Überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde an der Säumnis
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache betreffend Säumnisbeschwerde des Ing. Dr. ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich, 1030 Wien, Marxergasse 4, betreffend Antrag vom auf Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 8a FLAG 1967 in der Höhe, die sich auf Basis des vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich ergibt, in Bezug auf seinen im Dezember 1994 geborenen Sohn ***5*** ***2*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019, beschlossen:
I. Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO eingestellt.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.
Begründung
Anbringen vom
Der Beschwerdeführer (Bf) Ing. Dr. ***1*** ***2*** schrieb am dem damaligen Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf wie folgt:
Sachverhalt
Mit Schreiben vom erging die do. Mitteilung, wonach für meinen Sohn ***5***, VNr. ***6***, Familienbeihilfe für den Zeitraum bis zum Dezember 2019 gewährt wird.
Laut Vorausbescheid der Universität Wien sowie Mitteilung der Universität ***7*** hält sich mein Sohn ***5*** im Rahmen des Swiss European Mobility Program im Sommersemester 2019, das heißt vom Februar 2019 bis zum Juni 2019, studienbedingt in ***7***, Schweiz, auf. Das ist jene Tätigkeit, für die die Familienbeihilfe in diesem Zeitraum dem Grunde nach gewährt wird. Die betreffenden Unterlagen habe ich bereits im Jänner 2019 übermittelt. Neben der Mitteilung über den Sprachkurs ist nun auch eine Bestätigung der Universität ***7*** beigelegt, die am ausgestellt wurde.
Die Höhe der Familienbeihilfe ist in der erwähnten do. Mitteilung nicht ausdrücklich angegeben; angeführt ist für meinen Sohn ***5*** für den gesamten Zeitraum Oktober 2014 bis Dezember 2019 der Wohnstaat A. Mittlerweile wurde mir die Familienbeihilfe für die Monate Februar und März 2019 in der für Österreich geltenden Höhe angewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 8a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wären für die Zeit, in der sich ein Kind ständig in der Schweiz aufhält, die Beträge an Familienbeihilfe auf Basis des vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen. Dies ist gemäß der erwähnten Mitteilung vom sowie der erhaltenen Zahlung nicht erfolgt.
Laut fernmündlicher Auskunft einer Bearbeiterin des do. Finanzamts wären diese Bestimmungen bei Studierenden grundsätzlich nicht anzuwenden.
Antrag
Ich beantrage daher gemäß § 13 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 die bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Familienbeihilfe für meinen Sohn ***5*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019.
Beilagen
Vorausbescheid Universität Wien vom
Mitteilung Sprachkurs Universität ***7*** vom
Bestätigung Universität ***7*** vom
Mitteilung über die die Gewährung der Familienbeihilfe vom
Diesem Anbringen waren folgende Unterlagen beigefügt:
Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom
Laut Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom wird dem Bf für den im Dezember 1994 geborenen ***5*** ***2*** für den Zeitraum Dezember 1994 bis Juni 2013 und Oktober 2014 bis Dezember 2019 gewährt, mit der Anmerkung: "Wohnstaat A".
Zurückweisungsbescheid vom
Nach Erlassung eines Abweisungsbescheids vom , einer Beschwerdevorentscheidung vom und eines Aufhebungsbescheids vom wies das Finanzamt die "Eingabe vom betreffend bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Familienbeihilfe für Sohn ***5*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 gemäß § 13 Familienlastenausgleichsgesetz" zurück.
Erkenntnis
Mit Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht auf Grund der am erfolgten Vorlage einer Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom diesen gemäß § 279 BAO ersatzlos auf und führte unter anderem aus:
...
Dem Anbringen vom ging ein Schreiben vom voraus, aus dem sich deutlich ergibt, dass der Bf für seinen Sohn ***5*** für die Zeit von Februar 2019 bis Juni 2019 ("Mit Bezug zur erforderlichen Bemessung der Familienbeihilfe gemäß § 8a Familienlastenausgleichsgesetz 1967...") die Auszahlung der Familienbeihilfe nicht gemäß § 8 Abs. 2 Z 3 lit. d FLAG 1967 mit 165,10 € monatlich, sondern mit 250,95 € (§ 3 Abs. 25 Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung) und des Kinderabsetzbetrags nicht gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 mit 58,40 € monatlich, sondern mit 88,87 € (§ 4 Abs. 1 Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung) anstrebt.
Allerdings hat das Finanzamt lediglich die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 in der sich aus § 8 FLAG 1967 (und nicht aus § 8a FLAG 1967) ergebenden Höhe gemäß § 11 FLAG 1967 ausbezahlt bzw. hatte vor auszuzahlen. Dieser Umstand ergibt sich aus der gemäß § 12 FLAG 1967 ausgestellten Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom ("Wohnstaat A").
Das FLAG 1967 kennt keine bescheidmäßige Zuerkennung von Familienbeihilfe. Gleiches gilt für den gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 gemeinsam mit der Familienbeihilfe auszuzahlenden Kinderabsetzbetrag. Steht nach Ansicht der Beihilfenbehörde Familienbeihilfe zu, hat sie diese gemäß § 11 FLAG 1967 auszuzahlen und hierüber gemäß § 12 FLAG 1967 eine Mitteilung auszustellen. Diese Mitteilung ist nicht rechtskraftfähig. Nur wenn die Behörde der Meinung ist, einem Antrag auf Familienbeihilfe sei nicht oder nicht zur Gänze stattzugeben, ist hinsichtlich des (monatsbezogenen) Abspruchs über die Abweisung gemäß § 13 Satz 2 FLAG 1967 ein Bescheid (Abweisungsbescheid) auszufertigen (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3 m.w.N.).
Das Anbringen vom besteht aus einem Schreiben und mehreren Beilagen.
Aus dem Schreiben vom und den Beilagen geht deutlich hervor, dass sich der Bf durch die Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in der Höhe, die das Gesetz für sich ständig in Österreich aufhaltende Kinder vorsieht, beschwert erachtet ("Gemäß § 8a Familienlastenausgleichsgesetz 1967 wären für die Zeit, in der sich ein Kind ständig in der Schweiz aufhält, die Beträge an Familienbeihilfe auf Basis des vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen. Dies ist gemäß der erwähnten Mitteilung vom sowie der erhaltenen Zahlung nicht erfolgt").
Der Antrag "Ich beantrage daher gemäß § 13 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 die bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Familienbeihilfe für meinen Sohn ***5*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019" ist in Zusammenhang mit der tatsächlichen Auszahlung der für ständig sich in Österreich aufhaltende Kinder vorgesehenen Beträge ("Sachverhalt") und der Rechtsausführungen ("rechtliche Beurteilung") vernünftigerweise so zu verstehen, dass der Bf beantragt, hinsichtlich der nicht vollinhaltlichen Stattgabe seines Anbringens gemäß § 13 FLAG 1967 einen Bescheid zu erlassen, der sein Begehren, die gegenüber einem ständigen Aufenthalt in Österreich bei einem ständigen Aufenthalt in der Schweiz höheren österreichischen Familienleistungen zu erhalten, förmlich abweist, da nur ein Abweisungsbescheid gemäß § 13 FLAG 1967, nicht aber eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967, mit Bescheidbeschwerde gemäß § 243 BAO bekämpft werden kann.
Mit "bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Familienbeihilfe" im Antrag vom ist daher in Zusammenhalt mit dem vom Bf zitierten § 13 FLAG 1967 kein Feststellungsbescheid gemäß § 92 BAO zu verstehen, sondern ein Bescheid, mit dem, wenn das Finanzamt dieser Ansicht ist, das Mehrbegehren gegenüber der Familienbeihilfe für sich ständig in Österreich aufhaltende Kinder abgewiesen wird.
Die Beantragung eines solchen Bescheids ist, wenn ein Familienbeihilfebezieher mit der Höhe der ausbezahlten Familienbeihilfe nicht einverstanden ist, weil er die Indexierung nicht angewandt haben möchte, oder weil er eine Indexierung möchte, zulässig und das geeignete Mittel, um, wenn das Finanzamt dem Antrag nicht durch Auszahlung nachkommt, im Rechtsmittelverfahren die Frage klären zu lassen, ob die Indexierung anzuwenden ist oder nicht (siehe das dem RE/7100001/2020 zugrunde liegende Verfahren).
Dazu ist im Gegensatz zu den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom keine "Beantragung der Familienbeihilfe gemäß § 10 FLAG" "mit Formular Beih 100" erforderlich, weil der Bf einen derartigen Antrag ja bereits gestellt hat und ihm auf Grund dieses Antrags Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt worden ist. Der Bf hat am genau das getan, was ihm das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung vom als weiter zu setzten Schritt empfiehlt. Er hat somit beantragt, die Familienbeihilfe für seinen Sohn ***5*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 gemäß § 8a FLAG 1967 i.V.m. § 3 Abs. 25 Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung und den Kinderabsetzbetrag gemäß § 4 Abs. 1 Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung für die Schweiz auszubezahlen und, falls dem das Finanzamt nicht nachkommt, hinsichtlich des über den sich aus § 8 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 hinausgehenden Mehrbetrag einen Abweisungsbescheid gemäß § 13 zu erlassen.
Somit war das Anbringen vom zulässig.
...
Im weiteren Verfahren über den Antrag vom hat das Finanzamt inhaltlich zu entscheiden.
Es wird hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht ( RE/7100001/2020) dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat:
"Sind Artikel 18 und Artikel 45 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 7 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, Artikel 4, Artikel 5 Buchstabe b, Artikel 7 und Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie Artikel 60 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorsieht, dass Familienleistungen für ein Kind, das sich nicht tatsächlich ständig in dem diese Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat, sondern tatsächlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhält, auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäische Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für den jeweiligen Staat im Verhältnis zu dem die Familienleistungen zahlenden Mitgliedstaat anzupassen sind?"
§ 8a FLAG 1967 bestimmt eine Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die sich "ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten".
Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, "die sich ständig im Ausland aufhalten", wobei unter "Ausland" Drittstaaten zu verstehen sind (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 3 Rz 7 m.w.N.; RV/7100436/2021).
Die zu § 5 Abs. 3 FLAG 1967 ergangene Judikatur (siehe dazu Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 5 Rz 9) ist sinngemäß auch auf § 8a FLAG 1967 anzuwenden.
Zu prüfen ist, ob der Aufenthalt des Sohnes in der Schweiz nur vorübergehend oder ein ständiger gewesen ist. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. 2007/15/0055).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der ständige Aufenthalt i.S.d. § 5 Abs. 3 FLAG 1967 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen (vgl. etwa 2009/16/0133).
Dabei kommt es auf den gesamten Zeitraum des Aufenthalts an.
Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, also wenn der Auslandsaufenthalt von Anfang an auf längere Zeit angelegt war, ab Beginn des Auslandsaufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. 2012/16/0008).
Nach den zuletzt erfolgten Angaben des Bf befand sich ***5******2*** durchgehend von Anfang Februar 2019 bis Anfang September 2019, also rund sieben Monate, in der Schweiz.
Im Anbringen vom hat der Bf angegeben, sein Sohn sei von Februar 2019 bis Juni 2019 studienbedingt in der Schweiz. Laut vorgelegten Vorausbescheid der Universität Wien vom soll hingegen ein Auslandssemester vom bis , also ein Jahr zuvor, genehmigt worden sein. Die Bestätigung der Universität ***7*** vom spricht von einem Studium von bis , während der Sprachkurs von bis gedauert haben soll. In der Beschwerde vom wird erneut der Studienzeitraum in der Schweiz mit Februar 2019 bis Juni 2019 angegeben und sei der Sohn am nach ***10*** übersiedelt, wo er bis ein Praktikum bei einer Schweizer Bank absolviere. Die Rückkehr nach Österreich sei am . Der tatsächliche Zeitraum des Aufenthalts in der Schweiz wird im weiteren Verfahren zu klären sein.
Bestand über das "Auslandssemester" hinaus ein von vornherein geplanter durchgehend längerer Aufenthalt in der Schweiz, ist auf die Gesamtaufenthaltsdauer abzustellen. Der VwGH hat eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland gerade noch als einen vorübergehenden Aufenthalt angesehen (vgl. 2009/16/0133).
Ein Gesamtaufenthalt von rund sieben Monaten wird daher i.d.R. als ständiger gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 und § 8a FLAG 1967 anzusehen sein, auch wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes vor und nach dem Auslandsaufenthalt wieder in Österreich war.
Bemerkt wird, dass es sich bei den Feststellungen des Ausschusses für Familie und Jugend in Zusammenhang mit der Beratung der Indexierung der Familienbeihilfe (AB 290 BlgNR 26. GP) in Bezug auf Studien im Ausland um keine die Vollziehung und Rechtsprechung bindende authentische Interpretation handelt (vgl. RV/7105128/2016).
Weiters wird bemerkt, dass der Bf gemäß § 10 FLAG 1967 während des gesamten Verfahrens die indexierte Familienbeihilfe für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 beantragt hat. Für den weiteren Aufenthalt in der Schweiz ist bisher keine Antragstellung erfolgt, eine solche aber gemäß § 270 BAO im Zuge des weiteren Verfahrens zulässig.
...
Das Erkenntnis wurde der belangten Behörde am , dem Bf am zugestellt.
Säumnisbeschwerde vom
Mit an das Finanzamt Österreich adressiertem Schreiben vom brachte der Bf am selben Tag eine Säumnisbeschwerde wie folgt ein:
Säumnisbeschwerde
In der oben bezeichneten Rechtssache erhebe ich gemäß § 284 Abs. 1 BAO aufgrund des Ablaufs der Entscheidungspflicht Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht.
Sachverhalt
Ich habe am den Antrag gestellt, das Finanzamt Wien 3/617/11115 Schwechat Gerasdorf möge die Höhe der Familienbeihilfe für meinen Sohn ***5*** für das Jahr 2019 bescheidmäßig feststellen.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Finanzamts Wien 316/7/11/15 Schwechat Gerasclorf (FA03) am unter der Zahl VersNr. ***8*** als unzulässig zurückgewiesen.
Meiner Bescheidbeschwerde vom hat das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom Recht gegeben, den Bescheid als rechtswidrig aufgehoben und festgestellt, dass das Finanzamt über den Antrag vom inhaltlich zu entscheiden habe.
Über Ersuchen des Finanzamts Österreich vom um Bekanntgabe von Ausreise- und Rückkehrdaten meines Sohnes in und aus der Schweiz, Ordnungsbegriff 8 975 492, habe ich am folgende Dokumente übermittelt:
2019 02 01 Einreise in die Schweiz
2019 02 01 bis 2019 06 30 wohnhaft in ***7***
2019 02 04 bis 2019 02 15 Sprachkurs
2019 02 18 bis 2019 06 29 Studium an der Universität ***7***
2019 07 01 bis 2019 09 06 Praktikum bei ***9***
2019 07 01 bis 2019 09 05 wohnhaft in ***10***
2019 09 05 Ausreise aus der Schweiz
2019 09 09 Einreise nach Österreich
Diese Dokumente belegten neuerlich die aus dem vorlaufenden Erfahren bereits mehrfach dargelegten Daten und Umstände des Aufenthalts meines Sohnes ***5*** für den in Frage stehenden Zeitraum in der Schweiz - so wie auch schon im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts festgestellt.
Bis dato, das sind nunmehr sieben Monate und zwei Wochen nach Vorliegen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts, ist keine Erledigung meines gegenständlichen Antrags vom erfolgt.
(Überwiegendes) Verschulden Abgabenbehörde
Das aufhebende Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts liegt seit vor.
Das Finanzamt Österreich hat seit Juli 2021 keine Schritte gesetzt oder die Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht, den gegenständlichen Sachverhalt weiter zu erläutern oder mit Dokumenten zu belegen.
Im Hinblick auf die klaren rechtlichen Ausführungen im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts und die dort festgestellten und damit außer Streit gestellten Sachverhalte liegt kein Umstand vor, der das Finanzamt Österreich gehindert hätte, in der Sache zu entscheiden.
Die Säumnis liegt daher im Verschulden des Finanzamts Österreich.
Antrag
Ich stelle den Antrag, das Bundesfinanzgericht möge über meinen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung der Höhe der Familienbeihilfe für meinen Sohn ***5******2*** für den Zeitraum seines Aufenthalts in der Schweiz im Jahr 2019 in der Sache selbst entscheiden und die Höhe der Familienbeihilfe feststellen.
Übermittlung der Säumnisbeschwerde vom
Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , übermittelte das Finanzamt Österreich dem Bundesfinanzgericht die Säumnisbeschwerde vom und führte dazu aus:
Datiert mit Iangte eine Säumnisbeschwerde des Herrn Ing. Dr. ***2******1*** beim Finanzamt Österreich ein, welche hiermit zuständigkeitshalber an das Bundesfinanzgericht weitergeleitet wird.
Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde:
In dieser Sache gab es bereits ein beim Bundesfinanzgericht anhängiges Verfahren zur GZ. RV/7101144/2021 betr. die Höhe der Familienbeihilfe für Sohn ***5******2*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 in welchem der Beschwerde am gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid ersatzlos aufgehoben wurde.
Dem Erkenntnis folgend wurde am ein Ersuchen um Ergänzung an Herrn Dr. ***2*** versendet, welches mit Postaufgabe vom von ihm beantwortet wurde.
Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann gemäß § 284 Abs 1 BAO die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen der nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden.
Die Verpflichtung zur Erledigung hat nach Ansicht des Finanzamtes Österreich die Abgabenbehörde erst ab . Da die Frist von sechs Monaten somit nicht erreicht und das Finanzamt nicht säumig ist, wird um Zurückweisung der Säumnisbeschwerde ersucht.
Des Weiteren wird mitgeteilt, dass aufgrund von vorliegenden Unterlagen die Höhe des Einkommens des Sohnes (§ 5 FLAG 1967; der Sohn bezog im Juli und August 2019 nicht unerhebliche Einkünfte in der Schweiz, sowie im Jänner und von Oktober bis Dezember 2019 in Österreich) für den grundsätzlichen Anspruch im strittigen Zeitraum zu überprüfen ist. Zur Überprüfung des Einkommens wurde am ein Vorhalt versendet, am erging ein Erinnerungsschreiben - beides blieb unbeantwortet. Aufgrund der Einkünfte in der Schweiz und den damit verbundenen grenzüberschreitenden Sachverhalt ist eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei gemäß § 115 BAO gegeben.
Nach § 284 Abs 4 BAO ist eine Säumnisbeschwerde abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist. Da kein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde vorliegt, wäre die Säumnisbeschwerde aus diesem Grund abzuweisen.
Beschluss vom
Mit Beschluss vom trug das Bundesfinanzgericht dem Finanzamt Österreich gemäß § 284 Abs. 2 BAO auf, bis zu entscheiden und entweder mitzuteilen, dass für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in der Höhe, die sich auf Basis des vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich ergibt, ausbezahlt wurde, und dies durch Vorlage einer Abschrift der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 oder eines Zahlungsbelegs glaubhaft zu machen, oder, wenn gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid erlassen wurde, eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen.
Begründend wurde nach Wiedergabe des oben dargestellten Verfahrensgangs und der maßgebenden Rechtsgrundlagen ausgeführt:
Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde
Das Erkenntnis RV/7101144/2021 wurde der belangten Behörde am zugestellt. Gemäß § 108 Abs. 2 BAO enden nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht.
Die sechsmonatige Frist des § 284 Abs. 1 BAO begann am und endete am .
Für die Frist zur Erledigung des am (!) gestellten Anbringens kommt es auf den Zeitpunkt der Aufhebung der letzten Erledigung dieses Anbringens an, das war der . Wann ein Vorhalt der belangten Behörde durch den Bf beantwortet worden ist, ist für den Beginn der Frist nach § 284 Abs. 1 BAO ohne Bedeutung.
Die Säumnisbeschwerde ist daher nicht als verfrüht eingebracht zurückzuweisen.
Überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde
Gemäß § 284 Abs. 4 BAO sind Säumnisbeschwerden mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.
Das Finanzamt bringt vor, dass der Bf ein Ergänzungsersuchen vom am beantwortet hat. Der Bf hat dazu in seiner Säumnisbeschwerde angegeben, dem Finanzamt am Dokumente übermittelt zu haben, aus denen sich ergibt, dass sich der Sohn des Bf durchgehend von bis in der Schweiz aufgehalten hat Im Zeitraum bis habe der Sohn an der Universität ***7*** studiert und von bis ein Praktikum absolviert.
Damit lagen am dem Finanzamt alle Grundlagen für eine Entscheidung über den Antrag vom vor:
Der Aufenthalt des Sohnes in der Schweiz dauerte mehr als sieben Monate. Dieser Aufenthalt war daher ständig i.S.v. § 8a FLAG 1967. Für den Antragszeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 lagen somit die Voraussetzungen für die Anwendung von § 8a FLAG 1967 vor.
Im Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 befand sich der Sohn des Bf wegen seines Universitätsstudiums in Berufsausbildung. Damit hat offenbar ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 (i.V.m. § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967) bestanden. Das Finanzamt hat auch den nicht indexierten Betrag an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt. Soweit keine begründeten Zweifel an der Unbedenklichkeit der vom Bf am vorgelegten Unterlagen bestanden haben, hätte das Finanzamt daher ohne unnötigen Aufschub (§ 85a BAO) die Auszahlung des Differenzbetrages zwischen der bereits ausbezahlten Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag und dem Betrag an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, der bei einem ständigen Aufenthalt in der Schweiz zusteht, vorzunehmen gehabt.
Anstatt das im August 2021 bereits mehr als zwei Jahre offene Anbringen des Bf vom endlich rechtsrichtig zu erledigen, wurde nach dem Vorbringen des Finanzamts damit begonnen, ein Verfahren betreffend die Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe einzuleiten.
Das Finanzamt kann jederzeit überprüfen, ob das Einkommen des Sohnes des Bf im Jahr 2019 die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 überschritten hat. In diesem Fall hat es in weiterer Folge nach § 26 FLAG 1967 vorzugehen.
Dies hat aber nichts mit der Erledigung des Antrags vom zu tun.
Die Aufnahme von Ermittlungen zur Prüfung eines Vorgehens nach § 26 FLAG 1967 können nicht zu Lasten der Erledigung des hier verfahrensgegenständlichen Antrags gehen. Die Nichterledigung des Antrags vom ist daher unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen.
Die Säumnisbeschwerde ist daher nicht gemäß § 284 Abs. 4 BAO mit Erkenntnis abzuweisen.
Auftrag an die belangte Behörde
Dem Finanzamt Österreich ist daher gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufzutragen, bis zu entscheiden und entweder mitzuteilen, dass für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in der Höhe, die sich auf Basis des vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich ergibt, ausbezahlt wurde, und dies durch Vorlage einer Abschrift der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 oder eines Zahlungsbelegs glaubhaft zu machen, oder, wenn gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid erlassen wurde, eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen. Die gesetzte Frist ist im Hinblick darauf, dass die Sache unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entscheidungsreif ist, mit rund vier Wochen angemessen. Zweifel an der Unbedenklichkeit der vom Bf am vorgelegten Unterlagen haben für das Finanzamt offenbar nicht bestanden, denn sonst hätte es dazu (und nicht zu anderen Themen) Ermittlungen durchgeführt.
Zu den für das Säumnisbeschwerdeverfahren nicht relevanten Ermittlungen betreffend das Einkommen des Sohnes wird bemerkt, dass ein zu versteuerndes Einkommen, das nach der Zeit, für die Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat, bezogen wurde, gemäß § 5 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 außer Betracht zu bleiben hat, wenn die Berufsausbildung im Herbst 2019 nicht mehr fortgesetzt worden sein sollte und daher der Familienbeihilfeanspruch weggefallen ist. Sollte der Sohn weiterhin einer Berufsausbildung nachgegangen sein, führt ein den Betrag von € 10.000 bzw. € 15.000 übersteigendes zu versteuerndes Einkommen des Sohnes nicht zum Wegfall des Anspruchs auf Familienbeihilfe, sondern ist gegebenenfalls der Auszahlungsbetrag zu kürzen (vgl. RV/7104446/2020).
Berichte vom
Mit Berichten vom teilte das Finanzamt Österreich dem Bundesfinanzgericht mit, dass mit diesem Tag folgende Bescheide an den Bf versendet worden sind:
Abweisungsbescheid I vom
Mit dem zunächst abgefertigten Abweisungsbescheid (I) vom entschied das Finanzamt wie folgt:
Ihr Antrag vom auf Gewährung der Familienbeihilfe in Höhe der in § 8a Abs. 1 und 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) festgelegten Beträge und auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages in Höhe des in § 33 Abs. 3 erster Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG) festgelegten Betrages wird für das folgende Kind abgewiesen.
Familien- und Vorname / Geburtsdatum / Zeitraum
***2******5*** / ***11*** / Februar bis Juni 2019
Begründend wurde ausgeführt:
Gemäß § 2 Abs. 5 lit a und lit b FLAG gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält, oder das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt.
Gemäß § 8a FLAG sind die Beträge an Familienbeihilfe und gemäß § 33 Abs. 3 Z 2 EStG ist der Kinderabsetzbetrag für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, an das Preisniveau des Wohnortstaates anzupassen.
Die Beträge an Familienbeihilfe nach § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und des Kinderabsetzbetrages nach § 33 Abs. 3 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 wurden mit der Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung (BGBl. II Nr. 318/2018) kundgemacht und gelten ab .
Der Ausschuss für Familie und Jugend (290 der Beilagen XXVI. GP - Ausschussbericht NR) hat am folgende Ausschussfeststellung beschlossen:
"Der Ausschuss für Familie und Jugend geht davon aus, dass Familien bzw. Eltern, die ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich haben und deren haushaltszugehörige Kinder nur vorübergehend für Ausbildungszwecke im Auslandstudieren, weiterhin Anspruch auf die volle Familienbeihilfe für diese Kinder haben. In diesem Zusammenhang gilt die Haushaltszugehörigkeit - unabhängig von der Dauer des Studiums - nicht als aufgehoben. Das Studium im Ausland ist als Berufsausbildung wie ein Studium im Inland anzusehen und ist analog zu den für die Absolvierung von Studien in Österreich geltenden Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 -insbesondere in Bezug auf die Studiendauer und den Studienerfolg - zu prüfen und zu beurteilen."
Die EB zur Regierungsvorlage (111 BlgNR 26. GP) führen hierzu aus:
"Auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit werden die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag auch für Kindergewährt, die sich ständig in einem EU/EWR-Staat oder der Schweiz aufhalten.
Zur Vermeidung von Verzerrungen bei undifferenziertem Export sollen die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nach der Kaufkraft jenes Landes, in dem das Kind wohnt, indexiert werden.
Im Rahmen des Familienlastenausgleichs als jenem Teil der Familienpolitik, der die wirtschaftliche Förderung der Familien nach familien- bzw. kindbezogenen Kriterien zum Inhalt hat, kommt der Familienbeihilfe eine ganz besondere Funktion zu. Grundsätzliche Intention der Familienbeihilfe ist es, für die Eltern einen teilweisen finanziellen Ausgleich für die Mehrbelastung zu schaffen, die ihnen u.a. durch die Ernährung, Bekleidung, häusliche Unterbringung und Erziehung von Kindern entsteht. Insofern orientiert sich die Höhe der Entlastung durch die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag - dem Funktionsgleichheit in Bezug auf die Familienbeihilfe zukommt - an den tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten. Die Höhe der Lebenshaltungskosten wiederum hängt naturgemäß vom Wohnort der Kinder ab und kann daher entsprechend differieren."
Ab werden die Familienbeihilfenbeträge für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU, Vertragspartei des EWR oder der Schweiz aufhalten, an die Lebenserhaltungskosten des jeweiligen Wohnortstaates der Kinder angepasst. Betroffen sind Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten und für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich besteht.
Lt. Aktenlage absolvierte Ihr Sohn von Dezember 2017 bis März 2020 den dritten Abschnitt des Diplomstudiums Rechtswissenschaften. Für das Sommersemester 2019 lag ein von der Universität Wien bewilligtes Auslandsstudium vor. Dieses wurde von Februar bis Juni 2019 an der Universität ***7*** absolviert. In den darauffolgenden Ferienmonaten absolvierte Ihr Sohn noch ein Praktikum bei einer Bank in der Schweiz. Anfang September 2019 erfolgte die Heimkehr nach Österreich und die Fortsetzung des laufenden Studiums der Rechtswissenschaften, welches im März 2020 abgeschlossen wurde.
Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, also wenn der Auslandsaufenthalt von Anfang an auf längere Zeit angelegt war, ab Beginn des Auslandsaufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. 2012/16/0008).
Im vorliegenden Fall war gemäß den vorliegenden Unterlagen von Anfang an jedoch nur ein vorübergehender Aufenthalt im Ausland für ein Semester sowie die anschließende Fortsetzung des (unterbrochenen) Studiums im Inland geplant.
Der Familienwohnsitz mit Mittelpunkt der Lebensinteressen lag daher nach wie vor in Österreich. Das Kind ***5*** hielt sich nur auf Grund eines Auslandssemesters im Zeitraum Februar bis Juni bzw September 2019 in der Schweiz auf, weshalb hier die Familienbeihilfe auf Grund der fiktiven Haushaltszugehörigkeit gewährt wurde. Das Kind hatte im streitgegenständlichen Zeitraum weiterhin seinen Wohnsitz bei seinen Eltern in Österreich und nur einen vorübergehenden Aufenthalt in der Schweiz.
Daher kommt hier keine Indexierung iSd. § 8a FLAG zur Anwendung.
Aufhebungsbescheid vom
Weiters erließ das Finanzamt am folgenden Aufhebungsbescheid:
Der Bescheid vom wird betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Kinderabsetzbetrages in Höhe des in § 33 Abs. 3 erster Satz des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG) festgelegten Betrages für das folgende Kind
Familien- und Vorname / Geburtsdatum / Zeitraum
***2******5*** / ***11*** / Februar bis Juni 2019
gemäß § 299 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgehoben.
Begründend wurde ausgeführt:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde einen Bescheid aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Gemäß § 299 Abs. 2 BAO ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden (…).
Mit Antrag vom wurde die Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 8a FLAG 1967 in der Höhe, die sich auf Basis des vom Statistischen Amtes der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich ergibt, für Sohn ***5*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019 beantragt. Der Spruch des genannten Bescheides ist daher unvollständig und somit unrichtig, da er nur über die Indexierung der Familienbeihilfe und nicht auch über die Indexierung des Kinderabsetzbetrages abspricht. Der Kinderabsetzbetrag für genanntes Kind und Zeitraum wurde bereits gewährt und ausbezahlt.
Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat, war die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen. Der genannte Antrag vom ist somit betreffend den Kinderabsetzbetrag wieder unerledigt.
Abweisungsbescheid II
Im Anschluss an die Ausfertigung des Aufhebungsbescheids wurde folgender weiterer Abweisungsbescheid (II) vom Finanzamt am ausgefertigt:
Ihr Antrag vom auf Auszahlung des Kinderabsetzbetrages (§ 33 Einkommensteuergesetz) gemäß § 8a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) 1967 in der Höhe, die sich auf Basis des vom Statistischen Amtes der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich ergibt, wird für das folgende Kind abgewiesen.
Familien- und Vorname / Geburtsdatum / Zeitraum
***2******5*** / ***11*** / Februar bis Juni 2019
Die Begründung entspricht jener des ersten Abweisungsbescheids vom .
Zustellnachweise
Laut vom Finanzamt am übermittelten Zustellnachweisen wurden die Bescheide vom dem Bf am zugestellt.
Rechtsgrundlagen
21. Säumnisbeschwerde
§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.
(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.
(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.
(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.
(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.
(7) Sinngemäß sind anzuwenden:
a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),
b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),
c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),
d) § 266 (Vorlage der Akten),
e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),
f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),
g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),
h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).
§ 285. (1) Die Säumnisbeschwerde hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung der säumigen Abgabenbehörde;
b) die Darstellung des Inhaltes des unerledigten Antrages bzw. der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht;
c) die Angaben, die zur Beurteilung des Ablaufes der Frist des § 284 Abs. 1 notwendig sind.
(2) Die Frist des § 284 Abs. 2 wird durch einen Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2) gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages und endet mit Ablauf der Mängelbehebungsfrist oder mit dem früheren Tag des Einlangens der Mängelbehebung beim Verwaltungsgericht.
Klaglosstellung
Wird der Bescheid, dessen Erlassung mit Säumnisbeschwerde begehrt wird, erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 einzustellen.
Gleiches gilt sinngemäß, wenn wie hier im Familienbeihilfenverfahren bei Stattgabe eines Antrags gemäß § 11 FLAG 1967 die Familienbeihilfe formlos auszuzahlen und eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 zuzusenden, aber gemäß § 13 FLAG 1967 kein Bescheid zu erlassen ist. Auch in diesem Fall ist der Antragsteller i.S.d. § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 klaglos gestellt.
Auch ein Abweisungsbescheid (§ 13 FLAG 1967) beendet die Säumnis der Behörde.
Der Bf beantragte in seiner Säumnisbeschwerde vom die Erledigung des auf Grund des Erkenntnisses wieder unerledigten Antrags vom auf Auszahlung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag gemäß § 8a FLAG 1967 in der Höhe, die sich auf Basis des vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für die Schweiz im Verhältnis zu Österreich ergibt, für seinen im Dezember 1994 geborenen Sohn ***5*** ***2*** für den Zeitraum Februar 2019 bis Juni 2019. Über diesen Antrag wurde vom Finanzamt mit den Abweisungsbescheiden vom entschieden. Die Wirksamkeit der Bescheide durch Zustellung an den Bf wurde vom Finanzamt nachgewiesen.
Zur Rechtslage vor dem 2. AbgÄG 2014 BGBl. I Nr. 105/2014 hat der VwGH judiziert, dass auch wenn die sinngemäße Anwendung des § 261 BAO in der Aufzählung des § 284 Abs. 7 BAO nicht enthalten sei, diese planwidrige Lücke des Gesetzgebers durch Analogie zu schließen und die Säumnisbeschwerde dann als gegenstandslos zu erklären sei, wenn dem Begehren der Säumnisbeschwerde Rechnung getragen wurde, indem die Abgabenbehörde, deren Säumnis bekämpft wurde, ihren Bescheid erlassen hat (vgl. . Der VwGH spricht zwar von "planmäßiger Lücke", es ergibt sich aber aus dem Zusammenhang, dass "planwidrige Lücke" gemeint ist). Mit dem 2. AbgÄG 2014 BGBl. I Nr. 105/2014 wurde der Satz "Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen." in § 284 Abs. 2 BAO eingefügt. Seither ist das Säumnisbeschwerdeverfahren mit Beschluss einzustellen, wenn dem Begehren der Säumnisbeschwerde Rechnung getragen wurde, indem die Abgabenbehörde, deren Säumnis bekämpft wurde, ihren Bescheid erlassen hat (vgl. ).
Die Rechtmäßigkeit eines derart wirksam erlassenen Bescheides ist nicht zu prüfen. Daher hängt der Beschluss des Verwaltungsgerichtes, womit eine nach § 284 f BAO erhobene Säumnisbeschwerde als gegenstandslos erklärt wird, nicht davon ab, ob die in § 284 Abs. 2 BAO genannte Frist wirksam und rechtmäßig verlängert wurde oder ob der Bescheid der Abgabenbehörde innerhalb der Frist des § 284 Abs. 2 BAO ergangen ist und die Abgabenbehörde zur Erlassung des Bescheides noch zuständig war (vgl. ). Das Beschwerdeverfahren ist somit gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 einzustellen.
Nichtzulassung der Revision
Gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die Rechtsfolge ergibt sich aus dem Gesetz.
Wien, am
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