Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 12.01.2022, RV/7400159/2021

Aufhebung und Zurückverweisung an die Abgabenbehörde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Senefeldergasse 11/1E, 1100 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistratsabteilung 70, Fachbereich Gebühren vom betreffend Einsatzgebühren für Berufsrettung zur Geschäftszahl ***GZ*** beschlossen:

I. Der angefochtene Bescheide wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben und an die Abgabenbehörde zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensablauf

Aus einem "Einsatzprotokoll Wien" ist ersichtlich, dass am am Hauptbahnhof in Wien ein Rettungseinsatz stattgefunden hatte und der Patient in der Klinik Hietzing dem Pflegepersonal der Notfallabteilung übergeben wurde. Als Patient am Einsatzprotokoll ist ***Bf1*** genannt.

Am richtete der Magistrat der Stadt Wien ein E-Mail an die Abteilung "Finanz- Patientenservice (KAV)" und ersuchte um die Beantwortung nachfolgender Fragen, wobei das Einsatzprotokoll als Anlage angehängt war:
"Die gegenständlichen Ambulanzgebühren/Pflegegebühren wurden bezahlt, abgeschrieben oder befinden sich noch in Bearbeitung
Name des Patienten:
SVNR/Geburtsdatum:
Heimatadresse (ausländische Patienten):
Zuständiger Kostenträger (private od. ausländische Versicherungen; Firmen):

Liegt für den Patienten eine Europäische Krankenversicherungskarte vor?"

Im Antwort-E-Mail der Klinik Hietzing vom wurde als Name des Patienten "***Bf1***", als Sozialversicherungsnummer "***SV_Nr***" und als Europäische Krankenversicherungskarte "ÖGK Niederösterreich selbstversichert" angeführt.

Bescheid

Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes eine Gebühr in Höhe von € 694,-- vorgeschrieben.
Die Begründung des Bescheides lautet:
"Gemäß § 28 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG ist für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.

§ 29 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG normiert, dass derjenige Gebührenschuldner ist, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb.

Gemäß § 30 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG können mit Zustimmung der Stadt Wien die hiefür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten.

Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung

[…]

[...]

"

Am langte bei der belangten Behörde folgende E-Mail ein:

"Von: *EXTERN* ***E-Mail***
Gesendet: Mittwoch, 15:40
An: MA 70 Post <
***E-Mail***>

Betreff: Einsatzgebühr Rettung/Missverständnis

Sehr geehrte Damen und Herren,

letzte Woche haben wir bei Ihnen angerufen. Mein Vater hat einen Brief erhalten. Es geht um den Transport ins Krankenhaus. Jedoch war das nicht mein Vater. Komischerweise wurden seine Daten benutzt.

Vielen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen
***AB*** "

Am antwortete ein Bediensteter der belangten Behörde wie folgt:
"Sehr geehrte Frau ***AB***!

Die Magistratsabteilung 70 - Berufsrettung Wien nimmt Bezug auf Ihr Schreiben vom und erlaubt sich, Ihnen hinsichtlich der Gebührenvorschreibung für Ihren Rettungseinsatz am , folgendes mitzuteilen:

Gegenständliche Gebührenvorschreibung liegt darin begründet, dass eine Übernahme der Einsatzgebühren seitens der Österreichischen Gesundheitskasse aufgrund der Diagnose abgelehnt wurde. Auf die Entscheidung der Sozialversicherungsträger, die Übernahme der Einsatzgebühren abzulehnen, hat die Magistratsabteilung 70 keinen Einfluss.

Es besteht allerdings Ihrerseits die Möglichkeit, sich persönlich an die Leistungsabteilung der Österreichischen Gesundheitskasse (1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19) zu wenden, und den Versuch zu unternehmen, eine nachträgliche Übernahme der Gebühren zu erwirken.

Im Falle einer Gebührenübernahme durch den Sozialversicherungsträger wäre die Vorschreibung als gegenstandslos anzusehen.

Aufgrund unserer Daten, die wir eruieren konnten, ist vorerst eine Verwechslung ausgescholssen.

Sollte Ihnen dieses Informationsschreiben nicht als ausreichend erscheinen und Sie eine Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht begehren, würden wir Sie um ehestmögliche Rückmeldung ersuchen. Bejahendenfalls würde Ihr Schreiben vom zunächst mittels Beschwerdevorentscheidung behandelt werden.

Mit freundlichen Grüßen"

Beschwerde

Am langte bei der belangten Behörde via E-Mail folgende Beschwerde gegen den Bescheid vom ein:

"A. Beschwerdegegenstand

Gegen den Bescheid des Magistrat der Stadt Wien, MA 70 Berufsrettung Wien vom , GZ: ***GZ***, zugestellt am , erhebt der Beschwerdeführer gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 ivm Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG binnen offener Frist nachstehende

Beschwerde

an das Bundesfinanzgericht.

B. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer kann zum gegenständlichen Sachverhalt überhaupt keine Angaben machen, zumal er weder den Grund für die Erlassung des gegenständlichen Bescheides kennt, noch es einen Einsatz am gegeben hat.

Der Beschwerdeführer wurde am weder von der Rettung ins Krankenhaus gebracht, noch war er an diesem Tag in 1100 Wien, Am Hauptbahnhof 1.

Erst durch den hier angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer auf einen derartigen Sachverhalt aufmerksam gemacht.

C. Zulässigkeit der Beschwerde:
Mit der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde ist die Beschwerdefrist von 1 Monat ab Zustellung am gewahrt.

Die Zuständigkeit des angerufenen Bundesfinanzgerichts gründet sich auf das Wiener Abgabenorganisationsrecht.

D. Beschwerdegründe:
Der angefochtene Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten, zumal der Beschwerdeführer den dort angeführten Rettungsdienst am nicht in Anspruch genommen hat.

Aus diesem Grund ist er nicht Gebührenschuldner nach § 29 WRKG.

Dem angefochtenen Bescheid ging auch kein Beweisverfahren voran und wurde dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben.

Beweis: PV

E. Beschwerdeanträge:
Aus diesen Gründen richtet der Beschwerdeführer an das Bundesfinanzgericht die

Anträge,

1. eine mündliche Verhandlung durchzuführen und

2a. gemäß Art 130 Abs 4 B-VG und § 28 Abs 2 VWGVG in der Sache selbst zu entscheiden und den angefochtenen Bescheid des Magistrat der Stadt Wien- MA 70 Berufsrettung Wien, vom , GZ: MA 70-TZ210088813 ersatzlos zu beheben

in eventu

2b. den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Die Begründung lautet:
"In seiner Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Gebührenvorschreibung und ersucht, von der gegenständlichen Forderung Abstand zu nehmen. Dazu wird Folgendes festgestellt:

Gemäß § 28 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz -WRKG ist für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.

§ 29 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG normiert, dass derjenige Gebührenschuldner ist, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb.

Gemäß § 30 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG können mit Zustimmung der Stadt Wien die hiefür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten.

Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 vorzuschreiben.

In gegenständlicher Angelegenheit wurde die Wiener Berufsrettung am nach 1100 Wien, am Hauptbahnhof, berufen. Bei Herrn ***Bf1*** wurde durch die intervenierenden Einsatzkräfte die Erstdiagnose (Verdachtsdiagnose) "Alkoholintoxikation" gestellt und der Patient in weiterer Folge auf die Interne Ambulanz der Klinik Hietzing transportiert.

Entsprechend dem Einsatzprotokoll, handelte es sich beim Patienten um Herrn ***Bf1***. In weitere Folge erfolgte ein Datenabgleich mit dem Krankenhaus Hietzing bezüglich der genauen Daten des Patienten. Diese bestätigten folgenden Patientendaten: ***Bf1***, Sozialversicherungsnummer: ***SV_Nr***.

Eingehend auf die Behauptung, dass es sich beim Patienten nicht um den Beschwerdeführer gehandelt habe, so ist diese alleine nicht ausreichend, um der Beschwerde nachkommen zu können, da im Zuge des Rettungseinsatzes der Name des Patienten zu Protokoll gegeben wurde. Ebenso konnten im Zuge des durchgeführten Datenabgleiches - welcher mit dem Krankenhaus Hietzing erfolgte - die Versicherungsnummer, der Patientenname sowie die zuständige Krankenkasse in Erfahrung gebracht werden.

Aufgrund der örtlichen Zuständigkeit wurden die entstandenen Einsatzgebühren bei der Österreichischen Gesundheitskasse zur Übernahme eingereicht, von dortiger Seite allerdings angesichts der Diagnose "Alkoholintoxikation" abgelehnt.

Auf die Entscheidung der Österreichischen Gesundheitskasse, eine Gebührenübernahme abzulehnen, hat die Magistratsabteilung 70 keinen Einfluss.

Da seitens des Beschwerdeführers kein stichhaltiger Nachweis erbracht werden konnte, dass es sich beim Patienten nicht um seine Person gehandelt habe und für die Berufsrettung Wien auch keine sonstigen Anhaltspunkte gegeben waren, die dokumentierten Personaldaten in Frage zu stellen, war die Beschwerde aus diesem Grund abzuweisen."

Vorlageantrag

Am langte bei der belangten Behörde der Vorlageantrag, der wie folgt lautet, ein:

"In umseitig bezeichneter Rechtssache hat der Beschwerdeführer gegen den Bescheide der belangten Behörde, binnen offener Frist am Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , hat die belangte Behörde die Beschwerde abgewiesen.

In der Beschwerdevorentscheidung wird nach wie vor nicht angeführt, wieso die belangte Behörde der Ansicht ist, dass es sich bei dem Patienten um den Beschwerdeführer handelt. Allein der Umstand, dass der Patient den Namen ***Bf1*** zu Protokoll gegeben hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass es sich dabei tatsächlich um den Beschwerdeführer gehandelt hat.

Die Einsatzkräfte haben offenbar weder einen Ausweis noch die E-Card eingesehen. Ein Datenabgleich beim Krankenhaus kann dies nicht ersetzten, da dort naturgemäß aufscheinen wird, dass der Beschwerdeführer versichert ist.

Weiters schließt allein der Umstand, dass der Patient am um 12:53 Uhr eine Alkoholvergiftung hatte aus, dass es sich dabei um den Beschwerdeführer gehandelt hat, zumal vom bis der traditionelle Ramadan (Fastenmonat) gefeiert wurde und der Beschwerdeführer bis zum Fastenbrechen am jeweiligen Tag weder etwas gegessen noch getrunken, geschweige denn Alkohol konsumiert hat.

Der Beschwerdeführer stellt daher binnen offener Frist die

Anträge:

a) Die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen und
b) über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung durchzuführen
."

Beschluss vom (Ermittlungsauftrag)

Mit Beschluss vom wandte sich das Bundesfinanzgericht an die belangte Behörde und erteilte Ermittlungsaufträge wie folgt:
"I. Sowohl das E-Mail von
***AB*** vom als auch die Beschwerde vom wenden sich dagegen, dass die Person, die am von der Berufsrettung Wien vom Hauptbahnhof in die Klinik Hietzing befördert wurde, nicht der Beschwerdeführer war, sondern jemand anderes.

Diesbezügliche Ermittlungen sind aus dem vorgelegten Akteninhalt nicht erkennbar.

Zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes wird dem Magistrat der Stadt Wien gemäß § 269 Abs 2 BAO aufgetragen:

a) Im Einsatzprotokoll ist angegeben, dass der Name des Patienten "***Bf1***" lautet, wobei als "Ort" sodann "1010 Wien" angeführt ist.

[...]

Der Magistrat der Stadt Wien hat den Sachverhalt zu erheben und Beweismittel vorzulegen, aus denen sich ergibt,
-) wer die Eintragungen am Einsatzprotokoll, insbesondere den Namen und den Vornamen vorgenommen hat und
-) wie der Name / Vorname festgestellt wurde,

zumal am Einsatzprotokoll weder eine Adresse (Straßenangabe) noch ein Versicherungsträger bzw. eine Sozialversicherungsnummer angeführt sind und der Ort "1010 Wien" offensichtlich falsch ist.

Sofern die Patientendaten durch Rettungskräfte am Einsatzprotokoll eingetragen wurden, sind die Rettungskräfte niederschriftlich zu vernehmen und insbesondere zu klären, wie der Name "***Bf1***" in Erfahrung gebracht werden konnte.

Sofern die Patientendaten bereits im Zuge der Alarmierung der Rettung von jener Person, die zB den telefonischen Notruf abgesetzt hatte, bekannt gegeben hat, ist
-) eine Abschrift des Notrufs vorzulegen und
-) der/die Anrufer(in) niederschriftlich zu vernehmen und insbesondere zu klären, wie der Name "
***Bf1***" in Erfahrung gebracht werden konnte.

b) Der Magistrat der Stadt Wien hat die Klinik Hietzing per Mail um Auskunft hinsichtlich des Namen des Patienten, seiner Sozialversicherungsnummer bzw. des Geburtsdatums und der Krankenversicherung ersucht.

Mit E-Mail vom gab die Klinik Hietzing eine Sozialversicherungsnummer bekannt, die mit dem Namen "***Bf1***" übereinstimmt. Als Versicherungsträger wurde "ÖGK Niederösterreich selbstversichert" angeführt.

Im vorgelegten Verwaltungsakt findet sich ein Auszug aus den Sozialversicherungsdaten, aus denen ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer bei der ÖGK auf Grund eines Dienstverhältnisses versichert wäre. Dabei müsste es sich um eine Pflichtversicherung handeln.

Der Magistrat der Stadt Wien hat den Sachverhalt zu erheben und Beweismittel vorzulegen, aus denen sich ergibt,
-) wie die Klinik Hietzing die Sozialversicherungsnummer erheben konnte (wurde gegenüber der Klinik Hietzing eine E-Card vorgelegt; hat die Klinik Hietzing die Ausweisdaten kontrolliert, usw),
- ) auf Grund welcher Umstände / Beweismittel die Klink Hietzing von einer Selbstversicherung ausgeht.

Zur Klärung dieser Fragen sind die zuständigen Mitarbeiter der Klinik Hietzing niederschriftlich zu vernehmen.

c) Auf Grund der vorgelegten Unterlagen steht für das Bundesfinanzgericht - derzeit - fest, dass am eine Person wegen Bewusstseinseintrübung (wegen Alkoholkonsums) in die Klinik Hietzing eingeliefert wurde.

Der Magistrat der Stadt Wien hat den Sachverhalt zu erheben und Beweismittel vorzulegen, aus denen sich ergibt,
-) wie lange diese Person in der Klinik Hietzing behandelt wurde,
-) ob diese Person im Zuge der Entlassung von Angehörigen abgeholt wurde,
-) ob Angehörige gegenüber der Klinik Hietzing Angaben zur Person des Patienten gemacht haben und falls ja, welche.

II. Der angefochtene Bescheid ist mit datiert. Im Vorlagebericht ist das Datum der Beschwerde mit (!) angegeben.

Die Beschwerdevorentscheidung ist mit datiert.

Im vorgelegten Verwaltungsakt befinden sich jedoch keine Zustellnachweise. Die belangte Behörde wird ersucht, bekannt zu geben, ob der angefochtene Bescheid und/oder die Beschwerdevorentscheidung mit Zustellnachweis zugestellt wurde. Falls ja, wird um Vorlage dieser Nachweise ersucht.

[…]"

Mit E-Mail vom gab die belangte Behörde folgendes bekannt:

"Die Magistratsabteilung 70 nimmt Bezug auf den Beschluss vom und erlaubt sich, hinsichtlich Ihrer Anfragen zum Rettungseinsatz von Herrn ***Bf1***, am , folgendes mitzuteilen:

Zu Punk I.a): entnehmen Sie bitte das Gedächtnisprotokoll der Rettungsmannschaft aus dem Anhang (Re: Einsatz HBF 210414 - ***CD***, ***EF***): Zusammengefasst kann mitgeteilt werden, dass die Aufnahme der Patientendaten durch Befragung erfolgte.

Zu Punk I.b) +I.c): Der zweite Anhang (AW: Einsatz 210088813 - ***Bf1***) beinhaltet das Informationsschreiben der Klinik Hietzing: Aus dem dortigen Antwortschreiben geht hervor, dass der Patient ambulant behandelt und unter dem Namen "XYZ" administriert wurde. Im Zuge des Patientengesprächs konnten sodann der "Name" sowie das "Geburtsdatum" eruiert werden.

Zu Punkt II): Die Beschwerde - gegen den Bescheid der Magistratsabteilung 70 - Berufsrettung Wien (Bescheid vom ) - ist mit datiert; das angeführte Beschwerdedatum () ist im Vorlageantrag nicht korrekt abgebildet.

Abschließend wird angemerkt, dass der Bescheid () und die Beschwerdevorentscheidung () ohne Zustellnachweis versandt wurden."

In der ersten Beilage befindet sich folgendes E-Mail:

"Sehr geerhter Herr ***GH***,

Entschuldigen Sie die Verspätung ich habe hier leider nur selten stabiles Internet.

Zu dem Einsatz:
Meiner Erinnerung nach hat mir der Patient seinen Namen schlicht und einfach gesagt/buchstabiert schon am Weg zum Auto. Deshalb gibt es auch sonst kein Geburtsdatum/sozial Versicherung oder ähnliches weil er keine weiteren Angaben gemacht hat. Allerdings ist dies auch schon sehr lange her und meine Erinnerung daran nicht hundert prozentig.

Zu der anderen Frage wegen der Adresse steht in meinem Protokoll auch, dass der Patient auf der Liege schlafen wollte und keine weiteren Fragen beantwortet hat. Daraus ergibt sich die fehlende Versicherung + Versicherungsnummer. Und die Adresse: Unbekannt 1010 , welche wir bei jedem Einsatz schreiben bei dem die Adresse des Patienten unbekannt ist.

Wie das Krankenhaus zu einer Versicherungsnummer kam kann ich nicht sagen.

Bei weiteren Fragen bin ich gerne tel oder per Mail erreichbar. Ich bitte nur zu bedenken, dass ich derzeit noch in Mexico auf Urlaub bin und es hier eine Zeitverschiebung von -8 Stunden gibt.

Mfg ***CD***


***EF*** <***EF***@gmx.eu> schrieb am Do., , 14:35:

Werter Herr ***GH***!

Nachdem ich heute mehrere Male versucht habe, mit dem Kollegen ***CD*** Kontakt aufzunehmen, sich dieser aber auf Urlaub befindet und nicht erreichbar ist, war es mir leider nicht möglich, weitere Informationen zu bekommen.

Zu dem Einsatz kann ich auch nur sagen, dass ich mit meinem Kollegen den Patienten versorgt habe, ins Auto brachte, wir die Messwerte erhoben haben und uns auf den Weg ins KH machten. Während der Fahrt dorthin dokumentierte mein Kollege hinten beim Patienten.

Da der Patient aufgrund seines Zustandes wenig von sich erzählte und weiterschlafen wollte, bekamen wir auch nur wenig bis keine Informationen.

Den Namen muss er uns genannt haben, soweit ich mich erinnern kann - nach dieser Zeitspanne und einer enormen Zahl an Einsätzen und ähnlichen Einsätzen muss ich aber "wahrscheinlich" dazu sagen, da ich es wirklich nicht mehr mit 100%iger Sicherheit belegen kann.

Es tut mir leid, nicht näher behilflich sein zu können.

Mit freundlichen Grüßen

***EF***
Station ATZ
"

Ebenfalls beigefügt war ein zweites E-Mail vom Krankenhaus Hietzing, das wie folgt lautet:

"Sehr geehrter Herr ***Magistratsmitarbeiter***,

der u.a. Patient wurde am in der Klinik Hietzing lediglich ambulant behandelt. Die Administration des Patienten erfolgte um 13:48 - zu diesem Zeitpunkt waren seine Daten noch nicht bekannt (Administration unter XYZ).

Im Zuge der Gespräche mit dem Patienten hat er selbst seinen Namen und Geburtsdatum bekannt gegeben, gab des Weiteren an, mit seiner Gattin gestritten und deshalb jede Menge Alkohol zu sich genommen zu haben. Weder die erwähnte Gattin, noch sonstige Angehörige waren in der Klinik Hietzing - auch wurde der Patient von nicht von Angehörigen abgeholt.

Die Vitalparameter wurden überprüft, Blut abgenommen, jedoch wurde jede weitere Behandlung bzw. Therapie vom Patienten strikt abgelehnt (aggressiv).

Er wollte im Warte/Ambulanzbereich der Abteilung für Notfallmedizin lediglich seinen Rausch ausschlafen und verließ gegen 00:20 Uhr () stand- und gangsicher wieder die Station.

Das sind alle Informationen, die wir aus dem WebOkra herauslesen konnten - etwaige weitere Fragen sind bitte direkt an die Abteilung für Notfallmedizin ( ***E-Mail*** ) zu richten.

Mit freundlichen Grüßen"

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Am fand ein Rettungseinsatz statt. Der Rettungsdienst fand einen Mann am Boden liegend vor, der Alkohol konsumiert hatte, jedoch nicht auf alle Fragen des Rettungsdienstes geantwortet hatte.

Der Patient wurde vom Rettungsdienst in die Klinik Hietzing gebracht.

Mit Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer eine Gebühr für einen Rettungseinsatz in Höhe von € 694,-- vorgeschrieben. Sowohl in einem E-Mail, das die Tochter des Beschwerdeführers an die belangte Behörde geschickt hatte, als auch in der Beschwerde wird bestritten, dass es sich bei der Person, die am vom Rettungsdienst ins Krankenhaus befördert wurde, um den Beschwerdeführer handelt.
Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde unterlassen. Strittig ist, ob der Beschwerdeführer jene Person ist, die vom Rettungsdienst ins Krankenhaus Hietzing gebracht wurde.

Mit Ermittlungsauftrag vom wurde der belangten Behörde vom Bundesfinanzgericht aufgetragen, bestimmte Ermittlungen nachzuholen und die Rettungssanitäter sowie die zuständigen Mitarbeiter der Klinik Hietzing niederschriftlich einzuvernehmen. Als Reaktion auf den Ermittlungsauftrag hat die belangte Behörde E-Mails der Rettungssanitäter sowie von Mitarbeitern des Krankenhauses vorgelegt. Dem Auftrag des Gerichts, die relevanten Personen mittels niederschriftliche einzuvernehmen, kam die belangte Behörde nicht nach.

Beweiswürdigung

Die Feststellung, dass am am Hauptbahnhof in Wien ein Rettungseinsatz stattgefunden hatte, ergibt sich aus dem Einsatzprotokoll, das eine Alarmzeit von 12:54 Uhr und ein Einsatzende von 14:05 Uhr ausweist. Auch die Einlieferung des Patienten in die Klinik Hietzing ergibt sich einerseits aus dem Einsatzprotokoll und andererseits aus den Angaben, die das Klinik Hietzing in weiterer Folge gegenüber der belangten Behörde gemacht hatte.

Die Feststellungen über die Beschwerde sowie das E-Mail der Tochter des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und sind insofern unstrittig.

Die Feststellung, dass die belangte Behörde den Ermittlungsauftrag nicht erfüllt hat, ergibt sich bereits aus dem E-Mail der belangten Behörde vom , in der lediglich zwei bzw. drei E-Mails weitergeleitet wurden. Niederschriften waren jedoch nicht angeschlossen und es ist auch nicht ersichtlich, dass solche Niederschriften erstellt wurden.

Rechtslage

§ 87 BAO lautet:

B. Niederschriften.

§ 87. (1) In den Fällen der unmittelbaren oder sinngemäßen Anwendung des § 85 Abs. 3 ist das Anbringen, soweit nicht in Abgabenvorschriften anderes bestimmt ist, seinem wesentlichen Inhalt nach in einer Niederschrift festzuhalten.

(2) Niederschriften sind ferner über die Einvernahme von Auskunftspersonen, Zeugen und Sachverständigen sowie über die Durchführung eines Augenscheines aufzunehmen.

(3) Niederschriften sind derart abzufassen, daß bei Weglassung alles nicht zur Sache Gehörigen der Verlauf und Inhalt der Amtshandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird. Außerdem hat jede von einer Abgabenbehörde aufgenommene Niederschrift zu enthalten:

a) Ort, Zeit und Gegenstand der Amtshandlung und, wenn schon frühere, darauf bezügliche Amtshandlungen vorliegen, erforderlichenfalls eine kurze Darstellung des dermaligen Standes der Sache;

b) die Benennung der Abgabenbehörde und die Namen des Leiters der Amtshandlung und der sonst mitwirkenden amtlichen Organe, der anwesenden Parteien und ihrer Vertreter sowie der etwa vernommenen Auskunftspersonen, Zeugen und Sachverständigen;

c) die eigenhändige Unterschrift des die Amtshandlung leitenden Organs.

(4) Jede Niederschrift ist den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen vorzulegen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Kann eine Person nicht oder nur mittels Handzeichen unterfertigen, hat sie die Unterfertigung verweigert oder sich vor Abschluß der Niederschrift oder des ihre Aussage enthaltenden Teiles der Niederschrift entfernt, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Unterfertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.

(5) In der Niederschrift darf nichts Erhebliches ausgelöscht, hinzugefügt oder verändert werden. Durchstrichene Stellen sollen noch lesbar bleiben. Erhebliche Zusätze oder Einwendungen des Vernommenen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift sind in einen Nachtrag aufzunehmen und abgesondert zu bestätigen.

(6) Die Behörde kann sich für die Abfassung der Niederschrift eines Schallträgers bedienen oder die Niederschrift in Kurzschrift abfassen, wenn weder von der vernommenen noch von einer sonst beigezogenen Person dagegen Einwand erhoben wird. Die Schallträgeraufnahme und die in Kurzschrift abgefaßte Niederschrift sind nachträglich in Vollschrift zu übertragen. Die vernommene oder sonst beigezogene Person kann spätestens bei Beendigung der betreffenden Amtshandlung die Zustellung einer Abschrift der Niederschrift, zu deren Abfassung sich die Behörde eines Schallträgers bedient hat, beantragen und innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Übertragung der Schallträgeraufnahme erheben. Wird eine solche Zustellung beantragt, so darf die Schallträgeraufnahme frühestens einen Monat nach Ablauf der Frist zur Erhebung von Einwendungen gelöscht werden; ansonsten darf sie frühestens einen Monat nach erfolgter Übertragung gelöscht werden.

(6a) Eine nachträgliche Übertragung der Schallträgeraufnahme in Vollschrift kann unterbleiben, wenn keine der in Abs. 6 erster Satz genannten Personen spätestens bei Beendigung der betreffenden Amtshandlung dagegen Einwand erhoben hat. Eine solche Schallträgeraufnahme ist auf einem Datenträger aufzubewahren.

(7) Niederschriften, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung, insbesondere unter Einsatz von Textverarbeitungsprogrammen, erstellt worden sind, bedürfen nicht der Unterschrift des Leiters der Amtshandlung und der beigezogenen Personen, wenn sichergestellt ist, dass auf andere Weise festgestellt werden kann, dass der Leiter der Amtshandlung den Inhalt der Niederschrift bestätigt hat. Die vernommene oder sonst beigezogene Person kann spätestens bei Beendigung der Amtshandlung die Zustellung einer Abschrift einer solchen Niederschrift beantragen und innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Niederschrift erheben.

(8) Von der gemäß Abs. 1 aufgenommenen Niederschrift ist der Partei, von der gemäß Abs. 2 aufgenommenen Niederschrift der vernommenen Person über Verlangen eine Abschrift auszufolgen.

§ 115 BAO lautet:

§ 115. (1) Die Abgabenbehörden haben die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

(2) Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.

(3) Die Abgabenbehörden haben Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen.

(4) Solange die Abgabenbehörde nicht entschieden hat, hat sie auch die nach Ablauf einer Frist vorgebrachten Angaben über tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse zu prüfen und zu würdigen.

§ 119 BAO lautet:

C. Obliegenheiten der Abgabepflichtigen.

1. Offenlegungs- und Wahrheitspflicht.

§ 119. (1) Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muß vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.

(2) Der Offenlegung dienen insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.

§ 278 BAO lautet:

18. Erkenntnisse und Beschlüsse

§ 278. (1) Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes
a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch
b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

so kann das Verwaltungsgericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im weiteren Verfahren sind die Abgabenbehörden an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Rechtliche Beurteilung

Die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 278 Abs 1 BAO steht im Ermessen des Gerichtes. Zulässig ist sie aber nur dann,
a) wenn Ermittlungen unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können (§ 278 Abs 1 erster Satz BAO) und
b) wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen ist oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 278 Abs 1 zweiter Satz BAO).

Die Erlassung eines Aufhebungsbescheides nach § 278 Abs 1 BAO hat nicht zur Voraussetzung, dass bei Durchführung unterlassener Ermittlungen ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben müssen. Voraussetzung ist sohin die Relevanz der unterlassenen Ermittlungen, wobei die Beurteilung der Relevanz von Tatsachenfeststellungen naturgemäß mit rechtlichen Überlegungen untrennbar verbunden ist. Ob letztlich ein anders lautender Bescheid tatsächlich zu erlassen ist oder eine Bescheiderteilung zu unterbleiben hat, ist vom Ergebnis der weiteren Ermittlungen abhängig (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 278 Anm 4).

Diese "im Rahmen" der sodann zu fällenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden positiven und negativen Voraussetzungen sind in rechtlicher Gebundenheit zu prüfen. Das Gericht hat die von ihm vermissten und ins Auge gefassten Ermittlungsschritte zu bezeichnen und zu beurteilen und auch die Frage zu beantworten, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Gericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre ().

Beide Rettungssanitäter geben in ihren E-Mails an, dass der Patient ihnen den Namen wohl gesagt habe, verweisen jedoch darauf, dass der Einsatz schon einige Zeit zurückliegt und die Erinnerung daran nicht gewiss ist. Beide Rettungssanitäter ergänzen jedoch, dass der Patient eigentlich nur schlafen wollte und daher "wenig bis keine Informationen" preisgab. Zu bedenken ist dabei noch, dass während eines Rettungseinsatzes wohl Fragen, die sich auf den Gesundheitszustand beziehen, vorrangig gestellt werden.

In der E-Mail vom einer Mitarbeiterin des Krankenhauses Hietzing, die offensichtlich nicht in jener Notfallabteilung tätig ist, in welcher der Patient behandelt wurde, ist angeführt, dass der Patient am ambulant behandelt wurde und zum Zeitpunkt seiner Einlieferung seine Daten noch nicht bekannt waren ("Administration unter XYZ"). Schließlich wird noch - relativ konkret - ausgeführt, dass im Zuge von Gesprächen der Patient seinen Namen und Geburtsdatum bekannt gab. Schließlich heißt es: "Er wollte im Warte/Ambulanzbereich der Abteilung für Notfallmedizin lediglich seinen Rausch ausschlafen und verließ gegen 00:20 Uhr () stand- und gangsicher wieder die Station.

Das sind alle Informationen, die wir aus dem WebOkra herauslesen konnten - etwaige weitere Fragen sind bitte direkt an die Abteilung für Notfallmedizin […] zu richten"

Allein diese letzten beiden Sätze sind schon aufklärungsbedürftig, die zu weiteren Ermittlungen Anlass geben. Einerseits stammen die Informationen offenbar aus einem EDV-System ("WebOkra"), wobei nicht bekannt ist, wer diese Informationen dort eingetragen hatte und zum anderen erscheint es nicht gerade lebensnah, dass jemand am in ein Krankenhaus eingeliefert wird, um dort lediglich seinen Rausch auszuschlafen und dafür mehr als ein Monat (" … verließ gegen 00:20 Uhr () …" ) im Wartebereich einer Notfallabteilung schläft.

Klärungsbedürftig ist auch, ob im Krankenhaus eine Ausweiskontrolle bzw. Kontrolle der e-card stattgefunden hatte. Diese Frage wäre mit den zuständigen Mitarbeitern des Krankenhauses zu klären.

Auch die Angaben des Krankenhauses im E-Mail vom , in dem der belangten Behörde die Sozialversicherungsnummer "***SV_Nr***" sowie die Information, dass der Patient bei der "ÖGK Niederösterreich selbstversichert" wäre, erscheinen aufklärungsbedürftig, zumal sich in den Verwaltungsakten ein Ausdruck vom aus dem "e-card Versicherungsdatenabfrageservice", der offensichtlich vom Krankenanstaltenverbund erstellt wurde (siehe "© 2021 - KAV IT"), befindet, in dem angeführt ist, dass der Beschwerdeführer erwerbstätig und sachleistungsberechtigt sei. Eine Erwerbstätigkeit führt grundsätzlich zu einer Pflichtversicherung.

Auf Grund der aufklärungsbedürftigen widersprüchlichen Angaben, die wohl im Zuge einer Erstellung einer Niederschrift auch der belangten Behörde aufgefallen wären, wird es nötig sein, jene Person(en) als Auskunftsperson(en) oder Zeugen zu befragen, welche die relevanten Daten (Name, Versicherungsnummer, etc) im Krankenhaus erhoben haben und die relevanten Beobachtungen ("und verließ gegen 00:20 Uhr () stand- und gangsicher wieder die Station") gemacht haben. Schließlich wird noch erwähnt, dass der Patient in aggressiver Wiese eine weitere Behandlung ablehnte, sodass anzunehmen ist, dass dieser Patient bei mehreren Bediensteten des Krankenhauses einen Eindruck hinterlassen hatte, der längere Zeit im Gedächtnis verbleibt. Diese Personen, die offenbar mit dem Patienten in persönlichem Kontakt standen, sollten auch in der Lage sein, im Zuge einer allfälligen Zeugeneinvernahme im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht den Beschwerdeführer als eben diesen (ehemaligen) Patienten wieder zu erkennen oder anzugeben, dass es sich um eine andere Person gehandelt hatte. Dazu ist es jedoch notwendig, Namen und landungsfähige Anschrift (zB Adresse des Arbeitsortes) zu erheben.

Weiters wird zu erheben sein, welche Daten dem Krankenhaus im Zuge der Einlieferung des Patienten am überlassen wurden. Im E-Mail vom heißt es, dass im Zeitpunkt der Einlieferung die "Daten noch nicht bekannt (Administration unter XYZ)." waren. Sollten sich die bisher getätigten Angaben des Krankenhauses Hietzing bestätigen, dass nämlich die Rettungssanitäter dem Krankenhaus nicht den Namen des Patienten mitgeteilt hatten (obwohl ihnen der Name laut Einsatzprotokoll bekannt war) und sowohl der Name als auch die Sozialversicherungsnummer erst von Krankenhausbediensteten in Erfahrung gebracht wurden, wäre dies ein wesentliches Sachverhaltselement, zumal dann gegenüber zwei unterschiedlichen Personen derselbe Name und die dazugehörige Sozialversicherungsnummer genannt worden wäre. Relevant wäre in diesem Zusammenhang auch, zu welchem Zeitpunkt diese personenbezogenen Daten in Erfahrung gebracht wurden (zeitnah zur Einlieferung oder erst Stunden später, nachdem die Wirkung des Alkohols bereits nachgelassen hatte).

Zutreffend rügt der Beschwerdeführer auch, dass die belangte Behörde ihm gegenüber kein Parteiengehör gewahrt hatte. Insofern wird die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der eben beschriebenen, vorzunehmenden Erhebungen zur Stellungnahme übermitteln müssen.

Letztlich wird noch beim Arbeitgeber des Beschwerdeführers zu erheben sein, ob der Beschwerdeführer am , insbesondere zur Mittagszeit - also zu jener Zeit, als der Rettungseinsatz stattgefunden hatte - in der Arbeit (an seinem Arbeitsplatz) war oder etwa Urlaub hatte. Falls er an diesem Tag seiner nichtselbständigen Beschäftigung nachging, wäre auch noch zu erheben, an welchem Ort diese Beschäftigung ausgeübt wurde und zu welchen Arbeitszeiten.

Das Ergebnis dieser - bislang vermissten - Ermittlungsschritte ist wesentlich für die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer jene Person war, die am als Patient vom Rettungsdienst in das Krankenhaus Hietzing gebracht wurde.

Es trägt zwar die Abgabenbehörde die Feststellungslast für alle Tatsachen, die vorliegen müssen, um einen Abgabenspruch geltend machen zu können, doch befreit dies die Partei nicht von der Verpflichtung, ihrerseits zur Klärung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und die für den Bestand und Umfang einer Abgabenpflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß iSd § 119 Abs 1 BAO offenzulegen (). Die Angabe in der Begründung der BVE, dass im Zuge des Rettungseinsatzes der Name des Patienten zu Protokoll gegeben wurde, erscheint in der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation (ein Patient, der seinen Rausch ausschlafen will; Rettungssanitäter, die auf Grund des langen Zeitabstandes nicht mehr mit Sicherheit sagen können, wie der Name in Erfahrung gebracht wurde) nicht ausreichend, um der Verpflichtung, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, nachgekommen zu sein.

Aus § 119 Abs 1 BAO ergibt sich die Verpflichtung des Beschwerdeführers, im Verfahren zur Feststellung einer Abgabenpflicht, mitzuwirken. Um dieser Mitwirkungspflicht entsprechen zu können, muss durch die belangte Behörde ein solches Verfahren auch tatsächlich geführt werden. Dazu gehört es auch, zulässigen Beweisanträgen nachzukommen: Der Beschwerdeführer hat etwa in seiner Beschwerde die Einvernahme als Partei des Verfahrens beantragt ("Beweis: PV").

Niederschriften sind auch über die Einvernahme von Auskunftspersonen (§ 143 BAO) oder Zeugen (§ 169 BAO) aufzunehmen. Ordnungsgemäß aufgenommene Niederschriften sind öffentliche Urkunden. Sowohl für Auskunftspersonen als auch für Zeugen gilt, dass diese Personen zu Beginn der Vernehmung über die für die Vernehmung maßgeblichen persönlichen Verhältnisse zu befragen, über die gesetzlichen Weigerungsgründe zu belehren und zu ermahnen sind, dass die Wahrheit anzugeben ist und nichts verschweigen werden dürfe (vgl. § 174 BAO).
Eine niederschriftliche Einvernahme - so wie im Ermittlungsauftrag auch angeordnet - zwingt sowohl die belangte Behörde als auch die Person, die einvernommen wird, sich mit dem Sachverhalt im gebührenden Ausmaß auseinander zu setzen. E-Mails, die während eines Auslandsurlaubes verfasst werden, können eine Einvernahme, bei der klärungsbedürftige Angaben auch genauer hinterfragt werden können, nicht ersetzen.

Zweckmäßigkeit der notwendigen Ermittlungen durch die belangte Behörde:
Nach § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Die belangte Behörde ist zuständig für die Vorschreibung von Rettungsgebühren, nachdem es zu einem Rettungseinsatz gekommen ist. Insofern steht sie auch in immer wiederkehrendem Kontakt mit den jeweiligen Krankenanstalten. Der belangten Behörde ist es somit leicht möglich, den Namen und die ladungsfähige Anschrift jener Personen herauszufinden, die als Zeugen oder Auskunftspersonen in Betracht kommen. Wie aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr ersichtlich ist, kennt die belangte Behörde die entsprechenden Ansprechpersonen, die ihr nötigenfalls weiterhelfen können.
Hingegen verfügt das Bundesfinanzgericht nicht über Namen und Kontaktdaten der zuständigen Stellen im Krankenhaus Hietzing.
Auf Grund der Anzahl an noch durchzuführenden Ermittlungen ist es nicht zu erwarten, dass diese Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht rascher durchgeführt werden könnten oder zu einer Kostenersparnis führen würden. Es erscheint hingegen nicht sinnvoll oder im Interesse der Raschheit gelegen, dass das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde erneut einen Ermittlungsauftrag erteilt, zumal bereits der erste Ermittlungsauftrag nicht befolgt wurde und die von der belangten Behörde übermittelten Antworten noch neue Fragen aufgeworfen haben.

Letztlich ist es auch nicht zweckmäßig, wenn es wegen des Unterbleibens des Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme (vgl ). Es ist nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht. Abgesehen davon werden im Falle eines Erkenntisses des BFG dem Beschwerdeführer kostenfreie Rechtsschutzmöglichkeiten genommen.

Die Beschwerdevorentscheidung ist ebenfalls aufzuheben, da ihre Wirkung durch den Vorlageantrag nicht berührt wird (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 278 Rz 8; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 278 Anm 3).
Die Aufhebung wirkt ex-tunc, wodurch das Verfahren in jene Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte (vgl Althuber/Tanzer/Unger, BAO-Handbuch, § 278, 277; Ritz/Koran, BAO7, § 278 Rz 12).

Im Hinblick auf das Kriterium der Zweckmäßigkeit stehen keine öffentlichen Interessen einer Aufhebung unter Zurückverweisung entgegen. Auch das Kriterium der Billigkeit spricht dafür, gegenüber einer Partei bereits im Verfahren vor der Abgabenbehörde ein ordnungsgemäßes Beweisverfahren und somit insgesamt ein mängelfreies, die Parteienrechte wahrendes Ermittlungsverfahren nach den §§ 114 ff BAO durchzuführen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat im Ermessen die Beschwerdevorentscheidung sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und an den Magistrat zu weiteren Ermittlungen zurückverwiesen. Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Eine Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400159.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at