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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 30.03.2022, RV/7400169/2021

Zurückweisung einer Beschwerde gemäß § 260 Abs.1 lit a BAO, weil der angefochtene Bescheid nicht rechtswirksam ergangen ist

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Referat Landes- und Gemeindeabgaben, vom betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 und Festsetzung eines Säumniszuschlages, GZ. MA 6/ARL - 837885/18 E, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

1. Verfahrensgang

Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom mitgeteilt, dass auf dem Konto der ***1*** KG Rückstände für Abgaben der Jahre 2015 bis 2017, für Nebengebühren und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 4.855,64 Euro bestünden. Erhebungen im Firmenbuch zufolge sei er Kommanditist der ***1*** KG und in dieser Eigenschaft Gesamtschuldner der Kommunalsteuer. Diesbezüglich werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 98/13/0228, verwiesen. Der Beschwerdeführer werde aufgefordert, den angeführten Rückstand binnen zwei Wochen mit beiliegendem Zahlschein zu bezahlen.

Am teilte Herr Dr. ***Stb*** der Kanzlei der MA 6 BA 33 per E-Mail Folgendes mit:

"Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich wurde von Hrn. ***Bf1*** bevollmächtigt und beauftragt, für Klärung Ihres beil. Schreibens vom zu sorgen, in dem mein Mandant zur Zahlung von 4855,64 € aufgefordert wird. Offenbar geht es hier um Geltendmachung einer Haftung für Kommunalsteuerschulden der ***1*** KG, an der mein Mandant als Kommanditist mit einer Einlage von 100 EUR beteiligt war.

Bevor wir inhaltlich auf seine Kommanditistenstellung eingehen, die im Übrigen keinerlei Geschäftsführungsbefugnisse beinhaltet hat, dürfen wir die MA 6 zunächst einmal auffordern, einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen. Bis zur Erlassung dieses Bescheids und bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist desselben beantragen wir eine STUNDUNG in Höhe von 4855,64 € und Einstellung jeglicher Exekutionsschritte.

Mit freundlichen Grüßen
***Stb***

[Kanzleisignatur]"

Die Beantwortung dieses E-Mails erfolgte von der Buchhaltungsabteilung 33 per E-Mail an die E-Mail-Adresse des steuerlichen Vertreters mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrter Herr ***Stb***!

Wir haben Ihre Eingabe an die Magistratsabteilung 6 - Dezernatsabgaben und Recht- Referat Landes-und Gemeindeabgaben als dafür zuständig weitergeleitet.

[Adresse
Telefon-Nummer]

Bis zur Erstellung des beantragten Bescheides werden selbstverständlich keine Exekutionsmaßnahmen gegen Ihren Mandanten eingeleitet werden.

Freundliche Grüße
für die Buchhaltungsabteilung 33
[Signatur des Bearbeiters]"

In der Folge wurden der "Bescheid" vom (expediert am ) betreffend Kommunalsteuer für die Jahre 2015 bis 2017 für die in der Betriebsstätte der ***1*** KG gewährten Arbeitslöhne und betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages, zu GZ. MA 6/ARL - 837885/18 E, zuhanden des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers zugestellt. Begründet wurde die Vorschreibung der Kommunalsteuer an den Beschwerdeführer mit seiner Kommanditistenstellung. Die Bemessungsgrundlagen seien aufgrund der Geschäftsaufzeichnungen ermittelt worden. Betreffend die Festsetzung des Säumniszuschlages wurde auf die §§ 217 und 217a BAO verwiesen.

In seinem per E-Mail eingebrachten Schriftsatz vom brachte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers Folgendes vor:

"Betrifft: ***Bf1*** - MA6/ARL-837885/18E
Beschwerde Kommunalsteuer, Aussetzung der Einhebung

Sehr geehrte Damen und Herren!

Am wurde ein Kommunalsteuerbescheid gegen meinen Mandanten als Kommanditist der ***1*** KG erlassen.

Einleitend beantragen wir Akteneinsicht wie folgt: Die Behörde möge zwecks Abstimmung die Aufzeichnung sämtlicher Buchungen (monatliche Kommunalsteuer Beträge/Zahlungen) übermitteln.

Weiters wird Beschwerde gegen den o.a. Bescheid (inkl. SZ) erhoben: Die Behörde argumentiert, dass für den Kommanditisten einer KG die ,handelsrechtliche' Haftungsbeschränkung nicht greift und zitiert dazu Rechtsprechung aus den Jahren 2005-2007.

Abgesehen von der Tatsache, dass mittlerweile nicht mehr von ,handelsrechtlicher', sondern von ,unternehmensrechtlicher' Haftung zu sprechen wäre, ist die zitierte Judikatur u. E. veraltet. Sie berücksichtigt nicht die steuerlichen Änderungen des ab 2016 eingeführten § 23a EStG, wonach eine ,ausgeprägte Mitunternehmerinitiative' erforderlich ist. Da diese im konkreten Fall nicht vorliegt (bzw. vorlag) bzw. die Behörde dazu keinerlei Feststellungen getroffen hat, ist der Bescheid rechtswidrig und somit aufzuheben.

…"

In der Folge teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zuhanden seines steuerlichen Vertreters mit Schriftsatz vom (expediert am ) mit, er werde eingeladen, nach vorheriger telefonischer Terminvereinbarung innerhalb der Parteienverkehrszeiten der Behörde dort Akteneinsicht zu nehmen. Anlässlich dieser Akteneinsicht könne ihm ein aktueller Auszug des Abgabenkontos ausgehändigt werden, aus dem die Buchungen und Zahlungen ersichtlich seien.

Zum Vorbringen der veralteten Judikatur würde festgestellt, dass dieses Argument nicht nachvollzogen werden könne, und auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7400013/2014, verwiesen werde, aus der ersichtlich sei, dass die verwendeten Gesetzestexte der aktuell gültigen Rechtsprechung entsprächen.

Es werde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, den vorliegenden Sachverhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen und sich innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dazu zu äußern.

In der Folge bedankte sich der steuerliche Vertreter im Namen seines Mandanten für das Schreiben und ersuchte die belangte Behörde um Übermittlung eines entsprechenden Kontoauszuges per E-Mail/Fax/Post. Abermals führte er aus, dass er die von der belangten Behörde herangezogene Judikatur im Hinblick auf § 23a EStG 1988 weiterhin für veraltet halte.

Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer zuhanden seines steuerlichen Vertreters ein Kontoauszug übermittelt und darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum 2015 bis 2017 keinerlei Zahlungen erfolgt seien, weshalb dem Beschwerdeführer auch keine Buchungsmitteilungen übermittelt werden könnten. Für die Jahre 2015 und 2016 sei zwar eine Jahreserklärung abgegeben, es seien aber keinerlei Zahlungen entrichtet worden. Der laut GPLA Prüfung festgestellte Betrag für das Jahr 2017 entspreche den Beträgen des angefochtenen Bescheides. Dem Beschwerdeführer wurde wiederum Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Sachverhalt innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zu äußern.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde unter Hinweis auf § 6 KommStG 1993 und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdevorentscheidung wurde zunächst an den Beschwerdeführer zuhanden seines steuerlichen Vertreters adressiert. Nachdem dieser die Beschwerdevorentscheidung mit dem Vermerk "keine Vollmacht, falsch zugestellt" zurückgesandt hatte, wurde sie in der Folge dem Beschwerdeführer persönlich zugestellt.

Im wiederum vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag gab dieser zunächst bekannt, dass ihn sein Mandant (wiederum) beauftragt und bevollmächtigt habe, in seinem Namen einen Vorlageantrag zu stellen. Er wies darauf hin, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfüge, und beantragte im Wesentlichen, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Auf Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerdeführer bekannt, dass sein steuerlicher Vertreter auch zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe, und dem Beschwerdeführer der angefochtene Bescheid niemals im Original zugekommen sei.

Mit Beschluss vom , RV/7400045/2021, wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurück. In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht zunächst zum Verfahrensgang aus, dem Beschwerdeführer sei der Bescheid vom zu Handen seines steuerlichen Vertreters zugestellt worden, der dagegen im Namen des Beschwerdeführers Beschwerde eingebracht habe. Der angefochtene Bescheid sei dem Beschwerdeführer persönlich niemals im Original übermittelt worden, der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers habe zu keinem Zeitpunkt über eine Zustellbevollmächtigung verfügt. Aus diesem Grund sei die Beschwerdevorentscheidung - nachdem sie zunächst auch zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellt worden sei - an den Beschwerdeführer persönlich adressiert worden. Im wiederum vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eingebrachten Vorlageantrag habe der Vertreter ein weiteres Mal darauf hingewiesen, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfüge. Auf Nachfrage durch das Bundesfinanzgericht habe der Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass sein steuerlicher Vertreter auch zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe, dem Beschwerdeführer sei der angefochtene Bescheid niemals im Original zugekommen.

Zur Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der steuerliche Vertreter habe in seinen Schriftstücken stets dargelegt, dass er über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe, daher sei es glaubwürdig, dass er auch anlässlich der Zustellung des bekämpften Bescheides nicht zustellungsbevollmächtigt gewesen sei. Da der steuerliche Vertreter im Namen des von ihm vertretenen Beschwerdeführer Beschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht habe, erscheine es auch nachvollziehbar, dass er diesen zwar über den Bescheid informiert, ihm aber den Bescheid nicht im Original ausgehändigt habe.

Die als Bescheid intendierte Erledigung sei von der belangten Behörde an den Beschwerdeführer zu Handen seines steuerlichen Vertreters adressiert worden, der jedoch über keine Zustellungsvollmacht verfügt habe. Dieser Zustellungsmangel sei im vorliegenden Fall auch nicht durch Übermittlung an den Beschwerdeführer geheilt. Die als Bescheid intendierte Erledigung habe daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirksamkeit gegenüber dem Beschwerdeführer entfalten können. Da sich die Bescheidbeschwerde somit gegen einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid richte, sei sie als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

In der gegen diesen Beschluss beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revision der belangten Behörde machte diese zur Zulässigkeit insbesondere die Verletzung des Parteiengehörs geltend. Die Nachfrage des Bundesfinanzgerichts samt Antwort des Beschwerdeführers sei der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebracht worden. Wäre der belangten Behörde Parteiengehör gewährt worden, hätte sie darlegen können, dass ihr gegenüber nie behauptet worden sei, zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom sei keine Zustellvollmacht vorgelegen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2021/13/0094, wurde der Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7400045/2021, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seinem Erkenntnis fest, dass es aufgrund des Hinweises im Vorlageantrag zweifelhaft hätte sein können, ob bereits ursprünglich keine Zustellvollmacht vorgelegen sei oder ob eine früher bestandene Zustellvollmacht geendet habe. Es sei Aufgabe der Behörde und auch des Verwaltungsgerichts, diese Zweifel zum Umfang der Vertretungsbefugnis zu beurteilen (§ 83 Abs. 2 BAO). Dazu käme auch eine Anfrage an den Beschwerdeführer (persönlich) in Frage. Es wäre sodann aber auch Aufgabe des Bundesfinanzgerichts gewesen, zu diesen Erhebungsergebnissen den Verfahrensparteien (insbesondere der belangten Behörde) Gehör zu gewähren und sich mit dem dazu erstatteten Vorbringen im Rahmen der Beweiswürdigung auseinander zu setzen.

Indem das Bundesfinanzgericht kein Parteiengehör gewährt habe, habe sich die Beweiswürdigung nicht mit dem von der belangten Behörde somit erst in der Revision geltend gemachten Vorbringen auseinandersetzen können. Demnach sei der belangten Behörde gegenüber nie behauptet worden, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom keine Zustellvollmacht vorgelegen sei. Dieses Vorbringen würde zwar nicht ausschließen, dass (tatsächlich) damals keine Zustellvollmacht vorgelegen hätte, im Rahmen der Beweiswürdigung wäre dazu aber ebenfalls zu berücksichtigen, dass ein derartiges Ergebnis eine Irreführung durch einen Berufsberechtigten im Sinne des WTBG (vgl. insoweit - wenn auch zu § 30 Abs. 2 ZPO und einen Rechtsanwalt betreffend - ) implizieren könnte.

Um das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs umzusetzen, wurden der belangten Behörde der Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/7400045/2021, und dessen Beantwortung durch den Beschwerdeführer übermittelt. Der belangten Behörde wurde gleichzeitig aufgetragen, innerhalb von drei Wochen ab Erhalt dieses Beschlusses dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Sollte die belangte Behörde Zweifel an den Angaben des Beschwerdeführers haben, so wurde ihr aufgetragen, innerhalb der genannten Frist, den Beschwerdeführer und seinen steuerlichen Vertreter über den Umfang der erteilten Vollmacht und etwaige in der Zwischenzeit vorgenommene Änderungen sowie über die Übermittlung des bekämpften Bescheides an den Beschwerdeführer zu befragen und die darüber aufgenommenen Niederschriften gemeinsam mit ihrer Stellungnahme dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Sollte die belangte Behörde, die ihr eingeräumte Gelegenheit nicht wahrnehmen und keine Stellungnahme abgeben, so werde davon ausgegangen, dass sie keine Zweifel an der Aussage des Beschwerdeführers mehr hege.

In der Folge wurde die Frist zur Stellungnahme im Sinne des Antrages der belangten Behörde verlängert.

In ihrer Stellungnahme vom führte die belangte Behörde aus, zur Vorbereitung der Stellungnahme seien der Beschwerdeführer und sein steuerlicher Vertreter über den Umfang der erteilten Vollmacht und etwaige in der Zwischenzeit vorgenommene Änderungen sowie über die Übermittlung des bekämpften Bescheides an den Beschwerdeführer befragt worden, mit dem Auftrag, die Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten.

Die an Herrn Dr. ***Stb*** gerichteten Fragen seien beantwortet worden, die an Herrn ***Bf1*** gerichteten Fragen seien unbeantwortet geblieben. Es sei lediglich von Herrn ***Stb*** darauf hingewiesen worden, dass Herr ***Bf1*** über keine besonders guten Deutschkenntnisse verfüge.

Zu den Aussagen des Herrn Dr. ***Stb*** wurde nach sinngemäßer Wiedergabe der §§ 98 BAO, 77 Abs. 11 WTBG 2017, § 9 Abs. 3 ZustG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ausgeführt, nur wenn die Behörde Zweifel über Inhalt und Umfang sowie über den Bestand einer Vertretungsbefugnis habe, habe sie die auftauchenden Zweifel nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen und die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 BAO von Amts wegen zu veranlassen, nicht aber anstelle der Zustellung an den durch seine Berufung auf die Vollmacht ausgewiesenen Rechtsanwalt eine Zustellung unmittelbar an die Partei vorzunehmen.

Mit Schreiben vom sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, den ausstehenden Rückstand an Kommunalsteuer binnen zwei Wochen zu bezahlen. Am habe Herr Dr. ***Stb*** per E-Mail der Abgabenbehörde mitgeteilt, dass er von der mitbeteiligten Partei bevollmächtigt und beauftragt worden sei und die MA 6 aufgefordert werde, einen rechtsmittelfähigen Bescheid gegen seinen Mandanten zu erlassen.

Aufgrund der nachweislich mit Schreiben vom dargelegten Vertretungsvollmacht habe die Abgabenbehörde somit davon ausgehen müssen, dass auch eine ZusteIlungsbevollmächtigung bestanden habe.

Gemäß § 9 Abs. 3 ZustG hätte die Behörde daher den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen gehabt. Eine Zustellung an die mitbeteiligte Partei wäre nicht zulässig gewesen.

"Dass dem nicht so sei", habe sich in weiterer Folge auch ausdrücklich nicht anders ergeben: Sowohl die Beschwerde sei im Namen der mitbeteiligten Partei durch ihren steuerlichen Vertreter eingebracht als auch die Antwort auf einen weiteren Vorhalt der Abgabenbehörde vom - zugestellt an die mitbeteiligte Partei zuhanden ihrer steuerlichen Vertretung - sei vom steuerlichen Vertreter im Namen seines Mandanten übermittelt worden.

Dass die bestehende Vertretungsvollmacht nicht auch eine Zustellungsbevollmächtigung umfasse, sei gegenüber der Behörde erstmals ausdrücklich im Vorlageantrag vom eingewendet worden.

Zudem ergebe sich aus dem Vorlageantrag vom , eingebracht vom steuerlichen Vertreter im Namen der mitbeteiligten Partei, dass dieser (wiederum) beauftragt und bevollmächtigt worden sei (woraus für die Behörde folgte, dass bis zur Zustellung der Beschwerdevorentscheidung - deren Zustellung vom steuerlichen Vertreter beanstandet worden sei - eine Vertretungsvollmacht bestanden habe).

Herr ***Stb*** habe in seiner Zeugenaussage vom Versäumnisse in der Bekanntgabe der Vollmachtsverhältnisse eingeräumt. Der Hinweis, die Behörde hätte nicht automatisch von einer Zustellvollmacht ausgehen können und einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen gehabt, entspreche nicht der allgemeinen Verwaltungspraxis, da die Behörde bis zum Vorlageantrag vom keinerlei Grund gehabt hätte, von einer Beschränkung der Vollmacht auszugehen, und dies daher auch nicht hätte annehmen können.

Weshalb Herr ***Stb*** im gegenständlichen Fall trotz mehrfacher Zustellung von Schriftstücken seinen Verpflichtungen zur Richtigstellung der Vollmachtsverhältnisse gegenüber der Behörde nicht nachgekommen sei, sei von ihm nicht beantwortet worden.

Abschließend wurde angeregt, sowohl den Beschwerdeführer als auch den steuerlichen Vertreter in einer mündlichen Verhandlung über das Zustandekommen der Vollmachten und den Grund des Ausschließens der Zustellbevollmächtigung einzuvernehmen.

Der Stellungnahme waren beigelegt

  • die von der belangten Behörde sowohl an den Beschwerdeführer als auch an seinen steuerlichen Vertreter übermittelten Fragenvorhalte,

  • die Beantwortung des Fragenvorhaltes durch den steuerlichen Vertreter und

  • die vom Beschwerdeführer erteilten Vollmachten an seinen steuerlichen Vertreter.

Die mit Schreiben vom gestellten Fragen an den Beschwerdeführer lauteten:

"1. Wurde die von Ihnen erteilte Vollmacht an Herrn Dr. ***Stb***, auf die sich Herr Dr. ***Stb*** mit schriftlicher Eingabe vom berufen hat im Anschluss von Ihnen eingeschränkt, und die Zustellvollmacht zurückgenommen? Wenn ja, wann?

2. Unter der Annahme, dass am für Herrn Dr. ***Stb*** keine Zustellvollmacht bestanden hat: Wurden Sie von Herrn Dr. ***Stb*** über die an Ihn als Bevollmächtigten erfolgten Zustellungen der an Sie gerichteter Schriftstücke (wie den Festsetzungsbescheid vom , als auch die Parteienschreiben vom und ) von Herrn ***Stb*** informiert, und wenn ja, in welcher Form?

3. Herr Dr. ***Stb*** verweist im Vorlageantrag vom abermals darauf hin, (wiederum) von Ihnen beauftragt und bevollmächtigt worden zu sein. Wann wurde diese Vollmacht erteilt (Kopie der Vollmachtsurkunde ist vorzulegen)?"

Im Schreiben vom an den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurde zunächst festgehalten, dieser habe mit Schreiben vom eine schriftliche Eingabe als "bevollmächtigter und beauftragter" Vertreter des Beschwerdeführers eingebracht, und dabei keine zur Unwirksamkeit führende Einschränkung der Vollmacht bezüglich seiner Vertretung bekannt gegeben.

Den auf seine Eingabe folgenden Bescheid vom , Zi. MA 6/ARL - 837885/18 E, habe er ebenso ohne Vorbringen zu einer allfälligen Einschränkung der Vertretungsbefugnis entgegengenommen, ebenfalls das "Parteiengehör vom , ZI. MA6/ARL- ***Zahl1***", sowie das "Parteiengehör vom , Zi. MA6/ARL-967023/18".

Auch in der von ihm eingebrachten Beschwerde vom gegen den bekämpften Bescheid und in der Stellungnahme vom habe er mit keinem Wort eine Einschränkung der Vollmacht bzw. das Nichtvorliegen einer Zustellvollmacht erwähnt.

Erst die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom , Zi. MA 6/ARL - 967023/18, sei vom steuerlichen Vertreter mit dem Hinweis, dass keine Zustellvollmacht vorliege, zurückgewiesen worden, weshalb eine neuerliche Zustellung der Beschwerdevorentscheidung am an den Beschwerdeführer persönlich erfolgt sei.

In dem vom steuerlichen Vertreter eingebrachten Vorlageantrag vom verweise er darauf, dass er vom Beschwerdeführer wieder beauftragt worden sei, in seinem Namen einen Vorlageantrag zur BVE vom zu stellen, und über keine Zustellvollmacht verfüge.

Die Behörde hätte daher ab Oktober 2018 bis zur Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom mangels Vorbringen zu einer allfälligen Einschränkung der Vertretungsbefugnis zurecht vom Vorliegen einer Zustellvollmacht ausgehen können.

Laut Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom werde er als "rechtlicher Vertreter des Beschwerdeführers" zur Klärung der Rechtslage ersucht.

Folgende Fragen wurden an den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers gerichtet:

"1. Wurde die von Herrn ***Bf1*** erteilte Vollmacht, auf die Sie sich mit schriftlicher Eingabe vom berufen im Anschluss eingeschränkt, und die Zustellvollmacht zurückgenommen? Wenn ja, wann?

2. Wenn Sie bereits am über keine Zustellvollmacht verfügt haben sollten, weshalb haben Sie sowohl beim Festsetzungsbescheid vom , Zi. MA 6/ARL - 837885/18 E, als auch bei den Parteiengehören vom , Zi. MA 6/ARL - 967023/18 und , Zi. MA 6/ARL -- ***Zahl1***, die Zustellung der jeweiligen Schriftstücke durch die Post ohne Vorbringen zu einer allfälligen Einschränkung der Vertretungsbefugnis zugelassen, und weder die Annahme verweigert (siehe ihre Vorgangsweise bei der Beschwerdevorentscheidung vom ), noch entsprechend den anwaltlichen Sorgfaltspflichten diesen Umstand der Behörde schriftlich bekannt gegeben?

3. Sofern eine Einschränkung der Vollmacht tatsächlich erfolgt ist, oder ein Fehlen der Zustellvollmacht am vorgelegen hat, weshalb haben Sie diesen Umstand der Behörde nicht mitgeteilt?"

In Beantwortung dieses Schreibens teilte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers der belangten Behörde Folgendes mit:

"Richtig ist, dass unsere Eingabe an die MA6 vom offenbar unvollständig war, was ich bei nachträglicher Durchsicht natürlich bedaure. Einerseits war dies wohl der Tageshektik geschuldet (die Eingabe erfolgte als bloßes E-Mail und nicht in einer "höherwertigen" Schriftform). Andererseits muss ich anmerken, dass ca. 99% unserer Behördenkorrespondenz mit Finanzamt und ÖGK ablaufen, wo das explizite Anführen des Vollmachtsumfangs nicht erforderlich ist, weil bei diesen Behörden der Vollmachtsumfang elektronisch durch "Anklicken" bekannt gegeben wird [s. beispielhaft Anlage 3 der Fa. ***1*** ,Zustellung JA/NEIN'). Aus ,Macht der Gewohnheit" in Bezug auf den Vollmachtsumfang nicht wirklich etwas schreiben zu müssen, wurde in der Eingabe vom darauf schlichtweg vergessen, und war insofern -- zugegeben - die Eingabe unvollständig.

Freilich ist die empfangende Behörde verpflichtet, Eingaben auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen und ggf. einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Im Nachgang der Ereignisse betrachtet, konnte die Behörde daher nicht automatisch von einer Zustellvollmacht ausgehen, sie hat es unterlassen, einen Mängelbehebungsauftrag zu erlassen. Die nunmehrige Zeugenbefragung, die - subjektiv betrachtet - in einem eher aggressiven Stil formuliert ist, scheint mir daher eher darauf gerichtet zu sein, dieses eigene Versäumnis der Behörde verschleiern zu wollen.

Am ist der an meine Kanzlei adressierte Bescheid vom eingelangt, den wir auch umgehend an den Mandanten weitergeleitet haben. Dass wir diesen im Original hätten weiterleiten müssen, damit dieser Rechtswirksamkeit erlangt, war zum damaligen Zeitpunkt definitiv niemanden bewusst. Und wie Sie allen unseren Eingaben entnehmen können, waren und sind unsere Intentionen ausschließlich auf die sachlich-inhaltliche Lösung des Sachverhalts gerichtet und nicht darauf, irgendwelche ,Formal-Spielchen' zu betreiben. Es war daher auch nicht unsere ,Idee', das Thema (Zustell-)Vollmacht vor dem BFG zu thematisieren, aber die sehr aufmerksame BFG-Richterin hat dies hinterfragt, und musste hier von unserer Seite nach Recherche wahrheitsgemäß geantwortet werden.

Nach der Vollmachtkündigung im August 2019 hatte meine Kanzlei somit b.a.W. gar keine Vollmacht mehr. Als am das am erlassene Schriftstück der Behörde bei uns einlangte, habe ich dieses mit Vermerk "keine Vollmacht" retourniert (nochmals zur Betonung: zu diesem Zeitpunkt ging es nicht um die Frage Zustellvollmacht JA/NEIN, sondern es lag überhaupt keine Vollmacht vor). Die Behörde hat das Schriftstück dann nochmals an den Mandanten persönlich zugestellt, der dann ziemlich ,panisch' (weil der das ,Amts-Deutsch' schlichtweg nicht versteht) wieder bei mit vorstellig wurde und eine neue Vollmacht () unterzeichnete.

Resümee: Auf formaler Ebene gab es offenbar auf beiden Seiten Versäumnisse, die ärgerlich sind, aber momentan steht die Frage im Vordergrund, ob die Behörde nachlässig war (fehlender Mängelbehebungsauftrag) oder "automatisch" eine Zustellvollmacht annehmen durfte. Sollte dies von BFG/VWGH anders gesehen werden, dann würde es mich jedenfalls "freuen", den Sachverhalt "endlich" auf sachlich-inhaltlicher Ebene zu klären, wobei dazu zu ergänzen ist, dass die MA6 meines Wissens ja bereits eine Haftung gegen den Komplementär rechtswirksam durchgesetzt hat, und nunmehr offenbar der Versuch unternommen wird, eine ,Doppelhaftung' unter Einbeziehung des Kommanditisten geltend zu machen.

Weiters darf ich anmerken, dass mir Herr M. ***Bf1*** die in der gleichen Sache an ihn persönlich gerichtete ,Parteieneinvernahme' vom übermittelt hat, wobei hier nochmals zu betonen ist, dass er die Formulierungen schlichtweg nicht versteht. Ich gehe davon aus, dass mit meinen obigen Ausführungen daher auch die ,Parteieneinvernahme' an Herrn ***Bf1*** als erledigt betrachtet werden kann."

Als Anhang zur Stellungnahme des steuerlichen Vertreters waren dem Schreiben beigelegt:

  • eine Eingabemaske aus FinanzOnline, aus der ersehen werden kann, in welcher Form die Vollmachtsverhältnisse dort bekannt gegeben werden;

  • eine Vollmacht des Beschwerdeführers vom ;

  • eine Vollmacht des Beschwerdeführers vom

Aus beiden Vollmachturkunden ist ersichtlich, dass der Passus über die Zustellbevollmächtigung durchgestrichen wurde.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen

2.1. Sachverhalt:

Wie aus dem oben ausführlich dargestellten Verfahrensgang ersichtlich, ist der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers für diesen erstmals mit E-Mail vom aufgrund der ihm am erteilten Vollmacht eingeschritten und hat sich in diesem Schriftsatz als "bevollmächtigt und beauftragt" bezeichnet. In der Folge wurde der "Bescheid" vom betreffend Kommunalsteuer für die in der Betriebsstätte der ***1*** KG gewährten Arbeitslöhne für 2015 bis 2017 und betreffend Festsetzung eines Säumniszuschlages an den Beschwerdeführer zuhanden seines steuerlichen Vertreters zugestellt. Der steuerliche Vertreter brachte daraufhin im Namen des Beschwerdeführers dagegen eine Beschwerde ein und beantragte Akteneinsicht. Der folgende Schriftverkehr erfolgte ausschließlich zwischen der belangten Behörde und dem steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers, der zwar niemals behauptet hat über eine Zustellvollmacht zu verfügen, aber auch nicht klargestellt hat, dass er keine hat. Tatsächlich wurde in der am erteilten Vollmacht eine Zustellvollmacht ausgeschlossen.

Über den Inhalt der zuhanden des steuerlichen Vertreters zugestellten Schriftstücke, insbesondere den "Bescheid" vom , wurde der Beschwerdeführer zwar informiert, diese wurden ihm aber niemals im Original übergeben oder übermittelt.

Das Vollmachtsverhältnis wurde im August 2019 gekündigt. Die zuhanden des steuerlichen Vertreters zugestellte Beschwerdevorentscheidung wurde dementsprechend von diesem mit dem Vermerk "Keine Vollmacht - falsch zugestellt" an die belangte Behörde zurückgeschickt, worauf diese die Beschwerdevorentscheidung dem Beschwerdeführer persönlich zustellte.

In der Folge wurde dem steuerlichen Vertreter vom Beschwerdeführer am neuerlich eine Vollmacht erteilt, in der wiederum eine Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters ausgeschlossen wurde. Der Vorlageantrag wurde neuerlich durch den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eingebracht, in dem dieser erklärte, dass er wiederum beauftragt und bevollmächtigt worden sei, aber darauf hinwies, dass seine Vollmacht keine Zustellvollmacht umfasse.

2.2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der belangten Behörde im Rahmen der Revision übermittelten Verwaltungsakt, den Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes und den von der belangten Behörde anlässlich der nach Durchführung ihrer Ermittlungen übermittelten Stellungnahme und den dieser angeschlossenen Beilagen sowie folgender Beweiswürdigung:

Die belangte Behörde bezweifelt die Richtigkeit der Ausführungen des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten Urkunden und geht davon aus, dass dieser bis zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung über eine Zustellvollmacht verfügt habe.

Sie bleibt aber eine Erklärung dafür schuldig, warum sie an den Aussagen des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers zweifelt. Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers hat beide Vollmachtsukunden vorgelegt, aus denen ersehen werden kann, dass eine Zustellvollmacht ausgeschlossen wurde. Aus dem Umstand, dass zwei Vollmachtsurkunden abgeschlossen wurden, kann wohl geschlossen werden, dass das ursprüngliche Vollmachtverhältnis in der Zwischenzeit tatsächlich beendet wurde. Warum die belangte Behörde dennoch davon ausgeht, dass ein solches bis zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung weiterbestanden hat, ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar.

Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers hat aber auch erklärt, warum er es ursprünglich unterlassen hat, darauf hinzuweisen, dass er über keine Zustellvollmacht verfüge. Für das erkennende Gericht ist nicht ersichtlich, welchen Grund der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers haben sollte, den Ablauf des Rechtsverhältnisses mit dem Beschwerdeführer unrichtig wiederzugeben, zumal er selbst darauf hinweist, dass ihm nicht bewusst gewesen sei, zu welchen Problemen die Entgegennahme der Schriftstücke - insbesondere des angefochtenen Bescheides - ohne Zustellbevollmächtigung führen kann.

Im Übrigen ist es durchaus richtig, dass das Vollmachtsverhältnis gegenüber dem Finanzamt oder der ÖGK durch die Eingabe des steuerlichen Vertreters genau definiert werden kann und sich daher die gegenständlichen Probleme gar nicht ergeben können. Es ist daher durchaus plausibel, dass sich der steuerliche Vertreter der entstandenen Problematik gar nicht bewusst war.

Auch wenn die belangte Behörde durchaus im Recht damit ist, dass sie aus der Formulierung im Schreiben vom , der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers sei von diesem "bevollmächtigt und beauftragt", schließen durfte, dieser verfüge über eine vollumfängliche Vollmacht iSd WTBG und sei daher auch zustellbevollmächtigt, heißt das nicht, dass diese Vermutung eine tatsächliche Zustellbevollmächtigung ersetzen kann.

Soweit im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2021/13/0094, angedeutet wird, die Vorgangsweise des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers würde eine Irreführung der belangten Behörde durch einen Berufsberechtigten iSd WTBG implizieren, ist zunächst darauf zu verweisen, dass der OGH in dem zitierten Beschluss vom , 4Ob66/10z, dazu lediglich festhält, dass die bewusst wahrheitswidrige Berufung auf eine tatsächlich nicht erteilte Bevollmächtigung unter das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstands fällt.

In diesem Zusammenhang ist aber festzuhalten, dass sich der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers jedes Mal auf eine tatsächlich erteilte Vollmacht berufen hat, wobei er auch nicht behauptet hat, über eine vollumfängliche Vollmacht iSd § 77 WTGB zu verfügen. Er hat es der belangten Behörde auch umgehend mitgeteilt, als er über keine Vollmacht mehr verfügte. Er hat es lediglich zunächst unterlassen, darauf hinzuweisen, dass er über keine Zustellvollmacht verfügt. Dazu hat er aber auch durchaus schlüssig erklärt, warum ihm dieser Fehler passiert ist, zumal er im Rechtsverkehr mit dem Finanzamt und der ÖGK davon ausgehen kann, dass er nur dann Schriftstücke dieser Behörden erhält, wenn er diesen gegenüber erklärt hat, dass er über eine Zustellvollmacht verfügt.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Stellungnahme lediglich darauf, dass ihr gegenüber zunächst nicht auf das Fehlen einer Zustellvollmacht hingewiesen wurde und sie daher davon ausgehen hätte dürfen, dass der steuerliche Vertreter über eine solche verfüge.

Damit bringt sie aber nichts vor, was gegen die Richtigkeit der Aussagen des steuerlichen Vertreters und der vorgelegten Vollmachtsurkunden sprechen würde. Wenn die belangte Behörde eine neuerliche Befragung des Beschwerdeführers und seines steuerlichen Vertreters über das Zustandekommen der Vollmachten und das Ausschließen der Zustellbevollmächtigung anregt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es der belangten Behörde unbenommen gewesen wäre, diese Fragen selbst zu stellen. Abgesehen davon, dass der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers das Zustandekommen der beiden Vollmachtsverhältnisse ohnehin in seiner Eingabe schildert, bleibt die belangte Behörde auch eine Begründung dafür schuldig, welchen Einfluss die Beantwortung dieser Fragen auf das Vorhandensein einer Zustellvollmacht haben sollte.

Die Aussagen des Beschwerdeführers und seines steuerlichen Vertreters, dass der Bescheid dem Beschwerdeführer niemals im Original zugegangen ist, werden auch von der belangten Behörde nicht bezweifelt. Die vom steuerlichen Vertreter geschilderte Vorgangsweise ist nachvollziehbar und erscheint glaubwürdig.

3. Rechtliche Würdigung

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 92 Abs. 1 BAO sind Erledigungen einer Abgabenbehörde als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

a) Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder
b) abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder
c) über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

Gemäß § 97 Abs. 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - durch Zustellung.

Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Zustellungen nachdem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 (ZustG), ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen.

Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht). In diesem Fall hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (§ 9 Abs. 3 ZustG).

Gemäß § 83 Abs. 1 BAO können sich die Parteien u.a. durch voll handlungsfähige Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.

Nach § 83 Abs. 2 BAO richten sich Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten nach der Vollmacht, hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaiger Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 85 Abs. 2 BAO von Amts wegen zu veranlassen.

Beruft sich ein Berufsberechtigter (im Sinne des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes 2017) im beruflichen Verkehr auf die ihm erteilte Bevollmächtigung, so ersetzt diese Berufung den urkundlichen Nachweis (§ 77 Abs. 11 WTBG). Berufsrechtliche Vorschriften, wonach die Berufung auf eine erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, gelten auch im Anwendungsbereich der BAO (vgl. ).

Eine allgemeine Vertretungsbefugnis schließt eine Zustellungsbevollmächtigung mit ein. Dies gilt auch, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft (vgl. , mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2021/13/0094, festhält, ersetzt das Sich-Berufen auf die Vollmacht jedoch lediglich den urkundlichen Nachweis. Die tatsächliche Erteilung einer Vollmacht wird dadurch nicht ersetzt. Im Fall von konkreten Zweifeln ist zu prüfen, ob tatsächlich eine Vollmacht (und in welchem Umfang) eingeräumt wurde (vgl. , vgl. weiters - zu § 10 Abs. 1 AVG - z.B. , , Ra 2018/07/0476, vgl. weiters - zur ähnlichen Bestimmung des § 30 Abs. 2 ZPO - z.B. ). Derartige Zweifel können sich allenfalls auch erst im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens ergeben (vgl. - zu § 10 Abs. 1 AVG - ).

Der Verwaltungsgerichtshof hält in diesem Zusammenhang auch fest, dass gemäß § 269 Abs. 1 BAO die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse haben, die den Abgabenbehörden eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. Ra 2020 13/0105, mwN).

Nach Maßgabe der Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 167 BAO ist sodann in Auseinandersetzung mit den bisherigen Verfahrensergebnissen und den Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt festzustellen (vgl. ).

Nachdem dem erkennenden Gericht Zweifel über den Umfang der Vollmacht des steuerlichen Vertreters des Beschwerdeführers gekommen waren, hat sie den Beschwerdeführer dazu befragt und nunmehr im fortgesetzten Verfahren die belangte Behörde aufgefordert, zu den Ergebnissen des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen bzw. eigene Ermittlungen anzustellen, und dem erkennenden Gericht darüber zu berichten.

Wie den obigen Ausführungen entnommen werden kann, muss auch aufgrund der von der belangten Behörde vorgelegten Ermittlungsergebnisse davon ausgegangen werden, dass der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers anlässlich der Zustellung des angefochtenen Bescheides über keine Zustellvollmacht verfügte. Die Zustellung hätte daher nicht an ihn vorgenommen werden dürfen.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Ein tatsächliches Zukommen im Sinne des § 7 ZustG setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht (vgl. Ritz, ZustG § 7 Tz 7, und die dort angeführte Literatur und Judikatur).

Die als Bescheid intendierte Erledigung ist von der belangten Behörde an den Beschwerdeführer zuhanden seines steuerlichen Vertreters adressiert worden, der jedoch - wie oben ausführlich dargelegt - über keine Zustellungsvollmacht verfügt. Diese Erledigung war auch für den Beschwerdeführer und nicht nur für seinen steuerlichen Vertreter bestimmt. Wäre sie dem Beschwerdeführer tatsächlich zugekommen und hätte dieser nicht bloß Kenntnis von ihrem Inhalt erlangt, dann wäre der Zustellmangel gemäß § 7 ZustG damit auch saniert worden (vgl. ; sowie ).

Da der steuerliche Vertreter aber den an ihn - trotz Fehlens einer Zustellungsvollmacht - gerichteten Bescheid nicht im Original an den Beschwerdeführer übermittelte, konnte der Zustellmangel auch nicht gemäß § 7 ZustG geheilt werden (vgl. vgl. Ritz, ZustG aaOTz 4 mwN, z.B. ).

Die als Bescheid intendierte Erledigung betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 und Festsetzung eines Säumniszuschlages wurde daher dem Beschwerdeführer nicht rechtswirksam zugestellt, und konnte daher mangels rechtswirksamer Zustellung keine Rechtswirksamkeit gegenüber dem Beschwerdeführer entfalten.

Mit Beschwerde anfechtbar sind aber nur rechtswirksam ergangene Bescheide. Eine gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid gerichtete Bescheidbeschwerde ist daher als nicht zulässig zurückzuweisen (vgl. Ritz, BAO6, § 260 Tz 8).

Da sich die gegenständliche Bescheidbeschwerde gegen einen mangels rechtswirksamer Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid richtet und daher nicht zulässig ist, war sie gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO mit Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall war in erster Linie zu ergründen, ob der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers anlässlich der Übernahme des angefochtenen Bescheides über eine Zustellvollmacht verfügte.

Da die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes eine Frage der Beweiswürdigung darstellt, und über die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs entschieden wurde, war die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 83 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise



. Ritz, ZustG § 7 Tz 4 ff





ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7400169.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at