Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2022, RV/2100108/2020

Vorsteuerberichtigung bei inländischen Roamingleistungen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/2100108/2020-RS1
Die Pflicht zur Berichtigung von Vorsteuern infolge Minderung des Entgelts trifft in- und ausländische Unternehmer. Die Tatsache, dass für Zeiträume, in denen Vorsteuern in Rechnung gestellt wurden, keine Erstattungsanträge eingereicht wurden, ist unbeachtlich, weil durch die Inanspruchnahme inländischer Roamingleistungen (Vorsteuerabzug) davon auszugehen ist, dass auch Inlandsumsätze aus der Zurverfügungstellung des inländischen Mobiltelefonnetzes an ausländische Kunden erzielt wurden und auf diesem Weg –vergleichbar mit der Besteuerung pauschalierter Landwirte- Vorsteuerabzüge saldierend tatsächlich vorgenommen wurden. Diese vorgenommene Vorsteuerabzug ist im Fall der Entgeltsminderung gem. § 16 UStG 1994 zu berichtigen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Alois Pichler in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch BDO Audit GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Am Belvedere 4, 1100 Wien, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer 04.2012 und Umsatzsteuer 3.2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist eine Telekommunikationsgesellschaft mit Sitz im Drittland und bietet ihren Kunden mobile Telefonie an. In den angefochtenen Bescheiden verfügte die belangte Behörde die Festsetzung von Umsatzsteuer für die im Spruch genannten Voranmeldungszeiträume. Hinsichtlich des Zeitraumes März 2015 wurde mit am 15.2.017 ein Erstbescheid mit einer Vorschreibung von 8.626,72 € erlassen, der mit Beschwerde angefochten wurde. In der weiteren Folge wurde eine Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt und die Umsatzsteuer mit 19.672,72 € festgesetzt. In der Begründung wurde auf eine zugesendete Liste zu den Festsetzungsbescheiden 2013 und 2014 und auf die von zwei näher bezeichneten inländischen Telekommunikationsbetreibern gewährten Rabatte verwiesen.

In ihrer Beschwerde führte die Bf. weitwendig ihre Argumente gegen das Bestehen einer inländischen Steuerpflicht für die Ermöglichung der Führung von Telekommunikation über das inländische Mobilfunknetz inländischer Telekommunikationsbetreiber ihrer ausländischen (Drittland) Kunden aus.

Zu den erhaltenen Rabatten finden sich nur undeutliche Ausführungen, dass sich die Bf. gegen die Vorschreibung wendet und diese mit Ansprüchen aus offenen Umsatzsteuervergütungen aufrechnen möchte.

Diesem eher allgemein gehaltenen Beschwerdevorbringen begegnete die belangte Behörde mit längeren Ausführungen über die Minderung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage durch Rabatte und Gutschriften und führte hierzu ins Treffen, dass diese zur Minderung der Vorsteuern in den entsprechenden Zeiträumen der Berichtigung führten. Gleichzeitig bezog sie sich auf die von der Bf. selbst vorgelegten Rabattgutschriften. Die Beschwerde wurde schließlich mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen.

In ihrem Vorlageantrag erwiderte die Bf. der abweisenden Beschwerdevorentscheidung die Vorschreibung der Umsatzsteuer sei unrichtig, weil sie für die Zeiträume 2010 und 2011 keine Vorsteuererstattung beantragt habe und daher die nachträgliche Rabattierung zu keinen umsatzsteuerlichen Konsequenzen führe, denn nach dem Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 ergebe sich eindeutig, wonach der Leistungsempfänger (nur) einen "in Anspruch genommenen" Vorsteuerabzug zu berichtigen habe und bezog sich auf Melhardt/Tumpel, UStG2, § 16 Tz. 100).

In der weiteren Folge wurden die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. In der Kurzzusammenfassung wurde auf die Besteuerungsproblematik drittländischer Telekommunikationsunternehmen und die gewährten Rabatte, die allgemein durch die Großbetriebsprüfung erhoben wurden und die nicht nachvollziehbaren Ausführungen der Bf. im Vorlageantrag verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus dem oa. Verfahrensgang. Auf Grund der Telekom-Verordnung des BMF und der entsprechenden Rz. der UStR (Verwaltungspraxis) ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ermöglichung des Telefonierens im Inland durch ein drittländisches Telekommunikationsunternehmen einen steuerbaren und steuerpflichtigen Inlandsumsatz darstellt. Diese Rechtsansicht wurde auch im Erkenntnis des , vertreten. Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung wäre daher die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahren an sich ausgeschlossen gewesen und daher könnten auf diesem Wege keine Vorsteuern erstattet werden.
Für die Kalenderjahre 2010 und 2011 wurden entsprechend den unbestritten gebliebenen Ausführungen der Bf. keine Vorsteuererstattungsanträge beim Finanzamt eingereicht und daher auch für diese Jahre keine Vorsteuern vom Finanzamt vergütet.

Zur näheren Erläuterung des Sachverhaltes sind folgende Feststellungen aus den "Credit Notes" zu treffen:

1. Credit Note vom :
Hier wurden für den Zeitraum Jänner 2010 bis August 2011 Gutschriften über "Roaming Services" in Höhe von 1.138.556 € (netto) erteilt. Das Umsatzsteuervolumen beträgt 227.711,20 €.

2. Credit Note vom :
Hier wurden für den Zeitraum Juli 2013 bis Dezember 2014 Gutschriften über "Net Amount" Roaming Services in Höhe von 43.133,59 € (netto) erteilt. Das Umsatzsteuervolumen beträgt 8.626,72 €.

Aus in den Gutschriften bezugnehmenden Zeiträumen ergibt sich unschwer, dass auch entsprechende Vorleistungen bezogen wurden. Dies impliziert auch das Ausführen von Inlandsumsätzen, die in der Vergangenheit 2010-2011 nicht näher gewürdigt wurden.

Beweiswürdigung

Der Ausgangssachverhalt der gewährten Rabatte wurde von der Bf. dem Grunde nicht weiter bestritten und kann daher als unbedenklich angenommen werden.

  1. Rechtliche Beurteilung

§ 3a UStG 1994 (bis BGBl. I 40/2014) lautet:

(13) Die im Abs. 14 bezeichneten sonstigen Leistungen werden ausgeführt:
a) Ist der Empfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Drittlandsgebiet ausgeführt;
b) ist der Empfänger einer in Abs. 14 Z 14 bezeichneten sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 und hat er Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet, wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Leistung von einem Unternehmer ausgeführt wird, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte des Unternehmers ausgeführt wird.
(14) Sonstige Leistungen im Sinne des Abs. 13 sind:
1. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus urheberrechtlichen Vorschriften ergeben;
2. die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen;
3. die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer;
4. die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung;
5. die Datenverarbeitung;
6. die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen;
7. die sonstigen Leistungen der in § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a bis i und Z 9 lit. c bezeichneten Art;
8. die Gestellung von Personal;
9. der Verzicht, ein in diesem Absatz bezeichnetes Recht wahrzunehmen;
10. der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben;
11. die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel;
12. die Telekommunikationsdienste;
13. die Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen;
14. die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen;
15. die Gewährung des Zugangs zu einem Erdgasnetz im Gebiet der Gemeinschaft oder zu einem an ein solches Netz angeschlossenes Netz, zum Elektrizitätsnetz oder zu Wärme- oder Kältenetzen sowie die Fernleitung, Übertragung oder Verteilung über diese Netze und die Erbringung anderer unmittelbar damit verbundener Dienstleistungen.
(15) Erbringt ein Unternehmer, der sein Unternehmen vom Drittlandsgebiet aus betreibt,
1. die Vermietung von Beförderungsmitteln oder
2. eine sonstige Leistung, die im Abs. 14 Z 1 bis 13 und 15 bezeichnet ist, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, mit Sitz im Inland, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt sinngemäß, wenn die Leistung von einer im Drittlandsgebiet gelegenen Betriebsstätte ausgeführt wird.
(16) Der Bundesminister für Finanzen kann, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich nach Abs. 6, 7, 12 oder 13 lit. a bestimmt, der Ort der sonstigen Leistung danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach
1. statt im Inland als im Drittlandsgebiet gelegen und
2. statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen
behandelt werden. Das gilt nicht für Leistungen im Sinne des Abs. 14 Z 14, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs. 5 Z 3 ist, der keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuer abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009, "mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmen geschaffen wird", wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

Änderung der Bemessungsgrundlage

§ 16. (1) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

(2) Die Berichtigung des Vorsteuerabzuges kann unterbleiben, wenn ein dritter Unternehmer den auf die Minderung des Entgeltes entfallenden Steuerbetrag an das Finanzamt entrichtet; in diesem Fall ist der dritte Unternehmer Schuldner der Steuer. Die Steuer ist für den Veranlagungszeitraum zu entrichten, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

(3) Abs. 1 gilt sinngemäß, wenn
1. das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;
2. für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist;
3. eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung rückgängig gemacht worden ist.

(4) - (5) …

Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl II 2003/383 idF BGBl II 2009/221:

Auf Grund des § 3a Abs. 10 Z 13 und 14 sowie Abs. 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 wird verordnet:

§ 1. Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.
§ 2. Als Telekommunikationsdienste gelten solche Dienstleistungen, mit denen Übertragung, Ausstrahlung oder Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien gewährleistet werden; dazu gehören auch die Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, Ausstrahlung oder zum Empfang.
§ 3. (1) Die Verordnung ist auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(2) Die
Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten, BGBl. II Nr. 102/1997, ist nicht mehr auf Umsätze anzuwenden, die nach Ablauf des Tages, an dem die Verordnung im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde, ausgeführt werden.
(3) § 1 in der Fassung der Verordnung
BGBl. II Nr. 221/2009 ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden.

Umsatzsteuerrichtlinien (UStR)
Rz 643:
Liegt der Ort der Telekommunikationsdienstleistung, Rundfunk- oder Fernsehdienstleistung außerhalb des Gemeinschaftsgebietes und unterliegt die Leistung dort keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung, so wird sie nach der VO des BM für Finanzen,
BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird. Das gilt unabhängig davon, ob die Leistung an einen Unternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 UStG 1994 oder an einen Nichtunternehmer iSd § 3a Abs. 5 Z 3 UStG 1994 erbracht wird.
Die österreichischen Netzanbieter haben die Möglichkeit, sich hinsichtlich der von ihnen erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen an Drittlandsunternehmer auf das für sie günstigere EU-Recht zu berufen. Eine Berufung ist jedoch nur in solchen Fällen möglich, in denen Telekommunikationsdienstleistungen an Empfänger im Drittland erbracht werden und diese Leistungen im Drittland einer der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliegen. Letztere Voraussetzung ist vom österreichischen Netzanbieter nachzuweisen, wobei dies beispielsweise durch Beschreibung der gesetzlichen Bestimmungen im Drittland und Vorlage entsprechender Steuerbescheide erfolgen kann.
Beispiel:
Ein österreichischer Mobilfunkbetreiber schließt mit einem Mobilfunkbetreiber mit Sitz im Drittland einen Vertrag ab, wonach die beiden Vertragsparteien den jeweils berechtigten Kunden der anderen Vertragspartei die Möglichkeit geben, Telekommunikationsleistungen auf dem von ihnen betriebenen Netz zu erhalten (Roaming-Vertrag). Der Kunde des Drittlandsunternehmers telefoniert in Österreich. Die Telekommunikationsdienstleistung unterliegt im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung.
Der Ort der Leistung des österreichischen Unternehmers beurteilt sich zunächst nach
§ 3a Abs. 6 UStG 1994 und liegt nach dieser Bestimmung im Drittland, da die Leistung einem Unternehmer gegenüber erbracht wird. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich.

Wird die Leistung einem Unternehmer im Drittland oder einem Nichtunternehmer im Drittland gegenüber erbracht, liegt der Ort der Leistung gemäß
§ 3a Abs. 6 oder Abs. 13 UStG 1994 idF ab (bis : § 3a Abs. 13 lit. a oder Abs. 7 UStG 1994) jeweils im Drittland. Da diese Leistung jedoch in Österreich genutzt wird, verlagert sich der Ort der Leistung auf Grund der Verordnung des BM für Finanzen, BGBl. II Nr. 383/2003 nach Österreich."

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Zeitraum 4/2012

Wie bereits oben angedeutet, ist davon auszugehen, dass die Bf. grundsätzlich auch für die bezugnehmenden Zeiträume der Rabattgutschriften steuerbare und steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hat. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird inhaltlich auf das der Bf. bereits zugegangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/2100114/2020 verwiesen.

Der in diesem Zusammenhang von der Bf. erhobene Einwand, sie sei zur Berichtigung der Vorsteuern nicht weiter verpflichtet, weil § 16 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 zu entnehmen sei, der Leistungsempfänger habe nur "einen in Anspruch genommenen" Vorsteuerabzug zu berichtigen und sie habe für die Jahre 2010 und 2011 keine Vorsteuererstattung beantragt, erscheint auf erstem Blick verständlich, hält aber einer genaueren Betrachtung nicht Stand.
Auch wenn die Bf. für die Jahre 2010 und 2011 keinen Umsatzsteuervergütungsantrag eingereicht und auch keine Vergütungen ausbezahlt erhalten hatte, ist dennoch von einer Inanspruchnahme des Vorsteuerabzuges für die bezogenen Leistungen auszugehen. Wie bereits oben erwähnt - erzielt die Bf. nach rechtsrichtiger steuerlicher Beurteilung steuerbare und steuerpflichtige Umsätze - auch wenn dies in der Vergangenheit mangels Einreichung von Umsatzsteuererklärungen oder Erstattungsanträgen nicht zur Versteuerung gelangt ist.
Gedanklich ändert dies an der Nichteinreichung von Erstattungsanträgen oder Umsatzsteuererklärungen nichts, da entsprechende Steuertatbestände verwirklicht wurden. Aus dieser Vorgangsweise ist daher zumindest anzunehmen, dass den Vorsteuern von inländischen Leistungsbezügen (Roaminggebühren inländischer Telekommunikationsbetreiber) eine gedanklich anzusetzende Leistungsumsatzsteuer zumindest in gleicher Höhe gegenüberstand und somit eine Steuerschuld von Null ergibt. Ob eine entsprechende Gewinnmarge aus den weiterverrechneten Roaminggebühren erzielt wurde, konnte mangels entsprechender Offenlegung nicht festgestellt werden. Die Erzielung eines Rohverlustes aus der Verrechnung von Roaminggebühren ist nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht anzunehmen.
Jedenfalls ist ein dem Vorsteuerabzug gegenüberstellender Ausgangsumsatz anzunehmen. In ähnlicher Weise geht auch § 22 Abs. 1 UStG 1994 (Besteuerung von Umsätzen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe) vereinfachend davon aus, dass Umsätze und Vorsteuern in gleicher Höhe angenommen/festgesetzt werden. Die mit diesen Umsätzen zusammenhängenden Vorsteuern werden nicht exakt erfasst, sondern stets in gleicher Höhe festgesetzt. Da durch die automatische Äquivalenz von eigener Steuerschuld und Vorsteuern weder eine Zahllast noch ein Überschuss entstehen kann, entfällt die Notwendigkeit der Ermittlung der Steuer und ihrer Berechnungsgrundlagen (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) zu § 22 UStG Rz 4). Auch Unternehmer deren Umsatzsteuer im Wege der Pauschalbesteuerung erhoben wird, sind als grundsätzlich als vorsteuerabzugsberechtigt anzusehen. Die Vorsteuerabzugsberechtigung ist bei Land- und Forstwirten ebenso wie bei der Bf. gegeben, weshalb davon auszugehen ist, dass die Bf. de-facto den Vorsteuerabzug in der Weise in Anspruch genommen hat, als sie die Vorsteuern von der angefallenen Leistungsumsatzsteuer in Abzug brachte, deren Ergebnis einen Saldo von Null ergab. Ob dies gewollt oder ungewollt war, vermag an der abgabenrechtlichen Beurteilung nichts zu ändern. Daher treffen die Bf. auch die entsprechenden Pflichten zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges aus der nachträglichen Minderung des Entgelts (§§ 4, 16 UStG 1994).

2. Zeitraum 3/2015

Auch für diesen Zeitraum ist davon auszugehen, dass im Zeitraum 7/13 bis 12/2014 (Bezugszeitraum) entsprechende Umsätze ausgeführt wurden. Ob nun Erstattungen ganz oder teilweise vom Finanzamt gewährt wurden, ist nicht weiter von Belang, da dem Vorsteuervolumen eine entsprechende Leistungsumsatzsteuer gegenüber zu stellen ist. Im Übrigen wird auf die oa. Ausführungen verwiesen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges auch ausländische Unternehmer trifft, ist keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Geringer/Haller in
Pichler/Wisiak in BFGjournal 2022, 234
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100108.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at