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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.01.2022, RV/5101958/2017

Zwangsstrafe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Zwangsstrafe zu Steuernummer ***123*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte die Abgabenbehörde um Rückübermittlung der Bescheide betreffend Glücksspielabgabe der ***F*** GmbH in Liquidation, die versehentlich (trotz nicht vorhandener Zustellvollmacht) an die beschwerdeführende Partei (steuerlicher Vertreter ohne Zustellvollmacht) zugestellt wurden. Darüber hinaus wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert im Falle der Kenntnis einer Zustelladresse des Bescheidempfängers, diese mitzuteilen.

Das Schreiben blieb unbeantwortet.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die beschwerdeführende Partei mit Hinweis auf das Ergänzungsersuchen unter Androhung einer Zwangsstrafe iHv € 500,00 aufgefordert

1. die Originalbescheide zu retournieren bzw. für den Fall, dass sich diese nicht mehr in der Kanzlei befänden bekanntzugeben, wann und an wen die Bescheide übergeben bzw. ausgehändigt wurden und

2. Eine Zustelladresse der ***F*** GmbH in Liquidation bekanntzugeben. Sofern keine Adresse bekannt sei, wäre eine diesbezügliche Mitteilung zu erbringen.

Das Schreiben blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Zwangsstrafe iHv € 500 fest, da die beschwerdeführende Partei den bisherigen Aufforderungen nicht nachgekommen sei.

Dagegen brachte die beschwerdeführende Partei Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass die Herausgabe von Urkunden (Bescheiden), welche sie als Parteienvertreter im Rahmen ihrer Berufsausübung als notwendiges Beweismittel im Abgabenverfahren der Mandantin als deren Eigentum inne habe. Weiters wurde auf § 91 WTBG idF BGBl I Nr 137/2017 (Verschwiegenheitspflicht) verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren die Zwangsstrafe zum Zweck der Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Zustellung und Nachvollziehbarkeit des Zustellvorganges erfolgt sei. Aufgrund der im Zeitpunkt der Zustellung fehlenden Zustellungsvollmacht, sei die (nachweisliche) Zustellung der Bescheide mit einem Mangel behaftet gewesen. […] Ob eine Heilung der Zustellung iSd § 7 ZustG eingetreten sei, bedürfe Feststellungen darüber, ob, wann und in welcher Form dem Empfänger die Erledigung zugekommen sei.

Mit Schreiben vom zog die beschwerdeführende Partei den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Verfahren vor dem Senat zurück

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die beschwerdeführende Partei war im Jahr 2016 die steuerliche Vertretung der ***F*** GmbH in Liquidation.

Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der ***F*** GmbH in Liquidation übermittelte die Abgabenbehörde der beschwerdeführenden Partei am die als Bescheide intendierten Erledigungen.

Die als Bescheide intendierten Erledigungen waren adressiert an die ***F*** GmbH in Liqu zH "beschwerdeführende Partei", Adresse "beschwerdeführende Partei"

Die beschwerdeführende Partei hatte im Zeitraum bis keine Zustellvollmacht.

Mit Schreiben vom forderte die Abgabenbehörde die beschwerdeführende Partei mit Hinweis auf das Ergänzungsersuchen unter Androhung einer Zwangsstrafe iHv € 500,00 auf, 1. die Originalbescheide zu retournieren bzw. für den Fall, dass sich diese nicht mehr in der Kanzlei befänden bekanntzugeben, wann und an wen die Bescheide übergeben bzw. ausgehändigt wurden und 2. eine Zustelladresse der ***F*** GmbH in Liquidation bekanntzugeben. Sofern keine Adresse bekannt sei, wäre eine diesbezügliche Mitteilung zu erbringen.

Das Schreiben blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom wurde die Zwangsstrafe in Höhe von € 500,00 festgesetzt.

Die Zustellung der als Bescheide intendierten Erledigungen vom an die ***F*** GmbH in Liquidation konnten nicht festgestellt werden.

Beweiswürdigung

Die obigen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und können somit gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 111 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht.

Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muss der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Einbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist.

Wie aus dem festgestellten Sachverhalt ersichtlich, wurden die von der Abgabenbehörde als Bescheide intendierten Erledigungen fälschlicherweise der beschwerdeführenden Partei übermittelt.

Materieller Empfänger der als Bescheide intendierten Erledigungen vom war die ***F*** GmbH in Liquidation.

Gemäß § 97 BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Gemäß § 97 BAO sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.
Vor Bekanntgabe entfaltet ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen; ein "Nochnicht-Becheid" kann daher jederzeit von der Behörde zurückgenommen, abgeändert oder durch eine andere Erledigung ersetzt werden (vgl. , , 0012).

Die Abgabenbehörde ersuchte daraufhin die beschwerdeführende Partei um Rückübermittlung dieser Erledigungen.

Die Abgabenbehörde kann die Befolgung auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch Dritte nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe erzwingen.

Zweck der Zwangsstrafe ist einerseits die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und andererseits die Abgabepflichtigen zur Einhaltung ihrer Obliegenheiten anzuhalten ().

Zwangsstrafen sind Nebenansprüche gemäß § 3 Abs 2 lit c und können niemals aus der Rechtsordnung als solcher erwachsen. Vielmehr bedarf es zunächst einer individuellen behördlichen Anordnung. Wird dieser nicht nachgekommen, so ergibt sich die Berechtigung, ihre Befolgung mittels Zwangsstrafe durchzusetzen. Die behördliche Anordnung im konkreten Fall war die Rückübermittlung der fälschlicherweise übermittelten (als Bescheide intendierten) Erledigungen.

Die Rückübermittlung von als Bescheiden intendierte Erledigungen an den steuerlichen Vertreter, der keine Zustellvollmacht hat, ist jedoch keine gegenüber der Abgabenbehörde gesetzlich vorgesehene zu erbringende Leistung.

Vielmehr hat die Abgabenbehörde dafür Sorge zu tragen, dass eine ordnungsgemäße Zustellung bewirkt wird. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so sieht zB das Zustellgesetz die Möglichkeit der Heilung vor. So gilt die Zustellung gemäß § 7 ZustG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Darüber hinaus hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass die Abgabenbehörde erneut eine Zustellung vornimmt.


Zusätzlich forderte die Abgabenbehörde die beschwerdeführende Partei auf, die (aktuelle) Zustelladresse der ***F*** GmbH in Liqudation bekannt zu geben.

Auch diese Aufforderung war für die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Abgabenbehörde nicht erforderlich.

Gemäß § 143 BAO ist die Abgabenbehörde berechtigt zur Erfüllung der im § 114 BAO bezeichneten Aufgaben, Auskunft über alle für die Erhebung maßgebenden Tatsachen zu verlangen. Das bedeutet grundsätzlich, dass die Verhängung einer Zwangsstrafe zulässig ist.

Wie bereits oben ausgeführt ist Zweck der Zwangsstrafe die Abgabenbehörde bei der Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen.

Die Festsetzung der Zwangsstrafe liegt (dem Grunde und der Höhe nach) jedoch im Ermessen der Abgabenbehörde (vgl. Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I³ § 111 Rz 15). Bei der Ermessensübung ist ua die abgabenrechtliche Bedeutung (Auswirkung) der verlangten Leistung zu berücksichtigen (vgl. Ritz/Koran BAO7, § 111 Rz 10).

Auch wenn die beschwerdeführende Partei durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, Auskunft über die aktuelle Zustelladresse zu geben, hat(te) die Abgabebehörde die Möglichkeit eine aktuelle Zustelladresse über die behördlichen Register (zB Firmenbuch) ausfindig zu machen. Sofern eine Zustelladresse während eines aufrechten Verfahrens nicht leicht ausfindig gemacht werden kann besteht darüber hinaus die Möglichkeit nach § 8 Abs. 2 ZustG zuzustellen.

Eine ordnungsgemäße Zustellung (auch ohne die Auskunft der steuerlichen Vertretung) hätte demzufolge ohne größere Probleme erwirkt werden können.

Der Bescheid über die Festsetzung der Zwangsstrafe erfolgte demzufolge rechtswidrig und ist ersatzlos aufzuheben.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Die mit dem vorliegenden Erkenntnis zu lösenden Rechtsfragen sind durch die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung geklärt bzw. ergeben sich aus dem Wortlaut der anzuwendenden einschlägigen Bestimmungen. eine Revision ist nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 111 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101958.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at