TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.03.2022, RV/5101312/2020

Zurückweisung einer Beschwerde als unzulässig, da die Bescheide mangels Zustellung rechtlich nicht existent geworden sind.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht beschließt durch den Richter Mag. Günter Narat über die Beschwerde vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, Adr Bf, Steuernummer ***BF1StNr1***, vertreten durch den mit Zustellvollmacht ausgewiesenen Martin Friedl, 4650 Lambach, Marktplatz 2 gegen die Bescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2012 - 2017 sowie Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 - 2017:

I)
Die Beschwerde wird gem. § 260 Abs 1 lit a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

Nach einer beim Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) durchgeführten Außenprüfung wurden vom Finanzamt am Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 - 2017 erlassen.

Mit Schreiben vom brachte der BF eine Beschwerde gegen die angeführten Bescheide beim Finanzamt ein. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Der BF brachte mit Schreiben vom einen Vorlageantrag beim Finanzamt ein.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht trug dem BF mit Mängelbehebungsauftrag vom auf, die Mängel der Beschwerde vom ("Fehlen einer Begründung") binnen einer Frist von 8 Wochen ab Zustellung des Beschlusses zu beheben.

Mit Schreiben vom wurde vom BF eine "Verbesserung" der Beschwerde vom beim Bundesfinanzgericht eingereicht. Neben inhaltlichen Ausführungen zu den einzelnen Feststellungen des Finanzamtes wurde vom BF vorgebracht, dass im einzigen (Sammel) Dokument vom nur der Haftungsbescheid hinsichtlich Lohnsteuer für das Jahr 2011 in Höhe von € 14.214,28 und der Bescheid über die Festsetzung eines Säumniszuschlages in Höhe von € 284,29 enthalten gewesen seien. Die "Begründung für obige Bescheide" sei dem "Bericht vom und allenfalls der Niederschrift über die Schlussbesprechung" zu entnehmen. Der BF habe seine Ausführungen auf die Niederschrift über die Schlussbesprechung zur Außenprüfung ABNr. 121009/16 bezogen, auf die in der Niederschrift vom über die Schlussbesprechung zur ABNr. 400387/18 hingewiesen werde. Darüber hinaus seien die angefochtenen Bescheide nicht nachvollziehbar und schon deshalb rechtswidrig.

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde dem Finanzamt im Hinblick auf das obige Vorbringen des BF aufgetragen, die Zustellnachweise für die Bescheide vom betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 - 2017 vorzulegen.

Das Finanzamt hat dem Bundesfinanzgericht mit Email vom mitgeteilt, dass es bei der Zustellung der Bescheide vom technische Probleme gegeben habe und nur der Haftungsbescheid Lohnsteuer für das Jahr 2011 und der Bescheid über die Festsetzung eines Säumniszuschlages versendet worden seien.

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Nach einer beim BF durchgeführten Außenprüfung wurden vom Finanzamt am EDV-mäßig Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 - 2017 erlassen. Mit Schreiben vom brachte der BF eine Beschwerde gegen die angeführten Bescheide beim Finanzamt ein. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Der BF brachte mit Schreiben vom einen Vorlageantrag beim Finanzamt ein.

Aufgrund technischer Probleme wurden dem BF nur der Bescheid vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2011 und der Bescheid über die Festsetzung eines Säumniszuschlages zugestellt. Die Bescheide vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2012 - 2017 sowie Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 - 2017 wurden dem BF nicht zugestellt.

Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind unstrittig und ergeben sich zweifelsfrei aus dem Vorbringen des BF bzw dem Email des Finanzamtes vom .

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde (§ 262 BAO) oder mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde ua gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (; , 93/17/0318; ).

Gem. § 97 Abs 1 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach außen bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen ua durch Zustellung.

Die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) setzt grundsätzlich voraus, dass sie dem Adressaten bekannt gegeben wird. Vor Bekanntgabe entfaltet zB ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen. Ein Bescheid gehört erst mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an ().

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. z.B. ).

Unter Punkt 2 wurde festgestellt, dass die Bescheide vom betreffend Haftung für Lohnsteuer 2012 - 2017 sowie Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen und Festsetzung von Zuschlägen zu den Dienstgeberbeiträgen für die Jahre 2011 - 2017 dem BF nicht gemäß § 97 Abs 1 BAO bekannt gegeben und daher nicht (als Bescheide) wirksam wurden.

Da gemäß § 243 BAO nur Beschwerden gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen haben, zulässig sind, ist die Bescheidbeschwerde gem. § 260 Abs 1 lit a BAO mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen (vgl. auch ).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vor, wenn die vom erkennenden Verwaltungsgericht anzuwendenden Normen klar und eindeutig sind (vgl , mwN). Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen sind, die sich nicht ohnehin unmittelbar aus dem klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut ergeben, folgt das Bundesfinanzgericht der im Rahmen der rechtlichen Erwägungen dieses Erkenntnisses zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101312.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at