrifft, dass die Haftung nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden dürfte (), die Behörde die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigen konnte () und die vom Haftenden geltend gemachten Billigkeitsgründe der Vermögenslosigkeit und Unpfändbarkeit in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung stehen (). Auch schließt die allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit nicht aus, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und hatte die Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen im Einzelfall und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zum Gegenstand.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 96 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 E-GovG, E-Government-Gesetz, BGBl. I Nr. 10/2004
§ 96 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100264.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at